10 PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ RECHTSPRECHUNG Geleitet von Hon.-Prof. Dr. G. Korn und Hon.-Prof. Dr. Michel M. Walter Bildnisschutz – Darstellung von standete die Veröffentlichung ihres Lichtbildes im nachste- henden Artikel (Ausschnitt): Wohnverhältnissen OGH 20.01.2014, 4 Ob 216/13p (Vorinstanzen: OLG Wien 29.10.2013, 5 R 161/13b; HG Wien 8.7.2013, 39 Cg 28/13f) – Luxusvilla Deskriptoren: Bildnisschutz, höchstpersönlicher Lebensbereich, Wohnverhältnisse, Luxusvilla, berechtigte Interessen, Inter- essenabwägung § 78 UrhG; § 7 MedienG; Art 8 und 10 EMRK 1. Bei der Anwendung von § 78 UrhG ist nicht nur das Bild für sich allein, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen zu beurteilen, in den es gestellt wird. Dabei ist insbesondere der Begleittext zu berücksichtigen. Darunter fällt nicht nur der dem Bild unmittelbar beigegebene Text. 2. Die Wertungen des Medienrechts sind bei der Auslegung von § 78 UrhG zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches iSv § 7 MedienG. 3. Der höchstpersönliche Lebensbereich bildet den Kernbe- reich der geschützten Privatsphäre und ist einer den Ein- griff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich. Er erfasst jedenfalls die Gesundheit, das Sexualleben und das Leben in und mit der Familie. 4. Auch eine Darstellung von Wohnverhältnissen kann Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu wegen des dadurch möglichen Rückschlusses auf die Per- erkennen, es zu unterlassen Bildnisse der Klägerin zu veröf- sönlichkeit des Bewohners diesen Kernbereich berühren. fentlichen, wenn im Zusammenhang damit die Wohnver- Das trifft aber nicht zu, wenn ein Medium ohne Abbildung hältnisse und/oder die private Wohnadresse der Klägerin des Wohnungsinneren oder einer privaten Szene und in dargestellt und/oder erörtert werden und verband damit ein nicht reißerischer Weise über Tatsachen berichtet, deren inhaltsgleiches Sicherungsbegehren. Richtigkeit nicht bestritten ist. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige 5. Es besteht ein berechtigtes Interesse des Betroffenen, Verfügung mit der Begründung, dass „die Klägerin [...] es dass das äußere Erscheinungsbild des von ihm bewohnten sich nicht gefallen zu lassen [braucht], dass ihr (Portrait) Hauses – hier: Luxusvilla – nicht öffentlich gemacht wird. Foto und die Abbildung ihres Wohnhauses in der Öffent- Dieses Interesse ist mit dem ebenfalls grundrechtlich lichkeit ‘breitgetreten’ werden. Soweit sich die Beklagte auf geschützten Interesse der Medien an der Berichterstattung das Interesse der öffentlichen Berichterstattung beruft, ist abzuwägen. ihr entgegen zu halten, dass eine Illustration des (höchst) Sachverhalt persönlichen Lebensbereichs in aller Regel – und so auch hier – nicht durch ein überwiegendes Informationsbedürf- Die Beklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Öster- nis der Öffentlichkeit gedeckt ist. Worin der Nachrichten- reich“. Sie veröffentlichte in der Ausgabe vom 02.04.2013 wert der Abbildungen – was die Klägerin betrifft – liegen auf Seite 5 in einem auf der Titelseite angekündigten Arti- soll, ist nicht zu ersehen. Mag diese auch bestimmte Aspek- kel eine Fotomontage, die die Klägerin in dem von ihr te ihrer beruflichen Tätigkeit und ihres nunmehrigen gemieteten Haus in Klosterneuburg zeigt. Sie hat dort ihren Lebens an der Seite Heinz-Christian Straches nicht ver- Hauptwohnsitz. Sowohl der Text als auch die Fotos wurden heimlicht haben, so kann daraus dennoch nicht gefolgert ohne Zustimmung der Klägerin veröffentlicht. Die Klägerin werden, dass sie mit der Darstellung ihrer privaten Wohn- ist die Lebensgefährtin des Bundesparteiobmanns der Frei- verhältnisse in der Öffentlichkeit einverstanden ist. Diesen heitlichen Partei Österreichs, der seinen Hauptwohnsitz in Teil ihres Privatlebens hat die Klägerin bisher nicht der Wien und seinen Nebenwohnsitz bei der Klägerin hat. Es ist Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Abwägung der bei- gerichtsbekannt, dass die FPÖ und deren Proponenten von derseits geltend gemachten Interessen fällt daher zu Gun- gewissen Kreisen massiv angefeindet werden, was gelegent- sten der Klägerin aus.“ lich auch schon zu Übergriffen führte. Die Klägerin bean- medien und recht 3/14
PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ 11 Das OLG Wien wies den Sicherungsantrag ab und einer geschätzten Wohnfläche von 200 bis 300 m² und auf- ließ den ordentlichen Revisionsrekurs an den OGH nicht grund der in Frage kommenden Lage eine Monatsmiete zu. Das OLG Wien begründete seine Entscheidung (aus- zwischen EUR 2.600,-- und EUR 4.500,-- zu zahlen sei. Der zugsweise) wie folgt: Bericht wird durch zwei weitere Fotos ergänzt: eines davon „Die nach § 78 UrhG gebotene Interessenabwä- zeigt einen (weitgehend durch Baumstämme verdeckten) gung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten Blick auf einen anderen Teil der Fassade, eines ein Bach- und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Aus- bett. Bilder aus dem Inneren des Gebäudes oder dessen fluss der freien Meinungsäußerung fällt bei einem im Kern Garten werden dabei ebensowenig gezeigt wie die angren- wahren Sachverhalt gewöhnlich zugunsten des Mediums zende Straße oder andere Baulichkeiten aus der Nachbar- aus (RIS-Justiz RS0122489). Dieses Ergebnis wird durch schaft. Der Leser erfährt daher aus dem Artikel selbst und die Judikatur des EGMR gestützt, welcher der Funktion seiner Illustration nichts über die tatsächliche Wohnfläche der Presse in einer demokratischen Gesellschaft einen und Miete sowie über die Ausstattung und Einrichtung des besonders hohen Stellenwert einräumt und Verbote und Innenbereiches der Villa bzw der von der Klägerin dort ge - Beschränkungen in der Wahl der Darstellungsmittel der mieteten Wohnung. Auch wenn Fotos Teile der Außenan- Presse nur bei Vorliegen besonderer Gründe mit Art 10 sicht des Hauses abbilden, gibt der Bericht doch keinen wei- EMRK für vereinbar hält. Auf keinen Fall begründe der teren Hinweis auf den Ortsteil von Klosterneuburg, ge - Bildnisschutz ein absolutes Verbot der Bildveröffentli- schweige denn die genaue Anschrift, wo sich das Gebäude chung (6 Ob 249/01p mwN). Auch der EGMR unterschei- befindet. Er lässt auch nicht erkennen, in welchem Teil der det bei der Interessenabwägung zwischen Art 8 EMRK und Villa die von der Klägerin gemietete Wohnung liegt. Auf- Art 10 EMRK im Zusammenhang mit der Veröffentlichung grund dieser dürftigen Hinweise werden daher nur Leser, von Fotos und Artikeln daher danach, ob die Veröffentli- die die Außenansicht des Gebäudes gut kennen, also etwa chung einen Beitrag zur Debatte von allgemeinem gesell- Eigentümer, Nachbarn oder andere ortskundige Personen, schaftlichen Interesse leistet oder nur die Neugier eines dem Bildbericht die Wohnanschrift der Klägerin entneh- bestimmten Publikums im Hinblick auf Einzelheiten aus men können. Anderen wird dies – wenn überhaupt – nur dem Privatleben einer bekannten Person befriedigen will. durch ein Nachforschen vor Ort gelingen. Auch wenn es Im letztgenannten Fall legt sie das Recht der freien Mei- einige neugierige oder schaulustige Personen geben sollte, nungsäußerung weniger weit aus (4 Ob 150/08z unter Hin- die den Artikel tatsächlich zum Anlass nehmen, sich in Klo- weis auf EGMR MR 2004, 246 Rz 65 f). sterneuburg auf die Suche nach der abgebildeten Villa zu Wer seine privaten Lebensumstände ‘öffentlich begeben, wird der dafür in Frage kommende Personenkreis gemacht’ hat, indem er etwa ein Interview gibt, in dem auch