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Test_2020-11-12_ZipA_Transferbericht_formatiert_KB_JH

Published by Jan.Haase, 2020-12-17 16:52:34

Description: 2020-11-12_ZipA_Transferbericht_formatiert_KB_JH

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Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote 23 %). Beratungsangebote zu Pflegeversicherungen sind in fast der Hälfte der Kreise (15 / 48 %) sowie in rund einem Viertel der Städte und Gemeinden vorhanden (97 / 24 %).  Angebote zu Gesundheitsförderung und Prävention gibt es kaum Angebote zu Gesundheitsförderung und Prävention gibt es gerade ein- mal in einem Kreis (3 %) sowie in vier Städten und Gemeinden (1 %). Ein Beispiel hierfür ist die Kursreihe „pflegende Angehörige“ mit Be- wegungs- und Entspannungsangeboten im Kreis Höxter. Wie werden Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention durchgeführt? Ein Beispiel ist die Kursreihe „pflegende Angehörige“ im Kreis Höx- ter: „Qualifizierte Ergotherapeut*innen aus dem Therapiezentrum Warburg können Ihnen durch gezielte Bewegungs- und Entspannungsangebote zeigen, wie Sie sich aktiv gesund halten und neue Kraft schöpfen kön- nen“  Pflegekurse werden selten angeboten Pflegekurse können in vier Kreisen (13 %) sowie 12 Städten und Ge- meinden (3 %) besucht werden. 51

für pflegende Angehörige 6. Handlungsempfehlungen für vorbeugende Pflege- und Sozial- politik Auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse aus diesem Forschungs- projekt sollen Handlungsempfehlungen zur Vermittlung, Förderung und Schaffung von Unterstützungsangeboten für pflegende Angehörige generiert werden. Effiziente Unterstützung von Familien mit Pflegebe- darf ist für die Betroffenen, aber auch für Kreise und Kommunen sowie Kassen von hohem Nutzen. Handlungsempfehlungen für die Pflegeberatung  Aktuelle Defizite in der Pflegeberatung Evidenzbasierte Konzepte zur Beratung pflegender Angehöriger fehlen weitgehend, gleiches gilt für Evaluationsstrukturen. Durch die Befra- gung der Expertinnen und Experten konnte ermittelt werden, welche Probleme an dieser Schnittstelle entstehen (u.a. wenig Vernetzung mit 52

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote örtlichen und regionalen Anbietern, Unkenntnis über mögliche Ange- bote etc.). Festzuhalten ist, dass Pflegeberatung nicht immer individu- ell, bedürfnisorientiert und umfassend erfolgt. Die identifizierten Qua- litätsprobleme zeigen einen Bedarf an qualitätssichernden Konzepten und Maßnahmen. Hier könnte eine qualitätsgesicherte und digital ge- stützte Teilstandardisierung des Informations- und Beratungsprozesses geeignet sein, um die individuelle, umfassende und unabhängige Bera- tung zu Unterstützungsangeboten zu fördern. Darüber hinaus sollten geeignete Methoden zur Messung von Beratungsergebnissen und -wir- kungen entwickelt werden.  Die Pflegeberatung ist ein Prozess Die Pflegeberaterin oder der Pflegeberater soll den individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf ermitteln, bedarfsentsprechend beraten, ei- nen Versorgungsplan erstellen, auf die erforderlichen Maßnahmen und die weitere Umsetzung des Versorgungsplans hinwirken, den Versor- gungsplan gegebenenfalls anpassen und Informationen über Leistungen zur Entlastung der Pflegepersonen vermitteln. Wesentlich für eine er- folgreiche Beratung ist eine gute Vernetzung der Pflegeberaterinnen und Pflegeberater mit den regionalen Versorgungs-, Betreuungs- und Beratungsanbietern.  Erweiterung der Beratungskompetenz Der Berater beeinflusst die Zielsetzung, den Verlauf und das Ergebnis der Pflegeberatung. Eine effektive Beratung erfordert eine Vielzahl von Kompetenzen. Dazu gehört beispielsweise die Fähigkeit den indi- viduellen Unterstützungsbedarf zu erkennen und durch eine passende Kommunikationsstrategie zu adressieren.  Zielgruppenorientierte Pflegeberatung für pflegende Angehörige Angehörige übernehmen diverse Rollen in Verbindung mit der häusli- chen Pflege- und Betreuung. Wie die Ergebnisse zeigen, entstehen dadurch Belastungen und Unterstützungsbedarfe, die spezifisch sind und von den individuellen Gegebenheiten abhängen. Diese Unter- schiede sollten auch in der Informationsvermittlung und Pflegeberatung berücksichtigt werden. Deshalb scheint es wichtig, frühzeitig den In- halt, den Umfang und die Intensität des Beratungsangebots individuell und je nach häuslicher Pflege- und Betreuungssituation anzupassen. 53

