das magazin für die schule 1 Ausgabe Juni 2017austausch schwerpunkt Schulpartnerschaften mit Mittel- und OsteuropaNachhaltigeEntwicklung Wenn Fiktion auf Realität trifft Erasmus wird 30 »Erasmus ist für uns eine Schatzkiste« Internationales Preisträgerprogramm Hoch hinauf
Editorial E uropa sendet derzeit widersprüchliche Signale aus: Der 25. März erinnerte uns an die Römischen Verträge, die vor 60 Jahren unterzeichnet wurden und als Meilenstein für den Prozess der europäischen Integration gelten. Wenige Tage später beantragte Großbritannien den Austritt aus eben jener Europäischen Union, die gerade ihre Gründung gefeiert hat. Welche Auswirkungen der Brexit haben wird, weiß heute noch keiner. Dass es sich um einen tiefen Einschnitt handelt, steht außer Frage. Eine Lektion dieser Entscheidung muss deshalb sein, nicht allein die europäischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte zu feiern, sondern sich über die künftigen Ideen für Europa zu verständigen und gemeinsame Ziele zu begründen. »Es geht weiter in Europa, und wir müssen weitermachen«, betonte unlängst EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und fügte hinzu: »Kopf einschalten und den Mund aufmachen. Nicht dauernd schlechtreden, sondern ›richtig- reden‹«. Ebendiese Chance bietet das Bildungsprogramm Erasmus+ mit seinen vielen Facetten. Und gerade Schule und Unterricht sollten dazu prädestiniert sein, »richtigzureden«, ohne dabei schönzufärben: Austauschprojekte und Bildungskooperationen im Schulbereich sind die richtigen Instrumente, junge Menschen zu überzeugten Europäe- rinnen und Europäern werden zu lassen. Sie tragen so dazu bei, Europaskeptikern entgegenzutreten. Die Nationale Agentur im PAD wird deshalb weiter daran arbeiten, dass möglichst viele Schulen auch in Deutschland Zugang zu diesem Programm finden.austausch bildet Gernot Stiwitz Leiter des Pädagogischen Austauschdienstes des Sekretariats der Kultusministerkonferenz2
3 10Inhalt 22 14 36Aktuell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4schwerpunktBildung für nachhaltigeEntwicklungschulen: partner der zukunftWind, Wasser, Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Abfall vermeiden, Müll recyceln . . . . . . . . . . . 10Von der Leine an den Kharaa . . . . . . . . . . . . 12erasmus+ schulbildungTausche rote Erdbeeren gegen schwarze Erde . 14etwinningSchwimmende Häuser und Wasserflaschen,die an Bäumen wachsen . . . . . . . . . . . . . . . 16ForumVom Studierendenaustausch zurinklusiven Jugendmobilität . . . . . . . . . . . . . 18Von COMENIUS zu Erasmus+Halbzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21»Erasmus ist für uns eine Schatzkiste« . . . . . . 22Erfahrungen»Der Reiz der internationalen Zusammenarbeit« 24Preisgekrönte Online-Projekte . . . . . . . . . . . . 26Wenn Fiktion auf Realität trifft . . . . . . . . . . . 28»Die Selbstständigkeit der Schülerist beeindruckend« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Frühstückspause, Hausschuhe und Projektarbeit 32Hoch hinauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34ZurückgeblicktCricket mit dem Lehrerteam . . . . . . . . . . . . 36Über den PAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Aktuell Offenheit, Toleranz und Begegnung — Gemeinsam neue Ideen für den internationalen Mein Wunsch als Schulministerin ist es, dass noch Austausch entwickeln – dieses Anliegen verfolgte mehr Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an die erste Regionalkonferenz von »Austausch macht internationalen Austauschen ermöglicht wird.« Schule« Anfang März 2017 in Düsseldorf. In der Unter dem Motto »Jeder Schülerin/jedem Schüler Initiative »Austausch macht Schule« engagieren die Möglichkeit geben, an internationalem Aus- sich die Fach- und Förderstellen der internationalen tausch teilzunehmen«, fand ein reger Austausch Jugendarbeit, die für den Schulbereich zuständigen von Schulleitungen und Lehrkräften, Schülerinnen Ministerien in einigen Ländern der Bundesrepublik und Schülern, Eltern sowie Akteuren der außerschu- sowie der PAD. Zur Eröffnung der Konferenz betonte lischen Jugendarbeit statt. Insgesamt nahmen 15 die Ministerin für Schule und Weiterbildung des Schulen aus ganz Nordrhein-Westfalen teil, die fast Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann, den alle durch ein vierköpfiges Team vertreten waren, Stellenwert des schulischen und außerschulischen um das Thema »Internationaler Austausch« aus Austauschs: »Die Antworten auf die aktuelle Situa- unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. In tion in der Welt heißen Offenheit, Toleranz und Be- Workshops diskutierten die Beteiligten Ideen und gegnung. Internationaler Austausch im Schul- und Wege zu gelingenden Austauschprogrammen. Jugendbereich leistet dazu einen wichtigen Beitrag, Vertreten waren auch die Robert Bosch Stiftung weil er Räume für Begegnungen und Verständnis und die Stiftung Mercator als Förderer der Initiati- für kulturelle Verschiedenheit schafft. ve. Professor Joachim Rogall, Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung, erläuterte den Teilnehmerin- Foto: Benjamin Verhoeven/MSW NRW nen und Teilnehmern die Bedeutung von interna- tionalem Austausch während der Schulzeit: »Eine Auslandserfahrung fördert globales Verantwor- tungsbewusstsein, Wertschätzung von Vielfalt und aktive Bürgerschaft. Darum ist es uns ein großes Anliegen, möglichst allen Jugendlichen ein solches Lernfeld zu eröffnen. Und wo, wenn nicht in der Schule, haben wir die Möglichkeit, sie zu erreichen?« Michael Schwarz, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, erklärte: »Durch unsere Stiftungsarbeit wissen wir, dass Austauschprogramme einen positi- ven Einfluss auf die persönliche Entwicklung von Schülerinnen und Schülern haben. Wir setzen uns dafür ein, allen Jugendlichen unabhängig von Schulform und sozialer Herkunft einen Auslands- aufenthalt zu ermöglichen.« Eine weitere Regional- konferenz ist im November in Hamburg geplant.austausch bildet Schulministerin Sylvia Löhrmann mit Vertreterinnen und Vertretern der Initiative »Austausch macht Schule«.4
5Projektkits für die Praxis erasmus+ mobilitätsprojekte— im bereich der schulbildungOb »Technik trifft Sprache«, »Grammunication« oder Informationstage für»Mach mich zu einem Europäer«: Drei neu erschiene- Schulleitungen undne Projektkits geben Lehrkräften Anregungen für die didaktische LeitungeneTwinning-Praxis. Die Unterrichtsentwürfe wurden —von erfahrenen Lehrkräften entwickelt und erprobt.Sie dokumentieren Schritt für Schritt, für welche Sie möchten kompakt und praxisorientiert erfahren,Altersgruppe oder im Rahmen welcher Fächer sich die welche Möglichkeiten Leitaktion 1 des ProgrammsProjekte eignen. Mit »Mach mich zu einem Europäer« Erasmus+ Schulen bietet? Dann nehmen Sie an einemkönnen Schüler/-innen mit einer Partnerklasse ihre der Informationstage teil, die der PAD nach den Som-eigene und die europäische Identität reflektieren und merferien durchführt. Die Veranstaltungen richtendabei ihre Fremdsprachen- und Medienkompetenz sich an Schulleitungen und didaktische Leitungen,erweitern. »Technik trifft Sprache« eignet sich als die Interesse daran haben, Mobilitätsprojekte an ihrerProjekt für 16- bis über 20-jährige Jugendliche, um Schule zu initiieren. Im Vordergrund stehen Fragen zuin Fächern wie Informatik, Technik oder Deutsch als den Chancen und Möglichkeiten des Programms sowieFremdsprache mehr digitale und soziale Kompetenz den administrativen Anforderungen zur erfolgreichenzu erreichen. Die Projektidee entstand zwischen einer Umsetzung. Eine Einzelberatung ist nicht vorgesehen.polnischen und deutschen Schule. Zu Grammatik- Die Veranstaltungen beginnen um 14.30 Uhr mit einemübungen im Fremdsprachenunterricht regt »Gram- Imbiss und der Möglichkeit zum informellen Austausch.munication« an. 12- bis 14-jährige Schüler/-innen Von 15 bis 17 Uhr informiert Stefan Schaaf, Leiter deskönnen dabei in einem kreativen Schreibprojekt mit zuständigen Referats im PAD, über Möglichkeiten undPartnerklassen Grammatikregeln anwenden. Alle Chancen der Leitaktion 1 des Programms Erasmus+ fürProjektkits sind online auf der Website der Nationalen Ihre Einrichtung. Die Termine:Koordinierungsstelle eTwinning erhältlich. Sie könnendort auch bestellt werden. > E rfurt • 22. August • Hotel Zumnorde > Berlin • 13. SeptemberWeitere Informationen: www.kmk-pad.org/service/webshop.html Sekretariat der Kultusministerkonferenz > H amburg • 14. September Handwerkskammer Hamburg > K öln • 27. September Industrie- und Handelskammer zu Köln > M ünchen • 10. Oktober Kolpinghaus München – Zentral Weitere Informationen: 0800 3727 687 (gebührenfrei) Anmeldung: www.kmk-pad.org/veranstaltungen/ aktuelle-veranstaltungen-suche.html »Schulleitungen« in die Freitextsuche eingeben INFOTAGE
Schwerpunkt Bildung für nachhaltige Entwicklungaustausch bildet6
7Foto: Sunny studio/shutterstock.com Das Leitbild der nachhaltigen Ent- wicklung soll in allen Bereichen der Bildung verankert werden. Kinder und Jugendliche sollen so stärker für Themen der globalen Verantwor- tung sensibilisiert werden. I n Göttingen und Darkhan in der Mongolei haben sie die Qualität des Trinkwassers analysiert. Mit den Folgen der Bodenerosion beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler aus Wittmund und Buenos Aires. Beim Besuch einer 10. Jahrgangsstufe aus Lappersdorf bei der Partnerschule in Tansania standen die Themen Abfallvermeidung und Recycling im Mittelpunkt. Die Beispiele zeigen: Umweltbildung in Aus- tauschprojekten hat viele Facetten. Der Kultusministerkonferenz ist das ein wichtiges Anliegen. Denn zu den Aufgaben der Schule gehört es, »bei jungen Menschen Bewusstsein für Umweltfragen zu erzeugen, die Bereitschaft für den verantwortlichen Umgang mit der Umwelt zu fördern und zu einem umweltbewussten Verhalten zu erziehen«, wie es im Beschluss »Umwelt und Unter- richt« aus dem Jahr 1980 heißt. Der »Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung« von 2007 enthält zudem Materialien, wie Fragen der globalen Entwicklung im Unterricht bearbeitet werden können. Wie das im internationalen Austausch gelingt, zeigen die Beispiele guter Praxis in dieser Ausgabe.