im Vergleich zu sämtlichen Lesern des beanstandeten Arti- private Aspekte erörtert werden, oder indem er sich ‘outet’, kels überschaubar bleiben. Es ist daher davon auszugehen, kann sich nicht auf eine Verletzung seiner Privatsphäre be - dass der beanstandete Bildbericht die Wohnadresse der rufen, wenn diese Umstände in der Öffentlichkeit weiter Klägerin nur einer beschränkten Personenanzahl, nicht erörtert werden (RIS-Justiz RS0124096). Die Frage, ob sich aber der breiten Öffentlichkeit bekannt macht. der Betroffene, der zu privaten Umständen Stellung ge - Die Wohnverhältnisse der Klägerin selbst werden nommen hat, denn noch auf eine Verletzung seiner berech- im Artikel nur grob umrissen. Die Bilder der Gebäude- tigten Interessen auf Wahrung des höchstpersönlichen außenseite lassen nur erkennen, dass ihr ‘neues Heim’ in Lebensbereichs berufen kann, oder ob angesichts des vor- einem einstöckigen Gebäude liegt, das von Bäumen, Sträu- angegangenen Interviews das Interesse der Öffentlichkeit chern und einem Bach umgeben ist. Weitere Einblicke, wie an einer weiteren Erörterung überwiegt, richtet sich nach sie nur den Bewohnern selbst oder deren Besuchern, nicht den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falles. aber einem zufällig vorbeikommenden Passanten möglich Dabei sind die Aussagen im vorangegangenen Interviews sind, erhält der Leser hingegen nicht. Auch aus dem jenen der nunmehrigen Bildnisveröffentlichung samt Be - Begleittext erfährt er nur, dass die Klägerin gemeinsam mit gleittext gegenüberzustellen. Es rechtfertigt nämlich nicht ihrem Verlobten einen Teil des Hauses auf rund 200 bis jede Äußerung des Betroffenen über einzelne Aspekte sei- 300 m² Wohnfläche bei einer Miete von ungefähr 2.600,-- bis nes Familienlebens eine Bildberichterstattung über weitere 4.500,-- monatlich bewohnen wird. Der Artikel gibt somit Details seines geschützten höchstpersönlichen Bereichs keine Details aus dem privaten Leben der Klägerin inner- (4 Ob 150/08z). halb ihrer Wohnung oder ihrer Familie preis, deren Kennt- Wendet man diese Grundsätze auf den beanstan- nisnahme durch Außenstehende ihre persönliche Integrität deten Bildbericht der Beklagten an, lässt sich allein aus der im besonderen Maß berührt. Er greift damit zwar in ihre Veröffentlichung des als solches unbedenklichen Lichtbil- Privatsphäre, nicht aber in ihren höchstpersönlichen des der Klägerin noch keine Verletzung ihres Rechts am Lebensbereich ein. eigenen Bild ableiten. Es zeigt sie in Gestalt einer Fotomon- In einem zweiten Schritt ist daher eine Abwägung tage gemeinsam mit Heinz-Christian Strache vor der – auf- zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Klägerin und grund der Abbildung einer Straßenlaterne im Vordergrund dem öffentlichen Interesse an der konkreten Berichterstat- erkennbar – straßenseitigen, zum Teil durch Bäume und tung durch die Beklagte vorzunehmen. Gegenteiliges kann Sträucher verdeckten Fassade eines einstöckigen Wohn- auch der von der Klägerin ins Treffen geführten Entschei- hauses. Aus dem Text des darunter abgedruckten Artikels dung des EGMR vom 09.10.2012, Alkaya gegen Türkei, geht hervor, dass es sich bei dem abgebildeten Gebäude um Bsw 42811/06, nicht entnommen werden. Mit dieser Ent- eine in der Nähe eines Baches, „mitten im Grünen“ gelege- scheidung stellte der EGMR zwar eine Verletzung des Art 8 ne ‘Luxusvilla’ in Klosterneuburg handelt, die Klägerin EMRK fest, weil die staatlichen Gerichte die Klage einer einen Teil davon als ‘neues Heim’ für sich und ihren Ver- bekannten Schauspielerin gegen Medien mit Hinweis auf lobten Heinz-Christian Strache gemietet hat und dafür bei ihre Bekanntheit abgewiesen hatten, nachdem diese nach medien und recht 3/14
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