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Ethos Jahr 2016 Nr.11

Published by The Virtual Library, 2022-09-07 07:06:34

Description: Christliche Zeitschrift

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Ausgabe 11/2016 I 33. Jahrgang I www.ethos.ch I 5 6.00, CHF 6.90 bedeutungVs oll leben Wahrheit Die Trotzdem-Liebe und Toleranz Eine ganz andere Liebe Computerspiel Pokémon Go ZweifelInterview Verlust in der Familie – wenn der Glaube in Schieflage gerät

RUBRIK I ««Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir! Hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Jesaja 41,10 a Wenn es dunkel wird ... Ein Junge von acht Jahren fällt beim Spielen in einen tiefen Schacht, der nicht einmal sechzig Zentimeter breit ist. Alle Umstehenden reagieren mit Verwirrung, Panik und Entsetzen. Sie laufen durcheinander, rufen sich gegenseitig Befehle zu. Männer mit Leitern, Schaufeln und Stricken eilen herbei. Sie alle horchen in den Schacht, ob das Kind noch lebt. Einer will sogar einen Bagger holen, um einen zweiten Schacht neben dem ersten zu graben. So wollen sie das Kind retten. Als die Eltern des Jungen zum Schacht kommen, wird es ganz still. Der Vater beugt sich über die Schachtöffnung und im selben Augenblick ertönt aus der Tiefe ein herzzerreissender Schrei. Der Vater weiss nun: Sein Sohn lebt! Aber weil er sich über den Schacht beugt, wird es dunkel im Loch, sodass der Junge noch mehr in Angst und Panik gerät. Da sagt der Vater: «Keine Angst, wenn es dunkel wird, bin ich es.» Das Geschrei verstummt und langsam lässt der Vater ein Seil hinunter. Er erklärt seinem Sohn, wie er das Seil unter seinen Achseln befestigen soll, und nach bangem Warten zieht er ihn ganz langsam und vorsichtig heraus. Bald ist der Junge gerettet. Keinen Augenblick hatte er Angst verspürt, denn er dachte immer an die Worte seines Vaters: «Wenn es dunkel wird, bin ich es.» n Ursula Berg 2 ethos 11/2016

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER «Wer glaubt denn noch so was?» Provokativ lässt der Lehrer seinen Blick in die Runde schweifen. «Ich», meldet sich eine Maturandin, «wenn Gott Gott ist, ist es für ihn kein Problem, dass er die in der Bibel beschriebenen Wunder genau so getan hat, wie es dort steht. Wenn er Gott ist, dann ist ihm möglich, was uns unmöglich scheint. Darum glaube ich an ihn.» Menschen, die Gott nicht kennen, zweifeln an ihm. Das ist normal, denn der Zweifel wird erst durch Vertrauen ausgeräumt. Das andererseits bedingt, dass sich jemand oder etwas als vertrauens- würdig erweist. Insofern kann dieser grundlegende Zweifel an der Existenz Gottes wertvoller Motor sein, die Reise nach der Wahrheit anzutreten. Dazu ist es unabdingbar, die Berichte der Bibel mit «Wir wünschen aber, historischen Aufzeichnungen zu vergleichen, Prophetien (es gibt Hunderte davon!) auf ihre Erfül- lung zu überprüfen und zu forschen, ob Gottes Wort wahr und aller Annahme wert ist. Haben Sie dass jeder von euch die Antwort schon gefunden? Wenn nicht, schieben Sie es nicht auf, denn von ihr hängt nicht we- denselben Eifer niger als alles ab. Sollte es wirklich jemanden geben, der über alle Zweifel erhaben ist? Zweifel-los! (Lesen Sie dazu den Beitrag «Wahrheit und Toleranz», Seite 36–39.) beweise, die Hoffnung Doch klopft der Zweifel nicht auch bei Christen an? Kennen wir nicht alle Zeiten, in denen festzuhalten bis ans wir uns fragen, ob Gott uns vergessen hat? Wo der Zweifel so sehr an uns nagt, dass wir Angst be- kommen, von ihm fortgerissen zu werden? Ich schon! Vermehrt sind Stimmen zu hören, die sagen, Ende, damit ihr nicht es sei gut, an Gott zu zweifeln – ja, dies zeuge gar von einer mündigen Gottesbeziehung. Das hat träge werdet, sondern mich nachdenklich gestimmt. Ich glaube, es besteht ein grosser Unterschied zwischen «Gottes Wege mit uns nicht verstehen» und «Gottes Wort anzweifeln». Nachfolger derer, Wir dürfen und sollen unsere Anfechtungen, unsere Nöte vor Gott bringen, ja zu ihm schreien. die durch Glauben Er kennt uns, also seien wir ehrlich: «Herr, ich verstehe dich nicht! Was hast du vor? Ich kann nicht sehen, was auf diesem Weg gut sein soll. Ich glaube, hilf meinem Unglauben!» Tränen, Einsamkeit, und Geduld die Enttäuschungen, Verletzungen und absolute Kraftlosigkeit gehören vor den Thron Gottes! In dieser Verheissungen Hinsicht erweist sich «Zweifel» als etwas Nützliches, denn er offenbart unsere Schwachheit, zeigt aber auch Gottes Gnade, die unendlich viel grösser ist, als es unsere Zweifel je sein könnten. ererben.» Aber Achtung: Wer Gott vertraut, wird zur Zielscheibe des Teufels. Ja, es gibt ihn, den Wider- sacher Gottes, und es ist sein Ziel, die Gläubigen zu Fall zu bringen. «Sollte Gott gesagt haben Hebräer 6,11+12 ...?» Mit dieser Frage zweifelte die Schlange im Paradies erstmals Gottes Segnungen für die Men- schen an und fand Gehör. Die gleiche Strategie wendet der Teufel noch heute bei jedem Gotteskind an. Mal vorlaut frech, mal leise und harmlos verpackt. Dieser Zweifel gibt nur auf, wenn man sich ihm stellt. Dabei ist es entscheidend, dass wir mit der richtigen Waffe kämpfen: mit der Wahrheit, dem Wort Gottes. An ihr muss sich alles orientieren; sie ist unverrückbar und ändert sich niemals, wie chaotisch die Umstände auch sein mögen. Lesen Sie dazu den Artikel über Glaubenszweifel ab Seite 22. Dem Geflüster des Teufels, das die tragfähige Beziehung zum Heiland ansägen möchte, gilt es entgegenzuhalten: «Auch wenn dein Gesäusel noch so verführerisch klingt, Gott sagt etwas ande- res. Und ich glaube ihm, denn im Gegensatz zu ihm hast du noch nie gehalten, was du versprichst. Du bist nicht der Ankläger Gottes, sondern der Angeklagte!» Täglich dürfen Kinder Gottes darauf vertrauen, dass der Herr sie auch dann hält, wenn sie zweifelnd loslassen. ER ist der Anker, der Halt gibt. Ruft er uns, können wir ihm vertrauensvoll folgen. Wenn einer hält, was er verspricht, dann ist es Jesus. Zweifel-los! Möge die Freude, die «Verheissungen Gottes ererben» zu dürfen, Sie begleiten und ermutigen, geduldig zu glauben, auch dort, wo Sie den Weg noch nicht sehen. Ihre editorialDanielaWagner-Schwengeler

INHNovAemLbeTr 2016 Aktuell: Pokémon Go – Minimonster machen das Land zur Spielwiese 40 36 Diskurs: Wahrheit und Toleranz bedeutungVs oll 2 Input: Wenn es dunkel wird ... 27 Schöpfung: Turbo-Käfer 28 Liebe Gottes: Die ganz andere Liebe 31 Leserbriefe/Kreuzworträtsel 32 Rezept: Cranberries-Pistazien-Sablés 33 Persönlich: Werden, was wir sein sollen 34 Poster 36 Diskurs: Wahrheit und Toleranz 3 Editorial 6 Reportage: Flüchtige Augenblicke 12 Fokus 14 Porträt: Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt ... 16 Interview: So etwas trifft die ganze Familie bedeutu22 Glaubenszweifel:GewissheitcontraZweifel

28 Liebe Gottes: Die ganz andere Liebe 32 Rezept: 16 Cranberries- Interview: Pistazien-Sablés So etwas trifft die ganze Familie leben und glauben 40 Aktuell: Pokémon Go – Minimonster machen das 54 ethos open hands: «Apa, Mama, Apa!» Land zur Spielwiese(Wasser, Mama, Wasser!) 43 Alltagstauglich: «Hilfe! Jemand hat mich kritisiert!»56 Witz & Wissen 44 Fortsetzungsgeschichte: Martyrium Heimat (Teil 5)58 Kids: Die roten Kämpfer 48 Zeitzeichen 60 Bücher & Co. 49 Film: Nebel im August61 Gesundheit: Liebstöckel 50 Jugendmix finden Sie auf der letzten Umschlagseite. Abo-Bestellkarten52 Kreativ: Adventskalender – 24 Überraschungen im ungVs ollGlas–liebevollverpackt

REUPBORRIKTAIGE I Einsame Bäume in einer Nebellücke (Kanton Baselland). FLÜCHTIGE Buchenwald im Jura. Tannenwald im Jura. 6 ethos 101/2016

Gehören Sie auch zu den Leuten, die sich bei Nebel am liebsten im warmen Wohnzimmer verkriechen? Dann ist es an der Zeit, sich einmal wettertauglich anzuziehen und einen Nebel- Spaziergang zu machen. AUGENBLICKE Winterlich wie in Lappland, aber im Neuenburger Jura. ethos 10/2016 7

Es gibt unendlich viel zu entdecken! Selbst alt vertraute Orte erhalten bei dem düsteren Grau ein völlig anderes Gesicht. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb ich als Foto- graf den Nebel so liebe – auch wenn er mir allzu oft einen Strich durch die Rechnung macht, ich friere oder die Nebelobergrenze entweder zu hoch oder zu tief liegt. Trotzdem entstehen zuweilen einmalige Fotos, denn Stimmungen und Motive zeigen sich manch- mal nur für einen Augenblick. «Ich liebe den Nebel, weil er die Welt so klein macht, dass ich sie verstehen kann.» Diesen Spruch habe ich kürzlich gelesen. Er beschreibt genau das, was mir am Nebel so gut gefällt. Plötzlich entdeckt man Details, die vorher im Durcheinander und der Grösse der Landschaft untergegangen sind. Manchmal versteckt der Nebel auch hässliche Objekte wie Stromleitungen, Masten etc. und isoliert einen Baum oder ein Haus, das uns vorher gar nie aufgefallen ist. Nebel reduziert unsere Umgebung auf das Einfache. Natürlich kann man diese Aussagen über den Nebel auch als Metapher für das Leben betrachten. Auch dort sehen wir oft nicht klar. Doch genau dieser Umstand hilft uns, den Blick auf das Wesentliche zu richten. Mit diesen Fotos möchte ich Sie motivieren, einmal bewusst bei Nebel nach draussen zu gehen, um aufmerksam nach solchen Motiven zu suchen. Ob Sie dann auch noch fotografieren oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Viel Spass und spannende Ent- deckungen! n Martin Mägli, Jahrgang 1977, verheiratet, zwei Kinder, Naturfotograf und Lehrer. Etliche seiner Bilder wurden an inter- nationalen Wettbewerben ausgezeichnet. www.naturbild.ch Nebelmeer im Jura. Nebliger Morgen in Bern. 8 ethos 10/2016

I RUBRIK Nebelschwaden unterhalb der Belchenflue (Kanton Baselland). Burgäschisee (Kanton Solothurn/Bern). ethos 101/2016 9

Knorrige Buchen im Jura. TIPP: Kalender Wunder der Schöpfung 2017 Bestellen Sie jetzt die neuen Kalender Fotografien und Bibelverse des beliebten ethos-Reportage- Fotografen! Als Begleiter durch das Jahr möchte Sie der Kalender einladen, den Reichtum der biblischen Botschaften zu erschliessen. Die wunderschönen Fotografien von Martin Mägli sollen Sie inspirieren, die Bibelverse in ihrem Zusammenhang zu lesen. Kalender Naturwunder Schweiz 2017 Kleines Land – Grosse Wirkung! Die wunderschönen Naturaufnahmen von Martin Mägli zeigen in beeindruckender Weise die Faszination und Vielfalt dieses einzigartigen Landes. Beide Kalender: Hochwertiger Farb-Druck im Format 48 x 34,5 cm/ 34,5 x 48 cm, 12 Abbildungen, Foliendeckblatt, Wire-O-Bindung Preis: CHF 28.–; zzgl. CHF 8.00 Versandspesen (Schweiz). (ab 3 Kalender portofrei) Bestellungen unter: www.naturbild.ch, Mail: [email protected] oder Tel.1(000e4t1ho)s(010)3/23014638 17 37

Einsamer Baum in Burgistein (Kanton Bern). WAS NEBEL IST UND WIE ER ENTSTEHT Das Wort Nebel hat griechische und lateinische Wurzeln und bedeutet nichts anderes als «Wolke». Diese besteht aus kleinen, in der Luft schwebenden Wassertröpfchen, teilweise auch in gefrorenem Zustand. Je nachdem, in welcher Höhe über dem Erdboden sich die Tröpfchen befinden, werden sie meteorologisch als Nebel, Hochnebel oder Wolken bezeichnet. Von Nebel spricht man, wenn dieser auf der Erdoberfläche aufliegt und die Sichtweite weniger als einen Kilometer beträgt. Sieht man weiter, aber weniger als vier Kilome- ter, herrscht Dunst. Und wenn die Nebelschicht von der Erdoberfläche abgehoben ist, bezeichnet man sie als Hochnebel, ab einer Ober- grenze über ca. 2000 m als hochnebelartige Bewölkung. Die Nebeldicke kann zwischen wenigen und einigen hundert Metern betragen. Mikroskopisch kleine Partikel – Pollen, Salze oder feinster Staub – bilden als sogenannte Kondensationskerne die Grundlage. An ihrer Oberfläche kondensiert der Wasserdampf, wenn sich mit Wasserdampf gesättigte Luft abkühlt. Die Wasserpartikel wachsen stetig und fliessen zusammen. So entstehen immer grössere Tröpfchen, die wir schliesslich sehen können und die sich als Feuchtigkeit auf Gegen- ständen niederschlagen. Ihre Grösse beträgt nur zwischen drei und 20 Mikrometern. Kommen Millionen solcher Tröpfchen zusammen, nehmen sie uns als Nebel die Sicht. Da die Entstehung von Nebel eine Abkühlung der Luft erfordert, entwickelt sich dieser oft am Abend oder in der Nacht, besonders im Herbst. Die kühle Luft sinkt nach unten, worauf die aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Erdboden Nebel erzeugt, meist zunächst in Sen- ken und Tälern sowie dicht über dem Boden. Bildet er sich örtlich nur in einem sehr kleinen Bereich, spricht man von einer Nebelbank. ethos 110/2016 11

FokusIrak: Pastor ermutigt Shaul Mofaz, früherer israelischer Verteidigungsminister. Jugendliche auf der Flucht Israelkongress: (Livenet) Martin, ein Jugendpastor aus dem Irak, wahrer Friede musste aus seinem Heimatdorf Karemlash fliehen, als es im August 2014 vom Islamischen Staat eingenom- (idea) Dauerhaften Frieden im Nahen Osten wird men wurde. Der 25-Jährige hätte die Chance gehabt, es nur geben, wenn die dort lebenden Juden und mit seiner Familie das Land zu verlassen. Stattdessen Araber gemeinsam Jesus Christus anbeten. Davon blieb er allein zurück im Land und floh mit vielen ande- sind die Referenten eines Israelkongresses über- ren Dorfbewohnern und vor allem den Jugendlichen sei- zeugt, der vom 15. bis 18. September in Schwä- ner Gemeinde in die Stadt Erbil. Martin hat die Jugend- bisch Gmünd stattfand. In der Schlusspredigt lichen zusammengebracht und motiviert sie nun, sich sagte der Evangelist und Pfarrer Ulrich Parzany gegenseitig zu ermutigen. «Das Wichtigste, was ich den (Kassel), dass es heute weltweit trotz zahlreicher jungen Leuten beibringen möchte, ist, dass Jesus sei- politischer Initiativen so viele Kriege gebe wie nie nem Vater komplett vertraut und sich ihm ganz hinge- zuvor in der Geschichte. Dies habe dazu geführt, geben hat, sogar in der schlimmsten Situation, nämlich dass mehr als 60 Millionen Menschen auf der am Kreuz. Ich möchte, dass sie sich sicher sind, dass Flucht seien. Parzany begrüsste alle Bemühungen wir Gott und Jesus komplett vertrauen können», erklärt um Waffenstillstände und zur Eindämmung von der Jugendpastor. Terror und Gewalt. Seiner Ansicht nach blieben sie jedoch «letzten Endes wirkungslos, weil nicht Martin organisiert Ausflüge für die Jugendlichen, Ge- der Gott des Friedens, der Friedefürst Jesus, ver- betsgruppen, nimmt sie aber auch mit, um gemeinsam kündet und zur Hinwendung zu ihm aufgerufen andere geflohene Dorfbewohner zu unterstützen. Auf wird». Zu den Kennzeichen aller, die Jesus Chris- diese Weise sind sie zu Freunden des gesamten Flücht- tus nachfolgen, gehöre die Feindesliebe. In Is- lingscamps geworden und haben selbst wieder Hoff- rael gebe es viele Beispiele dafür, dass Juden, die nung bekommen. «Durch ihre Beharrlichkeit im Ge- an Jesus glaubten, und christliche Araber Hass bet und durch die Ermutigung bekommen sie nach und und gegenseitige Vorurteile überwinden und tiefe nach ihr Leben wieder zusammen. Sie erhalten neue Freundschaften pflegen können. Hoffnung. Viele haben sogar das Gefühl, genügend Kraft zu haben, um zurück in unser Dorf zu gehen und es wieder aufzubauen. Wir beten jetzt einfach dafür, dass das Dorf bald wieder befreit wird!» Jerusalem: ungewöhnliche Münze entdeckt (Ulrich W. Sahm) Bei Ausgrabungen der «University of North Carolina at Charlotte» auf dem Zionsberg in Jerusalem ist erstmals eine bestens erhaltene Goldmünze des römischen Kaisers Nero gefunden worden. Sie wurde im Jahr 56 bis 57 geprägt. Nero war 14 Jahre lang (54–68) römi- scher Kaiser und galt als grausamer Tyrann, der seine eigene Mutter er- mordet hat. Nur sehr selten werden solche Münzen bei wissenschaftlichen Grabungen gefunden, sagt der Jerusalemer Archäologe Schimon Gibson. Die Münze ist beschriftet: «NERO CAESAR AVG IMP» und «PONTIF MAX TR P III.», um einen Eichenkranz auf der Rückseite. Das Anwesen, in dem Archäolo- gen die Münze entdeckten, wurde im Jahr 70 unter dem damaligen Kaiser Titus zer- stört, als römische Legionäre die Stadt ausplünderten und dem Erdboden gleichmachten. Die Goldmünze war offenbar von ihren Besitzern gut versteckt worden. Nero hat Jerusalem nie besucht. Die Münze stammt aus dem gleichen Jahr, in dem Paulus sich zum letzten Mal dort aufgehalten hat und verhaftet worden ist, weil er beschuldigt wurde, Heiden zum Tempel gebracht zu haben. 12 ethos 11/2016