schulen: partner der zukunft Wind, Wasser, Wald Die Deutsche Schule Hurlingham in Buenos Aires und die Alexander- von-Humboldt-Schule in Wittmund (Niedersachsen) führen seit 2015 Austauschprojekte zur nachhaltigen Energieversorgung und zur ökologischen Wasser- und Forstwirtschaft durch. von reinhard aulke, alexander-von-humboldt-schule wittmundaustausch bildet D er letzte Nebel hat sich verzogen, deutschen und argentinischen Jugendlichen in Ost- es ist noch früh am Morgen und im friesland getroffen und die Projektarbeit vorbereitet, Wald unter 30 Jahre alten Kiefern die dann im März 2016 umfassend angegangen wur- pflanzen mit Spezialspaten ausge- de: Nach einer Einführung, in der es um die Verteilung stattete deutsche und argentinische von Verantwortlichkeiten, die Teambildung und die Schülerinnen und Schüler unter der Anleitung von Detailplanung des Programms ging, fuhr die Gruppe Forstwirten Buchen und Eichen. Einige graben kon- auf die Nordseeinsel Langeoog. Olaf Sommer vom zentriert und zielstrebig, andere unterhalten sich an- Wasserwerk der Insel erläuterte die drohenden Kon- geregt oder kommentieren ihre Arbeit auf Deutsch, sequenzen, wenn das Klima sich weiter erwärmt und Spanisch und Englisch. Alle sind sich einig: Die letzten der Meeresspiegel ansteigt: Sturmfluten mit wach- Tage und Wochen waren spannend, lehrreich und senden Dünenschäden würden sich häufen und die informativ, weil der verantwortliche Umgang mit Gefahr der Minimierung der Süßwasserblase bergen, Ressourcen für einen nachhaltigen Klima- und Na- welche sich unter der Insel gebildet habe. Durch Ab- turschutz nicht nur Thema im Unterricht gewesen ist, fluss oder Verunreinigung durch Meereswasser sei so- sondern auch in der Praxis erprobt wurde. Die Auffors- gar eine vollständige Zerstörung möglich. Anhand der tung im Wald ist ein Beitrag dazu. mechanisch-biologischen Wasseraufbereitung zeigte er, wie diese für die Insel lebenswichtige Ressource Für die Schülergruppe, die gut gelaunt zu so früher nachhaltig genutzt und gesichert wird. Stunde in der Heide arbeitet, war dies nicht die erste Begegnung: Schon im November 2015 hatten sich die8
Schwerpunkt »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 9Interviews mit Experten eines nachhaltig zu nutzenden Mischwaldes wieder möglich wird. Aber auch andere Experten kamen während desweiteren Programms ins Spiel: Simon Habben von Einen praktischen Einsatz absolvierten die Schü-der Energiegenossenschaft Wittmund (EEG) führte ler/-innen abschließend im Waldpädagogikzentrumdie Gruppe in das Thema regenerative Energien ein. Ahlhorn in der Heide. Die Forstwirte dort hatten denAußerdem besichtigten die Schüler/-innen einen Sandboden unter den stattlich gewachsenen KiefernBürgerwindpark und eine Biogasanlage. Interviews des Ahlhorner Waldes vorbereitet und zeigten ihnen,zur Technik, zum Umweltschutz, zur Nachhaltigkeit wie ein Nadelwald fachmännisch mit Laubbäumenund zur Energiepolitik dienten dazu, Material für die aufgeforstet wird. Denn ein nachhaltig gepflegterweiteren Projektphasen zu beschaffen. Im Energie-, Mischwald ist die Voraussetzung für die SchaffungBildungs- und Erlebniszentrum (EEZ) in Aurich in- neuer Süßwasservorkommen in Regionen mit nähr-formierten sich die Schüler/-innen über das Thema stoffarmen Sandböden. Mehr als zweitausend Rotei-Energie, spielten gemeinsam ein Spiel zur effektiven chen und Rotbuchen pflanzte die deutsch-argentini-Energiewende und ließen sich die Produktion und sche Schülergruppe an den zwei Tagen vor Ort. DerEffizienz von Windkraftanlagen im Werk der Firma Gegenbesuch im Oktober wird diese Arbeit fortset-ENERCON erklären. Windenergie und Wasserkraft zen, diesmal aber im tropischen Regenwald im Nor-werden hier als regenerative Energie genutzt: Im den Argentiniens.Weserkraftwerk in Bremen erläuterte ENERCON-In-genieur Arno Hildebrand die Funktionsweise der ProgrammWasserturbinen, die er selbst entwickelt hat. Eigens Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)entwickelte Fischtreppen dienen hier dem Natur- Projekttitelschutz. Für die Schüler/-innen aus Buenos Aires war Klimawandel und Klimaschutz: Globalegerade diese Exkursion besonders aufschlussreich: Herausforderungen für Naturpflege, Energie-Im Kontext gigantischer und ökologisch umstritte- und Forstwirtschaftner Stauprojekte in ihrem Land erweist sich das Was- Partnerschulen serkraftwerk als eine nachhaltige smarte Lösung mit Alexander-von-Humboldt-Schule Wittmundhoher Effizienz. Im Klimahaus Bremerhaven, welches (Niedersachsen)die verschiedenen Klimazonen entlang eines Län- Deutsche Schule Hurlingham, Buenos Airesgengrades sinnlich erlebbar macht, recherchierten Förderung 4.604 €sie gemeinsam mit ihren Gastgebern die Folgen des Kontakt Reinhard AulkeKlimawandels für die verschiedenen klimatischen [email protected] der Erde.Flora und Fauna schützen Der praktische Schwerpunkt der Projektarbeit be-gann dann auf der Nordseeinsel Spiekeroog. Swaant-je Fock, Leiterin des Nationalparkhauses Wittbülten,führte die Gruppe in das Problem der Verbreitung in-vasiver Gehölze am Beispiel der Traubenkirsche ein.Da dieVielfalt der Flora den Erhalt der Insel ökologischsichert und schützt, reduzierten die Jugendlichen inTeams die im Osten der Insel sich bedrohlich ausbrei-tende Traubenkirsche, indem sie Blüten entfernten,die Rinden schälten oder Wurzeln ausgruben. In derLüneburger Heide wurden sie von Forstdirektor RainerKöpsell in die Thematik der nachhaltigen Waldwirt-schaft eingeführt und lernten die Heide als Kultur-landschaft kennen, die nach Abholzung und Erosionwieder aufgeforstet wird: Der Kiefernwald reichertden Boden im Verlauf von mehreren Jahrzehnten mitWasser und Nährstoffen an, sodass die Aufforstung
schulen: partner der zukunft Abfall vermeiden, Müll recyceln Der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen stand im Mittelpunkt der gemein- samen Projektarbeit während des ersten Besuchs einer Schülergruppe des Gymnasiums Lappersdorf an der »One World Secondary School Kilimanjaro« in Tansania. Nicht nur das zukunftsweisende Thema hinterließ einen nachhaltigen Eindruck.austausch10 bildet von anja heil, gymnasium lappersdorf auch die gemeinsame Projektarbeit zum Thema »Nachhaltigkeit«, die nach dem ersten Eingewöhnen D iese Eindrücke bleiben noch lange und Kennenlernen der Schule begann. Vormittags präsent: »Wir werden die kurze Zeit fanden Umwelt- und Kulturworkshops statt, die von nie wieder vergessen«, äußerten den tansanischen und deutschen Schülerinnen und sich alle Beteiligten zum Abschluss Schülern schon vor der Ankunft vorbereitet worden des nicht alltäglichen Austauschs, waren. So recherchierten sie zum Beispiel die Energi- den das Gymnasium Lappersdorf bei Regensburg enutzung und Müllproblematik in ihren Heimatlän- (Bayern), eine UNESCO-Projektschule im interes- dern. In Tansania gibt es keine geregelte Entsorgung. sierten Status, im Mai 2016 durchgeführt hat. Eine Abfall wird hier entweder verbrannt oder vergraben Gruppe von 15 Schülerinnen und Schülern der 10. – mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt. Jahrgangsstufe, drei Eltern und drei Lehrkräfte be- Umso klarer erkannten die Schüler/-innen, dass es suchten seinerzeit die »One World Secondary School nicht nur um Müllvermeidung geht, sondern auch Kilimanjaro« (OWSSK) in Tansania. Diese Schule ist darum, Möglichkeiten zu finden, wie man den weni- eine UNESCO-Modellschule, die Kindern Zugang gen im Land ansässigen Recyclingfirmen den Abfall zu Bildung auf dem Niveau der Sekundarstufe er- zur Wiederverwertung zukommen lassen kann. Da- möglicht, unabhängig vom Einkommen der Familie. bei wurde nicht nur theoretisch über Probleme nach- Anders als sonst in dem Land üblich, ist die Lernat- gedacht, sondern diese wurden aktiv angegangen, mosphäre von Gleichberechtigung, Respekt und in- etwa beim »Waste Walk«: Einen Tag lang sammelte terkultureller Verständigung geprägt. die deutsch-tansanische Schülergruppe Müll in der Umgebung auf, der, soweit möglich, der Wiederver- Der Schülergruppe aus Lappersdorf eröffnete der wertung zugeführt wurde. Den deutschen Schülern Besuch an der Partnerschule ungewöhnliche Erfah- und Schülerinnen wurde bewusst, dass die Mengen rungen. Bereits die Unterbringung in großen Schlaf- an sichtbarem Müll in Tansania dennoch viel gerin- räumen gemeinsam mit den tansanischen Kindern ger sind, als die Berge, die in Deutschland produziert und Jugendlichen, das morgendliche Putzen der werden. Damit änderte sich auch der Blickwinkel der Räumlichkeiten, das Aufhängen von Moskitonetzen Jugendlichen, denen deutlich wurde, dass Müllver- an Doppelstockbetten sowie das Wasserholen zum meidung oberste Priorität hat. Wäschewaschen in Schüsseln stellten die deutschen Jugendlichen anfangs vor einige Herausforderun- gen. Doch schnell passten sich alle den Gegebenhei- ten an. Außergewöhnliche Perspektiven vermittelte
Schwerpunkt »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 11Ökologischer Fußabdruck Der ökologische Fußabdruck Der ökologische Fußabdruck misst die Fläche auf der Mithilfe eines Planspiels wurde im Umweltwork- Erde, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebens-shop das Konzept des ökologischen Fußabdrucks standard eines Menschen unter den heutigen Pro-(siehe Infokasten) vorgestellt und dieser für jeden duktionsbedingungen dauerhaft zu ermöglichen. Imindividuell berechnet. Deutlich wurde dabei, dass der Internet finden sich verschiedene Möglichkeiten, diesenschonende Verbrauch von Ressourcen eine globale Fußabdruck individuell zu ermitteln, etwa unterHerausforderung darstellt, die jeder vor Ort beeinflus-sen kann – nach dem Motto »Think global, act local«. www.fussabdruck.deIm Anschluss machten sich die Schüler/-innen an die www.footprint-deutschland.depraktische Arbeit. Eine Exkursion in die angrenzenden»Pare Mountains« verschaffte ihnen Einblicke, welche zusammen und stellte die Herausforderungen imFolgen weitflächige Abholzungen auf den Wasser- Umgang miteinander und vor allem das Zusam-haushalt haben. In einem benachbarten Hof besich- menwachsen während des Austauschs fotografischtigten sie eine mit einfachen Mitteln betriebene Bio- dar. Die Ergebnisse der Workshops wurden natür-gasanlage, die als Alternative zum Kochen mit Holz lich in beiden Schulen präsentiert. Die Schülerinnendient. Da Plastikmüll ein großes Problem in Tansania und Schüler aus Lappersdorf hatten sogar die Mög-darstellt, lernten die Schülerinnen und Schüler außer- lichkeit, ihre Arbeit im Rahmen einer Sonderausstel-dem den Gebrauch traditioneller Sisalkörbe kennen lung im Winter 2016/17 im »Besucherzentrum Welt-und besuchten eine Fabrik, die diese Körbe produziert. erbe« im Salzstadel Regensburg einem internatio-Damit die Jugendlichen auch weiterhin zu Umwelt- nalen Publikum vorzustellen. Bei der Vernissagefragen zusammenarbeiten können, gründeten sie konnten die Jugendlichen auch von ihren Erfahrun-einen Umweltclub und vereinbarten Maßnahmen, gen, die sie nachhaltig geprägt haben, berichten.etwa das Pflanzen von Bäumen. »Nach den zwei Wochen, die wir in unserer Part- Den Schülerinnen und Schülern brannten aller- nerschule verbringen durften, fiel uns der Abschieddings auch viele Fragen zu den kulturellen Gewohn- sehr schwer und es dauerte lange, bis wir uns wie-heiten und zum Alltag unter den Nägeln. Im Kul- der an den deutschen Lebensstil gewöhnt hatten.turworkshop wurde deshalb besprochen, wie eine Noch immer erinnern wir uns sehr gern an die wun-perfekte Schule sowie das Familienleben aussehen derschöne Zeit zurück und vermissen unsere neusollten. Neben einigen Gemeinsamkeiten, etwa dem gewonnen Freunde sehr«, schrieb eine SchülerinWunsch nach wertschätzender Kommunikation, des Gymnasiums Lappersdorf im Jahresbericht derkonnten auch Unterschiede zwischen den Anfor- Schule. Umso mehr freuen sich alle auf den Gegen-derungen an eine gute Schule sowie den Familien- besuch der tansanischen Jugendlichen im Juli 2017.bildern festgestellt und analysiert werden. Dass derVater das Oberhaupt der Familie darstellt und dass Programmauch tansanische Mädchen dies nicht in Frage stell- Schulen: Partner der Zukunft (PASCH)ten, überraschte die deutschen Jugendlichen. DieGespräche zu den kulturellen Unterschieden wur- Projekttitelden dann auf gemeinsamen Ausflügen und am La- Nachhaltigkeit gestern – heute – morgen:gerfeuer vertieft. So wuchs das Verständnis für die Wohin soll unsere Reise gehen?Sichtweisen der Anderen. Besonders die gemeinsameExkursion nach Bagamoyo, der Hauptstadt zu Kolo- Partnerschulen nialzeiten, brachte die Jugendlichen zusammen und Gymnasium Lappersdorf (Bayern)ließ Freundschaften entstehen. One World Secondary School Kilimanjaro (Tansania)Graffiti, Fotoworkshop und Musikvideos Förderung 2.550 € Nachmittags wurden die Themen der Vormittagekreativ umgesetzt. Eine Gruppe gestaltete ein Graffito Kontakt Anja Heilam Kunstpavillon der Schule, das die Umweltthe- [email protected] aufgreift. Mehrere deutsche und tansanischeJugendliche produzierten ein Musikvideo, in dem siedas Vertrauen zueinander in den Mittelpunkt stellten.Eine dritte Gruppe arbeitete in einem Fotoworkshop