für pflegende Angehörige  Risikogruppen profitieren am stärksten von hochqualitativer Pfle- geberatung Der Fokus soll hierbei auf den identifizierten Risikogruppen des Clus- ters 4 („Mitleidende Aufsichtspersonen“) und des Clusters 5 („Er- schöpfte Langzeitpflegende“) liegen, da diese Ratsuchenden folgerich- tig am stärksten von einer qualitativen Pflegeberatung profitieren können – und bei nicht zustande kommen eben dieser am stärksten da- runter leiden. Erfolgsfaktoren qualitätsgesicherter Pflegeberatung In Bezug auf die Ergebnisse zeigt sich, dass die folgenden Faktoren be- sonders relevant für die Qualität im Prozess der Pflegeberatung sind:  Personelle Kontinuität Vor der erstmaligen Beratung wird der anspruchsberechtigten Person unverzüglich eine zuständige Pflegeberaterungsperson für den gesam- ten Beratungsprozess benannt, welche sowohl für die Erstberatung als auch grundsätzlich für spätere Rückfragen sowie Wiederholungsbera- tungen zur Verfügung steht. Bei Abwesenheit der Pflegeberaterin oder des Pflegeberaters muss eine Vertretung gewährleistet werden.  Reflexion der Beratungshaltung und des eigenen Handelns Die Beratungsperson reflektiert die persönliche Beratungshaltung und deren Übereinstimmung mit dem eigenen Beratungshandeln. Die Bera- tungshaltung der Beratungsperson ist offen, kooperativ, respektvoll, wertfrei und empathisch. Das Recht auf Selbstbestimmung der Ratsu- chenden wird anerkannt und gestärkt. Die Ausdrucksweise der Bera- tungsperson ist für die Ratsuchenden angemessen und verständlich. Der Beratungsprozess erfolgt strukturiert und das Ergebnis des Beratungs- prozesses ist offen. Über den Beratungsprozess und die Ergebnisse be- steht für die Ratsuchenden Transparenz. Die Beratungspersonen sind sensibilisiert für Krisensituationen, Grenzsituationen und Gewaltver- dacht. 54

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote  Assessment – umfassendes Ermitteln des Hilfe- und Unterstüt- zungsbedarfs Die Beratungsperson ermittelt zu Beginn des Beratungsprozesses struk- turiert und umfassend den Hilfe- und Unterstützungsbedarf der an- spruchsberechtigten Person, um die konkreten Inhalte, Ziele und Maß- nahmen der Pflegeberatung gemeinsam mit den Ratsuchenden zu entwickeln und anhand der individuellen Bedürfnisse festzulegen. Bei der Ermittlung des Hilfe- und Unterstützungsbedarfs werden auch be- sondere Bedarfe, z. B. von Personen mit typischen krankheitsbedingten Einschränkungen, von Personen mit Migrationshintergrund, mit pfle- gebedürftigen Kindern oder von Pflegebedürftigen mit berufstätigen pflegenden Angehörigen berücksichtigt. Der Hilfe- und Unterstüt- zungsbedarf wird anhand von 3 Ebenen ermittelt: 1.) Einbezug vorhandener Gutachten, Empfehlungen und Inhalte Erstens, die Pflegeberatungsperson bezieht nach Gegebenheit und Zustimmung der Ratsuchenden die Ergebnisse aus der Begutach- tung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI, die Präventions- und Rehabilitationsempfehlungen nach § 18a SGB XI sowie die Inhalte der Beratung in der eigenen Häuslichkeit nach § 37 Absatz 3 SGB XI in die Pflegeberatung ein. 2.) Einbezug der Erläuterungen und Raum für Fragen der Rat- suchenden Zweitens, im Gespräch mit den Ratsuchenden lässt sich die Bera- tungsperson die Situation (z.B. die Alltagsbewältigung und die Aufgabenverteilung im Rahmen der Pflege) erläutern und räumt Raum für Fragen ein. 3.) Einbezug und Stärkung von vorhandenen Ressourcen Drittens, durch gezielte Fragen und Beobachtungen werden vor- handene Ressourcen und weitere Informationen zum Hilfe- und Unterstützungsbedarf gesammelt, welche ermöglichen, in Abstim- mung mit den Ratsuchenden Prioritäten, Ziele und Maßnahmen im Beratungsprozess festzulegen.  Proaktives Informieren über Leistungen zur Entlastung der Pfle- gepersonen Das proaktive Informieren über Leistungen zur Entlastung der Pflege- personen umfasst neben der Beschreibung der vorhandenen und be- darfsgerechten Angebote auf Wunsch der ratsuchenden Person auch die 55