WEIHNACHTSGESCHENK GESUCHT? Wie wäre es mit einem factum-Jahres- Abo? factum – das christliche Magazin zum besseren Verständnis unserer Zeit. Als Geschenk für ...  Ihre Bekannten und Freunde  den Kollegen  den Pastor der Gemeinde  den Geschäftspartner  Ihre Angestellten Ich bestelle ein  factum-Jahres-Abonnement (9 Ausgaben zu CHF 60.–/1 52.–, exkl. Porto)  factum-Schnupper-Abonnement (4 Ausgaben zu CHF 25.–/1 22.–, inkl. Porto, gültig für CH, DE, AT) Name, Vorname als Geschenk für Strasse Name PLZ, Ort Vorname Land Strasse Tel./E-Mail (optional) PLZ, Ort Datum, Unterschrift Land Bis zum 16. Dez. 2016 einsenden an: Schwengeler Verlag AG, Hinterburgstr. 8, CH-9442 Berneck Oder bestellen unter Telefon: 0041 (0)71 727 21 20 bzw. E-Mail: [email protected]

RUBRIK I Samuel Hammer wird am 11. No­ dieser Zeit das vierte Kind, Lydia, zur handlungszeit gilt Samuel im Jahr 1995 vember 1991 als drittes Kind von Welt und betreut somit zwei Kinder als krebszellenfrei. insgesamt fünf Geschwistern geboren. in der Klinik. Komplikationen und Schon früh plagt ihn eine ausgeprägte Nebenwirkungen machen Samuel zu Bei einer harmlosen Rauferei mit Neurodermitis, die aber durch eine schaffen, auch zwischen den Therapien seinem älteren Bruder Nathanael stösst spezielle Ernährung Besserung erfährt. geht es ihm nicht gut. In der Silvester­ sich Samuel den Kopf – zurück bleibt Mit knapp zwei Jahren fühlt er sich nacht 1993/94 hat der Kleine hohes ein blauer Fleck an der Stirn. Dieser tagsüber auffallend müde und möchte Fieber, kein Antibiotikum spricht mehr entwickelt sich zu einer Beule im nach einer Stunde Spielen bereits wie­ an. «Bereiten Sie sich darauf vor, dass Durchmesser eines Zweifrankenstücks, der schlafen. Der Kinderarzt überweist Ihr Sohn diese Nacht sterben wird», die sich aber nicht zurückbildet und ihn zur weiteren Abklärung in die Kin­ informieren die Ärzte. Doch Gott, der daher im Mai 1998 entfernt wird. Darin derklinik, wo man eine massive Blut­ Herr über Leben und Tod, hat andere werden erneut Krebszellen gefunden. armut feststellt. Dann wird klar: Samuel Pläne und tut ein Wunder. Am nächs­ Samuels jüngste Schwester, Damaris, leidet an Leukämie. Die Behandlung ten Morgen zeigt das Thermometer ist zu diesem Zeitpunkt vier Monate alt. in der onkologischen Kinderklinik der «nur» noch 39 Grad Fieber und Samuel Universität Freiburg beginnt. Er muss möchte Dreirad fahren! Vier Monate Eine weitere Chemotherapie folgt. sich einer Chemotherapie unterziehen. am Stück bleiben die drei in der Klinik. Die Ärzte raten zu einer Knochen­ Samuels Mutter, Tanja, bringt während Nach einer zweijährigen leidvollen Be­ marktransplantation. Das Knochen­ mark von Tabitha, Samuels grosser Schwester, ist als einziges passend. 14 ethos 11/2016

FriedeWENN I PORTRÄT MIT GOTT MEINE SEELE DURCHDRINGT ... – trotz langer Leidenszeit. Zur Vorbereitung bekommt er mehrere Ganz­ dicke zugewachsen! Unter Narkose wird körperbestrahlungen, die aber die eigenen ihm nun alle drei Wochen die Speise­ Blutzellen völlig zerstören. Er wird in ein Iso­ röhre geweitet. lierzimmer verlegt und erhält am 5. Oktober 1998 über eine Bluttransfusion das Knochen­ Erstaunlicherweise schafft es Samuel mark von Tabitha. Das angespannte Warten trotz seiner vielen Klinikaufenthalte, beginnt. Nach einer Woche bilden sich neue dem Unterricht zu folgen. Nach der Blutzellen. Dann treten Probleme auf: Die Grundschule besucht er die Realschule. Leberwerte sind schlecht, die Nieren arbeiten Er ist zwar kein Spitzenschüler, kann nicht richtig, der Darm versagt. Samuel wird aber stets mithalten. Unterdessen benö­ mit sieben Antibiotika gleichzeitig behandelt. tigt er Augentropfen, er bildet keine ei­ Nur langsam verbessert sich sein Gesund­ gene Tränenflüssigkeit mehr. Auch der heitszustand, im November darf er zum Speichelfluss ist kaum noch vorhanden ersten Mal zeitweise die Klinik verlassen. und muss behandelt werden. Das erste Schuljahr wird Samuel zu Hause Im April 2006 ist der mittlerweile von einer Lehrerin unterrichtet, da er noch 14 ½­Jährige auf 18 kg abgemagert. Ob­ vor Keimen geschützt werden muss. Im wohl er zur Unterstützung eine Ernäh­ April 1999 kommt es zu erneuten Abwehr­ rungssonde durch die Bauchdecke in reaktionen auf das Knochenmark, einer so­ den Magen verlegt bekommt, nimmt genannten GvHD: Samuels Haut beginnt er nicht zu. Er ist nicht grösser als ein zu schmerzen, wird fleckig und hart wie ein Achtjähriger, da die Bestrahlungen sein Schuppenpanzer. Der Junge kann sich nur Wachstum verhindert haben. Die At­ noch schlecht bewegen, selbst spezielle Bäder mung fällt ihm zusehends schwerer, im schaffen keine Abhilfe. Es folgt eine aufwän­ Juli 2006 beträgt der Sauerstoffgehalt in dige, zwei Jahre dauernde Behandlung in seinem Blut nur noch 60 %! Das Lun­ einer Klinik, die vier Autostunden vom gengewebe hat begonnen, sich in nicht Wohnort entfernt liegt. Der Zustand sei­ atmungsfähiges Gewebe umzuwandeln. ner Haut verbessert sich zwar, dafür treten Ein weiterer Klinikaufenthalt und neue Komplikationen auf. Samuel leidet an Untersuchungen folgen. Anfang August Schluckbeschwerden und kann immer müh­ wird Samuel mit einem mobilen Sauer­ samer atmen. Eine Kontrastmitteluntersu­ stoffgerät nach Hause entlassen – am chung ergibt: Die Speiseröhre ist auf Bleistift­ 26. August 2006 stirbt er. Sabine Kähler ethos 11/2016 15

INTERVIEW I ganzeSo etwas trifft die Familie Im Interview mit ethos erzählen die Eltern (Tanja und Thomas Hammer) und die Geschwister von Samuel, wie sie als engste Angehörige mit dem Leben und Sterben von Samuel umgegangen sind. « An dem Tag, als Samuel, eurer drittes gehen weiter als unser begrenztes Fas­ Kind, damals zweijährig, die Diagnose sungsvermögen im Hier und Jetzt. Auch Leukämie bekam, hat sich euer Leben Samuels Leben war in seinen Händen einschneidend verändert. am besten aufgehoben. Tanja: Ja, Thomas und ich weinten viel zusammen. Viele Fragen kreisten in un­ Tanja: Es war nicht das erste Mal, seren Köpfen: Was würde auf Samuel, dass wir mit Schwerem umzugehen hat­ was auf uns zukommen? Würden wir ten. Als unsere älteste Tochter, Tabitha, ihn hergeben müssen? Wozu musste acht Wochen alt war, erlitt ich einen das jetzt sein? Auch beschäftigte uns die Schlaganfall. Ich konnte nicht mehr Frage: Möchte Gott uns damit etwas sprechen, war halbseitig gelähmt und zeigen? Gibt es etwas in unserem Leben, benötigte über ein Jahr Hilfe im Haus­ das nicht recht ist? Warum aber straft halt und bei der Versorgung des Babys. Gott dann unser Kind und nicht uns? Es brauchte viel Geduld. Trotzdem sind wir dankbar, dass ich nach etwa zwei Thomas: Zunächst waren wir nieder­ Jahren wieder selbständig war. Damals geschlagen und fassungslos. Wir erleb­ schon verstanden wir nicht, weshalb ten dann aber nach und nach ganz per­ Gott das zugelassen hatte, aber wir sönlich die Realität von Philipper 4,6+7. fanden ein «Ja» durch das Vertrauen in Gottes Friede erfüllte unser Herz. Beim seine Zusage aus Römer 8,28. Lesen des Buches Hiob mit ganz an­ deren Augen wurde uns klar, dass Gott Was habt ihr während der langen Klinik- nicht nur Dinge tut, weil er es kann und aufenthalte, die Samuels Krankheit mit uns damit quasi zu widerstandslosen sich brachten, gelernt? Marionetten degradiert, sondern dass Tanja: Ich musste die Kontrolle abgeben! er, der Schöpfer und Erhalter des Uni­ Das war das Schwerste, ein riesiger versums, nur gute Pläne mit uns hat. Lernprozess. Ich war Mutter von drei Seine Gedanken, die höher sind als un­ Kindern, das vierte, Lydia, wurde gerade sere Gedanken (Jes. 55,8+9; Jer. 29,11) in dieser Zeit geboren und war dann in der Klinik immer dabei. Ich musste Ver­ Am meisten hatte ich damit zu antwortung aus der Hand geben und darauf vertrauen, dass es trotzdem läuft. kämpfen, dass er so oft und so Aber ich habe gelernt: Wenn Gott uns starke Schmerzen gehabt hat und etwas aus der Hand nimmt, dann sorgt er sich darum. Meine Eltern waren für «wir nichts dagegen tun konnten. die zwei Grossen da, wir wussten sie in guten Händen, aber dennoch ... Nathanael, Bruder Auch sonst konnten wir das Famili­ enleben nicht planen. Samuels Krank­ heit machte, was sie wollte. Mal hiess es, «ihr könnt heim», um gleich danach

wieder zu hören, «dableiben, sieht doch «Da ich erst acht Jahre alt war, schlecht aus». Das Leben in der Klinik schien kein Ende zu nehmen. «als Samuel starb, habe ich nicht Wenn es rundläuft in unserem Le­ viele Erinnerungen an diese Zeit. ben, meinen wir leicht, alles unter Kon­ (...) Er hat sich sehr oft gefreut trolle zu haben. Die Not lehrt uns, dass und dabei vor Freude in die Hände dem nicht so ist. Was für ein Trost zu geklatscht. wissen und zu erleben, dass alles am Thron Gottes vorbei muss! Er weiss da­ Damaris, Schwester rum und hat die Kontrolle über unser Leben, wenn wir sie ihm nur überlas­ habe ich auf der Strasse verbracht. Im tot auf dem Wohnzimmerboden gefun­ sen. Dann steuert er unser Lebensschiff Nachhinein ist es ein Wunder der Gnade den hatte. durch den Sturm. Gottes, dass er mich bewahrt und täg­ lich die nötige Kraft geschenkt hat. Ich Einige Wochen später, als ich meine 13 Jahre bin ich nur von einem Ter­ kann nur danke sagen. Frau mal für eine paar Tage in der Kli­ min zum anderen gehetzt, nicht nur nik vertreten habe, brach ich an einem für Samuel, auch für die anderen Kin­ Die schwerste Zeit begann für mich Abend in meinem Zimmer in der El­ der. Ich hatte gar keine Wahl, es lief wie jedoch an dem Tag, an welchem wir die ternunterkunft in Freiburg innerlich automatisch. Denn ich weiss, dass viele Nachricht von Samuels Rückfall erhiel­ zusammen, lag auf dem Gesicht und Menschen für uns gebetet haben. Die ten. Wir bekamen einen Anruf von den heulte hemmungslos. Ja, ich haderte Kraft reichte über Jahre, Tag für Tag, Freiburger Ärzten, als wir gerade auf mit Gott und seinen Wegen. Samuel auch wenn ich eigentlich für mich nie der Rückfahrt von meiner Mutter wa­ war doch wieder gesund gewesen. Zeit hatte. ren, die am selben Morgen ihren Mann, Warum jetzt dieser Rückfall? Ich hatte meinen Vater, nach einem Herzinfarkt mir das alles ganz anders vorgestellt. Für mich ist in dieser Zeit, wie oben erwähnt, Römer 8,28 lebendig gewor­ den, auch der Vers aus 2. Korinther 12,9: «Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mäch- tig.» Diese Verse sind mit Inhalt gefüllt worden; ich habe erlebt, dass Gott greif­ bar ist. Der Herr Jesus nahm mich an der Hand und führte mich da durch – so eine enge Beziehung hat man leider oft nur in Notzeiten. Nur dann erwarten wir alles von ihm und erleben sein wun­ derbares Eingreifen. Das war für mich das Allergrösste. Uns wurde bewusst: Eigentlich geht es um nichts anderes auf dieser Erde als um diese enge Beziehung zu Jesus Christus, schon hier und jetzt – wir sind auf dem Weg in den Himmel. Das Wichtigste ist, dass wir errettet sind und wissen, wo unser Ziel ist. Wenn man das vor Augen hat, kann man alles andere ertragen. Thomas: Oft wurde meine Frau be­ dauert, weil sie so viel in der Klinik sein musste, was ja auch berechtigt war. Aber auch ich als Vater litt unter der Situa­ tion. Ständig pendelte ich zwischen mei­ ner Arbeitsstelle, dem Wohnort meiner Schwiegereltern, wo sich die beiden äl­ testen Kinder befanden, und der Klinik mit meiner Frau, Samuel und der jeweils jüngsten Tochter. Unzählige Kilometer ethos 11/2016 17

Plötzlich erinnerte mich der Geist ein Teil sind, und haben geputzt und gesund ist?» Ja, was sagt man dann zu Gottes an Römer 8,31+32. Musste mir gebügelt. Sie sprachen nicht nur von seinem Kind? Ich hörte von ihm nie Gott etwas beweisen? Hatte er seine Nächstenliebe, sondern lebten sie. Das vorwurfsvolle Äusserungen gegen Gott, grenzenlose Liebe nicht bereits erwie­ war eine schöne Erfahrung. Die Anteil­ keine Rebellion. Natürlich hatte er eine sen, als er Jesus Christus für mich nahme war wirklich echt! Manche Sonderstellung. Aber er war auch so gegeben hatte? Hatte er nicht meine haben einfach mal ein Essen vorbeige­ integriert in der Familie, dass er sich Vergangenheit und meine Zukunft ge­ bracht und viele beteten für uns. Das nicht unbedingt als Leidender vorkam. regelt, wie es besser nicht sein konnte? hat uns getragen. Samuel hat mit etwa acht Jahren Das Reden Gottes an diesem Abend Oder einmal kamen alle Kinder aus sein Leben Jesus übergeben, so wie er hat mir den Blick für das Wesentliche im der Kinderstunde zu uns in den Garten. es verstanden hat. Stück für Stück ist Leben neu geöffnet und mir den inne­ Zu der Zeit musste Samuel mit Mund­ er in diesen Jahren im Glauben ge­ ren Frieden zurückgegeben, dauerhaft. schutz auf der Terrasse sitzen, damit er wachsen. sich nicht ansteckte. Sie sangen Lieder Gott war und ist eure Hilfe im Alltag. für ihn. Er hatte solche Freude! Seine Kraft reichte oft nicht aus, Habt ihr auch Schönes im zwischen- um draussen zu spielen, dann hat er menschlichen Bereich erlebt? Thomas: Ich kann mich dem nur sich eben drinnen alleine beschäftigt. Tanja: Als die beiden ältesten Kinder anschliessen. Erlebte Gemeinschaft von schulpflichtig wurden, war mir meine Christen, die Gottes Liebe praktizierten. Er war reifer als andere Kinder, man Mutter eine riesen Hilfe, weil sie be­ merkte das im zwischenmenschlichen reit war, bei uns im Haus zu wohnen. Wie ist Samuel mit seiner Krankheit Bereich oder daran, wofür er sich Und immer wieder kamen Frauen aus umgegangen? interessierte. Man hatte das Gefühl, der christlichen Gemeinde, von der wir Tanja: Als kleiner Junge hat er mich oft er habe durch seine Krankheit gefragt: «Mama, wie ist es, wenn man schon irgendwie mehr Lebenserfahrung. «Ich empfand Wut und Enttäuschung, dass Menschen so verächtlich schauten und keine Ahnung hatten, was mein Bruder alles schon erlebt hatte und aus welchem Grund er «dünn war und sich seine Haut so verändert hatte. Lydia, Schwester 18 ethos 11/2016