schulen: partner der zukunft Von der Leine an den Kharaa Das Göttinger Otto-Hahn-Gymnasium pflegt eine nicht alltägliche Partnerschaft mit einer Schule in der Mongolei. Die Schülerinnen und Schüler forschen gemeinsam zu den Themen Wasser und Umwelt. Was als naturwissenschaftliches Projekt begann, hat sich zu einem erfolg- reichen Beispiel für interkulturelle Verständigung entwickelt.austausch12 bildet von iris ollech in der Mongolei, vermutlich wegen der intensiven Landwirtschaft«, erzählt Bertram Tyron, der den Aus- D ie Mongolen kommen! Die Ankün- tausch begleitet. Möglich wurden solche Erkennt- digung, die einstmals Angst und nisse, weil die deutsch-mongolischen Teams im Schrecken verbreitete, löst heutzu- »Schülerlabor XLAB« der Universität Göttingen ihre tage am Otto-Hahn-Gymnasium Versuche professionell auswerten konnten. (OHG) in Göttingen erwartungs- volle Vorfreude aus. Denn alle zwei Jahre findet ein Fächerübergreifende Vorbereitung Austausch mit der Schule Nr. 19 in Darkhan statt. Be- reits dreimal haben deren Schülerinnen und Schüler Umweltbildung ist ein wichtiges, aber nicht das unter ihrer Lehrerin Oyunbileg Enhjargal den deut- einzige Ziel des Austauschs. Nicht weniger wertvoll schen Alltag erlebt, ihre Partner aus Niedersachsen sind die Begegnungen zwischen zwei so unterschied- das Leben in der Mongolei. Erhard Irmer, der Chemie lichen Kulturen. Damit sie für beide Seiten gewinn- und Religion am OHG unterrichtet, hat die Koopera- bringend verlaufen, beginnen die Vorbereitungen tion von Anfang an begleitet. »Ein Kollege, der da- schon früh. »Im Wahlpflichtunterricht, der in Nieder- mals zum Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung sachsen ab der 8. Klasse angeboten wird, geht es ein wechselte, suchte Interessenten für eine Schulpart- Jahr lang um die Geschichte, Geographie und Religi- nerschaft rund um das Thema Wasser«, erinnert er on der Mongolei. Wir binden die Themen so stark wie sich. Er und sein Kollege Bertram Tyron erkannten möglich fächerübergreifend ein«, sagt Erhard Irmer. die außergewöhnliche Chance für ihre Schule und begaben sich 2011 auf eine Erkundungsreise nach Johanna Thomä war durch den Unterricht und Darkhan. verschiedene Informationsveranstaltungen neugierig geworden und hatte sich für den Austausch bewor- Die Industriestadt in der Nordmongolei wurde ben. Ihre Eltern brauchte die 16-Jährige nicht zu über- 1961 gegründet. Zweckmäßige Plattenbauten prägen zeugen. Schließlich hatte bereits ihr Bruder am Projekt den Ort. In der niedersächsischen Universitätsstadt teilgenommen und stimmte Johanna auf das Aben- stehen hingegen Jahrhunderte alte Fachwerkhäuser teuer ein. Als ihre Gastschwester Munkhzaya im April für Tradition. Und während Göttingen von Wäldern 2016 nach Deutschland kam, hätten sie noch gefrem- umgeben ist, liegt Darkhan inmitten einer kargen delt, erinnert sich Johanna. Und das lag wohl nicht und trockenen Graslandschaft. Eine Gemeinsamkeit allein an der Sprache. Die mongolischen Schülerinnen zwischen den ungleichen Partnern jedoch erwies und Schüler lernen Deutsch und sprechen Englisch. sich als ideale Voraussetzung für die Projektarbeit – Vielleicht, so vermutet Beekje Ahlborn, lag es am straf- der Fluss. Göttingen liegt an der Leine, Darkhan am fen Programm: gemeinsame Experimente, Besichti- Kharaa. Hier wie dort haben die Schüler/-innen Pro- gungen rund um Göttingen sowie Exkursionen in die ben genommen mit einem erstaunlichen Ergebnis. VW-Autostadt in Wolfsburg und nach Hamburg. »Wir »Das Wasser in Deutschland war stärker belastet als
Schwerpunkt »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 13ProgrammSchulen: Partner der Zukunft(PASCH)ProjekttitelIndustrielle Entwicklung undUmweltschutz: ein Wider-spruch?Partnerschulen Otto-Hahn-GymnasiumGöttingen (Niedersachsen)Schule Nr. 19 Darkhan(Mongolei)Förderung 9.907,50 €Kontakt Erhard [email protected] wenig Zeit runterzukommen«, erinnert sich »Der Geschmack ging ziemlich auseinander. Die Mon-die 16-Jährige. »In der Mongolei war es entspannter golen hören gerne Volksmusik, wir haben ihnen vorge-und das Eis war schnell gebrochen.« Wie anders der spielt, was bei uns in den Charts läuft«, sagen Johanna,Alltag dort getaktet ist, erlebte auch Johanna bei ihrer Silas und Beekje. Dass Musik dennoch Brücken bauenGastschwester. »Munkhzaya wohnt in einer moder- kann, erlebten beide Seiten: Mit Umtata und Dirndlnen Wohnung, aber aus der Dusche kam oft nur kaltes stimmten die Göttinger Gymnasiasten ihre Gast-Wasser«, erzählt sie. Wie kostbar dieses Gut ist, er- geber aufs Oktoberfest ein. »Und ein mongolischerlebten die Schülerinnen und Schüler im Jurtenviertel Schüler, der sich unsterblich verliebt hatte, widmeteDarkhans und in der Steppe.In den traditionellen Rund- seiner Angebeteten einen selbstkomponierten Rap-zelten kommt Wasser nicht aus dem Hahn, sondern Song«, erzählt der Lehrer Bertram Tyron schmunzelnd.muss in Kanistern mühsam herbeigetragen werden. Herausforderungen für die ZukunftUnterschiedliche Ansprüche Damit der Austausch auch 2018 erfolgreich fortge- Wie sehr die Mongolei als Schwellenland im Span- setzt werden kann, muss das OHG nun wieder die einenungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie steht, große Herausforderung meistern: eine verlässliche Fi-wurde auch bei der Besichtigung eines Wärmekraft- nanzierung. Im Rahmen der Initiative »Schulen: Part-werks greifbar. Silas Wolff war überrascht: »Wir haben ner der Zukunft« (PASCH) wird die Projektarbeit zwareinen deutschen Ingenieur vor Ort gefragt, warum gefördert. Gefordert ist jedoch auch die Fantasie derkaum Sonnen- und Windkraft genutzt wird. Er hat Schülerinnen und Schüler beim Spendensammeln.geantwortet, dass man sich zunächst auf die Energie- Dass sich die Mühe lohnt, dessen ist sich ihre Lehre-versorgung konzentriere und erst in zweiter Linie auf rin Daniela Forkmann sicher. Sie hat 2014 und 2016den Umweltschutz.« Ähnliches bemerkte auch Beekje am Mongolei-Austausch teilgenommen und ziehtAhlborn: »Mitten in der Steppe liegt Müll herum und ein ermutigendes Fazit: »Ich bin überzeugt, dass dieman fragt sich, wo der herkommt.« Die deutsche Reisen nachwirken und etwas bleibt, nämlich die Of-Gründlichkeit bei der Abfalltrennung überraschte fenheit gegenüber Fremden und anderen Kulturen.«wiederum die Mongolen in Göttingen. Neben demgemeinsamen Lernen war ein Thema wichtig, das —Jugendliche auf der ganzen Welt beschäftigt: Musik. Die Autorin ist Journalistin in Bonn.
erasmus+ schulbildung Tausche rote Erdbeeren gegen schwarze Erde Mit dem digitalen Wandel geht auch traditionelles Können verloren. In einem Projekt zum Thema Nachhaltigkeit haben sich Lehrkräfte und Schüler/ -innen einer Berliner Grundschule mit Partnern von Spanien bis zur Türkei darüber ausgetauscht, welche Bedeutung solchen Fertigkeiten heute zukommen sollte – und alte Brettspiele wiederbelebt.austausch14 bildet von arnd zickgraf Grundschule verbindet Ulla Ondratschek fast 20 Jahre der Zusammenarbeit in europäischen Schulprojekten. I nmitten der digitalen Revolution hat Ulla Ondratschek ein Gespür dafür bewahrt, was »Wir wollen Fähigkeiten wie Stricken und Klöppeln bleibt. Oder bleiben sollte. Eines Tages saß die erlernen und schauen, ob und wie wir sie für unsere Lehrerin der Berliner Grundschule im Beer- Zukunft nutzen können«, erläutert Ulla Ondratschek. winkel mit Kollegen der Primary-School John- Die Kinder durften zudem erfinderisch sein. Dazu stonebridge aus Schottland am Tisch. Die kleine Schu- gehörte auch, aus Dingen des Alltags wie verbrauch- le in der Grafschaft Dumfriesshire wird von nur drei ten Tetrapaks etwas Neues zu basteln, etwa Porte- Lehrern, einer Köchin und einer Sekretärin betrieben. monnaies. Das Projekt umfasste vier Aspekte: Gärten »Viele Kinder wissen nicht mehr, wie man eine Sup- und Bäume, Handwerk und Handarbeit, alte Spiele pe kocht«, beklagte sich die Köchin, die ebenfalls am und Unterhaltung sowie Handel mit selbst hergestell- Tisch saß. »Uns fiel auf, dass die Kinder heute Zuflucht ten Dingen, die etwa auf Basaren verkauft wurden. zu ihren Handys nehmen und sonst kaum etwas mit So waren im Zuge der jüngsten Strategischen Schul- ihren Fingern machen. Was brauchen die Kinder aber partnerschaft im Rahmen von Erasmus+ Schulen aus noch für die Zukunft?«, fragten sich die Lehrkräfte. Bei elf Staaten durch diese Idee des kreativen Bewahrens diesem Gespräch leuchtete ihnen die Idee des kreati- als einer Vision der Nachhaltigkeit miteinander ver- ven Bewahrens auf. Unter dem Projekttitel »Back to bunden. Zwischen 2014 und 2016 veranstalteten die Our Future« sollte es darum gehen, Grundschulkinder Schulen sieben internationale Workshops mit dem an in Vergessenheit geratene Fähigkeiten und Fertig- Ziel, sich zu europäisch denkenden »Umweltschulen« keiten wieder heranzuführen. Mit der schottischen weiterzuentwickeln. Auf vier Treffen, unter anderem in Athen, Berlin und Madrid, haben die Pädagoginnen und Pädagogen den Stand der Aktivitäten festgehal- ten und ihre Ideen für die Projektarbeit diskutiert.
Schwerpunkt »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 15 Alternative Ideen von externen Partnern ganisieren wollte, stieß das zunächst auf Vorbehalte. »Das funktioniert nicht«, brachten besorgte Kollegin- »Bildung für nachhaltige Entwicklung ist schon nen und Kollegen damals vor, gaben aber nach. lange meine Bewegung, weil ich immer an Natur in- teressiert war«, sagt Ulla Ondratschek. Als Mitglied Unterricht nach schottischem Vorbild im »Berliner Innovationskreis«, der Fortbildungen zum Thema Nachhaltigkeit organisiert, setzt sie sich Als es dann endlich soweit war, probierten die schon länger mit dem Thema auseinander. In einem Kinder die Vielzahl traditioneller Gesellschafts- Vortrag ging es um »Terra Preta«, fruchtbare, schwar- spiele von »Mühle« bis »Schwarzer Peter« aus. Um ze Erde, die der Tradition der südamerikanischen Inka das Ergebnis des Spieletags festzuhalten, entwarf die entsprungen ist. »Terra Preta« besteht aus Holz- Erasmus-Gruppe einen Fragebogen nach schotti- kohle, Essensresten, Mist und Wasser und wird von schem Vorbild, bei der sie auf eine Vorlage der dor- Insekten und Regenwürmern zu einem wertvollen tigen Schule zurückgriff. Heraus kam: Einige Spiele Dünger aufgelockert. Nicht nur dieses Wissen aus waren bis dato unbekannt, haben aber den Kindern, der Kooperation mit einem externen Partner brach- die sie gespielt haben, viel Spaß gemacht. Das zeige te Ondratschek in das Projekt »Back to Our Future« Computerspielen zum Trotz, dass alte Spiele noch ein. Seit Herbst 2014 forschten die Schüler/-innen lange nicht ausgedient hätten, stellt die Erasmus-Ko- aus den elf Ländern über »wachsende Dinge«. Dazu ordinatorin der GS Beerwinkel fest. Die Schülerinnen reisten die Berliner Kinder mit ihren Lehrkräften auch und Schüler hätten darüber hinaus in außerordentli- zu Workshops quer durch Europa. Dort gaben sie ihr cherWeise für ihr Leben in Schule und Familie gelernt, Wissen über die »Terra Preta« weiter. Im Gegenzug was gewöhnlicher Unterricht so nicht leisten könne, lernten die Berliner beispielsweise viel über die Erd- fährt die Pädagogin fort. Die Selbstevaluation hatte beerkulturen, die an der rumänischen Partnerschule zur Folge, dass der Spieletag als Projekttag etabliert gepflegt werden. wurde. Und