für pflegende Angehörige Vermittlung von Kontakten (z. B. Ansprechpartnern und Telefonnum- mern) sowie das Angebot bei der Umsetzung der Inanspruchnahme und der Ausschöpfung von Leistungen zur Entlastung der Pflegeperson be- hilflich zu sein.  Strukturierte Dokumentation – mittels eines aktuellen Versor- gungsplans Bei jeder Pflegeberatung im Sinne des § 7a SGB XI dokumentiert die Pflegeberatungsperson elektronisch den Beratungsprozess strukturiert anhand eines Versorgungsplans, welcher der anspruchsberechtigten Person grundsätzlich unverzüglich nach Erstellung übermittelt wird. Dokumentiert wird, welche individuellen Hilfe- und Unterstützungsbe- darfe nach Art und Umfang bestehen und mit welchen konkreten Maß- nahmen diese gedeckt werden können. Im Bezug hierzu werden umfas- send geeignete Dienste, Einrichtungen und sonstige bedarfsgerechte Unterstützungen aufgeführt. Der konkrete Inhalt sowie der Umfang des Versorgungsplans ergeben sich in Abhängigkeit von der individuellen Versorgungslage und den Vorstellungen der Ratsuchenden.  Proaktive Hinwirkung, Überwachung und Anpassung der Durch- führung des Versorgungsplans Das Hinwirken auf die Maßnahmen basiert auf der Vernetzung der Be- ratungsperson mit regionalen Anbietern, Trägern und anderen Bera- tungsstellen. Das sind z. B. kommunale Beratungsstellen, sozialpsychi- atrische Dienste, Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen sowie ehrenamtliche Gruppen. Dadurch kann die Vermittlung und Erschlie- ßung des Zugangs zu bedarfsentsprechenden Leistungen und geeigne- ten Hilfen sichergestellt werden. Wurde auf die Durchführung der Maß- nahmen hingewirkt, überwacht die Beratungsperson, ob die Maßnahmen im folgenden Verlauf durchgeführt werden und dadurch die Versorgungsziele erreicht werden. Die ggf. erforderliche Anpas- sung wird in dem Versorgungsplan dokumentiert und auf die veränderte Maßnahmenplanung hingewirkt.  Maßnahmen zur qualitätsgesicherten Durchführung der Pflegebe- ratung Die Pflegeberaterinnen und Pflegeberater evaluieren die von ihnen er- brachten Pflegeberatungen z. B. in Form von kollegialem Erfahrungs- austausch, Fallbesprechungen und Supervision. Die Pflegeberaterinnen 56

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote und Pflegeberater sollen den Hilfeprozess auswerten und insbesondere die genutzten Hilfen, z. B. geeignete Selbsthilfegruppen oder regionale Anbieter, dokumentieren. Dies dient dazu, die praktischen Erfahrungen für künftige Fallgestaltungen nutzbar zu machen und so durch best- practice auf geschaffene Netzwerke und Kooperationen zurückgreifen zu können.  Kennzahlen zur Qualitätssicherung des Prozesses der Pflegebera- tung Kennzahlen können bei der Problemerkennung, bei der Ermittlung or- ganisationaler Stärken und Schwächen, bei der Kontrolle und Informa- tionsgewinnung sowie der Qualitätsentwicklung und -sicherung helfen. Durch verdichtete Informationen können mittels Kennzahlen wichtige Sachverhalte in Organisationen dokumentiert sowie koordiniert wer- den.  Beispiele für Kennzahlen zur Evaluation der Pflegeberatung Im Kontext der Evaluation des Pflegeberatungsprozesses können Kenn- zahlen angewandt werden, indem die Beratungspersonen die Durchfüh- rung des Beratungsprozesses anhand von Dokumentationen bewerten. Bewertet werden kann z. B. die Zufriedenheit der ratsuchenden Person mit der Pflegeberatung, die Nutzung der vermittelten Angebote und Netzwerke sowie die Erfahrung, wie die Pflegeberaterin oder der Pfle- geberater die ratsuchenden Personen mit bestimmten Informationen am besten erreichen konnte. Durch Auswertung und Einbezug dieser Kenn- zahlen können diese zur stetigen Weiterentwicklung und Verbesserung der Qualität der Pflegeberatung beitragen.  Richtlinien und Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Pflege- beratung sind vorhanden Im Hinblick auf die Ergebnisse des ZipA-Forschungsprojektes ist zu- sammenfassend zu sagen, dass sich viele Handlungsempfehlungen mit den überarbeiteten „Richtlinien zur einheitlichen Durchführung der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 17 Absatz 1a Satz 1 SGB XI“ (2018) sowie Kriterien aus dem „Qualitätsrahmen für Beratung in der Pflege“ (2016) decken. 57

für pflegende Angehörige  Die Umsetzung, Nutzung und Weiterentwicklung muss ausgebaut werden Anhand der Ergebnisse wird jedoch deutlich, dass die Umsetzung, Nut- zung und Weiterentwicklung von qualitätssichernden Maßnahmen in der Pflegeberatung vielerorts noch ausgebaut werden muss, da sonst insbesondere die Risikogruppen unzureichend erreicht werden. Handlungsempfehlungen zur bedarfsorientierten und zielgruppenspezifischen Darstellung von Angeboten auf kommunalen Homepages  Eindeutigkeit durch direkte Ansprache und Aktualität der Ange- bote Suchende sollten bestehende Angebote finden und sich angesprochen fühlen. Deshalb scheint es zielführend, die Zielgruppe der pflegenden Angehörigen auf der Homepage direkt anzusprechen, z. B. durch eine spezifische Angebotskategorie für pflegende Angehörige. Auch die Präzision und Aktualität von Informationen zu einzelnen Angebote spielen eine wichtige Rolle, damit Angebote wahrgenommen werden. Daher sollten diese hergestellt und gewährleistet werden.  Zielgruppenorientierte Erreichbarkeit durch Kontaktdaten, E- Mail-Service und Sprechzeiten zu verschiedenen Tageszeiten Wichtig ist, dass die Zielgruppe auch während der Informationssuche zu Angeboten auf Unterstützung zurückgreifen kann. Deshalb sind vollständige Kontaktdaten mit Hinweisen zu Kontaktpersonen, Tele- fonsprechzeiten zu verschiedenen Tageszeiten und eine aktiv verwal- tete E-Mail-Adresse relevant.  Themenspezifische Darstellung und umfassende Beschreibung von Verweisen auf Angebote anderer Träger Ein konkreter und übersichtlicher Verweis auf themenspezifische An- gebote anderer Träger stellt eine Ressource und Erweiterung des kom- munalen Angebots dar. Wichtig ist, dass die Zielgruppe das Angebot überschaut und darüber aufgeklärt wird, wie das Angebot in Anspruch genommen werden kann. 58

