Einleitung„Die Volksmusik ist keineswegs eine erstarrte, historische Musik. Sie ist lebendig und in dauernder Erneuerungbegriffen‟ (Prof. Kurt Pahlen)Mit Bezug auf instrumentale Schweizer Volksmusik (VM) unterscheide ich folgende Arten:Alte Tanzmusik unserer Vorfahren (19. Jh. bis Anfang 20. Jh.)vergl. „Schweizer Volksmusik Sammlung“ von Hanny ChristenTraditionelle (konventionelle) LändlermusikSeit Anfang des 20. Jh. bis in die 70er-Jahre hat sie sich nur geringfügig verändert (Integration von Saxofon und Foxtrott)und wird heute von gewissen „Vopos“ (Volksmusik-Polizisten) als „echte, unverfälschte“ Volksmusik etikettiert. Diese Musikart hat sich bis heute erhalten. Sie „lebt“ bis zu einem gewissen Grad vom Stegreif-Musizieren und ist auchfür Laien mit mittleren technischen Fähigkeiten gut spielbar. Das Repertoire wird an die Bedürfnisse des Publikums unddie Art der Veranstaltung (auch räumliche Bedingungen) angepasst, z.B.: „normale“ Gebrauchs-Tanzmusik, Volkstänze,konzertante Ländlermusik (gelegentlich mit Kaffeehausmusik-Charakteristik) aber auch Touristen-Ländlermusik mitSchwergewicht auf optischen Effekten (Show).Unkonventionelle (innovative) VolksmusikSeit Mitte der 70er-Jahren werden „artfremde“ Instrumente (elektronische Instrumente, Instrumente aus den Bereichen„Klassik“, „Pop“ und musikalische Elemente aus anderen Musiksparten, z.B. Internationale Folklore, unauffälligintegriert. Der zeitgenössische Volksmusik-Publikumsgeschmack wird nicht berücksichtigt. Kompositionen undArrangements werden nach musikalischen Gesichtspunkten erarbeitet und zu Gehör gebracht.Kommerziell orientierte VolksmusikEinbezug von Instrumenten wie oben erwähnt mit Schwergewicht auf Schlagzeug, Synthesizer, Sampler und anderendigitalen Tonerzeugern. Integration von E-Piano, E-Gitarre, E-Bass, musikalische Elemente vorwiegend aus dem Bereich„Schlager“ und „U-Musik“. Grundsätzlich geht es darum, volksmusikalische Hörgewohnheiten zu befriedigen.Verfremdende Elemente werden unter Berücksichtigung von modischen Publikumsgeschmacks-Trends verwendet. In der„modernen“ Musik sind drei Komponenten, die in der VM nicht oder nur spärlich vorkommen enorm wichtig:Sound(teppich), Offbeat (Nachschlag) und perkussive Saiteninstrumente. „Gewöhnliche“ VM (Kompositionen,Arrangements, Instrumentierung) lässt sich schon klangmässig schwer in diese Rubrik einpassen. Sie muss also bis zueinem gewissen Grad verfremdet (für Traditionalisten heisst das „verhunzt“ ) werden. Gefragt sind ausserdemeingängige und zeitgemässe Arrangements (auch von urchigen Stücken und Gassenhauern). Das Repertoire besteht ausz.B. „Stimmungs-Anheiz-Ländlermusik“ ohne bemerkenswerten musikalischen Gehalt, simplen sangbaren Melodienbasierend auf schon Bekanntem (Ableitungen, Kopien, Bearbeitungen einschlägiger Themen), Kompositionen mitMelodie-Thematik aus dem Deutsch-Österreichischen Alpenraum (Angleichung an Oberkrainer-Musik), Melodien mitwohlkingender Klangteppich-Begleitung und rhythmischen Elementen aus der konventionellen U-Musik,Gesangseinlagen (volkstümlicher Schweizer-Schlager).