mehr noch: »Die Evaluation, die wir nach schottischem Vorbild angewendet haben, wird nun Ein Beispiel für die nachhaltige Wirkung europä- bei der Neufassung unseres Schulprogramms und ischer Schulprojekte ist zudem die Selbstevaluation. der Profilierung zur Umweltschule genutzt«, sagt Die Idee, fortlaufend die Unterrichtsentwicklung Ulla Ondratschek. So hat »Back to Our Future« die eu- auszuwerten, haben die Schulen von den schotti- ropäische Ausrichtung des Kollegiums der GS Beer- schen Partnern übernommen. Dabei standen einige winkel noch einmal verstärkt. Der nächste Schritt zur Lehrkräfte dem institutionalisierten Feedback, das in Internationalisierung der Arbeit wird bereits geplant: der GS Beerwinkel inzwischen Fuß fassen konnte, zu- Vorgesehen sind Job-Shadowings an den vertrauten nächst skeptisch gegenüber: »Ich brauche meine Ar- Partnerschulen. Fördermittel dazu hat die Schule in beit nicht zu evaluieren, ich sehe doch selbst, was die Leitaktion 1 des Programms Erasmus+, die Mobilität Kinder können«, erinnert sich Ulla Ondratschek an von Schulpersonal ermöglicht, beantragt. die Gespräche im Kollegium. Als die Erasmus-Grup- pe der GS Beerwinkel, die sich aus Kindern und zwei — Lehrerinnen zusammensetzt, im vergangenen Jahr Der Autor ist Bildungsfachjournalist in Bonn. im Zuge von »Back to Our Future« einen Spieletag or-Foto: Nataliia K/shutterstock.com Programm Comprensivo Cantù (Italien), Szkola Laufzeit Erasmus+ Schulbildung Podstawowa nr 1, Barlinek (Polen), September 2014 bis September 2016 Scoala Gimnaziala Porumbesti Projekttitel (Rumänien), Sociedad cooperativa EU-Zuschuss 42.100 € Back to Our Future madrileña limitada la Cantoña für die Schule in Deutschland (Spanien), Resat Turhan Ortaokulu Koordinierende Einrichtung (Türkei), Johnstonebridge Primary Kontakt Ursula Ondratschek Grundschule im Beerwinkel, Berlin School (Vereinigtes Königreich) [email protected] Partner Beteiligte Schulen außerhalb der Weitere Informationen Volksschule Mils bei Imst (Österreich), EU-Förderung www.back-to-our-future.org J.V. Veski nim. Maarja Pöhikool 2. Schule Kobrin (Belarus) (Estland), 13th Highschool of Kallithea »Socrates« (Griechenland), Istituto
etwinning Schwimmende Häuser und Wasserflaschen, die an Bäumen wachsen Die Heinrich-Böll-Gesamtschule in Oberhausen (Nordrhein- Westfalen) ist im vergangenen Jahr für ihr europäisches Schul- projekt »Water means life« mit dem eTwinning-Qualitäts- siegel ausgezeichnet worden. Aus dem beispielhaften Inter- netprojekt über die Ressource Wasser haben sich bereits neue Ideen entwickelt.austausch16 bildet von iris ollech eingebauter Sensoren konnten die Jugendlichen beobachten, wie sich die Häuser dem Wasserspiegel B egonnen hat alles 2015 mit einem Klas- anpassten. Die 14- bis 16-Jährigen waren so begeis- senausflug in die Niederlande. Wenn tert von dem Projekt, dass sie vor weiteren Ideen nur dort der Meeresspiegel durch den Kli- so sprühten. Was ist Wasser? Wo kommt es vor? Wo- mawandel weiter steigt, könnte das raus setzt es sich zusammen? Sie untersuchten die kleine flache Land irgendwann vom Bedeutung von Wasser für den menschlichen Körper, Ozean verschluckt werden. Dieses Szenario hatte die Folge von Wasserknappheit und die Auswirkun- Uwe Bugdoll im Kopf, als er nach einer Idee für sein gen von Überschwemmungen. Das Projekt bot nicht nächstes eTwinning-Projekt suchte. Der 61-Jährige nur Spaß, sondern auch eine Menge interessanten unterrichtet Mathematik und Technik an der Hein- Lernstoff. Zum Beispiel für den Matheunterricht mit rich-Böll-Gesamtschule in Oberhausen und hat viel kreativen Textaufgaben zu naheliegenden Fragen: Erfahrung mit Schulpartnerschaften im Netz. Schon »Unser Körper besteht zu 70 Prozent aus Wasser.Tom seit 2008 arbeitet er eng mit Projektpartnern in Spa- wiegt 80 Kilogramm. Wie viele Kilo davon sind Was- nien und Polen zusammen. Dieser persönliche Kon- ser?«, sollten die Schüler/-innen ausrechnen. Auch in takt war hilfreich, als die drei Lehrer zusammen etwas Biologie, Chemie oder Sport wurde das Thema in den Neues wagen wollten. »Wir haben unsere Ideen aus- Unterricht eingebunden. Uwe Bugdoll empfand die getauscht und uns dann auf das Thema Wasser geei- fächerübergreifende Projektarbeit durchaus als Her- nigt«, erinnert sich Uwe Bugdoll. ausforderung: »Die Abstimmung im Kollegium ver- langt Offenheit und Flexibilität. Das musste ich auch Textaufgaben rund ums Wasser erst mal lernen«, sagt er. Mit seinen Schülerinnen und Schülern bastelte er im Technikunterricht Häuser so groß wie Schuh- schachteln und verankerte sie in einem Teich. Dank
Schwerpunkt »Bildung für nachhaltige Entwicklung« 17Gute Vorbereitung sorgt für Sicherheit Kühne Utopien erwünscht Zudem erfordert jedes eTwinning-Projekt eine Wasser, Water, Woda, Agua – dass der Austauschweitsichtige Planung. Die Termine für die Video- zwischen Deutschland, Polen und Spanien bestenskonferenzen mit seinen Partnern in der Nähe von funktioniert, zeigen die phantasievollen Projekt-Krakau und auf Teneriffa spricht Uwe Bugdoll lange ergebnisse. Um der Dürre in Afrika zu begegnen,im Voraus ab. Denn mal kommt ein Feiertag dazwi- wollten die Schüler/-innen Containerschiffe mitschen, mal verabschiedet sich eine Schule bereits Wasser auf den trockenen Kontinent schicken, Sandin die Ferien, während die anderen noch Unterricht gegen das kostbare Gut tauschen und auf Bäumenhaben. »Für die Durchführung benötigen wir ausrei- künftig Flaschen statt Früchte wachsen lassen. Küh-chend Zeit«, sagt er. »Ein solches Projekt innerhalb ne Utopien wie diese waren durchaus erwünscht.von zwei Monaten abschließen zu können, ist nicht »Das Schöne bei eTwinning ist, dass wir nicht fest-realistisch«, ist seine Erfahrung. Alle sechs bis acht gefahren sind«, meint Uwe Bugdoll. »Und wenn ichWochen treffen sich seine Schüler/-innen mit den die Schüler nach zwei, drei Jahren wiedertreffe undanderen Klassen live im Netz. Wenn dann die Leitung sie sich daran erinnern, wie schön das war, dann istzwischen Deutschland, Polen und Spanien steht, ist bei denen sehr viel hängen geblieben«, freut sich derdas für alle immer aufregend. Noch lebhaft erinnert Projektleiter.sich Uwe Bugdoll auch an Reaktionen während desersten Projekts: »Meine Schüler standen schon eine Die Sachpreise im Wert von 300 Euro, mit de-Weile vor der Kamera, als plötzlich die Partnerschü- nen die Wasseridee im vergangenen Jahr gewür-ler im Bild erschienen und „hello“ sagten. Da haben digt wurde, kann Uwe Bugdoll gut für sein neuestessich einige vor Schreck unter den Tischen versteckt.« eTwinning-Projekt verwenden. Was genau er vorhat,Seitdem bereiten die jungen eTwinner/-innen für möchte er noch nicht verraten. Nur so viel: Die selbst-jede Videokonferenz ein Skript in der gemeinsamen gebauten Häuser aus dem Wasserprojekt sollen zuProjektsprache Englisch vor und bestimmen einen, intelligenten Smart-Häusern umgerüstet werden.der es vorträgt. Nach und nach verlieren die Schüler/ Ob dieser Beitrag zur Nachhaltigkeit ebenfalls preis--innen damit die Angst vorm Sprechen. »Weil sie verdächtig ist, darauf darf man gespannt sein, wennwissen, dass ihnen Fehler nicht wie im normalen Un- im Herbst 2017 erneut die eTwinning-Qualitätssiegelterricht angekreidet werden, und weil auch ihre Pro- verliehen werden.jektpartner Fehler machen«, so Uwe Bugdoll. Sogareine Debatte im Oxford-Stil über das Für und Wider —von Wasserkampagnen haben sie sich inzwischen Die Autorin ist Journalistin in Bonn.zugetraut.
Forum erasmus wird 30 Vom Studierenden- austausch zur inklusiven Jugendmobilität Eine Evaluation zur Halbzeit von Erasmus+ soll Aufschluss über den bisherigen Verlauf des Programms geben. Mit der bisherigen Umsetzung von Erasmus+ befasst sich derzeit auch das Europäische Parlament – und wird dazu in einem Zwischen- bericht Empfehlungen aussprechen. Petra Kammerevert ist Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport. In »Austausch bildet« kommentiert sie den aktuellen Stand. von petra kammerevert, mitglied des europäischen parlamentsaustausch18 bildet 2017 feiern wir den 30. Geburtstag von Doch aus den Kinderschuhen ist das Programm Erasmus. Dieser Jahrestag fällt mit ei- schon lange herausgewachsen: Das neue Erasmus+ nem anderen wichtigen Datum der europäischen In- hat eine Laufzeit von 2014 bis 2020 und enthält die tegration zusammen, nämlich dem 60. Jahrestag der bisher getrennten Programme Erasmus, Erasmus Römischen Verträge, die eine immer engere Union für Mundus, Leonardo da Vinci, Comenius, Grundt- Europa vorsehen. Beide Jahrestage symbolisieren das vig, Jugend in Aktion und zum ersten Mal auch gemeinsame Ziel, Menschen in Europa zu vereinen. ein Sportprogramm. Rückblickend lässt sich schon jetzt sagen, dass es politisch richtig war, die euro- 1987 startete das Programm Erasmus als Aus- päischen Programme, die mit Bildung, Aus- und tauschprogramm für Studierende. Über die Jahre Weiterbildung sowie Jugend- und Sportförderung hinweg wurde es um Austauschprogramme für Aus- vor allem junge Menschen im Blick haben, in einem zubildende und junge Arbeitnehmer und Arbeitneh- Programm zu bündeln. Nur so konnte die Erhöhung merinnen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, um der Mittel für das Gesamtprogramm und für seine einen Freiwilligendienst und grenzüberschreitende Teilbereiche erreicht werden. Mit einem Gesamt- Initiativen von Jugendverbänden und in der Erwach- budget von 14,7 Milliarden Euro für 7 Jahre haben senenbildung erweitert. Damit wurde tausenden wir eine Aufstockung des Budgets um 40 Prozent Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit im Vergleich zur vorherigen Förderperiode erreicht. geboten, unterschiedlichste Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Erasmus gehört damit zu den erfolg- reichsten und bekanntesten Initiativen der EU.
19 Forum Zur Person Petra Kammerevert ist seit 2009 Abgeordnete des Europäischen Parlaments und seit Februar 2017 Vorsitzende des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport. Programmstart mit Schwierigkeiten die EU-Kommission auf Defizite in der Programmkon- Heruntergebrochen auf (noch) 28 Mitgliedsstaa- struktion und -umsetzung hinzuweisen. Um nur eini- ten und 7 Jahre erscheint diese Summe zwar noch als zu gering angesetzt, doch erreichen wir mit den be- ge Beispiele zu nennen: stehenden Programmen mit sehr wenig Geld einen hohen Fördereffekt und leisten so einen echten Bei- Das Gesamtbudget von Erasmus+ wurde in der trag dazu, das Zusammengehörigkeitsgefühl in der EU zu stärken. Was wir uns andernorts immer wün- laufenden Förderperiode deutlich erhöht und von der schen, wird durch Erasmus+ bei vielen tausend jungen Menschen im Jahr gelebte Realität und verdient noch EU-Kommission und dem Europäischen Parlament als mehr europäische Anerkennung auch durch eine noch bessere finanzielle Ausstattung. großer Erfolg dargestellt. Bei den Antragstellern hat Dennoch waren die ersten zweieinhalb Jahre der dies die Erwartung auf eine höhere Förderquote sowie Umsetzung ohne Zweifel schwierig und herausfor- dernd. In der Zwischenzeit hat die EU-Kommission die bessere Ausstattung der Projekte geweckt. Diese Erhö- Durchführungsmaßnahmen verbessert und ist wie- der auf dem richtigen Weg. Trotzdem muss noch viel hung kam jedoch bisher nicht bei den einzelnen Maß- getan werden, damit das Programm tatsächlich eine Erfolgsgeschichte bleibt. Wir dürfen beispielsweise nahmen an, da erst 2017 eine Erhöhung des Jahres- nicht übersehen, dass der Grad der Zufriedenheit je nach Programmbereich variiert. budgets vorgesehen war. Viele durchaus förderfähige Im Rahmen der sogenannten Midterm-Review zum Projekte mussten daher in der ersten Hälfte der Pro- laufenden Programm Erasmus+ hat der Ausschuss für Kultur und Bildung im Europäischen Parlament grammlaufzeit abgelehnt werden. Dies führte dazu, daher im vergangenen Jahr die Gelegenheit genutzt, dass insbesondere Träger und Einrichtungen ohne Erfahrungen mit europäischen Projekten und Pro- grammen von einer Antragstellung abgesehen haben und Antragsteller, die eine Ablehnung erfahren haben, möglicherweise ganz auf europäische Projektarbeit verzichten werden. Diese Dynamik hätte seitens der EU-Kommission im Vorfeld deutlicher kommuniziertFoto: FKPH werden müssen.Wir haben die EU-Kommission daher in unserem Bericht aufgefordert, diese Praxis für die kommende Programmperiode zu überdenken. >