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote  Konkrete Informationen und definierte Themengebiete zu Bera- tungsangeboten Bei einer derart breit aufgestellten Angebotslandschaft von Beratungs- angeboten zu ähnlich klingenden Themen ist es wichtig, die jeweiligen Expertisen und Verantwortlichkeiten auf der Homepage klar nach The- men aufzugliedern.  Pflegedatenbank NRW Eine Pflegedatenbank könnte Familien mit pflegebedürftigen Personen helfen passende Unterstützungsangebote zu finden, aber auch die Pfle- geberater/innen könnten von einer solchen Datenbank profitieren. Ein „Lotse“ kann auf Basis von künstlicher Intelligenz und eines Fragesys- tems zunächst die zutreffenden Kategorien identifizieren und anschlie- ßend individuell passende Unterstützungsmöglichkeiten finden. Die In- anspruchnahme bzw. Anmeldung für verschiedene Angebote können über diese Website möglich sein. Gleichzeitig sollten alle Pflegebera- tungsstellen dieses System auch im Rahmen der Beratung vor Ort nut- zen. Die Website soll gleichzeitig der Vernetzung der Pflegeberatungs- stellen und Strukturierung des Pflegeberatungsprozesses dienen. Ein Bereich „Für Beratende“ kann zusätzlich Fort- und Weiterbildungsan- gebote für Beratende zur Verfügung stellen. Wirkungsmessung kommunaler Maßnahmen  Unterstützung pflegender Angehöriger als kommunale Aufgabe Die Politik hat die hohe Bedeutung und eigenständige Rolle pflegender Angehöriger für die Versorgung von Pflegebedürftigen erkannt. Im Zentrum stehen dabei die Kommunen, die für die Planung, Etablierung, Vernetzung und Koordination lokaler Versorgungstrukturen und -ange- bote zuständig sind. Auf Bundesebene wurde die Rolle der Kommunen in der häuslichen Pflege mit dem dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) forciert. Und auf Landesebene hat etwa Nordrhein-Westfalen im Jahre 2014 mit In-Kraft-Treten des Alten- und Pflegegesetz (APG NRW) die ambulante und häusliche Pflege sowie insbesondere pfle- gende Angehörige als Anspruchsgruppe explizit gestärkt. 59

für pflegende Angehörige  Wirkungsanalyse kommunaler Unterstützungsangebote für pfle- gende Angehörige Damit Kommunen ihre (knappen) Finanzmittel möglichst bedarfs- und zielgerichtet zur Unterstützung pflegender Angehöriger einsetzen, be- darf es auf kommunaler Seite eines möglichst evidenzbasierten Vorge- hens bei der Maßnahmenbewertung und -auswahl. Zur systematischen Bewertung lokaler Unterstützungsangebote können Kommunen die Wirkungsanalyse anwenden. Im Kern verfolgt diese Methode das Ziel, die Wirkung einer Maßnahme für verschiedene Stakeholder sowie den Grad der beabsichtigten Zielerreichung einer Maßnahme zu bewerten.  Von der Wirkungsanalyse… Die Bewertungsmethode, die in der Literatur auch als Wirkungskette oder Wirkungstreppe bekannt ist, lässt sich zur Evaluierung einer Maß- nahme als Planungsinstrument oder zur Bewertung bereits bestehender Angebote einsetzten. Dabei werden die Investitionen (Inputs), Leistun- gen (Outputs) und Wirkungen (Outcomes/Impacts) einer Maßnahme im kausalen Prozess dargestellt. Als Input zählen alle Mittel, die für die Umsetzung der Maßnahme notwendig sind (z.B. Arbeitszeit der Pfle- geberater/innen). Der Output umfasst die Leistungen der Maßnahme und deren Nutzung durch die Zielgruppe (z.B. Anzahl der erbrachten Beratungsstunden). Mit dem Outcome werden Veränderungen des Wis- sens und der Fähigkeiten sowie des Verhaltens und der Situation bei den betroffenen Anspruchsgruppen erfasst (z.B. Vorbeugung einer vor- zeitigen Institutionalisierung der pflegebedürftigen Person). Mit dem Impact werden schließlich weitere Wirkungen erfasst, die durch die Maßnahme ausgelöst bzw. beeinflusst werden (z.B. Einsparungen der kommunalen Ausgaben).  … zur Effizienzanalyse (SROI-Ansatz) In einem darauf aufbauenden Schritt kann eine Bewertung der Wirkun- gen mit Verbindung zu den eingesetzten Ressourcen erfolgen. Ein hier- für gut geeignetes Verfahren ist der sog. „Social Return on Investment (SROI)“-Ansatz. Der SROI-Ansatz transformiert den abstrakten Nut- zen einer kommunalen Aktivität in monetäre Größen und stellt diesen im Verhältnis zur Gesamtinvestitionen. So zeigt zum Beispiel ein Ver- hältnis 4:1 an, dass eine kommunal getätigte Investition von 1 Euro ei- nen gesellschaftlichen Nutzen im Wert von 4 Euro erzielt. 60