„Ländlerkrainer“, „Bündnerkrainer“ und „Örgelikrainer“Diese speziellen Ländlermusik-Sparten wurden seit den 70-er Jahren im Lauf der Zeit bei Musizierenden und beimLändlermusik-Publikum sehr beliebt. Sie stellt in rein instrumental-technischer Hinsicht bedeutend wenigerAnforderungen als „Hardcore-Ländlermusik“ und wird vor allem von Kapellen im Bündner-Stil, Schwyzerörgeli- undHandorgelformationen praktiziert. Die Oberkrainer-Musik hatte ihre Hochblüte-Zeit in den 60er- und 70er-Jahren.Erfunden wurde dieser Musikstil in der ersten Hälfte der 50-er Jahre von den slowenischen Gebrüder Slavko und VilkoAvsenik. Wieso hatte die Oberkrainer-Musik so grossen Erfolg? Vieles hängt wahrscheinlich vom Repertoire und dem„Sound“ ab. Das „Oberkrainer-Stil-Klischee“ sieht stichwortartig folgendermassen aus: 3-teilige Stücke mit eingängigen, tanz- und sangbaren Melodien im Polka- und Walzertakt gehörmässig leicht nachvollziehbare Harmoniefolgen Die Trompete spielt die 1. Stimme. Die Klarinette übernimmt die 2. Stimme meist oberhalb der Führungsstimme. schnelle, kontinuierliche Handorgel-Akkordbegleitung mit der rechten Hand in 16tel- oder 8tel-Noten fetzige Gitarren-Begleitung Tenorhorn oder Bariton, bei ruhigen Stücken E-Bass, sorgen für das Rhythmus- und Bassfundament und ganz wichtig: Oft mit Gesang! Diese Rezeptur wurde der Ländlermusik mit ihren typischen Instrumenten angepasst.
sog. „Neue Volksmusik“ (alternative VM, experimentelle VM)Instrumentation wie vorher erwähnt, aber zusätzlicher Einbezug von archaischen und/oder historischen Instrumenten(Sackpfeife, Drehleier, Krummhorn, Schalmei, diverse Flöten und Zithern, Trümpi etc.), die jahrzehntelang nur seltengespielt wurden, und darum nicht den Hörgewohnheiten entsprechen, also quasi „neu“ sind.Einerseits: Rückbesinnung auf alte Melodien, Tanzformen und Spielpraxis mit Neubearbeitungen und -interpretationen.Anderseits: Musikalische Elemente vor allem aus der Pop-, Jazz- und World-Music gewinnen massiv an Bedeutung (sog.Crossover). Repetitive Rhythmus-Muster kombiniert mit stereotypen Akkordfolgen sowie eigenwilligen Improvisationenwerden gelegentlich unter dem Begriff „Alpine World-Music“ zusammengefasst. Sie erschweren eine Identifizierung alsSchweizer Volksmusik und sind oft nur dank dem Schwyzerörgeli- oder einem speziellen Ländlerkapellen-„Sound“ alssolche erkennbar. Es ist vor allem Musik von gut ausgebildeten, professionellen Musiker und Musikerinnen für einspezielles „volksmusik-affines“ Publikum, d.h. weniger für eingefleischte Ländlermusik-Fans.Meine Ausführungen basieren auf der Analyse von konventioneller Ländler- und Appenzeller Streichmusik, können aberauch in manchen Fällen auf westeuropäische, besonders alpenländische Volksmusik bezogen werden. Eine Definition zuformulieren ist schwierig, darum versuche ich einzugrenzen und zu umschreiben:Ländlermusik ist keine sog. E-, U-, Pop-, Jazz-, Country-, „World‟- oder Schlager-Musik. Sie ist erkennbaraufgrund der besonderen Struktur (Form, Melodik, Harmonik, Rhythmik), Klangfarbe (typischeInstrumentierung) und Musizierpraxis (Phrasierung, Artikulation, Dynamik) (siehe „Allgemeine Merkmale derLM“)Dieser Leitfaden stützt sich auf Erkenntnisse und Erfahrungen, die ich als „Ländler-Profi” in der Praxis imLaufe der Zeit gewonnen habe. Die verschiedenen Kapitel erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn ich kann inBezug auf musiktheoretische Aspekte auf keine einwandfreien (musikwissenschaftliche) statistischen Grundlagen undForschungsergebnisse zurückgreifen. Über