austausch20 bildet Einfacher und nutzerfreundlicher der schon einmal seinen Lebens- mittelpunkt zeitweise ins Ausland Der Programmleitfaden der EU-Kommission mit verlegt hat, weiß, dass dies mit un- mehr als 300 Seiten ist nicht nutzerfreundlich und erwarteten Unkosten verbunden ist. stellt insbesondere für Erstantragsteller eine große Diese Kosten sind auch in Deutschland Hürde dar. Die Informationen sind zudem schlecht bei weitem nicht für jede und jeden zu aufbereitet und unübersichtlich dargestellt. Daher stemmen, insbesondere nicht für Jugendliche be- haben wir darauf verwiesen, dass das Ziel einer ein- ziehungsweise Schülerinnen und Schüler, die aus facheren, benutzerfreundlicheren und flexibleren ökonomisch und sozial schwierigen Verhältnissen Umsetzung bislang noch nicht erreicht wurde. Nach kommen. wie vor sind mangelnde Klarheit, ein uneinheitlicher Detaillierungsgrad und eine allgemeine Benutzerun- Mobilität darf kein Privileg von wenigen bleiben. freundlichkeit des Leitfadens festzustellen, sowie viel Die Teilnahme sollte weder durch die sozioökonomi- zu komplizierte Antragsformulare. sche Lage eingeschränkt werden noch durch schlech- tere Leistungen in Schule und Ausbildung. Wir dür- Neben Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung fen die europäischen Mobilitätsprogramme daher prangerte der Bericht an, dass grundsätzlich unglei- nicht als Einbahnstraße für hoch qualifizierte Men- che Mobilitätschancen bestehen. Wir müssen immer schen aus ökonomisch gut situierten Verhältnissen im Blick behalten, dass die Lage der Jugend in vie- sehen, sondern müssen an fairen Zugangsmöglich- len Mitgliedsstaaten nicht ganz so rosig ist, wie in keiten für alle arbeiten. Deutschland. Weiterhin wirkt sich die Krise in Europa stark auf die Lebenschancen junger Europäerinnen Es gibt deshalb noch viel zu tun, damit Erasmus+ und Europäer aus. Und das, obwohl diese Generation diesen Anforderungen gerecht werden kann. Die Ein- besser ausgebildet ist als irgendeine zuvor. Der An- richtung eines Mobilitätsprogramms ist keineswegs teil früher Schulabgänger ist europaweit rückläufig ein einmaliger Kraftakt, sondern ein stetiger Prozess, und auch die Zahl der Hochschulabsolventen ist in dem immer wieder nachjustiert und ausgebaut auf einem historischen Höchststand – jedoch gibt werden muss. Dabei geht es nicht nur darum, be- es immer noch erhebliche nationale Unterschiede. stehende Defizite abzubauen, sondern auch neuen Viele junge Menschen in Süd- und Osteuropa ha- Herausforderungen gerecht zu werden. Dabei muss ben Schwierigkeiten, trotz hochwertiger Ausbildung immer klar sein: Ein Mobilitätsprogramm kann zwar entsprechende Arbeitsplätze zu finden, und bei den- einen wichtigen Beitrag leisten, aber nicht alle Pro- jenigen, die von Anfang an weniger Chancen haben, bleme in Europa lösen. Dennoch ist es mein Ziel, dass wie junge Menschen mit Migrationshintergrund, zukünftig jeder Jugendliche bis zu seinem 25. Lebens- mit niedrigem Bildungsniveau oder gesundheitli- jahr einmal die Möglichkeit gehabt haben muss, vom chen Problemen, akkumulieren sich die Nachteile. Erasmus+-Programm zu profitieren – sei es während Die scharfen Gegensätze gefährden das soziale Ge- der Schulzeit, im Studium oder in der Ausbildung, im füge in Europa und unterminieren das Vertrauen in Freiwilligendienst oder im Bereich des Jugendaus- Gesellschaft und Politik. tauschs eines Jugendverbandes. Dafür brauchen wir einen deutlichen finanziellen Ausbau des Programms Doch auch in Deutschland bleibt sozial faire in Form einer Verdoppelung der Mittel in der nächs- Mobilität bisher Zukunftsmusik. Noch sind viele ten Programmperiode – das wäre eine echte Investi- Mobilitätsprojekte nicht vollumfänglich aus den tion in die Jugend und damit in die Zukunft Europas. europäischen Töpfen bezahlbar und selbst wenn die Förderung teilweise recht üppig ausfällt: Jeder,
21erasmus+ schulbildungHalbzeit Was läuft gut bei Erasmus+ und wo sind dringend Änderungennotwendig? Welchen Verbesserungsbedarf gibt es insbesondere im Schulbereich? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Zwischen- evaluation der Mitgliedstaaten zur Halbzeit des Programms.zusammengefasst von thomas spielkamp, pad kung von Erasmus+ im Schulbereich in Deutschland zu verbessern, sind hier deutliche Korrekturen im Nachfol-D ie Verordnung des Europäischen geprogramm angezeigt. Notwendig ist auch, dass das Parlaments und Rates für Erasmus+ Programmbudget ausgeweitet wird – nicht nur in Hin- sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten blick auf das Gesamtbudget. Gerade im Schulbereich der EU-Kommission bis zum 30. Juni sollte der Mittelansatz deutlich erhöht werden, damit 2017 einen Zwischenbericht über die die wichtigen Aufgaben im Prozess der europäischenDurchführung des Programms vorlegen müssen. Die Integration auf der Basis gemeinsamer Werte, mit de-nationalen Berichte der 33 Programmländer ergänzen nen sich die heranwachsenden Generationen maßgeb-eine im Auftrag der EU-Kommission durchgeführte ex- lich im Schulbereich auseinandersetzen und die in fra-terne Zwischenevaluierung. In Deutschland stimmen gilen politischen Zeiten nötiger sind denn je, durch diesich wegen der unterschiedlichen Zuständigkeiten für Förderung einer kritischen Masse von Einrichtungen imdie Bildungssektoren die zuständigen Bundesministe- Schulbereich umgesetzt werden können.rien und die Kultusministerkonferenz über den einzu-reichenden Gesamtbericht ab. Eine Steigerung der Mittel muss deshalb damit einhergehen, die Antrags-, Abrechnungs-, Berichts- Für den Schulbereich steht im Rahmen dieser Zwi- und Prüfpflichten für die beteiligten Einrichtungen zuschenevaluierung fest: Aufgrund der mit Programmbe- vereinfachen. Nur wenn die Gesamtattraktivität vonginn stark eingebrochenen Anzahl beteiligter Einrich- Erasmus+ im Schulbereich gesteigert werden kann,tungen kann die Verwirklichung der Programmziele werden sich kleine und bisher in der europäischennur punktuell festgestellt werden. Trotz einer Reihe Bildungskooperation unerfahrene Einrichtungen alsvon sehr guten Projekten kann Erasmus+ im Schulbe- neue Antragsteller an dem Programm beteiligen.reich aufgrund der geringen Anzahl geförderter Ein-richtungen keine systemische Wirkung erreichen. Die EU-Kommission hat bereits erkannt, dass für den Schulbereich Verbesserungen noch in der laufendenAufwendige Verwaltungsverfahren Programmgeneration erfolgen müssen. Es bestehen so- mit gute Chancen, dass die Anregungen aus dem deut- Mit Erasmus+ wurden für den Schulbereich zahlrei- schen Zwischenbericht in Brüssel auch Gehör finden.che Neuerungen eingeführt, die vor allem im Bereichder Leitaktion 2, den Strategischen Partnerschaften,die Situation für antragstellende Einrichtungen ver-schlechtert haben. Bei Mobilitätsprojekten der Leitak-tion 1 sind die Änderungen wie die Einführung einesinstitutionellen Ansatzes, die Einführung von Stück-kostensätzen und die Möglichkeit der Konsortialan-tragstellung hingegen zu begrüßen. Die seit 2014 geltenden Antrags-, Förder- und Be-richtsverfahren lassen jedoch deutlich erkennen, dassder Schwerpunkt von Erasmus+ im Hochschulbereichliegt. Dies führt dazu, dass Einrichtungen aus dem Vor-schul- und Schulbereich dieselben Verwaltungsverfah-ren durchlaufen müssen wie Universitäten. Um die Wir-
Junge Europäerinnen und Europäer: Schülerinnen und Schülerder Lessing-Grundschule aus Leipzig mit der Präsidentin derKultusministerkonferenz, Susanne Eisenmann (Mitte).austausch22 bildet»Erasmus ist für uns Foto: Annegret Hultscheine Schatzkiste«30 Jahre europäische Bildungszusammenarbeit: Eine Festver-anstaltung in Berlin würdigte das Jubiläum und den Beitragdes laufenden Programms Erasmus+ zur Wissensvermittlung,interkulturellen Begegnung und Zusammenarbeit in Europa.von andrea lummert, pad Dinge sind einfach richtig gut für eine Schule – und COMENIUS ist gut.« Vier europäische Austauschpro-A n die Projektarbeit während der Ar- jekte hat seine Schule seit 2007 durchgeführt. beitstreffen erinnert sich Henrike heute noch gerne: »Ich habe neue Auf der Festveranstaltung zum 30. Jubiläum der Freundschaften geknüpft und vor EU-Bildungsprogramme im Januar 2017 in Berlin ka- allem Kulturen anderer Länder ken- men Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte zunengelernt. Das war ein Glück, dass ich das erleben Wort. Sie berichteten von ihren interkulturellen Be-durfte«, sagt die 17-jährige aus Bad Bederkesa, die gegnungen und Erfahrungen aus der Zusammenar-am COMENIUS-Projekt »Future Visions« ihrer Schu- beit ihrer Schulen in Europa. Auch Ricarda Geidelt, diele teilgenommen hat. Zwei Jahre lang arbeiteten an der Lessing-Grundschule in Leipzig unterrichtetSchülerinnen und Schüler der »Schule an der Müh- und seit vielen Jahren mit COMENIUS und Erasmus+le« mit Klassen in England, Frankreich und Spanien Europa ins Klassenzimmer bringt, nahm mit einerzu Zukunftsthemen wie Klimawandel und Umwelt- Schülergruppe an der Feier teil. »Erasmus ist für unsschutz zusammen. Schulleiter Benno Martens hat eine große Schatzkiste. Ich bin davon überzeugt, dassdabei erlebt, wie solche Begegnungen Schülerinnen aus den kleinen Europäern große Europäer werden.«und Schüler sowie Lehrkräfte begeistern. »Manche
23Von COMENIUS zu Erasmus+Garant für Frieden, Freiheit und Chancengleichheit Gerade auch junge Auszubildende könnten so erle- ben, dass Europa einen gleichen Wertekanon habe. An die Bedeutung solcher europäischen Erfah- Susanne Eisenmann, Ministerin für Kultus, Jugendrungen für Frieden, Freiheit und Chancengleichheit und Sport des Landes Baden-Württemberg und Prä-knüpften auch zahlreiche Rednerinnen und Redner sidentin der Kultusministerkonferenz, hob die Vor-an. EU-Kommissar Tibor Navracsics erinnerte sich an züge von Erasmus+ für die Schulen hervor. In euro-seine Studentenzeit vor 30 Jahren, als Europa noch päischen Austauschprojekten könnten Schülerinnendurch den Eisernen Vorhang geteilt war: »Program- und Schüler nicht nur ihre Fremdsprachenkenntnisseme wie Erasmus wären mir damals wie ein Traum in der Praxis anwenden, sondern auch interkulturellevorgekommen.« Heute dagegen sei die Überwindung Kompetenzen erwerben: »Vorurteile abzubauen undvon Grenzen für junge Menschen selbstverständlich, die eigene Toleranz auszuweiten – das sind Themen,so der gebürtige Ungar. Die Bundesministerin für Bil- die gerade für Schülerinnen und Schüler von zentra-dung und Forschung, Johanna Wanka verwies auf die ler Bedeutung sind«, so die Präsidentin der Kultusmi-historische Bedeutung der europäischen Einigung. nisterkonferenz. Zugleich gehe es dabei auch darum,»Europa selbst ist eine große Leistung und Europa den Wert zu vermitteln, den Europa bedeute, undleistet Großes für Frieden und Freiheit.« Das Pro- Europa-Bildung als Querschnittsaufgabe für alle Fä-gramm Erasmus+ sei eines der »kleinen großen Din- cher zu erkennen.ge«, die Europa ausmachten. Lernaufenthalte im Aus-land blieben damit nicht nur wenigen vorbehalten.Von COMENIUS zu Erasmus+ Im Gespräch: Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka (li.), und die Präsidentin der Kultusminister-Ob SOKRATES oder Programm für lebenslanges Lernen: Seit konferenz, Susanne Eisenmann (re.).1995 hat die Europäische Union die Zusammenarbeit inallen Bereichen der Bildung gefördert. An Schulen richtetesich insbesondere das Programm COMENIUS. Seit 2014gehört es zu Erasmus+, das noch bis 2020 läuft. Vorläufer-programme für den europäischen Austausch von Schulen,Lehrkräften, Universitäten und Berufsbildungseinrich-tungen gab es aber bereits vor 30 Jahren. Zum Jubiläumunter dem Motto »Von Erasmus zu Erasmus+« hatten dasBundesministerium für Bildung und Forschung, das Bun-desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendsowie die Kultusministerkonferenz rund 500 Gäste ausallen Bildungsbereichen nach Berlin eingeladen.Weitere Informationen www.erasmusplus.de
