Deutungsansätze zu Kafkas Parabeln - biographischer Ansatz: schwieriges Verhältnis von Kafka zu seinem Vater. Kafka litt unter einem strengen, starken Vater, der wenig Verständnis für seinen Sohn (und seine Interessen) hatte. In den Protagonisten der Parabeln und Erzählungen spiegelt Kafka seine eigenen Erfahrungen. So wird immer wieder das verzweifelte, nicht erfolgreiche Ankämpfen gegen autoritäre Personen dargestellt, ebenso Gefühlskälte und fehlende Empathie. - psychologischer Ansatz: Kafka bezieht sich stark auf das Unterbewusstsein Nach Siegmund Freud lässt sich ein Über-Ich, ein Es und das Ich unterscheiden. Das Über-Ich verkörpert (auch abstrakte) Regeln, vermittelte Normen und Traditionen, die verinnerlicht werden. Das Es steht für die unbewussten Triebe und Bedürfnisse, die gesellschaftlichen Anforderungen oft widersprechen und kaum logisch erklärbar sind. Sie sind dem Bewusstsein nicht zugänglich und zeigen sich z.B. v.a. im Traum aber auch in unbewussten Reaktionen. In Kafkas Texten wird das Unterbewusstsein oft sichtbar gemacht, z.B. indem das Leben als Kampf dargestellt ist, in dem Kontrolle und ungezügelte Leidenschaft miteinander einen immerwährenden Kampf austragen. - philosophisch-religiöser Ansatz: Kafka stellt die Sinnfrage Nach diesem Ansatz präsentiert Kafka in seinen Texten einen Menschen, der nach dem Sinn im Leben sucht bzw. einen Menschen, der ohne Ziel herumirrt. Ein Ziel kann dabei entweder nicht erreicht werden oder erst gar nicht bestimmt werden. Dies kann seinen Grund z.B. in einem unnahbaren Gott haben, der sich von den Menschen distanziert oder in den Menschen, die sich Gott nicht nähern wollen/können. Auch die Suche als Sinn des Lebens zu definieren, lässt sich bei Kafka kritisch betrachten. - kommunikationstheoretischer Ansatz: Kafka seziert Beziehungen Betrachtet man die Kommunikation zwischen den Figuren in Kafkas Texten, kann man auch von gescheiterten Beziehungen sprechen, die in dem Unvermögen, miteinander zu kommunizieren, ihren Grund haben. Botschaften kommen nicht an oder anders, als sie gemeint sind. Begegnungen finden aufgrund unterschiedlicher Ebenen der Personen nicht oder nur verzerrt statt. - politisch-gesellschaftlicher Ansatz: Kafka spiegelt die historische Situation seiner Zeit Kafka erlebte den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie, verbunden mit dem Ersten Weltkrieg. Das Gefühl von Schwäche und Ohnmacht, das sich bei vielen Figuren in Kafkas Werken, findet, lässt sich damit auf die politisch-gesellschaftliche Situation übertragen, da das Staatengefüge zu zerbrechen scheint. Zugleich kann der Staat aber auch als autoritär und bedrohlich wahrgenommen werden, da er in die Rechte des Einzelnen tief eingreift. Wie benutzt man diese Deutungsansätze bei der Interpretation? - zunächst interpretiert man die Parabel auf der Bildebene – klassische Drei-Schritt-Methode, wobei sich die Deutung auf stilistische Merkmale usw. beschränkt - erst im zweien Schritt greift man das Parabelhafte des Textes auf und führt eine inhaltliche Weiterführung durch. Dabei macht es keinen Sinn, die Deutungsansätze abzuarbeiten, sondern sich die herauszusuchen, die zur Parabel am besten passen. Die Deutungsansätze sollen nicht daran hindern, sich selbst Gedanken über die Parabel zu machen!
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