««Ich weiss, dass viele Menschen für uns gebetet haben. Die Kraft reichte über Jahre, Tag für Tag, auch wenn ich eigentlich nie Zeit für mich hatte. Tanja, Mutter Allerdings kam es durch die hohen Aber ich habe ja von meinem prägen­ Ein Foto von Samuel hängt im Ess­ Cortisongaben zu Wesensveränderun­ den Erlebnis in der Elternwohnung zimmer, denn er wird immer ein Teil gen. Manchmal schrie Samuel laut und berichtet. Ich würde es daher eher unserer Familie bleiben. Wenn ich ungehalten. Das war uns fremd, denn «Wehmut» als «Trauer» nennen. So heute an ihn denke, erinnere ich mich eigentlich war er sonst keiner, der an­ pflege ich mit ganzem Herzen zu sagen: mit Freude an die schönen Sachen, die dere extra ärgerte oder gar jähzornig Samuel ist schon dahin vorausgegangen, wir gemeinsam gemacht haben. Ich bin war. Als er älter wurde, konnten wir wohin ich noch unterwegs bin. Das ist dankbar für die Zeit, die wir mit ihm mit ihm über seine unkontrollierten eine reale, frohe Erwartung, die nicht verbringen durften. Wutausbrüche reden und gemeinsam reserviert ist für Alte und Kranke. beten. Eines war uns aber wichtig: Wir Tanja: Anfangs war da keine Trauer. wollten aus dem Kinderzimmer keinen Auf der Beerdigung sagte der Kon­ Ich konnte einfach nur danke sagen. «Tempel» machen. Einen Teil seiner rektor der Schule, wie sehr sie alle Sa­ Wenn man als Eltern sein geliebtes Kind Spielsachen verteilten wir an die ande­ muel bewundert hätten. Nie habe er ge­ 15 Jahre mit Schmerzen, Leiden, nach ren Kinder und sein Zimmer ist jetzt klagt, sondern immer gelacht und wäre Luft ringend sieht – ist man einfach ein Gästezimmer. freundlich gewesen. Man selbst würde froh, dass es vom Leiden erlöst ist. ja schon bei einem Schnupfen jam­ Könnt ihr vier Geschwister erzählen, mern, aber Samuel habe gar in der Zeit, Samuel hatte Jesus lieb, er hat das womit ihr ganz persönlich am meisten als er nur noch schlecht Luft bekam, Ziel erreicht und ist nun da, wo wir mal zu kämpfen hattet während der langen sich nur mit Widerwillen helfen lassen. hinwollen. Wir sind schlechte Fried­ Krankheitszeit von Samuel? Er wollte niemandem zur Last fallen. hofsbesucher – Samuel ist nicht dort. Tabitha: Es ist schwierig für mich, zu sagen, womit ich am meisten zu Wie habt ihr den Tod und das Fehlen Sein Lieblingslied hiess: «Wenn nach kämpfen hatte, vieles ist zu lange her. von Samuel bewältigt? Vielleicht zuerst der Erde Leid, Arbeit und Pein, ich in Schlimm war, dass Mama so selten da du, Thomas – Männer und trauern die goldenen Gassen zieh ein ...» Das war. Als ältestes Kind in Summe am dürfen ist ja so eine Sache ... sangen wir auf der Beerdigung. Die wenigsten Zeit mit der Mutter verbracht Thomas: Trauer? Ja und nein. Samuel Trauer kam viel später. zu haben (zumindest war das mein hat eine Lücke hinterlassen, keine Frage. subjektives Empfinden), ist schlimm. Anfangs hatte ich schon den Ge­ Meine Oma ist mir zur zweiten Mutter danken, dass ich unseren Samuel noch geworden. Zu ihr habe ich ein ganz gern behalten und für ihn gesorgt besonderes Verhältnis. hätte. Aber sofort wurde mir klar, dass dies vordergründig verständliche, aber Lange Zeit quälte mich auch der doch egoistische Gedanken waren. Wer Gedanke, dass ich es war, die meinen hätte denn die Schmerzen und müsste Bruder umgebracht hatte. Es war mein weiterhin leiden? Unter Tränen gab ich Blut, das die GvHD hervorgerufen hat, mir selbst die Antwort. Nein, Gott hat entgegen der Prognosen der Ärzte. es richtig gemacht, unseren Samuel Es hat lange Jahre gedauert, ich bin ja wieder nach Hause zu holen. Er war heute schon fast 30, bis mir klar wurde, uns, wie es alle Kinder sind, nur gelie­ dass ich damit nichts zu tun hatte. hen. Es war Gottes Plan. Die Gründe werde ich vielleicht erst im Himmel erfahren. Manche Dinge sind mir eingefallen, Aber es ist nicht meine Schuld gewe­ die ich im Nachhinein anders gemacht sen. hätte. Solche Gedanken kommen ein­ fach. Aber ich musste immer wieder sagen: Herr, du machst keine Fehler. ethos 11/2016 19

Nathanael: Es gab einige Dinge, mit ««Schlimm war, dass Mama so selten denen ich zu kämpfen hatte. Als ich noch jünger war, fand ich es oft unfair, da war ... Lange Zeit quälte mich dass Samuel eine Sonderbehandlung auch der Gedanke, dass ich es war, bekam und er Sachen durfte bzw. be­ die meinen Bruder umgebracht hatte. kommen hat, die wir nicht durften oder bekamen. Aus heutiger Sicht wäre ich Tabitha, Schwester froh, wir wären damals nicht so egois­ tisch gewesen und hätten ihm wenigs­ ten. Ich empfand zu dieser Zeit Wut ruf, dass ich warten müsse, der Not­ tens diese Freuden im Leben gegönnt. und Enttäuschung in meinem Herzen, arzt sei unterwegs. Samuel sei tot. Es Heute bin ich traurig über mein Verhal­ dass diese Menschen so verächtlich war ein Schlag. Wir hatten uns im Streit ten. Am meisten hatte ich jedoch damit schauten und keine Ahnung hatten, was getrennt. Die letzten Worte, die ich zu kämpfen, dass er so oft und so viel mein Bruder alles schon erlebt hatte mit meinem kleinen Bruder gewech­ Schmerzen gehabt hat und wir nichts und aus welchem Grund er dünn war selt hatte, waren voller Zorn gewesen. dagegen tun konnten. Ganz besonders und sich seine Haut so verändert hatte. Der war zwar zu dem Zeitpunkt in mir erinnere ich mich an die Zeit, in der schon wieder verraucht, aber es war nun Samuel oft starke Krämpfe hatte und er Damaris: Da ich die Jüngste bin und mal das sprichwörtlich «letzte Wort». sich fühlte, als würde es ihn innerlich erst acht Jahre alt war, als Samuel starb, Da habe ich mir vorgenommen, erstens auseinanderreissen. Es ist sehr schlimm, habe ich nicht viele Erinnerungen an immer zu sagen, was ich denke, wirklich mitanzusehen, wenn der eigene Bruder diese Zeit. Aber eine Sache ist mir im ehrlich und aufrichtig zu sein und den schreiend vor Schmerzen auf dem Bo­ Gedächtnis geblieben. Er hat sich sehr Frieden zu suchen, wo ich kann. den liegt und wiederholt ruft: «Herr oft gefreut und dabei häufig vor Freude Jesus, hilf mir!» und man selbst nur in die Hände geklatscht. Es gibt dieses Lied von «Mike and the zusehen und ihm nicht helfen kann. Mechanics» (säkulare Musik), es heisst Was hat sich in eurem Leben nachhaltig «In the Living Years». Darin geht es ge­ Lydia: Ich kann nicht sagen, dass verändert? Haben sich Prioritäten nau darum, zwar in einer Vater­Sohn­ ich mit etwas besonders zu kämpfen verschoben? Gar zum Guten? Beziehung, aber die Botschaft ist für hatte. Ich wurde ja geboren, als Samuel Tabitha: Am nachhaltigsten hat mich, jeden Menschen und absolut biblisch. schon krank war. Es waren eher klei­ glaube ich, verändert, wie ich von sei­ Eine Zeile lautet: «I wasn’t there that nere Dinge, die kleine Kinder nicht ver­ nem Tod erfahren habe. Ich hatte ihn morning, when my father passed away. stehen, z. B. warum er bestimmte Dinge zwei Wochen nicht gesehen, weil ich in I didn’t get to tell him all the things I essen durfte, wenn er sie wollte, und Adelboden in den Ferien gewesen war. had to say.» Genau das ist mir passiert. ich diese nicht bekam. Später habe ich Am Tag seines Todes wollte Papa mich Und ich will nicht, dass so etwas noch verstanden, dass es wichtig war, dass sowieso abholen. Morgens kam ein An­ einmal geschieht. er gut ass, weil er durch die Krankheit auch sehr viel abgenommen hatte und es wichtig war, wenn er schon mal Lust hatte zu essen. Man musste ihn natürlich vorsich­ tig anfassen und behutsam umarmen, was ich manchmal echt lieber fester ge­ macht hätte. Ich hatte ihn körperlich in der Grösse und Stabilität sehr bald überholt. Wenn er auf meinem Schoss sass, musste er immer auf einem Kissen sitzen, weil ihm sonst alles wehtat. Aber daran gewöhnt man sich und lernt, den anderen zu umsorgen. Manchmal war er so schwach, dass ich, obwohl ich in Klassenstufen unter ihm war, seine Schultasche zu den verschiedenen Klas­ senzimmern tragen musste, weil sie ihm zu schwer wurde. Was jedoch ein grosser Störfaktor für mich war, waren all die Leute, die glotz­ 20 ethos 11/2016

Nathanael: Ich habe durch die Als Samuel mit 14 Jahren zu unse­ nicht so viele Schranken aufweist – und Krankheitszeit von Samuel gelernt, dass rem Herrn heimgegangen ist und die treu und mit dem Blick auf das Ziel ge­ Gott immer einen Plan hat und der Beerdigung war, staunte ich, wie viele richtet den guten Kampf kämpfen mit Plan gut ist. Und wenn man ihm die Leute kamen: aus der Uniklinik Frei­ und für unseren Herrn Jesus. Dass man Sorgen und Nöte abgibt, schenkt er burg, von den Nachbarn, Freunden, auch nach unserem Tod über uns sagen einem inneren Frieden. Insbesondere Lehrern der Schule, die er besucht hat, kann: «Gott war immer der Erste in durfte ich durch Samuel erfahren, dass und Glaubensgeschwister. Das war ein seinem/ihrem Leben und ich bin beein­ er immer zu Gott gehalten hat, in jeder Zeichen, wie Samuel ein zeugnishaftes druckt von der Kraft, die dieser Mensch Lage, und er trotz seiner Leiden die Leben mit Gott gelebt und es so viele von Gott hatte. Da muss echt mehr meiste Zeit fröhlich war. Das hat mich Kreise gezogen hat. dran sein, als ich dachte.» Das wünsche sehr beeindruckt. Und das habe ich mir ich uns. Gott die Ehre! auch vorgenommen, dass, egal in wel­ Und manchmal denke ich: Wenn cher Situation ich bin, der Friede und jemand, der von klein auf krank war Herzlichen Dank für Eure Offenheit und die Freude Gottes in mir sein und zum und viel Leid ertragen musste, so treu den Einblick in Euer Familienleben Ausdruck kommen sollen. und zuversichtlich seinen Weg geht, während der schweren Leidenszeit von der ihm von Gott gegeben wurde, wie Samuel! Sein und Euer Zeugnis möge Lydia: Ich erinnere mich oft daran, viel mehr sollten wir unsren Weg ge­ noch viele Herzen bewegen! was Samuel in bestimmten Situationen hen – der zwar auch seine dunklen Tä­ Interview: Sabine Kähler/Daniela Wagner getan hätte. Und manchmal würde ich ler mit sich bringt, aber gesundheitlich ihn gerne im Arm halten und ihm sa­ gen, dass ich ihn lieb hab. Aber ich kann nicht ausdrücken, wie dankbar ich bin, dass Samuel nun zu Hause ist, dass er es geschafft hat. Das ist sein Geschenk von Gott. Niemals habe ich Gott einen Vor­ wurf gemacht oder ihn beschuldigt, etwas falsch gemacht zu haben. Denn Samuel war mit allem, was er erlebt hatte und mit allem, was er war, ein grosses Wunder für mich und ein Segen für unsere Familie. Heute blicke ich auch anders auf Personen, denen man ansieht, dass sie körperliche Krankheiten tragen. Man hat mehr Verständnis. Und vor allem bei Christen kann die Grösse Gottes so wieder offenbar werden. «Auch ich als Vater litt unter der Situation. «Ständig pendelte ich zwischen meiner Arbeits- stelle, den Kindern und der Klinik (...) es ist ein Wunder der Gnade Gottes, dass er mir täglich die nötige Kraft geschenkt hat. Thomas, Vater

contraGLAUBENSZWEIFELI GEWISSHEIT ZWEIFEL Enttäuschungen, Ungerechtigkeit, Krankheiten, Trauererfahrungen, Depressionen, unerhörte Gebete – es gibt viele Gründe für Glaubenszweifel. Sie machen uns unruhig, rauben uns den Schlaf. Wodurch kommt unser Herz zur Ruhe? 22 ethos 11/2016

« Die Gefühle sind kein Gradmesser für die Beziehung zu Gott. notiert Das Gewissen ist nicht unbedingt Wenn wir über Glaubenszweifel reden, «die unfehlbare innere Stimme. gilt es zu definieren, was christlicher Glaube bedeutet. Hat ein Mensch die Auch Christen kennen Zweifel. Zweifel hat etwas mit Zwiespältig- Vergebung, die ihm in Jesus Christus keit zu tun. Glaube bedeutet, mit ungeteiltem Sinn Christus angeboten wird, angenommen und sich anzuhangen. Unglaube bedeutet, Gott mit ungeteiltem Sinn zu verwer- seiner Herrschaft unterstellt, ist er im fen. Zweifel bedeutet, zwischen beidem hin- und herzuschwanken. In biblischen Sinne gläubig geworden. dieser gefallenen Schöpfung liegt uns der Hang zum Zweifeln im Blut. Die Antwort Gottes auf die Umkehr ist die Und Satan, der seit Beginn der Menschheitsgeschichte Zweifel an Gott Gabe des Heiligen Geistes. So schreibt säte, hat seine Strategie nicht aufgegeben: «Sollte Gott gesagt haben ...?» Paulus an die Epheser: «In ihm (Christus) Damit wurde die Tür zur Lüge aufgestossen. Die Frage ist, wie wir da- seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahr- mit umgehen. Widersteht man diesem Angriff nicht, wird die Autorität heit gehört habt, nämlich das Evangelium von Gottes Wort systematisch untergraben. Zweifel und Misstrauen an von eurer Seligkeit – in ihm seid auch ihr, Gottes Güte und Allmacht wachsen. Die teuflische Saat geht auf. Hier als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden sollten wir den Rat des Apostels Jakobus beherzigen: «So seid nun Gott mit dem Heiligen Geist, der verheissen untertan. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. Naht euch zu Gott, ist, welcher ist das Unterpfand unseres so naht er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Erbes, zu unserer Erlösung, dass wir sein Herzen, ihr Wankelmütigen» (Jak. 4,7+8). Und weiter: Eigentum würden zum Lob seiner Herr- lichkeit» (Eph. 1,13–14). «Wer bittet, der bitte im Glauben und zweifle nicht; denn wer zwei- felt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Winde getrieben und bewegt Biblischer Glaube ist ein Herrschafts- wird. Ein solcher Mensch denke nicht, dass er etwas vom Herrn empfan- wechsel, die völlige Abhängigkeit von und gen werde» (Jak. 1,6+7). rückhaltloses Vertrauen zu Gott. «ICH KANN NICHT MEHR GLAUBEN» «Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und Schicksalsschläge, Erschütterungen oder auch Krankheiten können ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht dazu führen, dass auch Christen das Gefühl haben, nicht mehr glauben sieht», lesen wir im Hebräerbrief. zu können. Gerade bei schweren Depressionen ist der plötzliche Glau- bensverlust bekannt. Oft ist bei diesen Menschen damit die peinigende In diesem Artikel über Zweifel geht Vorstellung verbunden, sie hätten «die Sünde wider den Heiligen es um Menschen, die zum Glauben Geist» begangen. In der Seelsorge begegnet uns dabei häufig eine durchgedrungen und Jesu Eigentum sind. zwanghafte Gewissensanklage, die auf den Zuspruch der Gnade nicht mehr reagiert. Da ist es wichtig, die Betroffenen darauf hinzuweisen, ethos 11/2016 23 «... dass, wenn uns unser Herz verdammt, Gott grösser ist als unser Herz und alle Dinge erkennt» (1. Joh. 3,20). Das ist ein Wort der Ermuti- gung für angefochtene Christen. Die Gefühle sind kein Gradmesser für die Beziehung zu Gott. Das Gewissen ist nicht unbedingt die unfehlbare innere Stimme. Nur das Gewissen, das an Gottes Wort gebunden ist, gibt Antworten, die nicht von Selbstsucht angefressen sind. Deshalb verlassen wir uns auf die Zusage des Herrn. Er ist grös- ser als unser anklagendes Gewissen, grösser als unsere Selbstverurtei- lungen. «Und erbarmt euch derer, die zweifeln», mahnt Judas in seinem Brief.

DIE FALSCHE BLICKRICHTUNG Zweifelnden nicht untergehen, sondern längere Zeit übertreten werden und das ergreift ihn und hält ihn fest. Dieses Gewissen abgewürgt wird; wenn wir an Sie erinnern sich an den Bericht aus sich klammernde Vertrauen ist die un- Lebenslügen festhalten; unsere Bezie- den Evangelien, als Petrus im Sturm auf bedingte Voraussetzung eines wirkli- hung zum Herrn vernachlässigen oder dem See Genezareth Jesus begegnet? chen Christseins. uns mit okkulten Dingen beschäftigen. Die andern Jünger sind mit Petrus im Boot. Sie haben Angst. Plötzlich erken- Wie also werden wir vom Zweifeln- Es ist wichtig, dass man in der christ- nen sie den Herrn. Im Sturm der Nacht den zum Glaubenden? Petrus handelt lichen Gemeinde über seine Zweifel steht er auf den Wellen und spricht: nicht eigenmächtig, nicht aus dem reden darf, ohne schräg angesehen zu «Fürchtet euch nicht, ich bin’s!» Bauch heraus. Nein, er geht auf Jesu werden. Es gilt herauszufinden, wo- Wort hin. Das ist das Geheimnis! durch der Zweifel entstanden ist. Sind Petrus – wer anders sonst? – sagt: Daraufhin erlebt er seine Macht. es Enttäuschungen, unerhörte Gebete, «Herr, wenn du es bist, dann sag, dass das Erleben von Ungerechtigkeit oder ich zu dir kommen soll.» Darauf ant- Geschah nicht dasselbe beim Fisch- nicht bewältigte Trauererfahrungen? wortet Jesus: «Komm her! Verlass das fang? Es war nach der Auferstehung Viele Christen klagen über geistliche Boot und gib deine vermeintlichen des Herrn. Die Jünger hatten die ganze Zweifel, lassen aber die Geheimwaffe, Sicherheiten auf. Gib dich ganz in Nacht gefischt, nichts gefangen und die Gott ihnen gegeben hat, ungenutzt meine Hand.» waren frustriert. Als sie ans Ufer kamen, – sein absolut verlässliches Wort! « erwartete sie Jesus bereits und fragte: Der christliche Schriftsteller Oswald Es ist wichtig, dass man in der christlichen Chambers schrieb: «Die Wurzel der Sünde ist der Verdacht, Gott könnte Gemeinde über seine Zweifel reden darf, ohne nicht gut sein.» Wenn wir in unserem Herzen an der Güte Gottes zweifeln schräg angesehen zu werden. Es gilt herauszu- und zulassen, dass dieser Zweifel wächst, bis er sich in ein ständiges Miss- «finden, wodurch der Zweifel entstanden ist. trauen gegenüber Gott verhärtet, wer- den wir unfähig, ihm zu vertrauen. Dass Jesus aussergewöhnliche Macht «Habt ihr nichts zu essen?» «Nein», Christen sind berufen, Gott selbst dort hat, das wissen die Jünger, das weiss Pe- sagten sie und gaben damit ihre Bedürf- zu vertrauen, wo sie sein Handeln nicht trus und das wissen auch wir. Nun aber tigkeit zu. Darauf hiess Jesus sie, erneut sehen können, und zu glauben, dass soll Petrus aufgrund dieser Macht über hinauszufahren und das Netz zur Rech- das, was er zulässt, einen Sinn hat, den das Wasser zu Jesus gehen. Das ist der ten des Bootes auszuwerfen. wir vielleicht jetzt nicht verstehen, den Praxistest! Entscheidend ist nicht, dass wir aber eines Tages begreifen werden. wir sagen: «Jesus ist der allmächtige Die Jünger handelten «auf sein Wort Herr», sondern dass wir dementspre- hin» und erlebten einen noch nie da- SELBSTZWEIFEL chend handeln. gewesenen Fang. Ich weiss, wovon ich spreche. Zwei Jahre «Das Schlimmste, was uns passieren Hätten sie nicht allen Grund zum sind es her, seit mein geliebter Mann kann», meint Peter Strauch, «ist ein Zweifeln gehabt? Schliesslich waren sie heimgeholt wurde zum Herrn. Dem Christsein, das zur toten Begrifflichkeit die Fachleute und die Anordnung des Sterben vorausgegangen waren Monate erstarrt ist. Theoretisch ist alles richtig, Herrn war wider ihre Vernunft. und Jahre grösster Anfechtung. Wie aber es lebt nicht.» Glaube ist viel mehr viele Leser wissen, litt Bruno an ALS. als ein «Fürwahrhalten», denn auf Wo wir in unserer Bedürftigkeit und Er konnte unter anderem nicht mehr diese Weise glaubt der Teufel auch. «Du Ohnmacht zum Herrn kommen und sprechen und hatte, bevor er eine Ma- glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust auf sein Wort hin handeln, wird er sich gensonde bekam, bei jedem Essen ent- recht daran; die Dämonen glauben’s auch nicht unbezeugt lassen! Wie unsere setzliche Erstickungsanfälle. Das Leiden und zittern» (Jak. 2,19). Glaube ist auch Umstände auch sein mögen – Jesus meines Liebsten war schwer mitan- mehr als eine Weltanschauung, es ist ein ist grösser. Schauen wir nicht auf die zusehen. Wie oft habe ich zum Herrn Sicheinlassen auf das, was Gott sagt. Schwierigkeiten, schauen wir auf IHN! geschrien, habe geweint, gefleht: Petrus wagt sich aufs Wasser und GEISTLICHE URSACHEN FÜR «Wo bist du, Herr? Warum greifst erfährt: Jesus ist Herr über die Natur- ZWEIFEL du nicht ein? Ich verstehe dich nicht!» gesetze. Den Blick auf ihn gerichtet, Gott schien mir unendlich fern. Aber wird das Unmögliche möglich. Doch Glaubenszweifel können auch eine der Zweifel galt nicht ihm, sondern mir. dann sieht er auf die Wellen und be- geistliche Ursache haben, dann nämlich, Hatte ich ihn betrübt, war unberei- ginnt zu sinken. Aber Jesus lässt den wenn Gottes Gebote willentlich über 24 ethos 11/2016

