Dinge mit Wuch erungen Márió Z. Nemes über die Pluralität von Kernen, Übersetzungen und IdentitätenFür die „Kern“-Ausgabe haben wir Ich denke, es ist eine kulturell geprägte Für dein Internet-Projekt versumonlinemit dem ungarischen Lyriker Márió Idee. Man spricht ja über den Kern einerZ. Nemes gesprochen. Der Schrift- Kultur oder den Kern einer übersetzt du mit Kollegen ausländischesteller, Übersetzer und Kritiker giltals wichtiger Vertreter der jungen Idee oder Kern einer Ideo- Kerne muss Lyrik für eine ungarische Leserschaft. Márió Z. NemesDichtergeneration Ungarns. Seineengen Kontakte zur deutschen logie. Vielleicht können man hypo- Das Thema der Übersetzung ist auchLiteratur- und Kulturszene habenuns zu ihm geführt und wir konn- wir ohne einen Kern nicht thetisch mit dem Thema des Kerns verbunden: Geboren 1982 in Ajka, Ungarn.ten ihn während eines Berlin-Aufenthaltes (auf Deutsch!) nach auskommen, vielleicht ist betrachten Man versucht, des Wesentliche eines Mitglied der Vereinigung junger Schrift-seinen Gedanken zu unserem es für unser Denken nötig,Thema fragen. Gedichts von einer Sprache in die steller Attila József (József Attila Kör, JAK) irgendetwas Stabiles zu nutzen. Aber ich andere zu übertragen. Was bedeutet das sowie dem ungarischen PEN. Zusammen denke, dass es wichtig ist, dass man es für euch? mit zehn weiteren jungen Dichtern IsTcoherbxigtegleiaiimsdum,embiÜmncaeGuhenbeegsuederisdedegr,epninesinknecreeneuthäkKmtuItrlzgdletlluetie,eikt,eucrcinndodneinhrhseredatMdt.riufnls.itileesnnäi,VeoncrtbmmgddoehdeTennetdaaneenlninldsxssfdottemüaemkrnruuzdsRtKmsBlisrateeeauesereaktderiironnemziitnnleceilnosnheÜn--efbumieneurds-seaeukS2eirucu0nnnhh1lfdetil6DueoZdlrswteasutbhNiF(uenh„sieosaSrretSeatrUtodsUmroidmucleNerninhbamedutemeghesuslttemuiai,edSdredsrdnidstneceeemnicegh.ersrsphrezrtZeale2zeeneinAnbvuce0lii“lnataihdrk0u)Ftenlaiaeg5nLagdunceldengeasdmi,nzgeiezkesRüpuörmrietnüzndbsteiiesveiindneeeWegii..rrssnaedeIIsScrkeTreAmemehobmttGteBkelezlciuJNonauuettahwnugddrcevhPnddhieitTodrccozomemnhehee2lislatotsies0eMeieiutgsgpe1scieo4eehn- nicht konkret versteht, sondern immer hypothetisch. Der Kern steht meist für das Wesentliche, aber „das We- sentliche ist für die Au-Interview: Mena Koller gen unsichtbar“, schrieb Saint-Éxupery. Was denkstMárió, was assoziierst du mit der Idee du über die Beziehung vonvom Kern? Kern und Leerstelle?Nun, mit Kern assoziiere ich eigentlich Nun, Anwesenheit und Abwe- senheit betrachte ich als einen Prozess.negative Dinge, zum Beispiel Essentialität Also eine ständige Oszillation zwischen nika Rinck, Orsolya Kalász und Matthiasoder Fundamentalisierung oder Anwesenheit und Abwesenheit. Du sprichst Deutsch und Kniep. Nemes lebt in Budapest.etwas zu Statisches. Wenn ich Ungarisch fließend − gibt esüber „Kern“ nachdenke, möchte „Kern“ ist mir Das meine ich eigentlich auchich lieber „Kerne“ sagen. Für zu homogen damit, dass man den Kern immer für dich so etwas wie ein „Wesen“ dieser Veröffentlichungen: auch hypothetisch betrachten beiden Sprachen? 