viele Darstellungen und Beispiele liesse sich streiten; es ist manchmal ebenschwierig, Realität und Wunschdenken auseinanderzuhalten. Ich betrachte meine Ausführungen alsLM-Bestandesaufnahme und als Diskussionsbasis. Wenn einige meiner Gedanken zur „Selbstfindung” oder„Bewusstwerdung” der Musizierenden führen würden, wäre eines meiner Ziele erreicht (Abbau der LM-Automatismen).Es gibt zum Glück weder LM-Bibeln noch -Gesetze; trotzdem haben sich gewisse Gepflogenheiten (empirische Regeln)in der Ausübung von LM herauskristallisiert.Schon mancher mag sich gewundert haben, weshalb Ländlermusikanten in der Lage sind, spontan, ohne Proben, ohneNoten und ohne das Stück zu kennen (mit Ausnahme des Melodieführers) zusammen problemlos zu musizieren. Dies isteigentlich nur in der Volksmusik und im Jazz möglich.Der Ländlermusikant-Routinier bringt folgende Voraussetzungen mit: Kenntnis des formalen Aufbaus vieler Tänze Kenntnis der Repetitionsgewohnheiten Kenntnis der Zeichensprache (optische Kommunikation während des Musizierens) Kenntnis von LM-Begleitmustern, die häufig Verwendung finden gutes Ohr für I, IV, V-Verbindungen und deren blitzschnelles Umsetzen auf das jeweilige Instrument in allen geläufigen TonartenIch beschreibe in meinem Leitfaden die wichtigsten Elemente (Modelle, Floskeln, Muster, Phrasen).Nebenbei will ich versuchen, durch Anregungen die manchmal stereotypen, langweiligen LM-Modelle zu relativieren und andere Möglichkeiten anzudeuten. Manchmal braucht es nur etwas Phantasie,Humor und kurze Absprachen (bez. Form, Rhythmus, Harmonik) unter den Musikanten, um das müdeOhr von „LM-Konsumenten” für einige Sekunden (oder Minuten) zu fesseln. In der Ländlermusik kommen folgende Parameter zum Tragen: Melodieführende Stimme: („Vorspieler“, Melodieführer) meist „Stegreif'“ (auswendig, selten nach Noten) Sie ist meist fixiert. Geringfügige Variationen kommen gelegentlich vor. Die 2. Stimme: fixiert (Terzen, Sexten), teilweise improvisiert, selten kontrapunktisch Die Begleitung: (Sekundanten) meist improvisiert
Die Grundlagen dieser drei Ländlermusik-Stützpfeiler versuche ich in der Folge zu erläutern. Wenn ich gewisseQuerverbindungen zu anderen Musikrichtungen ziehe, geschieht dies mit der Absicht, Anregungen zur Bereicherung desmusikalischen LM-Materials zu geben, ohne „Revolutions“- Gedanken im Hinterkopf. Schon vor vielen Jahren behauptete ich, dass der konventionelle ländlermusikalische Kompositionsraum sozusagenausgeleuchtet sei. Meiner Ansicht nach braucht es zwar Musikanten, die unentwegt an den musikalischen Traditionenfesthalten (Puristen), aber auch innovative, die den Mut aufbringen, neue Wege zu suchen und zu beschreiten, auchentgegen dem momentanen Volksmusik-Publikumsgeschmack. Aus der Wechselwirkung zwischen „traditionell,konventionell“ und „progressiv, experimentell“ hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine sog. „Neue Volksmusik“entwickelt, die tatsächlich noch als Ländlermusik wahrgenommen werden kann, aber auch Musik, welche nicht mehr als„schweizerisch“ erkennbar ist. Lebendige Volksmusik ist, wie das soziale Umfeld, die Hörgewohnheit oder der Zeitgeist,Veränderungen unterworfen - aber sie ist immer Ausdruck von Optimismus und Lebensfreude:„Topographisch versöhnliche Musik“ (Alex Sadkowsky).Voraussetzungen