Ein Wovrotn Joni ... «nigte Sünde in meinem Leben? Musste er mich durch Leiden führen, damit ich GEWISSHEIT – GLAUBE, die Trägheit meines Herzens und meine DER NICHT AN DEN EIGENEN mangelnde Hingabe erkannte? GRENZEN STEHEN BLEIBT Ich bekannte ihm, was mir als Sünde «So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in vollkommenem bewusst wurde, und klammerte mich Glauben, besprengt in unsern Herzen und los von dem bösen Gewissen an Jesus, meinen Herrn. So wie Jakob und gewaschen am Leib mit reinem Wasser.» es tat, als er nach dem Kampf mit Gott Hebräer 10,22 und einem verrenkten Hüftgelenk aus- rief: «Ich lasse dich nicht, du segnest mich Einen vollkommenen Glauben – wer wünscht sich das nicht? Einen erwach- denn!» (1. Mose 32,27). senen, reifen Glauben, der uns Einsicht in geistliche Wahrheiten schenkt. Glaube, der nicht an unseren Grenzen stehen bleibt und uns gewiss macht Es ist wahr – ich verstand Gott nicht über das, was wir nicht sehen. und verstehe sein Handeln auch heute in vielen Dingen nicht. Ich lese von Die Puritaner glaubten, dass solche Gewissheit Menschen geschenkt Tausenden von Christen, die in man- würde, die eine besonders schwere Glaubenskrise erlebten. Wer in grossen chen Ländern verfolgt, gefoltert und Schwierigkeiten an Gott festhält, dessen Vertrauen erhält eine neue Tiefe. brutal hingerichtet werden. Sehe das Sein Glaube wächst, und er lernt, Menschen und Ereignisse aus dem Glau- Leiden einer Mutter, die an Krebs stirbt ben zu beurteilen. Er erhält geistliche Einsicht. und ihre Kinder zurücklassen muss ... Weshalb lässt Gott das zu? Nun, wir Wenn ich irgendetwas durch meine Behinderung gewonnen habe, dann ist dürfen mit allen Fragen zum Herrn es eine solche Gewissheit im Glauben. Die schweren Erfahrungen haben mir kommen. Aber eines war mir immer unschätzbare geistliche Wahrheiten erschlossen. Gott hat mir die Gewissheit bewusst: Gott ist Gott und ich bin ein geschenkt, dass alle Dinge, wirklich alle, zum Guten dienen müssen. Ich Mensch. Will ich mir etwa anmassen, habe das Vertrauen, dass ich in keiner Lage allein bin und dass der Himmel mit meinem beschränkten Verstand an eine Realität ist. Ich weiss, dass die kleinste Geste der Liebe, die um Christi ihm zu zweifeln und über ihn zu Ge- willen getan wird, reiche Frucht tragen wird. richt zu sitzen? Aus seinem Wort wusste ich und hatte es tausendmal selbst er- Schwere Erfahrungen können uns näher zu fahren: Gott ist gut und gerecht. Er ist Gott bringen. Sie lassen uns aufrichtiger mir keine Rechenschaft schuldig! Und nach ihm suchen und sie bergen Chan- so betete ich: «Herr, du sagst, dass du cen, unseren Glauben zu vertiefen und Gedanken des Friedens und nicht des reifer zu machen. Erinnern wir uns: Leides über deine Kinder hast. Das will Der Glaube ist die feste Zuversicht ich glauben, auch wenn meine Gefühle auf das, was man nicht sieht! n etwas anderes sagen.» «Herr, ich danke dir für die Gewiss- «Denn meine Gedanken sind nicht heit, dass du mich erlöst hast. Aber eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern es gibt so vieles, was ich noch so viel der Himmel höher ist als die Erde, nicht verstehe. Ich will dir ver- trauen, gerade in schwe- Das Schlimmste, ren Zeiten. Danke, dass du mich immer besser er- was uns passieren kennen lässt, wie du in kann, ist ein Christ- meinem Leben und an anderen Menschen «sein, das zur toten handelst.» Begrifflichkeit erstarrt Joni Eareckson Tada ist. Theoretisch ist alles richtig, aber es lebt nicht. ethos 11/2016 25

so sind auch meine Wege höher als eure «Der Zweifel ist hinterlistig Wege und meine Gedanken als eure Ge- und clever, aber niemals, danken» (Jes. 55,8+9). Indem ich dem Herrn mein Vertrauen aussprach, auch wie gesagt wird, laut wenn ich seine Wege nicht verstand, oder aufsässig. Er ist fand ich Frieden für meine aufgewühlte Seele. Die Strophe aus dem wunderba- unaufdringlich und ren Lied «So nimm denn meine Hände» war in dieser Zeit mein Credo: «schüchtern, nicht frech «Wenn ich auch gar nichts fühle von und selbstbewusst – deiner Macht, und je unaufdringlicher du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht. er ist, desto gefährlicher Ich kann allein nicht gehen, nicht ist er. einen Schritt. Sören Kierkegaard Wo du wirst geh’n und stehen, da nimm mich mit!» Ich bin mir sicher: Einmal werde ich verstehen und den Herrn preisen über seine wunderbaren Wege! FRIEDEN roll, whatever my lot, thou hast taught martert, gesteinigt, zersägt, in Ketten me to say: ‹It is well, it is well with my gelegt wurden ... Sie erhielten zwar die Schwere Schicksale müssen nicht soul.›» Bestätigung Gottes, aber keiner von ih- zwangsläufig in den Zweifel führen. nen empfing, was ihnen verheissen war. Ich denke an Horatio Spafford, einen («Wenn Friede mit Gott meine Seele Steht etwa Gott nicht zu seinem Wort? reichen Geschäftsmann, der seine Fa- durchdringt, ob Stürme auch drohen Doch, ganz bestimmt. Aber Gott hat milie nach New York bringen wollte. von fern, mein Herze im Glauben doch etwas Besseres vorgesehen, «denn sie Als seine Frau und die vier Töchter auf allezeit singt: ‹Mit ist wohl, mir ist wohl sollten nicht ohne uns vollendet werden». dem Schiff waren, fuhr er weiter nach in dem Herrn!›») Ist das nicht erstaunlich? Sie und ich Chicago, um eine geschäftliche Ange- werden zusammen mit diesen Helden legenheit zu regeln. Dann kam ein Te- ERMUTIGUNG FÜR ZWEIFLER des Glaubens ans Ziel kommen! legramm: «Einzige Überlebende». Das Schiff war gesunken. Mrs. Spafford Ich liebe es, das elfte Kapitel des Heb- Wenn wir im Vertrauen auf Gottes hatte überlebt. Die vier Töchter waren räerbriefs, wo die Männer und Frauen Verheissungen unser Los annehmen, umgekommen. Eine später geborene des Glaubens aufgeführt sind. Das Wort werden die Zweifel weichen und der Tochter beschrieb, wie ihre Mutter diese Glaube wird da achtundzwanzig Mal Freude Platz machen. schreckliche Nacht erlebt hatte, als sie erwähnt. und ihre kleinen Mädchen ins kalte Dem Teufel wird bis heute erlaubt, Meer geschleudert wurden. Verzweifelt Ob Noah auch zweifelte, als er auf schreckliche Dinge zu tun. Doch seine hatte sie versucht, ihre Töchter zu Gottes Geheiss während vieler Jahr- Zeit ist bemessen. Christen wissen, retten. Mit ihren Fingerspitzen hatte zehnte dieses seltsame Schiff bauen dass Jesus wiederkommt. Er wird sein sie nur den Saum des Kleidchens ihrer sollte? Vermutlich schon. Aber er ge- gerechtes Reich aufrichten und alle einen Tochter berührt, bekam sie aber horchte einfach. Reiche dieser Welt werden ihm untertan nicht mehr zu fassen. Sie selbst wurde sein. Aber bis dahin wollen wir, die auf wundersame Weise gerettet, als sie Als der Herr Abraham sagte, er solle wir Christus angehören, die Zweifel bewusstlos auf einem Stück Treibgut im seine Heimat verlassen und in ein fer- ablegen und Ihm vertrauensvoll folgen. Wasser trieb. Nach dieser schrecklichen nes Land ziehen, das er nicht kannte, Er bringt uns ans Ziel! n Nachricht schrieb der Vater, Horatio liess er sich da vom Zweifel leiten? Nein, Spafford, das Lied, das schon Tausende er gehorchte und ging, ohne zu wissen, Yvonne Schwengeler, Jg. 1946, Menschen getröstet hatte: wohin der Weg führte. verwitwet, vier erwachsene Kinder, langjährige ethos-Chefredaktorin. «When peace like a river attendeth Viele weitere Geschichten von Glau- my way, when sorrows like sea billows benshelden folgen, die verhöhnt, ge- 26 ethos 11/2016

I SCHÖPFUNG Er katapultiert sich TURBO-KÄFER ans rettende Ufer und sorgt gleichzeitig dafür, Der Käfer der Gattung Stenus lebt in dass der Gegner im der Nähe von Fluss- oder Seeufern. Sumpf stecken bleibt – Dort macht er Jagd auf kleine sechs- der Stenus-Käfer füssige Springschwänze. Dabei läuft sucht seinesgleichen! er allerdings Gefahr, ins Wasser zu fallen. Hier wäre er eine leichte Katapultiert sich in Beute für andere Jäger wie grös- luftige Höhen und sere Insekten, die auf dem Wasser lässt mich im Sumpf laufen können. stecken ... das ist doch Forscher haben nun herausge- nicht zu fassen! funden, dass die Stenus-Käfer für solche Fälle mit einer bemerkens- werten Überlebensstrategie ausgerüs- tet sind. Der Käfer sondert eine Substanz aus, die die Oberflächenspannung des Was- sers herabsetzt. Diese grenzflächenaktive Substanz verteilt der Käfer auf der Wasser-Luft-Grenzfläche und der dadurch entstehende Oberflächendruck katapultiert ihn zum rettenden Ufer. Für herannahende Jäger hat der Stenus-Käfer noch eine weitere Überraschung auf Lager. Die vom Käfer abgeson- derte Substanz besteht aus den beiden Alkaloiden Stenusin und Norstenusin. Dieses Gemisch verwandelt zudem die Wasseroberfläche in einen Sumpf, in dem jeder Schritt eines Verfolgers relativ viel Energie kostet. So bleiben diese regelrecht im Sumpf stecken. Muss es uns nicht in Staunen versetzen, wenn wir sehen, mit welch komplexen Fähigkeiten der Schöpfer selbst kleinste Lebewesen ausgestattet hat? Mich lässt es die Grösse und Allmacht Gottes erahnen ... (dw.) n Quelle: Prof. Dr. Hubert Motschmann, Uni Regensburg (DE) ethos 11/2016 27

LIEBE GOTTES I DIE GANZ LiebeANDERE Die Trotzdem-Liebe. Ein Philosoph sagte einmal, die Liebe Reden kann sie – und was noch besser Gottes stehe in einem unendlich ist: schweigen auch.» Schmetterlinge qualitativen Unterschied zur Liebe der im Bauch bedeuten hier: Ich hab dich Menschen. Damit meinte er, dass wir lieb! Diese Liebe entzündet sich an der wohl eine grosse Liebe aufbringen kön- liebenswerten Person und umgekehrt. nen und aus ihr heraus unglaubliche Dinge zu leisten vermögen, dies aber Ich besuche mein Enkelkind in mit der Liebe Gottes nicht vergleichbar Nürnberg. Carla ist erst vierzehn Mo- sei. Gottes Liebe ist unvergleichlich nate alt. Seit sechs Wochen habe ich viel grösser, tiefer, gründlicher und sie nicht mehr gesehen. «Ob sie mich anhaltender. wiedererkennt?», frage ich mich. Ich gucke in ihren Wagen und die Kleine SCHMETTERLINGE IM BAUCH strahlt mich an. Da geht mir das Herz auf! Sie ergreift meinen Finger und Nicht nur junge Leute kennen gluckst dabei zufrieden. Wie sehr mag sogenannte «Schmetterlinge ich dieses Kind! im Bauch», die die mensch- liche Liebe verursacht – und Oder, da erleben Eheleute eine wer würde dies geringachten? schwere Zeit, eine richtige Krise. Lange ist der Ausgang ungewiss, sie nehmen Dieses Gefühl entsteht, gar «professionelle» Hilfe in Anspruch. wenn zum Beispiel ein Aber gemeinsam halten sie durch. Er junger Mann auf ein lie- sagt zu ihr: «Du bist an meiner Seite geblieben, hast mir Halt und Trost benswertes, attraktives gegeben», oder mit den Worten von Mädchen trifft. «Sie ist so Reinhard Mey: «Und ich lieb’ dich noch offen, so verständnisvoll viel mehr als vor Jahr und Tag.» Weil und so intelligent! sie die Liebenswerte ist, wurde bei ihm die Liebe neu entfacht.

FÜR DEN GELIEBTEN TUN WIR hat mich so gründlich enttäuscht, mit ALLES dem will ich nichts mehr zu tun haben! Das kann er nie wieder gut machen»? Liebende sind bereit, grosse Opfer für Was folgt, ist ein Rosen- oder sonstiger den anderen zu bringen. Auch Eltern Krieg, abgrundtiefer Hass oder einfach kennen das. Nächtelang wachen sie am eisernes Schweigen. Bett ihres kranken Kindes und quälen sich, völlig übermüdet und am Ende ih- Wie konnte sich die heisse Liebe in rer Kräfte, durch den Tag. Der deutsche Eiseskälte verwandeln? Die einst geliebte Aussenminister spendete seiner Frau Person ist nicht mehr liebenswert, die eine Niere: «Ich liebe sie, da kann ich Liebe erkaltet oder schlägt gar in Hass ihr doch, wenn ich zwei Nieren habe, um, weil sich unsere Liebe am Liebens- eine abgeben.» werten entzündet. Wir schreiben das Jahr 1941. In UNENDLICH WERTVOLL! Auschwitz trifft der Lagerführer Karl Fritzsch eine seiner berüchtigten Aus- Mit der Liebe Gottes verhält es sich an- wahlen. Ein Gefangener ist geflohen ders. Sie unterscheidet sich völlig von und jetzt will Fritzsch ein Exempel unserem Liebesverständnis, denn sie statuieren. Er lässt einen ganzen Block entzündet sich nicht am Liebenswerten, antreten. Dann wird durchgezählt und sondern am Bedürftigen. jeder Zehnte muss aus der Mannschaft heraustreten. Unter ihnen ist auch Oft verhalten wir uns wie der junge Franciszek Gajowniczek. Da meldet Mann im Gleichnis vom verlorenen sich jemand aus einer der hinteren Sohn. Gerne nehmen wir den Segen aus Reihen. Fritzsch fragt: «Was will dieses der Hand des Vaters: Güter und Gaben, polnische Schwein?» Gemeint ist Pater Gesundheit, eine intakte Familie, ein Maximilian Kolbe. Dieser tritt heraus gutes Auskommen, Haus und Hof. Aber und sagt: «Ich bin Priester; ich bin alt auf den Vater selbst meinen wir ver- (wobei er gerade einmal 47 Jahre alt ist) zichten zu können. Wir lieben seine und will für Franciszek sterben, denn Gaben, nicht aber den Geber. er hat Frau und Kinder.» Der Lagerfüh- rer entspricht seinem Wunsch. Francis- Aus Hochmut und Stolz sagen wir zek tritt zurück ins Glied. Man bringt uns von ihm los, weil wir denken, wir Maximilian Kolbe in den berüchtigten kämen zu kurz. Lieber nehmen wir un- «Hungerbunker», wo er am 14. August ser Glück selbst in die Hand. Der ver- mit einer Phenolspritze getötet wird. lorene Sohn endete bei den Schweinen. Ein Gottloser kann aber auch in einem Für einen Menschen, den wir schät- Palast wohnen. Letztlich macht das kei- zen oder mit dem wir Mitleid haben, tun wir vieles. Maximilian Kolbe trat nen Unterschied. Ob bei sogar an seine Stelle. den Schweinen oder am Hof, wohlsituiert WENN LIEBE IN HASS und gut angesehen: UMSCHLÄGT ... Alle Menschen sind Aber was ist, wenn der ge- gottlos, verloren und liebte Mensch sich plötz- brauchen Vergebung lich ganz anders verhält, ihrer Schuld. Gott als wir erwartet haben? sehnt sich nach denen, Wenn er nicht mehr lie- die um ihre Verloren- benswert ist? Sind wir heit wissen und nach dann nicht sehr schnell Hilfe suchen, so wie dabei zu sagen: «Mit der Vater im Gleich- dem bin ich fertig! Der nis. Von weitem er- blickt er seinen heim- kehrenden Sohn. Er läuft ihm entgegen ethos 11/2016 29