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote  Die Bewertung kommunaler Unterstützungsmaßnahmen ist ver- gleichsweise komplex Die Konkretisierung und Messung der teils abstrakten Wirkungen ist mit Herausforderungen verbunden. Größtenteils können dafür nur Ap- proximation in Form von beispielsweise potenziellen Einsparungen verwendet werden. Die Festlegung solcher Indikatoren ist allerdings mit viel Unsicherheit verbunden, weshalb die Verfügbarkeit von stan- dardisierten Messinstrumenten von großer Vorteil wäre. Die Festlegung von Indikatoren setzt in der Regel eine spezifische Datengrundlage vo- raus. Eine wichtige Voraussetzung für die gezielte Wirkungsmessung ist daher der mittelfristige Aufbau einer dafür notwendigen Daten- grundlage. Die Verfügbarkeit von validierten Messinstrumenten würde den Einsatz wirkungsorientierter Verfahren deutlich erleichtern. Sind standardisierte Messinstrumente nicht vorhanden, müssen sie im Rah- men der Bewertung entwickelt werden, was i. d. R. eine spezifische Expertise erfordert.  Kommunen beginnen zunehmend wirkungsorientierte Verfahren einzusetzen Ein Blick in die Praxis zeigt schließlich, dass Kommunen zunehmend den Einsatz von Bewertungsverfahren nutzen, jedoch weist dies bislang eine große Heterogenität und methodische Defizite auf. So beziehen sich die eingesetzten Bewertungsinstrumente etwa eher auf die erbrach- ten Leistungen und haben weniger die eigentliche Wirkungsorientie- rung im Blick. Die Bewertung der Effizienz, also die Verlinkung der Wirkung mit den Investitionen, wird kaum umgesetzt.  Effizienzsteigerung durch wirkungsorientierte Bewertung der Un- terstützungsangebote Durch die dargestellten Verfahren können Kommunen die zweckge- richtete Wirkung der Unterstützungsmaßnahmen und -projekte für pfle- gende Angehörige strukturiert evaluieren und mit Blick auf ihren sozi- alen Wirkungen bewerten. Im Ergebnis können dadurch die für die Unterstützungsangebote bereitgestellten Finanzmittel effizienter einge- setzt werden. 61

für pflegende Angehörige 7. Transfertagung Die Tagung „Was pflegende und betreuende Angehörige wirklich brauchen – kommunale Maßnahmen und zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote“ am 13.12.2019 an der Universität Wit- ten/Herdecke diente einerseits einem ersten Wissenstransfer der Ergeb- nisse aus der Studie für alle interessierten pflegenden Angehörigen so- wie Expert/innen aus Kreisen und Kommunen, Kranken-, Pflege- und Unfallkassen sowie der Selbsthilfe und Vereinen. Andererseits war der Austausch mit Experten und Betroffenen über aktuelle Entwicklungen, eigene Erfahrungen sowie Einschätzungen zu aktuellen Unterstüt- zungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige sehr wertvoll. Eine besondere und gezielte Maßnahme zur Erweiterung der Projekter- gebnisse waren die interaktiven Formate zum gegenseitigen Austausch und zur gemeinsamen Diskussion auf der Tagung, denn die Einbindung der verschiedenen Kompetenzen der Teilnehmenden kann den Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis zukunftsweisend unterstützen. Durch die Abwechslung von Fachvorträgen und Diskussionen mit der Möglichkeit zum Netzwerken konnten sich alle Teilnehmenden persön- lich einbringen. Viele Ergebnisse wurden bestätigt, aber auch neue Erkenntnisse wur- den ausgewertet. Natürlich können in diesem Bericht nicht alle Ideen, Anregungen und Meinungen vorgestellt werden, deshalb sollen nun die 62

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote wesentlichen Ergebnisse und Impulse, die auf der Tagung mit rund 160 Teilnehmenden entstanden sind, vorgestellt werden. Interaktive Methoden auf der Transfertagung  Buzz Groups Unterstützungsangebote zur Information, Beratung, Schulung und Selbstfürsorge werden von pflegenden Angehörigen oft nicht in An- spruch genommen. Zur Einbeziehung aller Teilnehmenden in die Dis- kussion über passgenaue Unterstützungsangebote für pflegende Ange- hörige wurden unterschiedliche interaktive Methoden eingesetzt. Zunächst wurden Aspekte zu einer Kernfrage in sogenannten Buzz Groups gesammelt: Diese Methode eignet sich zur Aktivierung der Teilnehmenden und sieht Gruppen von zwei bis drei Personen vor, die zu einer bestimmten Fragestellung bzw. einem bestimmten Thema dis- kutieren. Auf der Tagung unterhielten sich die Teilnehmenden mit ihren Sitznachbarn zu den häufigsten Barrieren pflegender Angehöriger zur Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten. Konkret lautete die gestellte Frage: „Welche häufigsten Barrieren gibt es aus Sicht der Teilnehmenden, Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen?“ Auf ausgeteilten Post-its konnten die Teilnehmenden ihre Gedanken sammeln und abgeben. Es folgte eine Clusterung der Ergebnisse durch das Forschungsteam nach Barrieren aufgrund mangelnder, mangelhaf- ter Angebote, inter- und intrapersonellen Barrieren, Barrieren in Bezug auf Information und Beratung und organisatorischen bzw. finanziellen Barrieren.  World Café Um die Möglichkeit zum Austausch und zur gemeinsamen Bearbeitung von Problemen in einer großen Gruppe zu bieten, wurde eine Variante der World Café-Methode eingesetzt. Für diese Methode werden The- mentische vorbereitet, an denen kleine Gruppen zu einem bestimmten Aspekt diskutieren und ihre Meinungen auf der „Tischdecke“ des Cafés dokumentieren können, bevor sie zu einem nächsten Tisch und Thema wechseln. Auf der Transfertagung wurden die Teilnehmenden in fünf Gruppen 63