zum GebrauchAls Hauptarbeitsunterlage im praktischen Teil habe ich folgende Tänze verwendet: „Köbeli-Walzer“ (trad.),„Entlibucher-Polka“ (trad.), „Frisch gmischtet“ Schottisch (Thomas Marthaler), „Gääser-Walzer“ (Arnold Alder),„Schtäge-Schottisch“ (trad.)Folgende Kenntnisse sind nötig: Notenkenntnis Allgemeine Musiklehre Grundlagen der Dur-Moll tonalen HarmonikStimmführungsgesetze, im Sinne der „klassischen“, schulmässigen Harmonielehre (Quint-, Oktav-Parallelenverbot,verbotene Verdoppelungen, Auflösungsgesetze usw.) finden in der LM (wie z.B. im Jazz oder der Pop-Musik) kaumBeachtung. Massgebend ist das musikalische Empfinden jedes einzelnen Musikanten. Es ist aber auch nicht verboten,Harmonielehre-Regeln anzuwenden!„Was nützt dem Musikant das Moll, wenn er nicht weiss, wo drücken soll!“ (Carlo Simonelli)Allgemeine Merkmale der LändlermusikUrsprünglich „Gebrauchs-Tanzmusik“, heute Tanzmusik, volkstümliche Unterhaltungsmusik und konzertante LM. Form: gewohnheitsbedingt festgelegte Formen, Repetitionsgewohnheiten und Begleitmuster (Routine-Wendungen) Symmetrie (Liedformen, „Frage-Antwort“- Melodik) Gruppenbildung (2er-, 4er-Taktgruppen) Melodik: ausgeprägte diatonische Dur-Instrumentalmelodik, virtuos angelegte Kompositionen mit grossem Tonumfang, unsanglichen Intervallschritten und fortlaufenden Passagen in kleinen Notenwerten Moll-Melodik: Die Art der Molltonleiter-Grundlage (rein, harmonisch, melodisch) ist oft nicht feststellbar. Vermeidung oder Umgehung der charakteristischen Töne, besonders der übermässigen Sekunde in Harm. Moll In der Appenzeller- und älteren Innerschweizer-LM ist die lydische Tonleiter (Alphorn FA) ein wesentliches Stilelement. Akkordmelodik (viele Arpeggien) Harmonik: eingeschränkter Tonarten-Bereich (ca. 7 Tonarten), abhängig von Stilart, instr. Besetzung, techn. Fähigkeiten, und dem Basisrepertoire Dur-lastige Harmonik basierend auf der Kadenzformel (I - IV - V7 - I) Hang zum dominantischen Quintenzirkelbereich (I - V Verbindungen) Rhythmik: festgelegte Rhythmik (Tanz-Typen) basierend auf einfachen Taktarten (2er- und 3er-Takt) gleichbleibende metrische Scherpunkte (wenig Synkopen) stereotype Begleitrhythmen
Phrasierung und Artikulation: Phrasierung (analysierendes Aufsuchen, mitteilendes Bezeichnen und interpretierendes Verdeutlichen musikalischer Sinnglieder (gem. Riemann) wird meist intuitiv vollzogen. Artikulation (Verbindung oder Trennung einzelner Töne) ist stilgebunden (persönlich) und wenig variabel (manchmal abhängig von regionalem Musikgeschmack oder musikalischen Modeströmungen) wenig melodische Akzentuierung Dynamik: wenig Stufendynamik (stufenweise Zu- oder Abnahme der Tonstärke), noch weniger Übergangsdynamik (kontinuierliche Zu- oder Abnahme der Tonstärke), Tonstärke meist forte bis fortissimo Instrumentation: charakteristische, stilprägende Instrumentation mit typischen LM-Instrumenten Zentrale, „ländlerklangerzeugende“ Instr. sind die Handorgel oder das Schwyzerörgeli und der gestrichene Kontrabass (arco). Appenzeller- und Walliser-Musik: Hackbrett weitgehendes Fehlen von international gebräuchlichen Perkussionsinstrumenten Musizierpraxis: Grundlage der Musizierpraxis ist die Stegreifausführung „Das Musizieren in vorgegebenen Regeln oder Modellen mit geringem persönlichen Anteil des Solisten.