und nimmt ihn in den Arm. Kein einzi- ren.» Das bedeutet, dass dieses Kreuzes- geschehen von damals bleibende Wir- ges Wort des Vorwurfes, keine Schuld- kung hat. Noch heute dürfen Menschen zum Kreuz kommen, um ihre Schuld zuweisung ist zu hören. Der Sohn be- abzuladen, und Frieden mit Gott emp- fangen. «Die Strafe liegt auf ihm (Chris- kennt seine Schuld, worauf der Vater tus), damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt» ihm einen Ring an den Finger steckt (Jesaja 53,5). und ihn damit wieder in die Rechte ei- UNVERDIENT! nes Sohnes einsetzt. So werden aus er- In Amerika sollte ein Gefangener aus dem Gefängnis entlassen werden. Er barmungsbedürftigen, gottlosen Leuten hatte schwere Schuld auf sich geladen und sie im Gefängnis abgebüsst. Lange Kinder Gottes. pflegte er mit seiner Frau keinen Kon- takt. Er hatte wohl nicht mehr gewagt, Gott tut dies nicht, weil wir so toll ihr zu schreiben. Und jetzt, vor der Ent- lassung, schrieb er ihr einen Brief, dass sind oder wir es verdient hätten, son- er nicht wisse, ob er wieder heimkom- men dürfe. «Aber», so schrieb er, «falls dern weil wir ihn brauchen. Seine Liebe doch, dann hänge doch an der Bussta- tion vor unserem Haus ein gelbes Tuch ist nicht wie die Gefühlsaufwallung in in den Baum. Sobald ich das Tuch er- blicke, weiss ich, dass ich wieder nach « mir, wenn ich in das Bettchen meines Hause kommen darf.» Sie können sich denken, wie er auf der Fahrt dieser Sta- Enkelkindes schaue. tion entgegenfieberte. Was würde ihn erwarten? Gottes Jesus wurde hingerichtet, damit Got- tes Gericht mich nicht vernichtet und Als der Bus in die Station einfuhr, sah er, wie der Baum gelb war vor lauter Liebe mein Sterben nicht meine letzte Station Tüchern! Und über der Strasse spannte ist. Durch seine Auferstehung schenkt sich ein Seil, ebenfalls voll behangen mit gelben Tüchern! Was mag das Verhalten entzündet er jedem, der an ihn glaubt, das ewige seiner Frau bei diesem Mann ausgelöst haben? Man kann sich gut vorstellen, sich Leben. dass fortan zwischen den beiden ein nicht am Auf diese Weise zeigt er seine Liebe völlig anderes Verhältnis herrschte. Der Mann wusste: Es ist ein unverdientes zu uns. Ich kann sie nicht daran able- Geschenk, dass mich meine Frau will- kommen heisst und ihr Leben wieder LwadmüieerrbftBteeiegnn-e,sn-«!sondernsen, wenn ich gesund bin, Erfolg im Be- mit mir teilen will. ruf habe, in einer glücklichen Partner- schaft stehe oder in der Familie alles Dennoch besteht ein unendlicher glatt läuft. Nein, seine Liebe erweist sich qualitativer Unterschied zur Liebe Got- darin, dass Christus für uns gestorben tes. Wer verstanden hat, dass seine Liebe ist. Das Kreuz ist der Ort, wo sich die eine Trotzdem-Liebe zu uns ist, der hat Liebe Gottes offenbart, die Liebe zum das Wichtigste begriffen. Was ist unsere Sünder. Antwort darauf? n BLEIBENDE WIRKUNG Predigt von Werner Keitel, Pfarrer i. R., leicht überarbeitet Das Kreuz ist auch der Ort der Offen- barung des Zornes Gottes, aber nicht über den Sünder, sondern über die Sünde. Diese wird Christus aufgeladen. Wer jetzt auf das Kreuz schaut, ent- deckt: Dort ist die Liebe Gottes sicht- bar geworden. Interessanterweise sagt Paulus das nicht in der Vergangenheits- form: «Gott erwies seine Liebe am Kreuz», sondern: «Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Chris- tus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder wa- 30 ethos 11/2016

NICO, 5 Nico ist zum ersten BILD WIRFT FRAGEN AUF viele Gehörlose, die mit Gebärden kom- Mal bei uns auf der munizieren. In der Gebärdensprache zum Interview mit Joni, 9/16 heisst das Zeichen «I love you!» (darum Missionsstation zu Besuch. Am Morgen auch das Herz). Dieses Zeichen ist unter Ich habe mich sehr darüber gefreut, Gehörlosen sehr verbreitet, es wird auch begleitet er mich in die Gesundheits- auf vielen Fotos gemacht. Mit dem Sa- in ethos Neues von Joni zu hören. Auf tanszeichen (da wäre der Daumen auch beratung und schaut für eine Weile dem nicht ausgestreckt) hat es nichts zu tun. Seite 15 hat mir kurz der Atem gestockt: Wir bedanken uns für den Hinweis. regen Kommen und Gehen zu. Dann Hinter Joni ist ein Bild aufgestellt von geht er spielen. Gegen Mittag kommt Leserbriefe einer «gehörnten Hand (Satanszeichen) er noch einmal zurück. Er schaut sich in einem Herz». Ich wäre froh um eine im leer gewordenen Raum um und sagt klärende Antwort ... T. S. CH-Ebikon ganz befriedigt: «So, häsch si alli gsund gmacht?!» («So, hast du sie alle gesund Anmerkung der Redaktion: AUGENÖFFNER FÜR HEILUNG gemacht?!») Marlies Lauber, Ghana Tatsächlich könnte dieser Gedanke auf- kommen, das passt aber absolut nicht Das «Persönlich» von Yvonne Schwenge- zu Jonis Leben, mit dem sie Gott – und sicher nicht dem Teufel – die Ehre geben ler, «Die Bitterkeit der Seele», 9/16, hat möchte. Das Interview spricht in diesem Sinne ein deutliches Zeugnis. mich tief getroffen. Gottlob! Danke für EINDRUCK GEMACHT Was hat es also damit auf sich? diesen Artikel, in dem fast jeder Satz ein Darf ich Sie bitten, mir Exemplare des Zu Jonis Freunden zählen u. a. auch ethos-Heftes 9/2016 zuzustellen, die ich Augenöffner ist und Heilung verspricht. verteilen möchte? Der Beitrag über Joni macht mir Eindruck! Ich muss daraus viel lernen! Herzlichen Ich habe noch kaum ein christliches Dank für die Weichenstellung in meiner Heft gesehen, das so anspricht mit über- aus schönen und wertvollsten Beiträgen Bitterkeit. A. L., CH-Bauma und Bildern wie ethos. Ich wünsche Ihnen viel Mut, Kraft und Gottvertrauen zum Weitermachen. D. Burgherr, CH-Wiliberg (...) ich nutze die Gelegenheit, um Ihnen zu sagen, wie wertvoll Ihre Zeitschrift ist, ganz besonders in dieser immer finstere- ren Zeit. Der Herr helfe Ihnen weiter. C. Merle, F-Juvignac LEKTÜRE UND ANGENEHME GÄSTE GESCHÄTZT (...) die beiden Zeitschriften ethos und factum gehören zu den besten, die ich kenne. Ich empfehle sie immer wieder an Bekannte weiter. Auch bekommen wir sehr angenehme Gäste durch das Inserieren in Ihren Heften. Vielen Dank an das ganze Team für die ausgezeich- nete Arbeit! Josef S., Tirol Kindermund: Lustige Kindersprüche zusammen mit Alter, Name und evtl. dem Foto des Kindes an folgende Adresse: ethos, Kindermund, Postfach, CH-9442 Berneck, E-Mail: [email protected] Leserbriefe widerspiegeln nicht in jedem RätselAutor: Dietmar Noelle, Auflösung auf Seite 64. Fall die Meinung der Redaktion. Kürzungen behalten wir uns vor. Wir beachten alle Leserzuschriften, auch wenn wir nicht alle abdrucken oder beantworten können. Die ethos-Redaktion ethos 11/2016 31

CREZEPTI T Cranberries- PISTAZIEN-SABLÉS Ergibt etwa 45 Stück 1 Die Butter mit dem Puderzucker und dem Eigelb verrühren. 150 g weiche Butter Dann die Pistazien, die Cranberries und das Mehl beifügen 50 g Puderzucker und alles kurz zu einem glatten Teig zusammenkneten. 1 Eigelb 60 g Pistazien 2 Den Teig in drei gleich grosse Portionen teilen. Diese nun 60 g gedörrte Cranberries je zu einer Rolle von 3 ½ cm Durchmesser und 15 cm Länge 200 g Mehl formen. Die Stangen in Klarsichtfolie wickeln und im Kühl- schrank mindestens zwei Stunden ruhen lassen. 1 Beutel weisse Kuchenglasur 3 Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Aus: Annemarie Wildeisen 4 Die Stangen in 7 mm dicke Scheiben schneiden und auf ein Guetzli AT-Verlag, 96 Seiten, mit Backpapier belegtes Blech geben. ISBN 978-3-03800-001-3 5 Die Sablés im 180 Grad heissen Ofen in der Mitte 15 Minu- ten backen. Auskühlen lassen. 6 Die Kuchenglasur nach Anleitung auf dem Beutel schmelzen. Die Sablés zur Hälfte in die Glasur tunken. Auf ein Back- papier legen und trocknen lassen. Tipp: Der Sabléteig ist ein feiner, sehr mürber Teig, der sich fast beliebig variieren lässt, wie zum Beispiel mit abgeriebener Orangen- oder Zitronenschale, Vanille, Zimt usw. 32 ethos 11/2016

WERDEN, WAS WIR SEIN SOLLEN D« as funktioniert nicht mit dem Glauben», sagte Macht hat er uns alles geschenkt, was wir zu einem er frustriert. «Meine Probleme sind immer noch Leben in liebevoller Ehrfurcht vor Gott brauchen» dieselben, und auch ich kann mich nicht ändern.» (2. Petr. 1,3). In unserem natürlichen alten Leben Der junge Mann ist nicht allein mit seiner Unzufrieden- gab das Ego den Ton an. Die Selbstherrlichkeit brachte heit. Viele Christen leiden darunter, dass sie die Zorn, Überheblichkeit und Selbstsucht hervor. Eine Wirklichkeit Gottes in ihrem Leben so wenig erfahren. wirkliche, dauerhafte Veränderung erwächst nur aus Woran liegt das? einem erneuerten, umgestalteten Herzen. Es geht zu- Nun, die meisten von uns haben wohl gehofft, nächst einmal darum, einen prüfenden Blick auf die dass nach der Bekehrung plötzlich alles anders wird: Ausrichtung unseres Herzens zu werfen, um dann Die Probleme lösen sich in nichts auf; die sündhaften alles, was wir dort sehen, Gott in die Hände zu legen. Neigungen verschwinden «subito»; negative Charakter- Wir können ihm nichts bringen als unsere Bedürftigkeit eigenschaften sind Vergangenheit. Aber die Realität und unser Verlangen, ihn zu ehren. Jesus nennt die sieht anders aus. Die Fragen bleiben: Wie kann ich selig, die «arm im Geist» sind, die nichts vorzuweisen ein anderer Mensch werden? Wie die Gegenwart Gottes haben und alles von ihm erwarten. in meinem Leben stärker erfahren? Wir machen oft den Fehler, dass wir krampfhaft Das Neue Testament lässt keinen Zweifel daran, versuchen, alte üble Gewohnheiten «abzulegen». dass Gott uns nicht nur vor dem Verderben retten, Aber dieses Vermeidungsverhalten bewirkt das Gegen- sondern unser Wesen von Grund auf erneuern will. teil. Wir sollten uns vielmehr damit beschäftigen, Wir sollen wieder werden, wozu wir geschaffen sind: welche Tugenden wir «anziehen» wollen, nämlich Ebenbilder Gottes, Menschen, die sein Wesen wider- die Eigenschaften Jesu. spiegeln. Das war und ist unsere Bestimmung. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Eheleute, Wie aber soll das geschehen? Gott ist für uns nicht die schon lange verheiratet und einander vertraut sind, sichtbar. Doch Jesus sagt uns: «Wer mich sieht, der sich ähnlich sehen? Mimik und Gestik werden unbe- sieht den Vater.» An ihm sehen wir, wie Gott ist. Wir wusst voneinander übernommen. Das kann dazu füh- sehen sein Wesen, seinen Charakter, seine Eigenschaf- ren, dass über die Jahre eine Ähnlichkeit zustande ten: selbstlose Liebe, Barmherzigkeit, Demut, Geduld, kommt. Etwas Ähnliches geschieht, wenn wir uns mit Freundlichkeit, Güte. «So folgt nun Gottes Beispiel als Jesus beschäftigen, seine Haltung und seine Eigen- die geliebten Kinder und lebt in der Liebe ...», mahnt schaften verinnerlichen. Sie formen unsere Persönlich- Paulus die Epheser. keit, verändern unser Herz und unser Verhalten, sodass Veränderung ist keine Instantlösung, sondern ein eine innere Wandlung geschieht. Das ist kein Krampf Prozess. Gott arbeitet an uns, aber es ist an uns, an um Perfektionismus, sondern ein Wachsen und Reifen dieser Veränderung mitzuarbeiten. Dieses neue Leben unter seiner Gnade. gründet sich nicht auf Gebote und Verbote oder auf «Jesus ähnlich zu werden», schreibt Gary A. Thomas, Pflichterfüllung. Vielmehr möchte Christus sein Leben «ist keine extravagante Leistung, die wir für einen in uns zur Entfaltung bringen. Unsere Selbstbezogen- fordernden und tyrannischen Vater zu erbringen haben. heit, die falschen, festgefahrenen Gewohnheiten Es ist eine lebensbejahende und die Seele beglückende müssen aufgebrochen, umgegraben und durch etwas Einladung, ein integrer Mensch mit einer reifen Persön- Neues ersetzt werden. Persönlichkeit ergibt sich nicht lichkeit zu werden – eben der Mensch, der ich nach von selbst, sie muss geformt werden. Der zweite Petrus- Gottes Willen sein soll.» brief beginnt mit der Zusage: «In seiner göttlichen Was hindert Sie, heute aufzubrechen? Yvonne Schwengeler, Jg. 1946, verwitwet, vier erwachsene Kinder, persönlichlangjährigeethos-Chefredaktorin. ethos 11/2016 33

RUBRIK I 34 ethos 11/2016

Ernte DIE MIT TRÄNEN SÄEN, WERDEN MIT FREUDEN ERNTEN. PSALM 126,5 ethos 11/2016 35

RDUISBKRUIRKSI I WAHRHEIT UND TOLERANZ 36 ethos 11/2016

Unsere Haltung zur Toleranz wurde ganz wesentlich durch Lessings «Ringparabel» zur Frage nach der wahren Religion geprägt. Sind im Kern alle Religionen gleich? Und – was ist eigentlich Toleranz? Nach Lessing haben alle Religionen RING ODER SEIL? Im Hebräischen heisst «glauben», einen gemeinsamen Kern. Dieser dass man etwas als fest, als zuverlässig Kern ist die tätige Liebe. Streitobjekt Alle Bilder haben eine grosse Suggestiv­ akzeptiert und sich darauf verlässt. Nur dann werden wir Bestand gewinnen. in der Ringparabel aus Lessings Stück kraft und nehmen einen Teil der Ant­ Der Mensch hat sich ja nicht selbst ge­ schaffen und ist deshalb darauf ange­ «Nathan der Weise» sind drei Ringe, wort vorweg. Das gilt auch für Lessings wiesen, dass er sich irgendwo festmacht. Das Leben liegt nicht in uns selbst, wir bei denen man nicht mehr feststellen Bild von den Ringen. Hätte Lessing ein haben es nicht hervorgebracht, auch nicht unser eigenes Leben. Wir sind ge­ kann, welcher der echte Ring ist. In biblisches Bild genommen, dann sähe schaffen worden. Und durch den Sün­ denfall haben wir uns vom Ursprung dieser Parabel erben drei Brüder einen der logische Schluss der Parabel anders des Lebens getrennt. Deshalb liegt für uns alles daran, dass wir uns wieder am Ring; die drei Ringe sehen alle gleich aus. Hätte er stattdessen zum Beispiel Leben festmachen, um selber bestehen zu können und Bestand zu haben. aus, aber nur einer ist echt. Es stellt sich das Bild eines Seils gewählt, verliefe die WAS IST EIGENTLICH schliesslich auch heraus, dass es unbe­ Diskussion erheblich anders. Nehmen TOLERANZ? deutend ist, welcher Ring der echte ist. wir einmal an, drei Leute wollen einen Von Toleranz zu reden hat nur in Ge­ wissensfragen Sinn, aber nicht in Wis­ Der Kern der drei Religionen Christen­ Berg besteigen und brauchen dazu ein sensfragen. Diese beiden Dinge werden häufig vermischt. Toleranz kommt vom tum, Judentum und Islam ist tätige Seil. Sie haben drei Seile zur Auswahl, Lateinischen «tolerare», etwas erdulden. Toleranz bedeutet ursprünglich, dass Liebe. Man kann in der Liebe tätig sein, aber nur eines ist ein echtes, strapazier­ man eine Last trägt, indem man einen anderen toleriert, ihn annimmt trotz egal, ob der Ring, den man trägt (bzw. fähiges Kletterseil. Fadenscheinige Seile unterschiedlicher Meinung. die Religion, an die man glaubt), echt nützen dann nichts. Von der Frage, In Gewissensfragen ist Toleranz wichtig. Sie bedeutet, dass man die ist oder nicht. Man braucht ihn dazu welches Seil das echte, tragfähige ist, Person achtet, obwohl man anderer Meinung ist. Aber in Wissensfragen ist nicht. Dieses Bild von den drei Ringen hängt beim Bergsteiger das Leben ab. Toleranz unsinnig. Nehmen wir an, je­ mand glaubt, zwei und drei seien sechs. hat viele Zuschauer und Leser bis heute So leichtfertig kann man mit der Dann wäre es nicht unbedingt ein Zei­ chen von Toleranz, wenn man ihn Häu­ überzeugt. Wahrheitsfrage im religiösen Bereich ser und Brücken bauen liesse, weil die Sache aufgrund seiner Berechnungen nur umgehen, wenn man glaubt, dass wahrscheinlich ziemlich übel ausgehen würde. Und was heisst Toleranz, wenn nichts davon abhängt. Dann kann man ethos 11/2016 37 auch sagen: Egal, welcher Ring der rich­ tige ist, ich bin tätig in der Liebe; das ist es ja, worauf es ankommt, und da ist die Frage nach dem Ring « oder der wahren Religion ei­ gentlich unwesentlich. Von der Frage, Wenn man aber das Beispiel des Seils welches Seil das echte, wählen würde, dann tragfähige ist, hängt wüsste man: Von beim Bergsteiger das der richtigen Wahl hängt alles ab. Leben ab. So leichtfertig Wenn es zwei falsche Seile gibt, kann man mit der Wahr- könnte mich heitsfrage im religiösen mein Freund Bereich nur umgehen, irrtümlich mit einem schnell wenn man glaubt, dass zerreissbaren Seil sichern wollen. «nichts davon abhängt.