für pflegende Angehörige eingeteilt und diskutierten jeweils zehn Minuten zu einem der fünf in der Studie identifizierten Cluster pflegender Angehöriger, bevor die Gruppe zum nächsten Cluster wechselte. Die Diskussionsergebnisse wurden direkt auf Postern festgehalten und in jeder Runde durch die anderen Gruppen ergänzt. Folgende Fragestellungen wurden in Bezug auf jedes Cluster von jeder Gruppe diskutiert: 1. Was können wir bereits anbieten? 2. Was brauchen diese Personen noch? 3. Was könnten erste Schritte in der Umsetzung sein?  Die Bündelung, Kategorisierung und ständige Aktualisierung von Informationen gewährleisten eine transparente Kommunikation sowie einen niederschwelligeren Zugang. Nur so können die Angehörigen die Kompetenz entwickeln, nützliche Informationen und Angebote zu erhalten, zu verarbeiten und zu verste- hen, um im nächsten Schritt eine für sich angemessene Entscheidung und Auswahl zu treffen. Eine eingeschränkte Kompetenz und auch Ge- fühle wie Angst und Scham vor Bloßstellung können den Prozess der Entscheidungsfindung beeinträchtigen. Es fehlt insbesondere an digita- len, gebündelten, und zentralen Informationsangeboten, die in der un- übersichtlichen Fülle an Informationen im Internet pflegenden Ange- hörigen Klarheit und Durchblick verschaffen. Z. B. könnte ein zentrales und bundesweit ausgerichtetes Informationssystem mit dem Namen „1100 Fragen bei Pflegebedürftigkeit“ zur Verfügung gestellt werden. Die Angebote könnten im Rahmen eines zentralen Informationssystems in den folgenden fünf Kategorien gebündelt werden: – Psychologische Beratung, – Selbstfürsorge, Freizeit- und Auszeitangebote, – Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung, – Angebote in Kooperation mit Arbeitgebern und – Seminare und Schulungen für pflegende Angehörige, die der Ver- meidung von Pflegefehlern dienen sowie Basisinformationen für die häusliche Pflege bieten. 64

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote  Pflegende Angehörige brauchen insbesondere zur psychologischen Beratung, Resilienz- und Coping-Strategien sowie zu Möglichkei- ten, sich bewusst regelmäßige Auszeiten zu nehmen, eine zuge- hende Beratung. Je nach Belastungsgrad brauchen pflegende Angehörige einen verläss- lichen Rahmen bzw. regelmäßige Auszeiten, um die eigenen Interessen zu verfolgen. Sie müssen an die Hand genommen werden, um wieder genießen zu können und Entspannung und Freizeit zu erleben. Eine bes- sere Aufklärung über Selbstfürsorge und die Konsequenzen von chro- nischem Stress sollte durch qualifizierte Dienstleister im Gesundheits- wesen speziell für die hohen Belastungsstufen angeboten werden. Zunächst können hier Gesprächskreise, Selbsthilfegruppen und indivi- duelle Beratungen weiterhelfen. Im weiterführenden Schritt können Angebote zu Achtsamkeit und Selbstfürsorge helfen, wieder ein Be- wusstsein für den eigenen Körper zu erhalten und Belastungsgrenzen wahrzunehmen, bevor es zu physischen oder psychischen Beeinträchti- gungen kommt. Freizeitangebote in den Bereichen Sport, Achtsamkeit und Kultur sollen gebündelt dargestellt werden. Vertretungsangebote müssen gewährleisten, dass Angehörige Angebote zur psychosomati- schen Unterstützung und persönlichen Auszeit in Anspruch nehmen können.  Der Zugang zu finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten wird durch Standardisierung und direkte Ansprache durch die Beraten- den vereinfacht. Angehörigen fehlt es an finanziellen Mitteln und es mangelt sowohl an Wissen über Finanzierungsmöglichkeiten als auch an Orientierungshil- fen, die niedrigschwellige Informationen hergeben. Oft ist die Einfor- derung von finanziellen Mittel mit großen Hürden sowie komplizierten Regelungen für die Antragsstellung verbunden. Vernetzung und Ko- operation verschiedener Pflegeberatungsstellen könnten hier mit einer Vereinheitlichung und einem Zusammenführen verschiedener Finan- zierungsmöglichkeiten einhergehen. Ein standatisierters Vorgehen zur Identifizierung individuell passender Finanzierungsangebote, welches sowohl online als auch analog in den Beratungsstellen eingesetzt wird, könnte den vereinfachten Zugang zu diesen Angeboten gewährleisten. 65