“ (W. Ziegenrücker) etüdenhaftes, handwerkliches Musizieren („Bedienung‟ der Instr.) Improvisation im eigentlichen Sinne findet nur in der Begleitgruppe statt. LM wird in der Regel von den Begleitmusikanten fast immer, von den Melodieführern sehr häufig auswendig gespielt. Die Notation von Tänzen ist in der Regel unexakt. (Melodie, 2. Stimme, rudimentäre Akkordangaben, wenig oder keine Phrasierungs-, Artikulations- und Dynamikbezeichnungen) seltene VokalpassagenBeschreibungen aus der Fachliteratur zum Thema \"Tanzmusik\":„Sie hat die Aufgabe, die Bewegung des Tanzes zu regeln, in dem sie ununterbrochen das ursprüngliche, durch diebetreffenden zusammengehörigen Tanzschritte erzeugte rhythmische Motiv scharf ausgeprägt wiederholt.“(Musikalisches Conversations-Lexikon)„Der Tanz dient nur noch dem Ausdruck ausgelassener Freude und gesteigerter Fröhlichkeit, und dieser Umstand istentscheidend für die weitere Entwicklung der Tanzmusik geworden. Sie hat sich diesem Zuge mit aller Energieangeschlossen und in Melodie, Rhythmus und Harmonie nur die sinnlich stark wirkenden Mittel verwendet... Jeschlagfertiger und treffender sie den ursprünglichen einfachen Rhythmus darstellt und weiterhin periodisch verwendet,mit je reizvollerer Melodik sie diese dann ausstattet und durch eine ebenso sinnlich wirkende Harmonik beide unterstützt,um so mehr entspricht sie den Anforderungen unseres Jahrhunderts. Dabei wird sie noch durch den Glanz derInstrumentation gehoben.“(Musikalisches Conversations-Lexikon)„.. .Vorherrschende Melodie im allgemeinen in der Oberstimme, blockartige Akkorde alsHarmoniestütze, Akzente auf dem Hauptschlag des Metrums, nur einige Synkopen, volkstümlicheinfacher Grundzug, Zusammenfassung in sich entsprechenden Taktgruppen zu 2,4 oder 8 Takten.“(K.H.Wörner)Beschreibungen aus der Fachliteratur zum Thema „Stegreifspiel und Improvisation“:„In früheren Zeiten bildete das Improvisieren einen wichtigen Teil der allgemeinen Musizierpraxis. Die Musiker hieltensich nicht streng an den gegebenen Notentext. Sie bereicherten ihn durch Stegreifzutaten mannigfaltigster Art, die demStil des vom Komponisten vorgegebenen wie dem jeweils herrschenden Zeitgeschmack entsprachen.“(F. Sternberg)„Es ist wohl unnötig, hier noch zu bemerken, dass eine Ländlermusik frei und ohne Noten spielt. Derausgesprochene Notenspieler hängt zu sehr an seinem Konzept und verliert dadurch den absolutnotwendigen Kontakt mit seinen Spielkollegen. Und wie kann der Spieler ein ländler-fröhliches Gesichtaufsetzen, wenn er immer in sein Heftchen „stiert“, also ängstlich an den Noten klebt? Unmöglich. Undjene Musikanten, die in schmucker Tracht im Landsturmschritt auftreten, darin sich hinter dieNotenpulte verkriechen, die Notenblätter austeilen und erst eine Viertelstunde am Klarinettblättliherumklügeln: diese sind sowieso schief gewickelt und verderben zum vorneherein durch die allzugrosse Gemächlichkeit die fröhliche Tanzstimmung. Mit dem Instrument auftreten und gleich loslassen.“ (A. L. Gassmann)