jemand sagt: «Ich muss in die Haupt­ stadt Russlands» und sich ein Ticket nach Kiew kauft? Soll man ihn auf den Irrtum aufmerksam machen? Er wird es ja schliesslich bei der Ankunft schon merken, dass er nicht dort angekom­ men ist, wo er hinwollte. Goethe hat gesagt, Toleranz dieser Art heisse, dass man den Menschen nicht ernst nehme. In der Sache, in Wissensfragen ist Toleranz unsin­ nig. «Zwei und drei sind fünf» – was heisst da Toleranz? Kiew ist nicht die Hauptstadt Russlands. « Auch ein Staat kann nicht in Von Toleranz zu reden allen Punkten tolerant sein, hat nur in Gewissens- Der Gedanke, alle Kulturen seien zum Beispiel in gleichzuachten, ist in der Realität nicht der Frage der «fragen Sinn, aber nicht durchzuhalten. Diesen Luxus kann man Gewalt, die ge­ in Wissensfragen. sich nur in Europa leisten, weil man mit gen Menschen Diese beiden Dinge den anderen Kulturen nichts zu tun hat ausgeübt wird. werden häufig und selbst nicht von ihnen betroffen Er muss seine vermischt. ist. So jedenfalls sieht es Kolakowski. Bürger gegen Auch hier werden Grenzen der Toleranz Gewalt schützen, sichtbar. notfalls mit Ge­ Wenn alle Kulturen gleichzuachten walt. Da gibt es eine sind, dann gibt es in vielen Fällen keinen Schutz für die Opfer. Nur wenn wir Grenze der Toleranz. übergeordnete Werte akzeptieren wie die Menschenrechte, haben wir ein Im Zusammenhang Argument gegen die Täter. mit dem angloindischen IST DER HINDUISMUS EINE TOLERANTE RELIGION? Schriftsteller Salman Rushdie «Wer immer Ein Beispiel, auf das beim Thema To­ wurde seinerzeit eine wichtige Debatte in Europa sagt, alle leranz immer wieder positiv hingewie­ sen wird, ist der Hinduismus. Oft wird in der europäischen Presse geführt. In Kulturen seien ebenbürtig, würde es er als Inbegriff der Toleranz dargestellt. Gandhi sagte einmal: England hatte jemand in einem Buch normalerweise dennoch nicht schätzen, «Ich kann nicht sagen, dass, weil ich behauptet, wer nach islamischem Recht dass man ihm für einen Steuerbetrug die Gott auf diese Weise gesehen habe, die ganze Welt ihn auf diese Weise sehen Blasphemie begehe, sei auch in England Hand abhackt oder ihn der öffentlichen müsse. (...) Die Religion eines anderen Menschen ist für ihn ebenso wahr, wie des Todes schuldig. Der Westen müsse Auspeitschung – beziehungsweise im Falle das islamische Recht respektieren. einer Frau der Steinigung – unterwürfe, Der Westen sage doch immer, er sei falls er mit einer anderen Person als der multikulturell. Dann müsse er auch rechtmässigen Gattin (beziehungsweise diese Kultur respektieren. Dem steht dem Gatten) schliefe. Wenn man in ei- entgegen, dass im Gegensatz zu vielen nem solchen Fall sagt: ‹Das ist das Gesetz arabischen Ländern in Europa die des Korans, man muss die anderen Tradi- Meinungsfreiheit für ein so hohes tionen respektieren›, so sagt man in Wirk- Menschenrecht angesehen wird, dass lichkeit: ‹Das wäre entsetzlich für uns, es über das Recht der Tötung wegen aber für die Wilden ist es richtig›.» Blasphemie im Islam geht. Man äussert folglich nicht so sehr Wir sagen eben nicht: Alle Kulturen Respekt als vielmehr Verachtung für sind gleich und alle haben die gleiche andere Traditionen, und zur Beschrei­ Berechtigung. Das glaubt kein Mensch. bung dieser Einstellung ist der Satz Der polnische Philosoph Leszek Kola­ «alle Kulturen sind ebenbürtig» am kowski hat dazu geschrieben: wenigsten geeignet. 38 ethos 11/2016

es die meine für mich ist. Ich kann nicht Man kann nicht sagen, dass der Hin­ Zum Beispiel besteht ein ganz we­ über seine Religion richten. (...) Es gibt duismus oder der Pluralismus tolerant sentlicher Unterschied darin, ob man keine Religion, die absolut vollkommen wären. Die Toleranz des Hinduismus denkt: «Die Materie ist schlecht; wir wäre. Alle sind sie unvollkommen oder ist eigentlich nur tolerant gegenüber wollen aus der Materie, aus dem Leiden mehr oder minder unvollkommen.» der hinduistischen Auffassung, nicht und der Realität ins Nirwana entfliehen gegen irgendeine andere Auffassung. und hoffen auf dieses Aufgehen im Das klingt tolerant. Ist hier nicht je­ Auch die Toleranz des Pluralismus ist Nichts» – oder ob man sagt: «Die Ma­ der respektiert? Hat man hier nicht auf nur tolerant gegenüber dem Pluralis­ terie ist gut, es gibt eine leibliche Aufer­ ein Urteil verzichtet, das keinem zusteht, mus, nicht gegen irgendeine andere stehung der Toten.» weil wir doch alle nur Menschen sind? Auffassung. Und zwar kommt die Into­ Ist das nicht ein Modell für den Dialog leranz im Pluralismus und Hinduismus Das sind zwei unterschiedliche Kon­ der Religionen? Ist das nicht ein Modell immer da zum Tragen, wo eine andere zepte. Wie ein Satz über ein historisches für ein friedliches Verhältnis der Religi­ Weltanschauung oder Religion sagt: Ereignis nur wahr oder nicht wahr sein onen, in dem alle zu ihrem Recht kom­ Das, was ich sage, ist die Wahrheit. In kann, so kann auch in dieser Frage nur men? Darauf kann man antworten: dem Moment werden Hinduismus und gelten: Entweder ist das eine wahr oder auch Pluralismus intolerant. Sie sagen, das andere. Es kann nicht beides wahr Ein Jude und ein Christ wissen vom das stimmt nicht. Das lassen sie gerade sein. konkreten Gotteshandeln in der Ge­ nicht gelten. schichte. Ein Hindu erklärt uns glatt: Wahrheit kann nicht mit Gewalt Das kannst du gar nicht wissen. Schon Der Pluralismus geht davon aus, alle durchgesetzt werden. Man kann nie­ hier stehen wir vor der Entscheidungs­ Religionen seien kulturabhängig. Die­ manden mit Gewalt dazu zwingen, zu frage: Gibt es eine Offenbarung oder ser Vorwurf stimmt am ehesten beim glauben, dass zwei und drei fünf ist. nicht? Woher weiss der Hindu eigent­ Pluralismus selbst. Er hat sich entwi­ Wer sagt, das sei sechs, ist auch mit lich, dass ich nichts Definitives von Gott ckelt, als man etwa im wirtschaftlichen Gewalt nicht zu einer anderen Meinung wissen, über ihn aussagen kann? Ist Bereich überall wählen konnte. Dieses zu bringen. nicht gerade derjenige intolerant, der es Prinzip der Wahlmöglichkeit hat man schon vorher ganz genau weiss: Es kann auch auf den religiösen Bereich über­ Das heisst nicht, dass man sich nicht keine persönliche Offenbarung Gottes tragen. Gerade der Gedanke des Plu­ vor Leuten schützen muss, die sagen, in der Weltgeschichte geben? Ist nicht ralismus ist ein offenkundiges Produkt zwei und drei ist sechs. Man sollte sie gerade derjenige intolerant, der schon der gesellschaftlichen Entwicklung, in keine Brücken und Häuser bauen las­ vorher genau weiss: Es kann uns in Je­ der Menschen die Erfahrung machen, sen. Aber Wahrheit kann nicht erzwun­ sus Christus nicht Gott persönlich be­ dass wir in allen Bereichen unseres gen werden. Deshalb muss man Mei­ gegnet sein? Müsste sich demgegenüber Lebens wählen können. nungsäusserungen gegenüber tolerant nicht gerade ein toleranter Mensch hier sein, aber nicht unbedingt den Konse­ ganz zurücknehmen? Müsste er nicht Das übertragen viele auf die Gottes­ quenzen gegenüber, die sich aus diesen sagen: Das muss ich offenlassen? Es frage. Diese Übertragung gelingt nur Meinungen oder aus Denkhaltungen könnte sein, dass Jesus Christus der deshalb, weil man davon überzeugt ergeben. Eine unbegrenzte Toleranz einzige Weg ist! ist, dass von der Gottesfrage nichts kann kein Staat einfach hinnehmen, abhänge. Es geht nicht um das Seil, er muss bestimmte Grenzen setzen. In der Begegnung von christlichem sondern nur um den Ring, weil der Glauben und Hinduismus geht es nicht Kern der Religion die tätige Liebe ist. Folglich kann Toleranz nicht der etwa um die Konfrontation einer into­ (Wobei diskutiert werden müsste, ob oberste Massstab sein. Es muss auch leranten, dogmatischen mit einer tole­ die tätige Liebe wirklich der Kern der Grenzen der Toleranz geben, und zwar ranten und undogmatischen Religion. Religion ist.) in Wissens­ und Sachfragen, weil es Vielmehr hat auch der Hinduismus sein unsinnig ist, alle Wissensaussagen ein­ Dogma: das Dogma der prinzipiellen ALLE RELIGIONEN GLEICH? fach tolerant hinzunehmen. Ebenso Unerkennbarkeit Gottes. Dieses steht muss es Grenzen der Toleranz geben, im zentralen Widerspruch zum bibli­ Wer sagt, alle Religionen seien gleich weil sonst die Menschenrechte verletzt schen Zeugnis vom Handeln und Reden und wollten das Gleiche, hat sich noch werden. Bei grenzenloser Toleranz gibt des dreieinigen Gottes in der Geschichte nicht einmal oberflächlich mit ihnen es keinen Schutz der Opfer oder der der Menschheit. Wir stehen vor einem beschäftigt. Denn selbst bei ober­ Schwächeren. n letzten, unüberwindbaren Gegensatz flächlichster Betrachtung der Religio­ der Grundüberzeugungen. Wer sich auf nen wird man feststellen, dass es Un­ Jürgen Spiess, Jg. 1949, verheira- das hinduistische Grunddogma einlässt, terschiede gibt, die nicht kompatibel tet, eine Tochter; Beruf: Historiker, hat keine Möglichkeit, den Kern des sind. Leiter des Instituts für Glaube und christlichen Glaubens ernst zu nehmen Wissenschaft mit Sitz in Marburg oder gar anzunehmen. (www.iguw.de); Wohnort: Marburg; Hobby: Lesen. ethos 11/2016 39

AKTUELL I POKÉMON GO Minimonster machen das Land zur Spielwiese Das Handyspiel Pokémon Go hat auch bei uns einen regelrechten Hype ausgelöst. Menschen irren mit Handys vor dem Gesicht durch die Gegend, um kleine Monster zu fangen. Ein bewegungs- und kontaktförderndes Spiel für Junge? Pokémon Go ist seit einiger Zeit das amerikanischen Softwareunternehmen gehen und sogenannte Pokémons «ein- mit Abstand beliebteste Video-Spiel Nintendo entwickelt. Das Spiel funktio- fangen», indem man die Stelle aufsucht, bei Kindern, Jugendlichen und jungen niert «positionsbezogen», das heisst, um wo sie per Zufallsverfahren virtuell Erwachsenen. Allein in den USA haben das digitale Spiel auszuüben, muss man herumstehen oder -laufen. Der Begriff sich bisher über 21 Millionen Nutzer sich an reale Orte begeben. Durch GPS «Pokémon» steht für «Pocket Monster» Pokémon Go installiert – innerhalb von und Mobilfunkortung wird der Stand- oder «Taschendämonen», wobei das nicht einmal einem Monat! ort des Spielers ausgemacht. Nun gilt englische Wort poke auch eine sexuelle es, im Freien, bei Sehenswürdigkeiten, Konnotation hat wie etwa «bumsen». WIE FUNKTIONIERT DAS SPIEL? Wahrzeichen und auffälligen Orten Die monsterartigen Fantasiewesen besondere Figuren und Ausrüstungen tragen Namen wie Pikatchu, Ketchum Pokémon Go ist ein Spiel für Smart- einzusammeln. Es reicht also nicht aus, oder Hypno. phones und Tablets. Es wurde vom nur virtuell tätig zu sein, sondern man muss mit dem Handy nach draussen Als Erstes muss man sich in diesem Video-Spiel eine Trainer-Figur, einen 40 ethos 11/2016

Avatar, in Form einer menschenähnli- SPIEL ALS CHANCE, MENSCHEN bedenklichen Hintergrunds von chen Figur zurechtbasteln. Nun mar- AUF JESUS HINZUWEISEN? Pokémon klingt das etwa so, als schiert man los, beispielsweise mit dem wolle man mithilfe von Tarot-Karten Friedhof als Ziel. Da Pokémon Go mit Manche sehen im aktuellen Pokémon- evangelisieren. GPS-Ortung arbeitet, wird das Handy Go-Hype eine missionarische Chance. zum «Navi». Anhand einer Karte wird Christliche Gemeinden und Kirchen Dass die Pokémon-Go-Entwick- exakt angezeigt, wo man sich gerade sollen als Suchorte («Pokéstops») oder ler die Pokémons in ihrer virtuellen, befindet. Plötzlich taucht auf der Karte Kampfstätten («Arenen») für das Spiel der realen Welt übergestülpten Welt ein versteckter Geist, ein Pokémon, auf. dienen oder Aufladestationen für oft an Kirchen positionieren und dort Dieses wird dort durch das Spielsystem Handys bieten. Dadurch würden Men- Pokéstops einrichten, bedeutet nicht, via Satellit platziert. Wenn man es schen bewegt werden, die Gemeinde dass sie dem Christentum gegenüber fangen möchte, muss man sich dem oder Kirche aufzusuchen. Die soziale freundlich eingestellt sind. Könnte es Pokémon nähern und es auf dem ei- Komponente des Spiels helfe beim nicht vielmehr sein, dass sie gerade genen Handy mit einem Ball abschies- Kontakteknüpfen. Doch angesichts des christliche Jugendliche für ihr okkult- sen. Trifft man, gehört ein weiteres Po- magisches Denken gewinnen wollen? kémon in die persönliche Sammlung. Nun soll man sich die übernatürlichen Zahlen + Fakten (STAND AUGUST 2016) Fähigkeiten der gefundenen Geistwesen zunutze machen und weiterentwickeln • Allein in den USA haben sich bisher über 21 Millionen Nutzer Pokémon Go installiert (trainieren), um andere zu besiegen. – innerhalb von nicht einmal einem Monat! Ziel ist, möglichst viele virtuelle Mons- ter einzufangen. • 14 Prozent hat die Aktie der mitbeteiligten Pokémon-Firma Nintendo innerhalb nur eines Tages (19. Juli) zugelegt. Der Marktwert hat sich innerhalb kürzester Zeit HINTERGRÜNDE verdoppelt. Der Pokémon-Erfinder Satoshi Tajiri • 277 Millionen Stück der ursprünglichen Pokémon-Game-Serie hat Nintendo bis heute war u. a. inspiriert vom Animismus – verkauft. Ein Ende ist nicht in Sicht. dem heidnischen Glauben an eine von Geistern bewohnte Natur. Der japani- • Vier weitere Spiele will Nintendo bis März 2017 lancieren. sche Shintoismus lehrt, die Welt sei von • Videogame-Experte Marc Bodmer: «Ich finde das Spiel sehr sozial: Es schafft Zufalls- Tausenden «Kami» (Götter-Geistern) bewohnt. Wenn Menschen diesen Geis- begegnungen, und man hilft einander.» tern Aufmerksamkeit, Nahrung und • Strassenumfrage: A.: «Reale und virtuelle Welt vermischen sich. Wenn du die Kamera Weihrauch darbringen, verleihen die Kami Glück und Erfolg, im anderen Fall aktivierst, siehst du das Pokémon in deiner normalen Umgebung. Das fasziniert mich.» hat man mit Rache und Feindseligkeit zu rechnen. Die überaus populäre japa- Migros Magazin 8.8.2106 nische Kawaii-(«Niedlichkeits»-)Kultur beruht auf dieser animistischen Vorstel- lung, dass sich in den Dingen der mate- riellen Welt überall Geister verbergen. Das animistisch-magische Denken hinter Pokémon kommt auch in dem Pokémon-Titelsong zum Ausdruck: «Ich werde durch das Land reisen / überall suchen / um jeden Pokémon zu verstehen / und ihre innere Kraft / Pokémon! – Schnapp’ sie dir alle ...» Wegen dieser Vorstellung der innen- wohnenden Kraft wurden die Sammel- karten auch «Energie-Karten» genannt. ethos 11/2016 41