2006 − Alkalmi magyarázatok a húsrólmich ist Pluralität von Funda- muss, also als Abwesenheit. („Improvisierte Bemerkungen über dasmenten wichtiger, also Heterogenität. Wie ich gesagt habe, bin ich sehr skep- Fleisch“)„Kern“ ist für mich irgendwie zu homo- Kann Lyrik durch die Reduktion auf tisch, was die Wesenhaftigkeit angeht. 2010 − Bauxit („Bauxite“) Aber ich denke, die größte Differenz ist, 2014 − A hercegprímás elsírja magátgen. Ich mag die Dinge, die mehr mit das Wesentliche gezielt nach dieser An- dass ich mich anders konstruiere, wenn („Der Erzbischof weint“) ich deutsch oder ungarisch spreche. IchWucherung, mit Mutationen und Vielfalt oder Abwesenheit suchen? habe eine andere Identität in der jeweilszu tun haben. Vielleicht würde ich es so formulieren: anderen Sprache. Sie können auch Ana- Man weißt nicht immer, worauf man re- logien aufweisen, aber manchmal ist es www.lyrikline.org/de/gedichte/Denkst du, dass „Kern“ eine universelle duziert. Man kennt den Kern nicht. Man wie ein Doppelgängereffekt. Das ist für falra-fest-11165Idee ist oder eine kulturell geprägte? reduziert, aber das ist immer ein Prozess, mich auch immer wieder unheimlich, www.technologieunddasunheimliche.com eine Suche, nach dem, worauf man sich dass ich auf Deutsch ein bisschen anders reduziert. Das fluktuiert. Dazu braucht32 man auch eine ständige Neugier. bin als auf Ungarisch. 33
Simone Scharbert Das Online-Projekt versumonline wird von Márió Z. Nemes und seinen Kollegen Dénes Krusovszky, Bálint STILLE, AUSZIEHBAR Urbán, Gerevich András und Marcell Szabó mit dem das stundenfurnier über tische Anliegen betrieben, der kulturellen Abschottung der zeitgenössischen ungarischen Literaturszene etwas entge- gebreitet an wände genagelt genzusetzen. Für die Kern-Ausgabe hat Zoltán Lesi das die ausziehbare stille ins grobe Gedicht STILLE, AUSZIEHBAR von Simone Scharbert ins Ungarische übersetzt. gewebt unsere haut zuckt eichengebräunt durch CSEND, KIHÚZHATÓ polaroidrahmen über tapeten asztalokon az időfurnér unsere lippen gestrichen falnak szögelt im kern abgekaute wörter kihúzható csend durvára szőtt bőrünk megrándul oder doch nur die fruchtschale tölgyszínűre barnult weil jemand das sagt schon immer a polaroidkeretektől a tapétákat Simone Scharbert ist 1974 im bairi- ajkunk végigsimítja schen Aichach geboren, promovierte a magban megvásárolt szavakat über die Osterweiterung der EU und vagy mégis csak a gyümölcskosár mert valaki mindig felemlegeti hat ein Faible für osteuropäische Literatur. Sie lebt und arbeitet in der Zoltán Lesi, geboren 1982 in Ungarn, lebt und schreibt in Wien, Budapest und unterwegs. Er ist Redakteur einer Nähe von Köln. Letzte Veröffentli- gemeinsamen Buchserie der Jungen Schriftstellergesell- chungen u. a. in entwürfe, Triëdere schaft und des Jelenktor Verlags sowie Organisator eines Literaturaustausches zwischen Wien und Budapest. Er- und Krautgarten. schienen sind die beiden Gedichtbände Daphnis ketskéi („Daphnis’ Ziege“), 2009, und Merül („Tauchen“), 2014.34 www.versumonline.hu 35
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