etwinning »Der Reiz der internationalen Zusammenarbeit« Andrea Wolf knüpfte viele Kontakte und nimmt neue Projektideen für ihren Unterricht mit. Auch Gerd Jückstock hat der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus 40 Ländern motiviert, weitere Schulpartnerschaften im Netz zu knüpfen – Eindrücke von der eTwinning-Konferenz im Herbst 2016 in Athen. zusammengefasst von iris ollech Dr. Andrea Wolf> > TKeoilnnfeehremnezr2in01a6nindeArthen > 4UBs3cinshJtcauehhrlöerrfieilcnihchtAeehtnaauCnasdneirsi us- SilongeiucDtebhahDnedlIaeanenr,saesnbnwrdsDbrsndbeateteoGirtieteriiigufmiceduoaühI.mhidenrnImrsacbuededtabsheettniilvedeee.eihtodtnutneseanfe.retnüTbIZrceceT,wrehuehhVTwdusivewdibneaisrinneeeoinnmionnnltpuienArnnmiänapneiugiincdnegesnf-hrtcgnKbofseethrüaoböeurnuerrennntenbdcsmfwldhTeiiesGecwaiiirdihtcceenCniekhewmnnhtereneznaelieRnniKrmeLieneneerouignlizsunneenctadbbtedhzealeuetwsaakkrsefhuteiotsSicn:wnlccMhfnhdrheeeeeSiiütßinnprcelse-ahinrße--s SetoddTinusafwaIecönmcshnirhdsndeiutdndlneenzaiertnBwedvmzgeotaiSicoenbsrchnnphieaedsietübettlwTelirelecewitraehrn,,svriun.dedimSneniiLeieldieeeenLGhhzspgeerorerhkisloAgrlreefkräeilbnrtfläisitehescefiontrthneeeav,en,nwefdr:tkridde.beeEliauncegsshnnaSlaeodencnhnehVznn,eüpodtrrliSeaastscetrskihi,csi-nlhue-le gDueweannbrietSrueercLmnarhewfthüaihoerllaleengslrr.stimie.nnDnniitcaeemhsnneaiusuTctnnhwiddehinnrSLe.ncehWhinürgeelerlftrüsusireinnwuddincdhtheeetsruihsgttaeülbtdzimegniütauslsnedn aDUlmsDakmnosöaiV!ttnineetidenersmerlhteiamecmeuAhiiccnTetnhh.ieritBcenemihneglSiiu»furcdüInhnsvergoüsrtmeehrlKesnrieoetsreniunrcnlnfSaldeeetdsunraAterIld,rdcenebtheziheneezawiuintnäufumhfünSürnhtcdiretlhreimdecloehn?es«ie.nisnspPgePrräinrbomotjje,eikektrtt.austausch24 bildet
Erfahrungen 25 Gerd Jückstock > 64 Jahre >iSnUtanHdtaetmtreriibclushcrthgeutlaenBdaermr bek > KTeoinlnfeerhemnzer20a1n6dinerAthen IdnssuaiDctmcsmrefhhDaieümrgcieursWrntSarhkiunneeninoeseEntmiteüdntanniebizIehnncbcnrebneafeTahehhnmienfnneedwnbtaardshnwdeöduwenligeuiteuazngegniigeeicourrnbtnlcidmeeihtelldlihemcileaincsneteKhviehrmlednanhgeeeotuniin,lTe,eeleinekzPgmlmcrswTrueuönldeehevaawgrin.üimioTmstotisnüDehneipstrwepnnnabfresianernnäaoniiceeennennTg,igrahnicrsknw.mhnginnehtcbdwegiendhedefht,nimTüe,didneieifaglerdwrüri,.vbew-IeibdMmdrKzienieeneaeiuewonrlbiöiassneecn.kuisedguhinScofinnrelsnehceiemKgzsnchsrtiduhoeitaümmsjgsitnknuuoelaeeEuzütncuPvrairnshgetnirfskseiaaergcziteullmxnhheeeienenirebbsMgKrudwnteeeonennLifulgrenrl,,neeeh--dun- t zsmGusiUnDpseedfDndicersSaisnanhüt,SackcsDtsoeshetoi,hshspnericisnieeveWrIfdhcriesciceröuehciSKehheheikrchcztncomzndehsvhuLhtzuneieueseeZueüntnfbrtnrhnieeleiehgsireecLertcireusettheEäeriehhgectrncmrrrnnamehdnhiifrf,nsdzaciüedaeaceteFhenhrhnrirh,bTlnerütierdumateenweau.nbeec.trrInuneMckhienremuin.sshigesrntnD,ntKintbneitdzme,cudoasieinesndahnenslAwieiLilsgehetegeddegrnsnerrgbeehdaildgeleeTkieFratrinisuuhruiweliefnsütnnniürrnrpnTicoemzegbnraeeohnpnEieenunzziontä.tunsu,isiulleniitwsDrsnnvgäblogclziegidraepeehfukhuebgülaKeteeatn.ner,nossnibmiundcuclsePlvhtfhteenenaezeelnogtiaecr,rrnen-e-inhnnhern,.der,esdieFoto: Rawpixel.com/shutterstock.com Über die Konferenz KPdeoDrdeTaoznWieruwueejztuetfareeiKktwnMikbBsowttnctisinerndaehiwiwfutnnelnleewtanegeriaedrennn.dkntbnesd.gem1uttszEi.5.salhnIuPvt0,ktnatAogdrt-.m0o.pnmadDfIp0aidvinlneau2do0efsd6wonn.neoSe.rtmercbvfnmegiahiitres/SsuJa:nplait2lteeeerh8i7oonnha..r3ngOuem0fariuefk0nanenetdmdnoienebrmtere/ DsBmtLitüateäuruenränenrgedgTdidlenelweureLnnsrineTncneurthrnnneineanrieundnffdntndogi«e.nsdr-.AmmKÜbTWuoeeibMsneioiemlrdfrnortekeete5rdnstne0hhiongmp0so»izietpcDTeraihsernsilögiüeablAninnbuettleaeisiLhhcrVle4eeh-aho0nekrrne--n
PreisgekrönteOnline-Projekteaustausch26 bildet Foto: Marcus Gloger/PADDrei deutsche Schulen gehören mit ihren Projekten zu den Gewinnern der Europä-ischen eTwinning-Preise 2017. Zwei davon haben sich der Situation von Flüchtlin-gen gewidmet. Mit der höchsten Auszeichnung bei eTwinning wird beispielhafteZusammenarbeit zwischen Partnerschulen in Europa gewürdigt.von antje schmidt, pad nisationen. Besonders aufschlussreich war der direkte Kontakt mit Geflüchteten. Schülerinnen und SchülerI n der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen er- aus Deutschland und Norwegen sprachen mit Men- hielt das Projekt »Migrants and Refugees« schen, die ihre Heimat in Somalia, Eritrea oder Syrien den ersten Preis. Christian Fischer von der verlassen hatten, und befragten sie beispielsweise Schillerschule in Hannover (Niedersachsen) nach den Gründen ihrer Flucht und wie sie sich in der freute sich gemeinsam mit seinen Schüle- neuen Heimat fühlen. Aus der Vielzahl an Informati-rinnen und Schülern sowie den Projektpartnern in onen stellten die Schülerinnen und Schüler anschlie-Frankreich, den Niederlanden und Norwegen über die ßend ein gemeinsames Online-Magazin zusammen.europäische Auszeichnung. Zuvor hatte sein Projekt Das Projekt, so Englischlehrer Christian Fischer, habebereits den Deutschen eTwinning-Preis erhalten. Die nicht nur die Augen der Beteiligten in europäischerJugendlichen haben sich vielseitig mit den Themen Hinsicht geöffnet, sondern zugleich »geholfen, Ge-Flucht und Migration auseinandergesetzt und dabei flüchtete in unserer eigenen Gemeinde wahrzuneh-die Online-Plattform von eTwinning für den Aus- men« und »mehr darüber zu erfahren, wer ›diesetausch ihrer Ergebnisse in englischer Sprache genutzt. Flüchtlinge‹ eigentlich sind«.Neben Recherchen zu Fakten und Hintergründen überFluchtursachen, Herkunftsländer und Zielstaaten nä- Auseinandersetzung mit Flucht und Migrationherten sie sich dem Thema auch literarisch – durchselbst verfasste Rezensionen zu einem Jugendroman Neben der Auszeichnung für die Hannoveranerüber zwei nigerianische Kinder, die in London Asyl su- Schule in einer der Alterskategorien können sich zweichen. Außerdem führten die Jugendlichen Interviews weitere Projekte mit deutscher Beteiligung über Prei-mit freiwilligen Helfern und Vertretern von Hilfsorga-
Erfahrungen 27> Erfolgreich auf europäischem Parkett: Zwei der insge- samt zehn Schulen, die im Februar auf der DIDACTA den Deutschen eTwinning-Preis erhalten haben, konnten sich über europäische Preise freuen. Das Bild zeigt alle Ausgezeichneten gemeinsam mit dem Staatssekretär im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, Volker Schebesta MdL. se in den Spezialkategorien freuen. Den »Mediterra- Altersstruktur der Schülerinnen und Schüler der teil- nen Preis« erhält das Projekt »Does the earth have bor- nehmenden Klassen: Die Lernenden der Sekundarstu- ders? Migration and Human Rights«. Auch hier liegt fe I der Schulen in Deutschland, Frankreich und Italien der Fokus auf Themen wie Flucht, Menschenrechten schrieben gemeinsam Märchen auf Spanisch, die an- und Solidarität gegenüber Geflüchteten. Gemeinsam schließend spanische Grundschulkinder illustriert ha- mit Schulen aus Griechenland, Italien, Polen, Tunesien ben. Daraus entstand ein digitales Märchenbuch. Wie und der Türkei hat Sabine Burkhardt von der Hebbel- sich zeigt, können auf diese Weise auch Kinder mit un- schule in Kiel (Schleswig-Holstein) das Projekt umge- terschiedlichen Voraussetzungen erfolgreich in einem setzt. »Was würdest du mitnehmen, wenn du fliehen eTwinning-Projekt miteinander arbeiten. musst?« war eine der vielen Fragen, mit denen sich die 14- bis 18-jährigen Jugendlichen beschäftigt haben. Spielerisch Deutsch lernen Ausgehend von historischen, philosophischen und li- terarischen Zugängen betrachteten sie die gegenwär- Die Nationale Koordinierungsstelle im PAD hatte in tige Situation der Flüchtlinge und nahmen auch die dieser Runde den Deutschen Sprachpreis ausgelobt. Er mediale Berichterstattung genauer unter die Lupe. Im ging an das Projekt »Spielend Neues Lernen«. Rund 150 Projektverlauf bearbeiteten die Jugendlichen in multi- Schülerinnen und Schüler aus fünf europäischen Län- nationalen Teams verschiedene Themen wie beispiels- dern haben hierbei sich und ihre Heimat vorgestellt weise die Situation in Syrien vor dem Bürgerkrieg oder und füreinander interaktive Onlinespiele entwickelt. auf welche Weise Länder, Organisationen oder Bür- Abernicht nurdas.DurchdenAustauschvonSpielideen gerinnen und Bürger zur Flüchtlingshilfe beitragen. konnten sie auch Grammatik anwenden und neu er- In Foren kommentierten sie die Beiträge der anderen lerntes Vokabular einsetzen – und gleichsam spiele- und setzten sich dabei auch mit kritischen Haltungen risch ihre Fremdsprachenkenntnisse zur deutschen gegenüber Flüchtlingen auseinander. Durch persönli- Sprache verbessern. che Gespräche mit Geflüchteten erfuhren die Jugend- lichen mehr über deren Schwierigkeiten während der Die eTwinning-Preise Flucht. Die Kieler Schülerinnen und Schüler besuchten zudem eine interaktive Ausstellung, bei der sie sich Der Europäische eTwinning-Preis wird jedes Jahr in die Situation von Menschen auf ihrem Fluchtweg verliehen und ist verbunden mit Sachpreisen sowie versetzen konnten, und schilderten anschließend den einer Plakette für die Schule. 2017 hatten sich insge- Partnerklassen ihre Eindrücke auf der Projektwebsi- samt 591 Projekte beworben, 14 von ihnen gehören zu te. Das Projekt war für alle Beteiligten eine intensive den Preisträgern. Die Lehrkräfte werden zur Europä- Erfahrung. Rückblickend sagt Sabine Burkhardt: »Ich ischen eTwinning-Konferenz eingeladen (siehe Seite bin sehr begeistert! Es war das erste Mal, dass ich 24) und können ihr Gewinnerprojekt einem interna- eTwinning im Unterricht genutzt habe, und ich werde tionalen Publikum vorstellen. Mit dem Deutschen es auf jeden Fall weiterführen.« eTwinning-Preis würdigt die Nationale Koordinie- rungsstelle einmal jährlich Schulpartnerschaften, die Das Projekt »Cuéntame un cuento en español« sich durch eine intensive Online-Kooperation mit eu- überzeugte die Jury des Spanischen Sprachpreises. ropäischen Partnerklassen, kreativen Medieneinsatz Alicia Ellenberger von der Georg-Büchner-Schule in sowie pädagogisch innovative Unterrichtskonzepte Rodgau (Hessen) hat es in Zusammenarbeit mit Kol- auszeichnen. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen leginnen aus Italien, Spanien und Frankreich durch- der Bildungsmesse DIDACTA. geführt. Das Besondere ist die unterschiedliche
schulpartnerschaften mit mittel- und osteuropaaustausch28 bildet Foto: REHvolution.de/photocase.com Wenn Fiktionauf Realität trifft Wie ergeht es Menschen, wenn sie selbst Migranten sind und als Minderheit in einem anderen Land leben? Welche Konflikte können sich daraus zwischen den gemeinschaftlichen Werten und der eigenen Identität ergeben? In dem deutsch-rumänischen Austauschprojekt »Fiktion trifft Realität« gingen Schüler/-innen diesen Fragen nach – und unterzogen das Jugendbuch »Zusammen allein« einem Realitätscheck.von ralf slot, gymnasium karlsbad Die Lesearbeit zu dem Buch bereiteten die Schüler/ -innen beider Schulen anhand von VideoprojektenV erlassen,ohnmächtig und enttäuscht und einer gemeinsamen Unterrichtsstunde per Skype – so fühlt sich die 16-jährige Agnes im vor. Anschließend bearbeiteten beide Gruppen den Ro- Rumänien der 1980er-Jahre, nach- man unter literaturwissenschaftlichen Gesichtspunk- dem ihre Eltern sich in den Westen ten. Dabei half ein Lesetagebuch, das die Schüler/-in- abgesetzt haben. Von heute auf nen im TwinSpace von eTwinning führten, vor allemmorgen steht die Protagonistin des Jugendromans aber die Befragung der Autorin, die zu einer Lesung»Zusammen allein« von Karin Bruder allein da. Selbst nach Karlsbad kam. Die Erkenntnisse wurden danndie begehrten Westjeans und die Zusicherung ihrer mit einer eigenen sozialwissenschaftlichen StudieEltern, sie bald nachzuholen, können daran nichts än- abgeglichen und abschließend bei den Begegnungendern. Die bedrückende Geschichte bot die Vorlage für in Cluj-Napoca und Karlsbad einem abermaligen Rea-ein Austauschprojekt des Gymnasiums Karlsbad und litätsvergleich unterworfen. Hier traf die Fiktion end-des Colegiul National »George Cosbuc« im rumäni- gültig auf die Realität.schen Cluj-Napoca. Schülerinnen und Schüler beiderSchulen sollten dabei erforschen, wie Jugendliche Thema im Fach Gemeinschaftskundeeinen Wertekonflikt zwischen eigener Identität undgesellschaftlichem Umfeld erleben. Die fiktive Ge- Im Fach Gemeinschaftskunde ließ sich das Projektschichte wurde dabei einem eingehenden Realitäts- ins Themengebiet »Migration« integrieren. Über mehr-check unterzogen.