für pflegende Angehörige  Kooperationsangebote mit Unternehmen erleichtern den Zugang zu Unterstützungsangeboten. Der Einbezug der Arbeitgeber spielt eine bedeutsame Rolle, wenn es um die Vernetzung von Hilfsstrukturen geht. Gleitende Arbeitszeiten sollen intensiver angeboten werden. Mitarbeitende und Vorgesetze können in Modulen während der Arbeitszeit geschult werden. Unter- nehmensintern könnten in diesem Rahmen auch Projekte zur Verein- barkeit von Pflege und Beruf umgesetzt werden.  Ein zentrales Element der Beratung ist die partizipative Entschei- dungsfindung im Hinblick auf die Unterstützungsangebote. Die Interessen der Nutzer*innen und ihre individuellen Bedürfnisse, Präferenzen, Erwartungen und Nutzungsgepflogenheiten müssen in der Beratung miteinbezogen werden. Wichtig ist, der Einzigkeit jedes ein- zelnen pflegenden Angehörigen mehr Bedeutung zuzumessen. Persön- liche Beratende, die den Beratungsprozess langfristig begleiten, stellen eine Vertrauensebene her.  Ein standardisiertes und kontinuierlich aktualisiertes Fort- und Weiterbildungssystem für Beratende sichert die Qualität der Bera- tung. Aus Sicht der Betroffenen erfolgt Pflegeberatung meist durch Sachbe- arbeitenden, die sowohl fachlich als auch in Bezug auf die Sensibilität der pflegenden Angehörigen nicht über genügend Kompetenz verfügen. Wichtig ist, dass die Beratenden genau über aktuelle Angebote in den Kategorien Selbstfürsorge, Möglichkeiten zur finanziellen Unterstüt- zung, psychologischen Beratung und Angebote, die in Kooperation mit Arbeitgebern genutzt werden können, Bescheid wissen. Dies ist nur durch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen möglich. 66

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote Fazit Der interaktive Austausch auf der Transfertagung hat gezeigt, dass die Akteure aus der Pflegeberatung der Städte, Kreise und Kommunen, wie auch der gesetzlichen und privaten Kassen und der Selbsthilfe sowie interessierte pflegende Angehörige aus dem gesamten Bundesgebiet sich in vielen Aspekten einig sind. Der Leidensdruck pflegender Ange- höriger ist groß und es besteht ein großes Bedürfnis zum Austausch. Viele Erkenntnisse der Studie wurden bestätigt und konnten partizipativ durch konkrete Ideen ergänzt werden. Erfreulich ist, dass in einer so heterogenen Gruppe Anwesender ein großer Konsens bzgl. der Arten von Angeboten, die momentan noch fehlen und der Umsetzungsmög- lichkeiten zielgruppenspezifischer Angebote besteht.  Zentrales Ergebnis und Umsetzung Als zentrales partizipatives Ergebnis, unter welchem sich alle weiteren Ergebnisse unterordnen lassen, ist, dass eine zentrale Internetseite für pflegende Angehörige mit allen relevanten Informationen und Ange- bote für pflegende Angehörige zur Verfügung gestellt werden muss. Die Angebote könnten in den oben vorgeschlagenen Kategorien gebün- delt und müssen regelmäßig aktualisiert werden. Ein „Lotse“ kann in- 67

für pflegende Angehörige dividuell passende Unterstützungsmöglichkeiten finden. Die Inan- spruchnahme bzw. Anmeldung für verschiedene Angebote können über diese Website möglich sein. Auch die Beratung per Video-Chat ist eine Möglichkeit, Angebote zugänglicher zu gestalten. Zur Vereinheitli- chung sollten alle Pflegeberatungsstellen dieses System auch im Rah- men der Beratung vor Ort nutzen. Die Website soll gleichzeitig der Ver- netzung der Pflegeberatungsstellen und Strukturierung des Pflegeberatungsprozesses dienen. Ein Bereich „Für Beratende“ kann zusätzlich Fort- und Weiterbildungsangebote für Beratende zur Verfü- gung stellen.  Kennzahlen Durch ein solches zentrale Informationssystem mit integrierter Lotsen- und Beratungsfunktion würde eine zentrale Verwaltung aller Informa- tions- und Beratungsangebote gewährleistet. Die Anzahl der vermittel- ten und in Anspruch genommenen Angebote kann so anonym und on- line gemessen werden. Außerdem kann im Anschluss an die Nutzung des Lotsensystems und einzelner Angebote ein Fragebogen an die je- weiligen pflegenden Angehörigen gesendet werden, der die Zufrieden- heit, die Prä- und Postbelastung, sowie die Anzahl der in Anspruch ge- nommenen Angebote pro Fall abfragt. Die Dokumentation der verschiedenen Beratungsprozesse würde somit erleichtert und dessen Qualität gesichert. 68