„Unstreitig verlangt das Stegreifspiel grosses Können und einen geläuterten musikalischen Geschmack. Mit dem blossenHerunterleiern ist es nicht gemacht. Eine gewisse Ausdrucksform (inneres Gefühl) will zum Recht kommen“.(A.L. Gassmann)Beschreibungen aus der Fachliteratur zum Thema „Instrumentation“:Original-Ländler-Besetzung: „Seit Urgrossvaters Zeiten ist sie folgende: B-Klarinette, (B-Trompete),Handorgel, Kontrabass.“„Landesfremde Instrumente gehören nicht in unsere Ländlermusik hinein.Unsere gute Volksmusik soll nur in der landesreinen Besetzung gespielt werden.“ (A.L. Gassmann)Die gebräuchlichsten Ländlermusik-TanztypenIn der Folge bezeichne ich die untenstehenden LM-Tanztypen gesamthaft als „Tänze“ oder „Stücke“. Fürdie Beispiele habe ich mich auf die Taktarten 2/4 und 3/4 beschränkt.Die Tempi sind abhängig von der Komposition, dem Ländlerstil und der „Stimmung“ (Gefühl, Nervosität,Alkoholpegel usw.) der Musikanten.Nach Alfred Leonz Gassmann (* 31. Dezember 1876 in Buchs LU; † 8. August 1962 in Vitznau)Ländler: Bekannter Tanz der Älpler und des Volkes in den Urkantonen (in den sogenannten „Ländern“, 3/4 oder 3/8Takt. Tempo ist etwas lebhafter als der Walzer.Walzer: Altdeutsch. Etwas ruhiger und getragener als der Ländler. Fast ausschliesslich 3/4 Takt.Schottisch: Beliebtester Tanz. 2/4 Takt, Tempo sehr lebhaft.Polka: Importierter böhmischer Nationaltanz. Langsamer 2/4 Takt.Mazurka: Nationaltanz der Masuren. 3/4 Takt. Der 2. Schlag wird besonders stark betont.Galopp: Lebhafter, aufgeregter Tanz, ähnlich dem Schottisch aber schneller, 2/4Takt.
* Bemerkungen zum Ländler-Fox:Rhythmus-Charakter der Melodik:Punktierte und synkopisierte Polka-Melodien z.B.Oft jazzmässige Break-Passagen am Ende einer Periode als Überleitung zum Thema.Harmonik:Geschlossene Vierklänge auf jeder Stufe, verm. Septakkorde, Alterierungen (Jazz-Harmoniewendungen), Zwischendominantensehr häufig.Begleitrhythmik:Akkordeon imitiert Swingrhythmus von Hi-Hat (Ständer-Paarbecken)z.B.Klavier: (Shuffle)Bass Pizzicato, Slap-BassWalking-Bass(manchmal in Kombination mit optisch wirksamen Clown-Nummern!) entstanden in den 20er-Jahren in Anlehnung an die Musik der Swing-Epoche Amerikanisierung des Publikumsgeschmacks / Konzession zum Wunsch: „Schpiled emal öppis Moderns”! erhielt Auftrieb durch die Einführung von Sopran- und Altsaxofon in die Ländlermusik N.B. Der „Ländler-Tango” (= Polka mit Tangocharakter) hat sich bis jetzt nicht durchgesetzt.positive Aspekte: deckt den mittleren Tempobereich zwischen Polka (langsam) und Schottisch (schnell) ab eignet sich gut zum Tanzen und ist vor allem bei Anhängern des „modernen“ Innerschweizer-Stils und des zeitgenössischen Berner-Örgeli-Stils sehr beliebt Der Fox ist für viele Ländlermusikanten eine Art „Ventil”, denn er bietet kurzfristig Gelegenheit dem formel- haften LM-Korsett zu entfliehen und gefühlsmässig „die Sau herauszulassen” .negative Aspekte: wird von allen Ländler-Tanztypen am undiszipliniertesten interpretiert / Im Extremfall ist es schwierig, das gespielte Stück überhaupt zu identifizieren (kollektive Improvisation). konfuse Rhythmik / ungenaue Koordination und Aufgabenverteilung zwischen Klavier - Kontrabass keine oder nur rudimentäre Absprachen bezüglich Harmonik nach dem Motto: „Jeder gegen Jeden!” tönt durch die übertrieben genaue Punktierung und Synkopisierung der Melodie meistens „zickisch” Das Fehlen eines Schlagzeuges (oder Perkussionsinstrumentes) und einer Gitarre macht sich negativ bemerkbar.Für spezifische Fox-Probleme verweise ich auf die reichhaltige, einschlägige Literatur in der U-Musik- und Jazz-Sparte.