Fazit Obwohl dieses Spiel dafür sorgt, dass elle Scheinrealität übergestülpt. Bemer- eine heidnische Vorstellung proklamiert Kinder und Jugendliche animiert wer- kenswerterweise hat die Technik die und verfestigt, die davon ausgeht, dass den, rauszugehen und sich im Freien Welt nicht entzaubert – wie es der So- eine böse Geisterwelt – somit das Böse – zu bewegen – bei der «Eier-Ausbrüt- ziologe Max Weber prognostizierte und durch Kampf und mit Hilfe von okkul- funktion» muss der Spieler mit sei- postulierte –, sondern die Technik ver- ten Kräften unterworfen werden könne. nem Handy einige Kilometer laufen, zaubert die Welt neu mit einer magi- um den gewünschten Erfolg zu ha- schen Religiosität und verhilft diesem Die Kämpfe, die beim Spiel ausgetra- ben –, beinhaltet es etliche Gefahren, Techno-Spiritismus erst zu einer ra- gen werden, sind nichts anderes als das die nicht übersehen werden dürfen. santen Verbreitung und Entwicklung Messen okkulter Kräfte. Nun, es ist ein Weil die Spieler ständig auf ihre Bild- – in Synthese mit dem eiskalt kalkulie- Spiel – aber was für Vorstellungen und schirme starren und das Jagdfieber renden Kapitalismus milliardenschwe- Vorlieben werden hierbei vermittelt einem die Umwelt vergessen lässt, gab rer Weltunternehmen, die letztlich da- und in die Seele eingeprägt? Wie frag- die Schweizerische Unfallversicherung von profitieren und nebenbei noch viel würdig das alles für Christen ist, wird eine Warnung vor Stolperunfällen mehr Daten über die Nutzer sammeln auch an den Namen und Charakteren heraus. Auch verkehrstechnisch kann können. So muss jeder Spieler sein Ein- der über 700 verschiedenen Pokémons dieses Spiel gefährlich sein. verständnis dazu geben, dass sein Bewe- (151 bei Pokémon Go) deutlich. Zwei gungsprofil aufgezeichnet und in den heissen z. B. Abra und Kadabra. Abra Schon die früheren Pokémon-Versi- USA in irgendeiner Form verarbeitet soll die Fähigkeit des Gedankenlesens onen auf Gameboy und Spielekonsolen werden darf. Aus einem solchen Bewe- vermitteln. Kadabra trägt das Satanszei- wurden als «Techno Animismus» be- gungsprofil lassen sich Schlüsse ziehen: chen (Pentagramm) auf der Stirn. zeichnet, der moderne Technik mit Welche Geschäfte, Lokalitäten, Kirchen archaisch-heidnischer Spiritualität ver- etc. werden wie lange besucht? Deut- Man mag sich fragen, wie ernst man bindet. Durch die Weiterentwicklung sche Datenschützer haben deshalb das Ganze nehmen soll. Solche Spiele auf «Pokémon Go» kann nun die ganze Pokémon Go schon heftig kritisiert. kommen und gehen. Abgesehen davon reale Welt in diesen spirituellen Zirkus haben die meisten Spieler mit Dämo- miteinbezogen werden – bzw. der re- Wie in vielen Spielen mit Fantasy- nie nichts am Hut. Aber ganz so harm- alen Welt wird eine technisch spiritu- Hintergrund wird auch in Pokémon Go los ist die Sache dennoch nicht. Es dient wohl der Sache, auf ganz spielerische In den 1990er-Jahren ist es im Zusammenhang von Pokémon in Japan zu einer Welle von Selbstmorden unter Weise in die okkulte Welt eingeführt zu Kindern und einer starken Verbreitung von Angstzuständen, Depressionen und Kopfschmerzen gekommen. werden. Die scheinbare Harmlosigkeit kann die Hemmschwelle senken, aus Neugier auch andere okkulte Praktiken auszuprobieren. Sehr beunruhigend ist es auch, dass es in den 1990er-Jahren im Zusammen- hang von Pokémon in Japan zu einer Welle von Selbstmorden unter Kindern kam und einer starken Verbreitung von Angstzuständen, Depressionen und Kopfschmerzen. Dies wird als Lavandia- Syndrom bezeichnet, benannt nach der virtuellen Stadt Lavandia, die Poké- mon-Spieler bei einem bestimmten Level erreichten, wobei dann eine raffiniert dissonante und unheimlich depressiv stimmende Musik abgespielt wurde. Wie können wir gutheissen, was Gott böse nennt, auch wenn es in «harmloser» Gestalt von kleinen Monstern daherkommt? Lassen wir uns nicht täuschen! n Quelle: Hans-Werner Deppe, topic, Migros Magazin.ch 42 ethos 11/2016

alltagstauglichHilfe!« JEMAND HAT MICH KRITISIERT!» Sie tötet Beziehungen, dämpft Kreativität, treibt auf ... lässt sich nicht erbittern, rechnet Böses nicht zu Familien und Gemeinschaften auseinander, zerstört ... glaubt alles, hofft alles, erduldet alles ...» Karrieren – die Unfähigkeit, sich in Frage stellen zu lassen. Wenn ernst genommen, sind das heftige Worte. Wer auf Kritik hin zurückschlägt und denjenigen mit einem Ist es nicht seltsam, mit welcher Leichtigkeit wir es Liebesentzug straft, der diese Kritik geäussert hat, er- fertigbringen, anderen die Leviten zu lesen, wie schnell reicht nur eines: Er zieht noch mehr Aufmerksamkeit wir uns aber in den emotionalen Eisschrank zurückzie- auf die eigenen Fehler und Schwächen. Er beweist, hen, sobald ein anderer nur die geringste Kritik an uns dass der Kritiker wahrscheinlich recht hatte. Es waren ausübt? Wie leicht es geht, uns nur mit Menschen zu schon immer die getroffenen Hunde, die am lautesten umgeben, die alles toll finden, was wir sagen und tun, bellen. und zu ungeniessbaren Klein-Diktatoren unseres ei- genen Reiches mutieren? Und uns wundern, wenn al- Was aber nicht heisst, dass wir uns von jedem zur les bröckelt und wir Freunde verlieren? Aber klar. Daran Schnecke machen lassen. Demut hat nichts mit Unter- sind immer die anderen schuld. werfung oder mit Selbstkasteiung zu tun. Die alttesta- mentlichen Helden Nehemia und König David trennten Wenn es eines nachhaltigen Beweises für die Sünd- sich bewusst von Weggefährten, die eine Zerstörungs- haftigkeit des menschlichen Herzens bedürfte, dann dynamik ausübten und drohten, Pläne Gottes zu sabo- an dieser Stelle! Weil das Spiel so unlogisch ist und tieren (1. Samuel 21,11; Nehemia 6,3). Die Welt weil gerade intelligente Menschen am ehesten darauf Gottes bleibt auch heute von Nörglern nicht verschont, hereinfallen. deren Spezialität es ist, zu lästern, alles besser zu wis- sen und Splitter in anderen Augen zu suchen, während Demut ist das Qualitätssiegel eines Nachfolgers dicke Baumstämme in den eigenen Augen stecken. Jesu schlechthin. Demut ist die Gelassenheit einer Zyniker und Spötter feiern auch in unserer Zeit Hoch- gezähmten Seele, die mit den eigenen Egotrips Schluss konjunktur, und wir dürfen uns von ihnen nicht ein- gemacht hat. Sicher genug in Christus, um sich nicht schüchtern lassen. von denjenigen verletzt zu fühlen, die die Nase rümp- fen und mit uns Klartext reden. «Wer Zucht liebt, liebt Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der nicht Erkenntnis; und wer Ermahnung hasst, ist dumm!» irgendwelche Menschen abschätzig und spöttisch auf (Sprüche 12,1), ermahnt der schlaueste Mann aller die Gemeindearbeit herabblickten, die mein Mann leitet. Wir beschlossen, uns Kritik anzuhören, gleich Zeiten. Paulus gerät ins wie ungut die Art, wie sie gebracht wurde. Uns für Schwärmen, wenn er in Ehrlichkeit zu bedanken, uns aber wohlwollend und 1. Korinther 13 das diskret aus Beziehungen auszuklinken, die uns auf weiche, formbare Herz Dauer herunterzogen und entmutigten. beschreibt, eine Frucht des Wirkens Gottes. Unsere Lebensretter in all diesen Spannungsfeldern: «Die Liebe ist lang- Freunde, die uns lieb genug haben, um uns Mut zu mütig, ... gütig, nei- machen, aber auch, wenn nötig, die kritische Wahrheit det nicht ... tut nicht in Liebe zu sagen – ohne befürchten zu müssen, dass gross, bläht sich nicht wir sie am nächsten Tag nicht grüssen oder aufhören, auf ihre Mails zu antworten. Das Mass, in dem wir es aushalten, in Frage gestellt zu werden, zeigt das Mass unseres Gottvertrauens und unserer Zuversicht, dass nicht wir, sondern Gott der- jenige ist, der «das Haus baut» (Psalm 127,1). Nicola Vollkommer, Jg. 1959, verheiratet, vier Kinder, Lehrerin und Autorin; Hobbys: Klavier spielen und singen, lebt in Reutlingen. ethos 11/2016 43

RUBRIK I HeimatMARTYRIUM Nach einer Schulung im Wycliffe Summer Institute für Sprachen in Norman, Oklahoma, erreichten wir im März 1952 die Missionsstation in Danaudanau Wissel, wo wir von Missionaren willkommen geheissen wurden – unter ihnen Darlene Deibler, die wieder geheiratet hatte und jetzt Darlene Rose hiess. Wir umarmten uns und weinten. Lloyd und ich stürzten uns ins Sprachstudium, fest entschlossen, uns bald in Kapauku unterhalten zu können. Drei Monate später sollten wir etwa fünfzehn Kilometer weiter an den Tigi-See ziehen, um dort eine neue Missionsstation aufzubauen. Unser neues Haus war noch nicht ganz fertig, und Lloyd arbeitete fieberhaft daran in der Hoffnung, dass die Kinder und ich bald zu ihm ziehen könnten. Doch plötzlich befiel mich eine seltsame Krankheit. So wurde ich ohne sein Wissen in ein Krankenhaus geflogen. Die Diagnose lautete Peritonitis: Bauchfellentzündung. In wenigen Stunden oder Tagen konnte sie zum Tod führen. Lloyd liess die Kinder in der Obhut von Missionaren zurück und flog zu mir. Als man mich in den Operationssaal brachte, war ich davon überzeugt, dass mein Tod bevorstand. 44 ethos 11/2016

Fünfter I FORTSETZUNGSGESCHICHTE eil Dorie’s Kindheit ist ein einziger Albtraum: Ablehnung und Gewalt durch die eigene Mutter, später im Waisenhaus und in Pflegefamilien – bis sie den einen kennenlernt, der die Unerwünschten sucht und liebt. Und nie hätte sie gedacht, einmal glücklich verheiratet und Mutter zweier Kinder zu sein. Gemeinsam mit ihrem Mann Lloyd folgt sie dem Ruf Gottes in die Mission nach Neuguinea. Und um mich in meiner bösen Ahnung den Tigi-See. Gott hatte andere Pläne. Häuser. Schweine hasteten durch die zu bestärken, wurde mir gesagt, dass ein Unsere Mission trug sich mit dem Gärten. katholischer Priester gerade auf dem Gedanken, in das Baliem-Tal – tief im Operationstisch gestorben war. Innern Neuguineas – vorzudringen. Ich blickte auf mein zukünftiges Weit von aller Zivilisation entfernt, leb- Zuhause – das Tal, für das Gott uns eine Nach der Operation berichtete mir ten dort 60 000 Eingeborene, die noch besondere Last aufs Herz gelegt hatte. der Arzt, dass er zwar eine Zyste an mei- nie etwas von Jesus Christus gehört Aber ich ahnte nicht, dass über ein Jahr nem Eierstock gefunden, sie aber nicht hatten. Die Dani, wie sie genannt vergehen würde, bis ich den Fuss in eins entfernt habe. Später wurde mir gesagt, wurden, standen in dem Ruf, Kanniba- der Dörfer setzen konnte. dass eine akute Infektion einsetzte, weil len zu sein. So zogen wir nach Sentani dieser Arzt keine sterilisierten Instru- und begannen, Malaiisch zu lernen. DIE HERAUSFORDERUNG mente verwendet hatte. IM BALIEM-TAL Wieder brach die Peritonitis aus. Ein Innerhalb eines Monats konnte ich Arzt meinte, dass eine Schwangerschaft 60 000 Steinzeitmenschen lebten in nach Enarotali zurückkehren. Doch meinen Zustand verbessern könnte. Wir totaler Isolation, mindestens 300 Kilo- wir zogen nie in das neue Gebiet um waren überglücklich, als wir feststellten, meter von jeder Zivilisation entfernt dass ich unser drittes Kind erwartete. mit unüberwindlichen Bergketten, Doch ich erlitt eine Fehlgeburt. dichten Wäldern und morastigem Sumpfland. Die einzige Möglichkeit, Anfang 1954 charterten wir ein aus- dort eine Missionsstation zu errichten, tralisches Handelsflugzeug, um über bestand darin, auf dem Baliem-Fluss das Innere der grossen Insel zu fliegen mit einem Wasserflugzeug zu landen. und das Baliem-Tal in Augenschein zu nehmen. Es liegt zwischen ungeheuren Endlich schien dem Einfliegen Bergen mitten im Busch. nichts mehr im Weg zu stehen. Doch da tauchte ein weiteres Hindernis auf. Alle Während wir über die kleinen An- drei Ehefrauen der Missionare waren siedlungen flogen, entdeckten wir die körperlich angeschlagen. Einar Mickel- Dani, die mit drei bis fünf Meter langen sons Frau musste wegen eines Problems Speeren auf den Pfaden entlanggingen. Frauen und Kinder rannten in ihre ethos 11/2016 45

mit ihrem Herzen in den Vereinigten wusste ich, dass wir uns auf ihn werfen nachdem sie uns gebührend begrüsst Staaten bleiben. Darlene Rose war konnten und er uns trösten würde. hatten, waren wir es auch! Ich hatte schwanger und flog nach Hause, als sie immer gehört, dass Gott jemanden, krank wurde. Meine Peritonitis brach Am 20. April 1954 sollte der erste den er beruft, auch befähigt. Doch erneut aus. Als mein Gesundheitszu- Kontakt mit den Dani stattfinden. bis zu jenem Augenblick hatte ich es stand sich immer mehr verschlechterte, Mit von der Partie war eine bekehrte nicht erfahren. Ich konnte diese beiden riet mir der Arzt, nach Amerika zurück- Kapauku-Familie. Sie wurde in die Männer tatsächlich lieb haben!» zukehren. Auch Lloyd erinnerte mich Aktion miteinbezogen, damit die Dani daran: «Liebling, wir haben die Verant- sahen, dass ihre weissen Besucher ihnen GRAUSAME STAMMESSITTEN wortung für die Kinder!» So beschlos- freundlich gesinnt waren. Trotzdem mussten Einar, der Pilot, Al Lewis und Im November 1954 verliessen die Kinder und ich New York an Bord der «Die Diagnose lautete «Orchides» und legten fast drei Monate Peritonitis: Bauch- später in Sydney an. Lloyd holte uns ab. fellentzündung. Was für ein herrliches Wiedersehen! In wenigen Stunden oder Tagen konnte Am 20. Februar 1955 kamen wir sie zum Tod führen.» schliesslich ins Tal. Mindestens fünfzig Männer und Jungen drängten sich um sen wir, dass ich mit Burney und Lloyd mit dem Schlimmsten rechnen ... uns und wollten die Frau von Tuan Van Darlene, die damals vier und drei Das Flugzeug kreiste über dem Fluss, Stone berühren. Sie kniffen mich und Jahre alt waren, nach Houston zurück- dann setzte es zur Landung an. Die legten ihre mit Fett verschmierten kehren sollte. Lloyd würde in Neu- kleine Fünfergruppe blieb allein in Arme um mich. Und doch: Als diese guinea bleiben. der Wildnis zurück. Erst zeigte sich vor Schmutz starrenden Dani mich kein Dani. Am nächsten Morgen aber umarmten, gewann ich sie lieb. Unsere Als das Flugzeug die Landebahn erschien eine lange Reihe von Dani- grösste Bitte an den Herrn war gewesen, hinunterrollte, kam es mir vor, als Kriegern. Ihre drei Meter langen uns Liebe für sie zu geben. würde eine Hälfte von mir abgerissen. Speere sahen wie die Spitzen eines Die Kinder pressten ihre Nasen gegen Eisengitters aus. Sie schleppten unsere Habseligkeiten die Scheiben und weinten. Auch Lloyd zu der Hütte, die wir unser Zuhause liefen die Tränen übers Gesicht. Ich Lloyd schrieb in sein Tagebuch: nannten. Ständig wurden wir beobach- wäre aus jenem Flugzeug hinausge- «Die Dani begrüssten uns, indem sie tet. Die Dani waren fasziniert von der sprungen, wäre ich nicht so zuversicht- uns die Hände schüttelten und uns Art, wie wir uns wuschen, und gerieten lich gewesen, dass wir unserem Herrn umarmten. Sie waren von Kopf bis Fuss ganz aus dem Häuschen, wenn wir gehorchten. Und im tiefsten Innersten mit Schweinefett eingeschmiert, und unsere Zähne putzten. Sie dachten, Zahnpasta sei Vogelmist. Auch Darlenes Puppe, die «Mama» sagen konnte, ver- ursachte einige Aufregung: Erwachsene Männer rannten entsetzt fort. Während eines Schweinefestes schlachteten sie bis zu einem Dutzend Schweine und assen von dem Fleisch noch Wochen später. Als ich ein verdor- benes Stück Schweinefleisch geschenkt bekam und es wegwarf, meinten sie, ich hätte es nur verlegt. Sie brachten es zweimal ins Haus zurück. Das dritte Mal vergrub ich es. Die Dani amüsierten sich über un- ser seltsames Gebaren. Lloyd entdeckte, dass sie, wenn er seine Schuhe auszog, vor Überraschung an ihre Hüftkordel schlugen, ihre Zeigefinger in den Mund steckten und an ihren Wangen zerrten. Allmählich erfuhren wir den Grund für 46 ethos 11/2016