Erfahrungen 29ere Wochen hinweg arbeiteten die beteiligten Klassen »Gute Bedingungenan der damit verbundenen Leitfrage »Nebeneinander, für den Austausch«Miteinander oder Gegeneinander?«. Immer wiedergriffen sie exemplarisch Erkenntnisse aus der Lesear- Ralf Slot unterrichtet Englisch, Geschichte,beit und aus den Beiträgen auf eTwinning auf. Mehrere Ethik und Gemeinschaftskunde am Gym-Stunden wurden zudem zur Auswertung der Projekt- nasium Karlsbad. Seit 2015 koordiniertaufgaben aus dem Lesetagebuch und der Schreibwerk- und begleitet er den Austausch mit derstatt sowie Umfrageergebnisse herangezogen. Partnerschule in Cluj-Napoca. Im Vorfeld der Lesearbeit und zur Vorbereitung Herr Slot, was macht den Reiz einer Schulpartner-der Projektarbeit hatten sich die Schüler/-innen zu- schaft mit Rumänien aus?nächst mit der Frage nach der eigenen Identität undden eigenen Werten befasst. In Videocollagen stell- Das Land hat unseres Erachtens auf Grund seinesten sie sich, ihre Familie und Dinge ihres Umfelds, die wirtschaftlichen Potentials und seiner geographi-ihnen wichtig sind, filmisch vor. Die Videocollagen schen Lage eine große Bedeutung für die Zukunftwurden der Partnerschule übermittelt und im Un- Europas. Es wird aber viel zu wenig und oft klischee-terricht besprochen. Dabei erkannten die Schüler/ haft wahrgenommen. Wir betrachten den Aus--innen schnell Gemeinsamkeiten, aber auch Unter- tausch deshalb auch als Beitrag zur politischen undschiede. In Erinnerung blieben den Karlsbadern etwa kulturellen Begegnung.die Bedeutung sportlicher Höchstleistungen und der Wie lässt sich Sie die Partnerschule charakterisieren?damit verbundene Trainingsaufwand in Rumänien.Ein Blick also in die Realität vor Ort. Das Colegiul National »George Cosbuc« ist eine deutschsprachige Schule in Cluj-Napoca, die rund In der folgenden Skype-Konferenz wurden sol- 1.700 Schülerinnen und Schüler besuchen. In jederche Fragen wieder aufgegriffen und besprochen. Per Klassenstufe gibt es zwei muttersprachige und zweiWebcam und Beamer wurden beide Klassenzimmer fremdsprachige Klassen, die das »Deutsche Sprach-vernetzt und in Großformat auf die Wand projiziert, diplom« und das Abitur anstreben. Das Kollegiumso dass der Eindruck eines gemeinsamen Klassen- ist an einer nachhaltigen Bildungsarbeit interes-raums entstand. Die Schüler/-innen beider Gruppen siert. Die Schule zeichnet sich zudem durch einesprachen über ihre Lebenswirklichkeit und hatten so engagierte Elternschaft aus. Für einen Austauschmanch kleine Überraschung aus ihrem Lebensalltag bestehen somit sehr gute Bedingungen.dabei. Die Verwendung eines professionellen Mikro- Warum haben Sie das Buch »Zusammen allein« fürfons und ein Testlauf vorab haben sich dabei bewährt. die Projektarbeit ausgewählt?Rollenspiele auf Rumänisch Der Roman von Karin Bruder spielt in den 1980er- Jahren in Rumänien, der Heimat der Siebenbürger Mit hoher Motivation machten sich die Schü- > Sachsen. In der Geschichte setzen sich die Eltern derler/-innen auch daran, Videos mit kurzen Rollen- 16-jährigen Agnes in den Westen ab und lassen ihrespielen auf Rumänisch zu erstellen. Anhand eines Tochter bei der Großmutter zurück. Agnes sieht sichSprachführers lernten sie dazu etwas Rumänisch daraufhin der ganzen Härte des damaligen Regimesund spielten alltägliche Situationen, die sie mit ei- ausgesetzt, kämpft aber für sich und ihre Werte. Dasner Videokamera aufnahmen. Der Perspektivwechsel sind Themen, mit denen auch heute Gleichaltrigeermöglichte es ihnen, in die Lebenswelt von Agnes sich beschäftigen.einzutauchen – und bereitete sie gleichzeitig aufden Besuch in Rumänien vor. Die Ergebnisse ihrer
Erfahrungen Per Skype-Konferenz Eltern einbeziehen schalteten sich die Klassenzimmer zusammen. Für den Erfolg des immerhin sieben Monate dau- ernden Projekts waren nicht nur ein verbindlicher Lesearbeit diskutierten und kommentierten die Zeitplan sowie eine Projektskizze hilfreich. Um die Be- Schüler/-innen im TwinSpace von eTwinning, wo sie gegnungen in Karlsbad und Cluj-Napoca vorzuberei- ein Lesetagebuch mit Fragen zu den Protagonisten, ten, wurden auch die Familien der beteiligten Schüler/ ihrem Handeln, ihren Werten und Idealen, aber auch -innen rechtzeitig einbezogen. Auf Elternabenden er- zum gesellschaftlichen Umfeld und zur geschichtli- fuhren sie mehr über Land, Region und Stadt sowie chen Dimension bearbeiteten. Anhand einer Recher- über die Partnerschule, um sich ein genaueres Bild chearbeit wurde sodann der Fiktion die Realität ent- machen zu können. Neben Fragen um die allgemeine gegengestellt. Sicherheit vor Ort wurden zum Beispiel auch Anreise, Unterbringung, Aufsichtspflicht, Verständigung und Die Erkenntnisse und Eindrücke aus der fikti- Familienregeln besprochen. Durch die Videos der ru- ven Geschichte um Agnes und ihre Erfahrungen als mänischen Gastschüler/-innen konnten sich die Karls- Deutsche in Rumänien unterzogen die Kinder an- bader Eltern schon vorab auf ihre Besucher/-innen schließend mittels einer Umfrage unter Rumänien- einstellen. Steckbriefe halfen, Partner mit ähnlichen deutschen einem Realitätscheck. Besonders ein- Interessen und Vorlieben zu finden und mögliche drucksvoll waren dabei die Erinnerungen an Mangel Probleme wie beispielsweise Allergien zu vermeiden. und Unterdrückung, die immer wieder lebhaft ge- Der fortlaufende Kontakt der Gastschüler/-innen schildert wurden. Höhepunkt der Projektarbeit war untereinander – auch über WhatsApp oder Skype – zweifelsohne die Lesung mit Karin Bruder an der Karls- förderte das Kennenlernen und eine reibungslose bader Schule. Die rumänische Schülergruppe schal- Integration in den Familienalltag. Die guten Deutsch- tete sich dazu erneut über eine Skype-Konferenz mit kenntnisse der rumänischen Schüler/-innen halfen, dem deutschen Klassenzimmer zusammen. Beide Wünsche und Anliegen vorzubringen und sich in das Gruppen stellten der Autorin abwechselnd Fragen Familienleben einzubringen. zu ihrer Biografie sowie zur Protagonistin des Buches und fanden so heraus, wie viel Persönliches in der fik- tiven Agnes steckt.austausch30 bildet Kam zu einer Lesung nach Karlsbad: Programm Karin Bruder, Autorin des Jugendromans Schulpartnerschaften mit »Zusammen allein«. Mittel- und Osteuropa Projekttitel Fiktion trifft Realität Partnerschulen Gymnasium Karlsbad (Baden-Württemberg) Colegiul National »George Cosbuc«, Cluj-Napoca (Rumänien) Förderung 2.811 € Kontakt Ralf Slot [email protected]
31Foto: Gabriel Luetkehoelter Deutsch-britische Hospitationen »Die Selbstständigkeit der Schüler ist beeindruckend« Zwei Studentinnen der Universität Reading lernten im Juni 2016 an der Gesamtschule Aspe in Bad Salzuflen den dortigen Schulalltag kennen. Inspiriert hatte sie ein Vortrag von Cornelia Scherer, die zuvor in Woodcote hospitiert hatte. & LyLdyidaiaBCurrannhgamsÜDnWdbtaoGmeeessomrsaarcHsiksmHtmhputoiresonhesacmnspndrhcpeidilhutithniecaltldaeehnatGswr.etuiFtEeoSVs,aUGrbiUrneuouedotnoRseitIenierAzwdebnrtnnnrmuiemsermmDgdusstlopsieesirdeDeneaRacteeeneppiemröwndrivUdchudTbmioandsrrmgaeWgehseeieieeshiguetnisnlwecpneitdrireisiGenrralchsvtgincsgnnrrgniaitroehsGlhse2naeLcetahaLbmeiButscrelhv0tsuczrs»nenohlLsrthaoauhohrntfteuUl1miiiedamgneeügeKtc0msßdraedlarbiKneeengheb,orsdEnnbbzenegSa-rFctd,nbentüunerereeGoiLshdä.naeEeniseentigbirnnIecbteh-wignlanmntnonnedladhzlhadrFdeieikwregsdmsueniegtucrüre>bsilJetd>ctlFmäbelehreafknHi.iinlhntueraaradclmseRDegStreh2ieS-iodhkncnGwecufneenClditLeaA2crnadhittnhsenndneuocaeChnesiaeaoshvsp,tshhue.esrcusop»uunPpodrF,codarinSrhannedinntbhDrrnrcclueknsemieigeaaoamnhteehndetrinniafldnisegchtnniCänwoneibnasrsgihctiEfgrntrzfcortmosi2isöahiateeowBcinteöteSedtsncre4nzmbrhincnicraersdanothinedunaAhbheuveeiandlsnmemJedis,erublueueisnpntini.eazdc«lereihSrslnnuUfirwtmdlUnhteLeuwhandnbaidraedn.eir,neaeo,rneeluvac,urieeSSzsrirrrtuhnaaswlnietrurtlindeceulbpdRcencfnel..nhihiGrdidefhahuAbülgrcn.sdlegaeridntgWheoeeeeclldGdesiesbrLkmeecnilif,snd-mrehlseielSeMfkheiareeancrüirirerertsnietnms,UnehndWuihuhhtdtsnrUi-a,ezvVnrtrndateee-L-teeoltsoinbi.atrid.vSuigcrnerteItdiecehamm,eaeenvnhrinuunild«senlsuusleiaret-lnmksäe-sittätwnahD-weuuiuasDrhanaswcnltnosiatsfäatuhedWndeDhecadaäntsnnfüeWlhnlaturdabGilCr>kdedleereeLbesessWuiohehSeneeSnnmrGcetrenZhnscnnemrrnsah,ehnswitunhaeddtmöLnrUneaalFwgäebeeüwscarisztnlldubnrninarrutaeheilsuae.niHneegeneisrdnsnrrtvFmruwrcfnndebesenmiveüdiolanhgwwbnn«nüieiairagrtiurescteoi-snenruinisltaesSduhplfcrriosnifLecteLücrntdhsentäbsbeiäMrneu(hhlesrznettlbisvNeretmrtecniuauunneuionnbusiiohKanntgdnorntetnrileetbTrutoetPseseeidtnzaZsrendhatcontreadneuzdeguiIäeodchAesnrmsStnuarnenhkrlseebakeasecdlbbksnpuhbiiohtdpnktldhansrüpeeAeeerntamiruueitüaiggmsnnrterreir.fzilicielsebc,entsfmcenuagkJchhtirdeebhmtumrrtrntihe-elreigrbteegietWgGvuüanineneieerrtrBetomecnlnerhsi.ieAnAdnnhdbentIaisdanrviewdesnreestastiddlbnupn.rttnltmnmeeeieEeheefnncAnnuezrrianiha.tdsneuuLgttUFsSi,felzneemiflacvtrPeelnienshnaeshiolulrannnisbscsri.o»Ecunhrnp,shL)shDnibbLluesedeetdeeetegeatsimnrh.enrtniAltsrant.irnäsfos-esDSeuziütencpnnncruefahrndihegsalnudl-geiuleeg-nalu-lnnkesd-enit
weiterbildungsprogramm Frühstückspause, Haus- schuhe und Projektarbeit Auf den ersten Blick haben die beiden Frauen wenig gemeinsam, die bei der Alumni-Tagung des Weiterbildungsprogramms aufeinandertreffen. Die eine ist Südamerikanerin, Osteuropäerin die andere. Was sie verbindet, kommt ans Licht, sobald die beiden ein Klassenzimmer betreten.austausch32 bildet von barbara beyer, pad Schülerinnen und Schülern im Unterricht ein Stück authentisches Deutschland. Damit ihnen das noch I m chilenischen Valparaíso ist das Wetter besser gelingt, haben sie vor einigen Jahren am ganzjährig mild. Palmen an der Strand- Weiterbildungsprogramm des PAD teilgenommen. promenade sorgen für eine südländische Atmosphäre. Europäer assoziieren das Brotdose auspacken und Pause einlegen Flair oft mit sommerlichen Urlaubsge- fühlen. Nicht von ungefähr trägt die Stadt den Ein Jahr lang haben sie an einer Schule hospi- Namen »Tal des Paradieses«. Hier wohnt Bettina tiert, die Unterrichtskultur hierzulande erlebt und Andrea Cabello Soro. Im ukrainischen Lwiw hinge- ihr Repertoire an didaktischen und methodischen gen ist der Winter lang und kalt. Es fällt viel Schnee. Kenntnissen erweitert. Seither ziehen die chileni- Prachtgebäude aus vergangenen Zeiten prägen schen Grundschüler/-innen von Bettina Andrea das Stadtbild. Wer hier durch die Straßen geht, Cabello Soro nach dem Vorbild deutscher Grund- spürt die geschichtsträchtige Vergangenheit der schulen im Klassenzimmer Hausschuhe an und ehemals zur Habsburgermonarchie gehörenden machen jeden Morgen eine Frühstückspause. Beide Stadt. In Lwiw ist Oksana Shumylo aufgewachsen. Rituale hat die 30-jährige Chilenin an der Schule Vollmarshausen (Hessen) kennengelernt. Seither Würden beide Frauen in die Heimat der jeweils heißt es jeden Morgen in Valparaíso: Brotdose aus- anderen umziehen, sie müssten sich arg umge- packen – Pause machen! Auch in der Ukraine zeigt wöhnen in ihrer Lebensführung – bis auf eine Aus- der Blick ins Klassenzimmer ein für die dortige Un- nahme. Bettina Andrea Cabello Soro und Oksana terrichtskultur ungewöhnliches Bild: Die Schüler/ Shumylo wären problemlos in der Lage, von jetzt -innen arbeiten, je nach Interessen und Kenntnis- auf gleich ihre Arbeitsplätze zu tauschen. Denn so- sen, selbstständig an unterschiedlichen Projekten. bald die beiden Lehrerinnen für Deutsch als Fremd- Die Lehrerin ist beratend zwischen den Tischen un- sprache ihre Klassenräume betreten, tauchen sie terwegs. Mal hilft sie beim Wortschatz, mal erklärt mit den Kindern ein in die deutsche Sprache und sie eine grammatische Struktur, hin und wieder gibt Kultur. Beide sprechen in ihren Klassenräumen mit sie Tipps, die die Entwicklung der Projekte betref- den Schülerinnen und Schülern so viel Deutsch, dass fen. Die ukrainischen Schüler/-innen von Oksana ihre Muttersprache kaum ins Gewicht fällt. Und mehr noch: Beide Lehrerinnen präsentieren ihren