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote 8. Fazit Heute werden über 70 % der 3,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland von pflegenden Angehörigen im häuslichen Umfeld ver- sorgt. Die Pflegebedürftigkeit nimmt stark zu, wobei das Potenzial der pflegenden Angehörigen in Zukunft abnehmen wird. Umso bedeuten- der ist es, die Pflegefähigkeit und -bereitschaft von Angehörigen zu er- halten und zu fördern, denn diese tragen dazu bei, dass hilfe- und pfle- gebedürftige Personen in der häuslichen Umgebung bleiben können, was häufig sowohl der bevorzugte Wunsch der Angehörigen als auch der Hilfe- und Pflegebedürftigen ist. Pflegende Angehörige stehen dabei oft über Jahre hinweg unter hohen gesundheitlichen, zeitlichen, emotionalen, sozialen sowie finanziellen Belastungen. Obwohl die Angebotslandschaft vielfältig und groß ist, führt dies nicht automatisch zu einer Inanspruchnahme entsprechender Angebote zur Beratung, Schulung und Entlastung. So erschwert die Un- überschaubarkeit einer Vielzahl von Angeboten sowie deren Komple- xität im Hinblick auf Ausgestaltung, Träger und Leistungserbringer die umfassende und unabhängige Information und Beratung. Dies wird nicht nur von den pflegenden Angehörigen, sondern auch von befragten Expertinnen und Experten teilweise als Pflegedschungel erlebt. Häufig bleiben die Bedürfnisse dieser wichtigen Zielgruppe durch die angebo- tenen Leistungen ungedeckt. Das Projekt „Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote für pfle- gende Angehörige“ (ZipA) identifizierte unterschiedliche Gruppen pflegender Angehöriger mit ihren spezifischen Lebenssituationen und Unterstützungsbedürfnissen. Die Ergebnisse zeigen, dass pflegende Angehörige keine homogene Gruppe sind. Sie übernehmen unter- schiedliche Rollen in der Versorgung und haben zielgruppespezifische Bedürfnisse. Eine aggregierte Ansprache der Gesamtgruppe wäre we- nig erfolgsversprechend. Es wurden außerdem eigene Bedürfnisse sor- gender und pflegender Angehöriger, ihre Kenntnis und Nutzung von Unterstützungsangeboten sowie ihre individuellen Belastungen unter- sucht. Pflegende Angehörige fühlen sich insbesondere emotional stark belastet, machen sich sorgen um den Erhalt der eigenen Gesundheit und wünschen sich mehr Austauschmöglichkeiten mit anderen Betroffenen. Viele wissen aber nicht, wo sie sich zu den Unterstützungsmöglichkei- ten informieren können. 69

für pflegende Angehörige Die Projektergebnisse sollen dazu beitragen, dass Unterstützungsange- bote noch stärker an die individuellen Bedürfnisse von pflegenden An- gehörigen angepasst werden. Die Studie bildet eine Grundlage für zu- künftige Entwicklung und Kommunikation zielgruppenspezifischer Angebote und damit auch für den rationalen Einsatz knapper öffentli- cher Mittel zur Unterstützung dieser wichtigen Gruppe. Politische Ent- scheidungsträger, Beratende und sonstige Akteure in der Pflegeversor- gung könnten Projektergebnisse nutzen, um die Wirkung von verschiedenen Maßnahmen für pflegende Angehörige einzuschätzen und diese gezielter auf die Bedürfnisse pflegender Angehöriger anzu- passen. 70

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für pflegende Angehörige Projektteam Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko Projektleitung, Konzeption, Datenanalyse, Dokumen- tation, Redaktion, Ergebnistransfer Katharina Bidenko Literaturrecherche, Quantitative Datenerhebung, Da- tenanalyse, Dokumentation, Ergebnistransfer Jan Lennart Haase Grafisches Design, Öffentlichkeitsarbeit, Techni- scher Support, Dokumentation Nina Sofia Krah Öffentlichkeitsarbeit, Organisation, Dokumentation Len-Julian Liebelt Literaturrecherche, Datenanalyse, Dokumentation, Redaktion Dr. Christian Günter Georg Sorg Redaktion Christin Tewes Literaturrecherche, Qualitative Datenerhebung, Do- kumentation, Redaktion, Öffentlichkeitsarbeit 76

Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote Projektpartner Prof. Christel Bienstein Prof. Dr. Tanja Segmüller Prof. Dr. Michael Steiner Prof. h.c. Angelika Segelin Förderer 77

für pflegende Angehörige Impressum Herausgeberin Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko Konzeption und Redaktion Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko Katharina Bidenko Len-Julian Liebelt Grafisches Konzept/Layout Agentur an der Ruhr, Uwe Seifert und Partner Universität Witten/Herdecke, Jan Lennart Haase Bilder Getty Images E+ [U1], Dr. Eric Hoffmann [10], stockyimages/iStock [14], 99gnome/photocase [20], mediaphotos/iStock [32], Iknim/photocase [41], Z2sam/photocase [43], A Girlwith a Camera/ photo-case [45], Z2sam/photocase [47], Schneek- ind/photocase [49], NINEmade.de/photocase [50], Helgi/photocase [62] Vorgeschlagene Zitierweise Bohnet-Joschko, Sabine (Hrsg.), Zielgruppenspezifische Unterstüt- zungsangebote für pflegende Angehörige. Transferbericht. Witten 2020 ISBN 978-3-00-067430-3 78


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