Formale GesichtspunkteEin „Tanz” besteht aus mehreren „Teilen” (mindestens drei). Die meisten Teile sind aus folgendenformalen Grundelementen zusammengesetzt: 2- oder 4-taktige Motive 4-taktige Themen zusammengesetzte 2- oder 4-Taktgruppen mit Vorder- und Nachsatz resp. „Frage“ und „Antwort“ 8- oder 16-taktige Perioden (2-teilig) bis 32 TakteBeispiel: 8-taktiger Teil (Die Auftakte gehören jeweils zum darauf folgenden Satz.)Beispiel: 16-taktiger Teil (Die Auftakte gehören jeweils zum darauf folgenden Satz.)Beispiel: 32-taktiger Teil (Die Auftakte gehören jeweils zum darauf folgenden Satz.)
Ein „Teil” eines Ländler-Tanzes bildet eine „zweiteilige Liedform” mit stark symmetrischer Abgrenzung der einzelnenFormelemente.Ein ganzer „Tanz” besteht demnach aus einer Aneinanderreihung („Suite”) von mindestens zwei (ältere Volksmusik) oderdrei (konventionelle Ländler-Musik) verschiedenen zweiteiligen Liedformen (Variationen und Ableitungen von Rondo-Formen). Die Teile untereinander haben meist keinen inneren musikalischen Zusammenhang. Gelegentlich kommen auch„einteilige Liedformen” vor, wobei in den Viertaktgruppen häufig die rhythmische Struktur des Themas verwendet wird(siehe 3. Teil des Köbeli-Walzers).Beispiel aus der „Klassischen Musik“
Länge und Reihenfolge der TeileRepertitionsgewohnheiten
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2. Typ „Graad furt“1. Durchgang: Wenn lange Teile vorkommen, wird oft nur ein Durchgang gespielt.
3. Typ „Marschcheerli“Es wird häufig nur ein Durchgang gespielt, vor allem wenn 4 Teile vorkommen. 13
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4. Typ „Tuttiteili“ (meist Ländler)Meist nur ein Durchgang (2. Durchgang ab A ohne Intro je nach Anzahl Teile)
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5. „Appenzellerschluss“ (meist zu den Typen „Wasserleitung“ oder „Graad furt“)Am häufigsten im 1. Teil nach zwei Durchgängen, gelegentlich aber auch nach dem 3. Teil
6. Ältere FormenZweiteilige Tänze z.B. aus dem 19. Jh., \"Stümpeli-Ländler\", Volkstänze
7. Typ \"Kaffehausmusik\" 19
Polka Bitte r echt fr eundlich Wilhelm Lüdecke A7 D A7 D A7 D 1. 3 2. Fm C7 Fm F m Bass A7 D H7 Em 3 A7 D A7 D H7 D A 3 1. 2. G Em Em A7 D D D7 3 D7 D7 D C HA G D7 G G F E D AC7 D7 C H E7 Fine Am Cm G G D7 G A7 D H 1. 2. A7 D A7 D H7 Em A7 D D D7 D.S. al Fine
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