ihre Überraschung: Sie meinten, der «Als das Flugzeug die Landebahn weisse Mann zöge einen Teil seines hinunterrollte, kam es mir vor, als Körpers aus! Wenn ein Dani in einen würde eine Hälfte von mir abgerissen.» Spiegel guckte, schaute er dahinter, um zu sehen, wer dieser Mann vor ihm sei, einen Dani-Stamm aufgenommen zu Mal die Möglichkeit, den Dani die den er nie zuvor gesehen hatte! Oder sie werden. Für mich bedeutete das den Weihnachtsgeschichte zu erzählen. rubbelten die Arme der Missionare, um Höhepunkt unseres Lebens im Baliem- Als wir im ersten Dorf ankamen, zu sehen, ob das Weisse abgehen würde. Tal. Es begann damit, dass ein Häupt- setzten sich die Kinder in den Schatten ling einem Schwein einen Pfeil ins eines Bananenbaums, um Schutz vor Von der Geburt bis zu ihrem Tod rechte Vorderbein schoss. Einer der der Hitze zu suchen. Die Dani, die sich nehmen die Dani nie ein Bad. Sie Männer fing das Blut auf einem Bana- um uns versammelten, schienen aufge- schmieren sich dick mit Schweinefett nenblatt auf. Ein anderer schnitt ein bracht. Wir merkten, dass sie Burney ein oder mit Kohle und bedecken sich Stück Fett ab, rieb es in seinen Händen, und Darlene besondere Aufmerksam- als Zeichen der Trauer mit Schlamm. vermischte es mit dem Blut und be- keit schenkten und in ihre Richtung Verständlicherweise muss man einen gann, mir damit Kopf, Gesicht, Haare zeigten, bis wir sahen, dass sie auf Dani nicht erst sehen, um zu wissen, und Beine einzureiben. Er legte den menschlichen Knochen gesessen hatten. dass er in der Nähe ist. Finger auf seine Nase, dann auf meine und erklärte: «Mama, wir sind eins. Unverzüglich begann Lloyd die Leute Die Freitagabende waren für Lloyd Du kannst in unsere Dörfer gehen und auszufragen. Auf sein Forschen, wessen und mich besondere Abende. Wir wu- unsere Leute besuchen, und es wird dir Knochen das seien, bekam er keine Ant- schen uns, zogen saubere Kleider an, kein Leid geschehen.» wort. Er drang jedoch in sie, und nach machten einen Abendspaziergang oder einer Weile flüsterte der Häuptling ihm Spiele mit den Kindern. Um einen Ich war überglücklich! «Herr», betete ins Ohr: «Das sind Hawulas Knochen.» Hauch Romantik zu verströmen, hatte ich, «wenn ich doch nur die Möglichkeit ich ein Fläschchen Parfüm mitgebracht. hätte, diesen Menschen zu erklären, dass Wir waren entsetzt. Hawula war tot! Wenn ich etwas davon gebrauchte, uns nicht das Blut von Schweinen eins Lloyd sagte: «In jenem Moment kamen riefen die Dani aus: «Mama Van Stone, macht, sondern das Blut Jesu Christi!» mir die Worte eines Missionslieds wie- du stinkst!» der in den Sinn: ‹Hunderttausend See- Oft standen wir in Gefahr, den Mut len am Tag gehen in die Ewigkeit ohne Oft bin ich gefragt worden: «Dorie, zu verlieren. Menschen um uns herum Christus, in Schuld und Dunkelheit, wie konntest du diese Menschen nur starben, ohne Jesus Christus als ihren ohne einen Schimmer von Hoffnung lieb haben?» Weil ich Gottes Gnade er- Heiland kennengelernt zu haben. und Licht. Sie gehen ins Verderben, in fahren hatte, konnte ich sie weitergeben. eine Zukunft so dunkel wie eine end- Die Dani haben kein Wort für Liebe. Ich Der erste Mann, dem Lloyd damals lose Nacht.› Herr, wie konnte es nur kannte keine Liebe, bis ich Gottes Liebe 1954 eine Penizillinspritze gab, war sein, dass dieser Mann buchstäblich kennenlernte. Die Dani schlugen ein- Hawula. Er war von der Frambösie durch unsere Hände in eine Ewigkeit ander oft mit Keulen oder verprügelten («Himbeerkrankheit») befallen, einer ohne Christus ging? Und wir hatten ihre Kinder. Auch ich war geschlagen Seuche in wilden Stämmen, die Gewe- die Botschaft nicht rechtzeitig bereit, worden. Während meiner ganzen Kind- beteile wegfrisst und furchtbare Entstel- um sie an ihn weiterzugeben!» heit hatte Gott die Grundlage dafür lungen verursacht. Zwei Wochen später, gelegt, dass ich mich mit den Dani als Lloyd in die gleiche Gegend zurück- Unser Herz war schwer, und wir identifizieren konnte. Der Gott, der mir kam, umarmte dieser Mann ihn und bekamen auch keine Antwort auf die im Waisenhaus begegnet war, schien zu zeigte ihm die frisch verheilten Stellen. Frage, warum unser Freund aus dieser sagen: «Dorie, du warst wie einer von So wurde Lloyd bekannt als «der Mann Welt gegangen war, bevor wir ihm die ihnen – verstossen und hässlich. Doch mit der Jesusnadel». Gute Nachricht sagen konnten. n ich liebte dich und wandelte dich um. Und ich kann auch sie umwandeln.» Aus der medizinischen Behandlung Der sechste Teil der Fortsetzungs- Hawulas erwuchs eine Freundschaft. geschichte erscheint in ethos 1/2017. Es blutete mir das Herz, wenn ich Bald wurde er unser Reisegefährte und die grausamen Stammessitten dieser ein enger Dani-Freund. Lloyd liebte ihn Buchauszug gekürzt: Dorie – Menschen beobachtete. So wurden und glaubte, er könnte vielleicht der ein verwandeltes Leben, Kindern die Ohrläppchen abgeschnit- Schlüssel sein, um seinen Stammes- Doris Van Stone, Erwin Lutzer, ten, als Zeichen der Trauer für den Tod genossen das Evangelium zu bringen. CLV Verlag eines Verwandten. Ebenso häufig war die Sitte, sich die Kuppe eines Fingers Bei unserem zweiten Weihnachtsfest abzuschneiden, um bei der Beerdigung im Baliem-Tal hatten wir zum ersten aufrichtige Trauer zu demonstrieren. Eines Tages hatte ich die Ehre, in ethos 11/2016 47

zeitzeichenHeavy-Metal-Musikfestival: Warnung sorgte für Kontroverse (et.) Die Warnung eines Pfarrers vor dem Heavy-Metal-Musikfestival «Summer Breeze» (Mitte August, Dinkelsbühl) sorgte für eine Kontroverse. Im Vorfeld hatte der Theologe Michael Granzin im Mitteilungsblatt seiner Kirchengemeinde geschrie- ben, dass die rund 35 000 Besucher sich einem «dämonischen Einfluss» aussetzten. Der Artikel war überschrieben mit: «Wollen Sie dem Teufel begegnen?». Die Festival- teilnehmer, so Granzin, hörten Lieder von okkulten Bands, was zu einer «Immunisierung dem Wort Gottes gegenüber» führe. Der Betroffene merke es kaum, «aber sein Glaube wird blockiert». Das führe dazu, dass man «wortwörtlich in Ewigkeit verloren» sei. Granzin erinnerte an die Aufforderung des Apostels Paulus: «Überlegt bei dem, was ihr tut, ob es dem Herrn gefällt. Und beteiligt euch unter keinen Umständen an irgendeinem Tun, das der Finsternis entstammt und daher keine guten Früchte hervorbringt» (Eph. 5,10–11). Dekan Uland Spahlinger (Dinkelsbühl) kritisierte die Aussagen Granzins. Mit solchen Sätzen werde ein unbarmher- ziges Urteil über die 35 000 Besucher gefällt. «Als Theologen und Christenmenschen stehen uns derlei endgültige Ur- teile unter der Massgabe unserer Zeitlichkeit nicht zu», sagte Spahlinger. Pfarrer Granzin meinte dazu, es könne jeder im Internet nachlesen, dass bei dem Festival viele Bands einen «okkulten, teuflischen Hintergrund haben und sie ih- ren finsteren Glauben durch ihre Lieder bewusst verbreiten». Viele Teilnehmer wüssten nicht, worauf sie oder ihre Kin- der sich einliessen. Als Pfarrer sei es seine Aufgabe, darauf aufmerksam zu machen. Belgien: Jugend: Sterbehilfe für Kinder Generation Stress (et.) Belgien hat seit 2014 die weltweit liberalste (bluewin) Die heutige Jugend reift zu einer Euthanasie-Regelung. Kinder jeden Alters können dort «Generation Stress» heran. Davon zeigen sich aktive Sterbehilfe erhalten. Das Gesetz ist nun erstmals die Macher des CS-Jugendbarometers überzeugt. zur Anwendung gekommen: an einem Jugendlichen, Die jährlich durchgeführte Umfrage zeigt näm- der an einer unheilbaren Krankheit im Endstadium litt. lich, dass diese Altersgruppe heute alles auf einmal will – auch in der Schweiz. In Belgien ist seit 2002 ein liberales Sterbehilfe- Gesetz in Kraft. Es erlaubt Ärzten die Tötung auf Ver- Die Ziele und Träume der 16- bis 25-Jährigen langen von erwachsenen, unheilbar kranken Patienten, sind nicht immer frei von Widersprüchen: Karri- wenn ihr Leiden als «anhaltend, unerträglich und unlin- ere machen, aber eine ausgewogene Work/Life- derbar» gilt. 2014 wurde das Gesetz auf Minderjährige Balance pflegen – selbstständig sein und doch ausgedehnt. Voraussetzung ist, dass die Eltern der Ster- bei einer internationalen Firma arbeiten – weniger behilfe zustimmen. sparen, aber auch ein Haus kaufen. Zu all diesen Zielen äusserten die Befragten eine beträchtliche Es entstehe ein gesellschaftlicher Druck, sich Zustimmung. schwerkranker Kinder zu entledigen, warnen Stimmen. Sehr heikel sei auch die Frage, wie urteilsfähig sterbe- Zudem sind sie bei all ihren Aktivitäten stets willige Kinder wirklich sind. online, heisst es in der Mitteilung der CS. Weil sie stets online miteinander kommunizieren, auf Michael Kotsch, Vorsitzender des evangelikalen Bi- Nachrichtenseiten surfen und spielen, lässt das belbundes: «Die Kriterien, wer Sterbehilfe in Anspruch für die Meinungsforscher nur einen Schluss zu: nehmen darf, können ‹weitgehend willkürlich› ausge- Die Jugend wird zur «Generation Stress». legt werden: Was der eine als ‹unerträgliches› Leiden bezeichnet, ist für den anderen normaler Alltag.» Eine Das CS-Jugendbarometer ist eine jährlich Entscheidung über Leben und Tod stehe ausschliess- stattfindende Befragung von Jugendlichen in der lich Gott zu: «Nur er darf die von ihm gegebene Exis- Schweiz, den USA, Brasilien und Singapur. tenz wieder beenden.» Sterbehilfe untergrabe die nicht verfügbare Menschenwürde: «Sie öffnet Tür und Tor für eine endlose Diskussion um ‹wertes› und ‹unwertes› Leben.» 48 ethos 11/2016

NEBEL IM AUGUST Der Fall des Ernst Lossa – ein beklemmender Film über Euthanasie unter dem Naziregime und wie sich Geschichte wiederholt. Während Schwester Edith (Henriette Confurius) dem Mäd- Müssen auch sie eines Tages befürchten, per Gesetzesdekret chen sanft übers Haar streicht und ihm lächelnd den von ihrem Leiden «erlöst» und aus Spargründen «entsorgt» zu «Himbeersaft» einflösst, ahnt die Kleine nicht, dass sie am werden? nächsten Morgen nicht mehr aufwachen wird ... Solch unbequemen Fragen sollte man sich stellen. Denn was Diese Szene vergisst man nicht so leicht. Sie ist verstörend, sich noch vor einigen Jahren niemand vorzustellen wagte, erfährt zynisch, menschenverachtend, wie so viele andere in dem Film heute zunehmende Akzeptanz. Könnten ähnliche Szenarien wie des Regisseurs Kai Wessel. Er rollt das grausame Schicksal des im Dritten Reich bei uns bald Realität werden? «Nebel im Au- 14-jährigen Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) auf, der aufgrund seiner gust» zeigt eindrücklich: Wo Gott nicht als Schöpfer akzeptiert jenischen Herkunft als «asozial» galt und in die Heil- und Pflege- wird, setzen sich Menschen an seine Stelle, um über wertes oder einrichtung Irsee eingeliefert wurde. unwertes Leben zu entscheiden – damals wie heute. Dort kommt er in die Obhut von Dr. Veithausen (Sebastian «Es gibt eine höhere Gerichtsbarkeit als die unseres Führers!» Koch), der sich seinen Schützlingen gegenüber als fürsorglicher Mit klaren Worten bezeugt Schwester Sophia ihren Glauben an Hausvater ausgibt. Eigene Beobachtungen und unerklärliche den Schöpfer, vor dem sich einmal alle Menschen verantworten Todesfälle lassen den aufgeweckten Jungen misstrauisch werden. müssen. Der Film ist auch ein Weckruf an Christen, die Zeichen Allmählich begreift er, welch furchtbare Verbrechen hinter den der Zeit zu erkennen, mutig ihre Stimme zu erheben und an Anstaltsmauern geschehen. Tapfer hilft Ernst, wo er kann, küm- Gottes Wort festzuhalten. n mert sich um Nandl (Jule Hermann) und findet schliesslich in Schwester Sophia (Fritzi Haberlandt) eine Verbündete. Doch mit Auf einen Blick IsabelleKobe ihrem Verhalten und dem aktiven Widerstand bringen sie sich selbst in tödliche Gefahr. • Inhalt: die authentische Geschichte des 14-jährigen Ernst Lossa, der dem Euthanasie-Programm der Nazis «Nebel im August» bringt Licht in ein düsteres und bisher we- zum Opfer fiel. nig aufgearbeitetes Kapitel des Nationalsozialismus. Schätzungs- weise 200 000 psychisch kranke und behinderte Menschen • Genre: Drama wurden im Zuge des NS-Euthanasieprogramms umgebracht – • Stärken: hochkarätige Besetzung vergast, vergiftet oder indem man sie qualvoll verhungern liess. • Altersbegrenzung: ab 12 Jahre (Zürich 14 Jahre) • Filmstart: CH: 27.10.16, DE: 29.9.16, AT: 7.10.16 Gleichzeitig wirft der Film seine Schatten voraus – bis in die Gegenwart. Denn die Parallelen liegen auf der Hand. Inzwischen ist Euthanasie längst salonfähig. Ärzte mutieren zu Todesengeln, indem sie aus «Mitleid» töten. «Wir müssen den Schwachen hel- fen, sie von ihrem Leiden ‹erlösen›!» So wie Dr. Veithausen sein Handeln rechtfertigt, argumentieren auch bei uns immer mehr Menschen. Ein 14-jähriger Junge und eine Ordensschwester – sie stehen stellvertretend für viele andere – wehrten sich mutig gegen das systematische Töten. Und heute? Sind es nur noch ein paar «Fundamentalisten», die sich für das Recht auf Leben einset- zen? Wo bleibt der Aufschrei gegen den weltweiten Massenmord an Ungeborenen? Auch Frauen, die ihr behindertes Kind austragen wollen, ge- raten immer mehr unter Druck. Wann ist es so weit, dass sie zur Abtreibung gezwungen werden oder auf finanzielle Unterstützung verzichten müssen, weil sie ein Kind auf die Welt bringen, das «nichts wert» ist und den Staat nur Unsummen Geld kostet? Was kommt auf uns zu angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen alt, pflegebedürftig oder unheilbar krank sind? ethos 11/2016 49

KEINE HALB- HERZIGEN SACHEN! INPUT «Wenn du erfolgreich sein anderen hoffte, dass sie niemand ent­ willst, dann gibt es keine hal­ deckte? Jemand hat einmal gesagt: «Ein hal- ben Sachen! Entweder du ber Christ ist ein ganzer Unsinn!» Das gibst alles oder gar nichts!» Es dauerte für mich ziemlich lange hat mich sehr betroffen gemacht. Wie und kostete viel Kraft, ihm auch meine ist das bei dir? Gibt es in deinem Le- Diese Worte kenne ich dunkelsten Geheimnisse zu offenbaren ben Wünsche, Träume, Pläne ..., die nur zu gut von meinem und ihn um Führung in allen Lebens­ du schon lange versuchst zu «verste- Trainer. Immer wieder bereichen zu bitten. Es war für mich cken»? Vergiss nicht: Du kannst Jesus ruft er es mir und meinen eine riesengrosse Überwindung, doch dein ganzes Leben, all deine Wün- Schwimmkollegen zu, wenn die Worte meines Trainers hallen in sche anvertrauen. Er wartet auf jeden wir wieder versuchen, den meinen Ohren immer noch nach: «Es von uns und hat uns das Versprechen einen oder anderen Kilo­ gibt keine halben Sachen.» gegeben, dass jeder, der ihn von gan- meter im Schwimmtraining zem Herzen sucht, sich von ihm fin- auszulassen. Anfangs nah­ Aber wie konnte ich Gott von gan­ den lässt und von ihm mit Freuden men wir seine Worte nicht zem Herzen dienen? Diese Frage stellte aufgenommen wird. ernst. Wir waren uns sicher: ich mir in meiner Jugendzeit häufig. Diese paar Längen weniger Die Antwort fand ich – wie so oft – in Melissa Wurm, Jg. 1998, Studentin der bemerkt doch niemand! Erst Gottes Wort: «Weil ihr Gottes Barmher- Musikwissenschaften im 1. Semester und später verstanden wir, was er zigkeit erfahren habt, fordere ich euch Leistungsschwimmerin. damit meinte. In erster Linie auf, liebe Brüder und Schwestern, mit betrogen wir uns selber! eurem ganzen Leben für Gott da zu sein. 50 ethos 11/2016 Warum erzähle ich das? Dieser Seid ein lebendiges Opfer, das Gott dar- Ausruf meines Trainers gilt nicht nur gebracht wird und ihm gefällt. Ihm auf für den Leistungssport, sondern für diese Weise zu dienen, ist die angemes- jeden Bereich meines Lebens als Chris­ sene Antwort auf seine Liebe» (Römer tin. Jesus ist ein Freund von «ganzen 12,1). Das wollte und will ich von Sachen»: «Du sollst den Herrn, deinen ganzem Herzen. Allerdings merkte ich Gott, lieben von ganzem Herzen, mit schnell, dass mir manchmal der Mut ganzer Hingabe und mit deinem ganzen dazu abhandenkommt oder die Kraft Verstand!» (Matthäus 22,37). fehlt. Und vergesslich bin ich oben­ Genau dieses Wort «ganz» ist ent­ drein! Daher habe ich mit goldfarbenen scheidend. Gott will nicht, dass wir Buchstaben auf der Wand neben ihm nur ein paar Bereiche in unserem meinem Bett eine Erinnerung stehen: Leben geben, in denen wir gerade Hilfe «Alles vermag ich durch den Herrn, der gebrauchen. Er will, dass wir ihm alles mich stark macht!» (Philipper 4,13). n hingeben und alles unter seine Führung stellen. Aber wie funktioniert das? Melissa Wurm Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass dieser Schritt der völli­ gen Hingabe des eigenen Lebens einer der schwierigsten ist. Anfangs hatte ich ein grosses Problem damit, Gott jeden Bereich meines Lebens hinzugeben. Die Bereiche wie Gemeinde, Jugend­ stunde und Bibelkreis waren sehr einfach für mich, aber was war mit meiner verborgenen Welt? Die Welt, die nicht jeder sah, nicht jeder kannte? Die Welt und meine Wünsche, die nur ich kannte und bei dem einen oder Melissa Wurm beim Schwimmwettkampf.


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