Erfahrungen 33Shumylo sind inzwischen Profis in freier Projektar- liches Gymnasium im damaligen Lemberg gegrün-beit, eine Unterrichtsform, die die Lehrerin an ihrer det wurde. Heute ist es ein ukrainisches Gymna-Gastschule in Heidelberg schätzen gelernt hat. Mit sium mit erweitertem Deutschprofil. Auch hiergroßer Selbstverständlichkeit sprechen die Schüler/ gibt es kaum deutsche muttersprachliche Kinder.-innen auch untereinander Deutsch. Die Weiter-entwicklung des Unterrichtsstils der 28-Jährigen ist Ein anderer Grund für die moderne Ausrichtungnicht nur zu sehen, sondern auch akustisch wahrzu- des fremdsprachlichen Unterrichts der beiden Lehre-nehmen: Der Sprechanteil der ukrainischen Schüler/ rinnen liegt in den Erfahrungen begründet, die beide-innen im Deutschunterricht war bereits vor dem während ihrer Weiterbildung an Schulen in Deutsch-Auslandsjahr der Lehrerin mit einem geschätzten land gemacht haben. Hier haben sie neue MethodenAnteil von 50 Prozent hoch. Schon damals legte die kennengelernt und erlebt, wie sich verschiedeneambitionierte Lehrerin großen Wert auf die sprach- Sozialformen gewinnbringend im Unterricht ein-liche Handlungskompetenz. Heute kennt Oksana setzen lassen. Sie haben individuelle Förderung imShumylo weitere Tricks, um die Jugendlichen durch Unterricht beobachtet und selbst ausprobiert so-aktuelle Themen zum Sprechen der Fremdsprache zu wie während der Weiterbildung ein mehrwöchigesbringen. »Inzwischen liegt der Sprechanteil bei etwa Projekt durchgeführt und die Ergebnisse evaluiert.80 Prozent«, sagt sie. »In Deutschland habe ich ge-lernt, dass man auf die kommunikative Kompetenz Damit sie ihre Arbeit im internationalen Vergleichder Lernenden sehr viel Wert legen sollte. Außerdem kritisch prüfen können, hat der PAD sie im Oktoberberücksichtige ich in meinem Unterricht auch die 2016 mit weiteren Alumni zu einemTreffen nach Bonnindividuelle Förderung und das Prinzip der Lerner- eingeladen. Hier trafen sich erfahrene Deutschlehre-autonomie. In Heidelberg überzeugte mich, dass die rinnen wie Bettina Andrea Cabello Soro und OksanaSchülerinnen und Schüler selbstständig arbeiten.« Shumylo mit Kolleginnen und Kollegen, die an Schu- len auf der ganzen Welt die deutsche Sprache lehren.Neue Wege im Unterricht Sie berichteten von ihrem Unterricht, diskutierten ihre Methoden – und nahmen nochmals neue Im- Beide Lehrerinnen gehen seit ihrer Weiterbil- pulse für ihren eigenen Unterricht in ihre Heimat-dung in Deutschland mit der Beachtung moderner länder mit. »Ich möchte mich nicht ausruhen, son-Prinzipien des Fremdsprachenlernens, wie sie auch dern immer auf dem aktuellen Stand bleiben«, sagtim »Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen Oksana Shumylo. Für sie und für ihre Schüler/-innenfür Sprachen« festgehalten sind, in ihrem Unter- haben sich die neuen Eindrücke jetzt schon gelohnt.richt neue Wege. Oft sind die Stunden in anderenFächern geprägt von Frontalunterricht, Auswen- Kamen als Alumni des Weiterbildungsprogrammsdiglernen und dem Bedürfnis, möglichst keine Feh- erneut nach Bonn: Bettina Andrea Cabello Soro (li) ausler zu machen. Dass Bettina Andrea Cabello Soround Oksana Shumylo einen anderen Stil wagen, Chile und Oksana Shumylo (re.) aus der Ukraine.liegt an ihren Schulformen. Beide sind Lehrerinnenan Bildungseinrichtungen, die einen besonderenSchwerpunkt auf Deutsch als Fremdsprache le-gen. Bettina Andrea Cabello Soro unterrichtet aneiner Deutschen Auslandsschule. Von den etwa 30Deutschlehrkräften sind rund zehn Muttersprach-ler. Deutsch wird bereits im Kindergarten der Schulegesprochen und anschließend kontinuierlich unter-richtet. Die überwiegend nicht muttersprachlichenSchüler/-innen benutzen auch in anderen Fächerndie deutsche Sprache. Oksana Shumylo ist an einerSchule, die vor fast 200 Jahren als Kaiserlich-König-
internationales preisträgerprogramm Hoch hinauf Ein gestauchter Ellbogen, ein aufgeschürftes Knie oder eine unangenehme Magenverstimmung – gerade im Urlaub mag sich keiner damit herumärgern. Wen es ausgerechnet im norwegischen Trondheim trifft, dem verschreibt Vigdis Holom nicht nur die notwendigen Medikamente. Medizinische Befunde kann die Ärztin perfekt auch auf Deutsch mitteilen.austausch34 bildet von martin finkenberger, pad Vigdis Holom unterwegs in den Alpen. A n diesen Patienten erinnert sich chen. »Die Menschen sind dafür sehr dankbar«, sagt Vigdis Holom heute noch: Mit aku- Vigdis Holom. Dass sie die Sprache perfekt beherrscht ten Herzbeschwerden wurde er in und selbst medizinische Befunde erläutern kann, ver- Hammerfest in die Klinik, wo sie dankt sie zwei Studiensemestern an der Universität seinerzeit als junge Ärztin prakti- Erlangen und mehreren Praktika in deutschen Kran- zierte, eingeliefert. Schnelle medizinische Versor- kenhäusern. Einen wichtigen Grundstein dazu legte gung half, sein Leben zu retten. Gleichwohl schien aber auch das Internationale Preisträgerprogramm es angebracht, möglichst schnell einen Transport des PAD, an dem sie im Jahr 2000 teilgenommen hat. zurück nach Deutschland vorzubereiten. »Das war Ihre Deutschlehrerin in Oslo hatte sie seinerzeit auf ei- eine der Situationen, in denen es besonders nützlich nen Aufsatzwettbewerb aufmerksam gemacht. »Wie war, Deutsch sprechen zu können«, sagt die 34-Jäh- wäre es,wenn ich in einer deutschen Gastfamilie leben rige. Denn abgesehen von der ernsthaften Erkran- würde?« lautete die Frage, die es zu beantworten galt. kung gestaltete sich auch die Rückreise schwierig. Weil Hammerfest nur über eine kleine Landebahn Wie »es« dann ist, mit anderen Deutschlernenden verfügt, dauerte es mehrere Tage, bis ein für solche die Schule zu besuchen und bei gleichaltrigen Gastge- Notfälle ausgestattetes Flugzeug landen konnte. schwistern in einer Familie zu leben, erfuhr Vigdis Ho- Als eine Krankenschwester auf die Frage der Ange- lom während des vierwöchigen Sprachstipendiums in hörigen nach dem mutmaßlichen Termin irrtümlich Andernach. »Das Gute dabei war, dass in der Gruppe »gestern« und »morgen« verwechselte, gerieten alle Deutsch geredet haben und dass wir Deutsch von diese in Unruhe, glaubten sie doch, das Flugzeug Muttersprachlern gehört haben«, sagt sie im Rück- sei bereits ohne sie gestartet. »Ich habe die Familie blick. Ein unerwartetes Erfolgserlebnis verschaffte ihr des Patienten aber beruhigen können«, sagt Vigdis der Mathematikunterricht,wo sie – zur Freude des Leh- Holom, die das Missverständnis aufklären konnte. rers – an der Tafel Aufgaben vorrechnen und erklären konnte. Abstecher führten die Gruppe unter anderem Dramatische Fälle wie dieser kommen glücklicher- nach Leverkusen, wo die Preisträgerinnen und Preis- weise nur selten vor. Doch egal, welche Beschwernisse träger ein Bundesligaspiel verfolgen konnten. Seit- Touristen in die Notfallaufnahme führen – alle freuen dem ist ihr der Name Ulf Kirsten geläufig, der gegen sich, wenn die Ärzte dort ihre Muttersprache spre- Wolfsburg zwei seiner 181 Tore als Fußballprofi schoss.
Erfahrungen 35Foto: Martin Eckstein Die vier Evangelisten Zur Person Dr. Vigdis Holom, Jahrgang 1982, arbeitet seit mehr Nach Deutschland ist sie seitdem immer wieder als zehn Jahren als Ärztin in ihrer Heimat Norwegen. gekommen, unter anderem mit einem Jahresstipen- Promoviert wurde sie an der Universität Erlangen. 2000 dium des DAAD für das Medizinstudium in Erlangen. nahm sie am Internationalen Preisträgerprogramm Hier hat sie später zudem erfolgreich promoviert. des PAD teil. »Dass ich teilnehmen durfte, dafür bin ich In der fränkischen Universitätsstadt lernte sie al- heute noch dankbar«, sagt sie. lerdings auch eine der Tücken deutscher Behörden- formulare kennen. Auf dem Einwohnermeldeamt Polarlichter im Winter – das steil aus dem Eismeer trug sie bei der Frage zur Religionszugehörigkeit emporragende Schieferplateau mit seinen überwäl- zunächst »Christentum« ein. Der zuständige Be- tigenden Naturschauspielen übte schon immer eine amte zeigte sich damit allerdings nicht zufrieden besondere Magie aus. und fragte nach der Konfession. »Ich war sehr stolz darauf, dass ich dieses schwierige Wort kannte, und Hoch hinauf habe daraufhin laut und deutlich geantwortet, ich sei Evangelist«. Die Reaktion des Beamten fiel un- Von der vermeintlich schweren Grammatik dürfe erwartet aus. Mit dem Hinweis, dass vier Evangelis- man sich jedenfalls nicht abschrecken lassen, zumal ten namens Matthäus, Markus, Lukas und Johannes es durch das Internet leicht möglich sei, an authenti- über das Leben Jesu berichteten, eine Evangelistin sche Texte zu gelangen. Ihr Tipp für junge Deutsch- in der Kirchengeschichte bislang aber nicht be- lernende ist der Krimiklassiker »Derrick«, von dem kannt sei, klärte er sie über einen kleinen, aber be- zahlreiche Episoden heute noch auf YouTube ange- deutsamen Unterschied auf, den wenige Buchsta- schaut werden können. Damit ihre eigenen Sprach- ben nach sich ziehen können. Am Schluss konnten kenntnisse nicht einrosten, will sie selbst weiterhin beide herzhaft darüber lachen. Und den Spaß an deutschsprachige Länder erkunden. Als begeisterte der Sprache hat ihr das gewiss nicht genommen. Bergsteigerin zieht es sie immer wieder in die Al- pen. »Das ist meine Leidenschaft«, schwärmt sie Denn Gründe für das Deutschlernen fallen Vigdis von ihrem Hobby. Natürlich war sie mit der Preisträ- Holom zahlreiche ein. Sie verweist darauf, dass rund gergruppe auf der Zugspitze. Seitdem ging es noch 100 Millionen Menschen Deutsch als Muttersprache höher hinauf: Elf Dreitausender und einen Viertau- beherrschen und weltweit mehr als 50 Millionen sender hat sie in den Alpen bereits bestiegen. Vor an- Menschen Deutsch als Fremdsprache gelernt ha- spruchsvollen Gletschertouren scheut sie dabei nicht ben. Deutschland sei zudem ein wichtiger Handels- zurück. Seit einer Tour 2004 ist sie zudem Mitglied partner für norwegische Unternehmen, etwa im im Deutschen Alpenverein, dessen Angebote sie ger- Energiesektor oder in der chemischen Industrie. Viele ne nutzt. Zum Jahreswechsel 2009/10 etwa machte von ihnen wünschten sich deshalb Mitarbeiterinnen sie sich mit einer Gruppe zum Trekking nach Ne- und Mitarbeiter auch mit passablen Deutschkennt- pal auf. Unter den zehn Teilnehmenden war sie die nissen. »Verhandlungen lassen sich leichter führen, einzige Nichtmuttersprachlerin, verstand sich aber wenn man die Sprache seines Partners spricht«, sagt prächtig mit den anderen Alpinisten. »Weihnach- Vigdis Holom. Gerade bei Geschäftsessen, bei denen ten haben wir gemeinsam auf 4.600 Metern Höhe viele Norweger schnell in das ihnen vertrautere »Du« gefeiert«, erinnert sie sich an die besondere Atmo- wechseln, lerne man umso mehr über die Kultur ei- sphäre im Himalaya. Ganz so hoch hinauf geht es in nes Landes, wenn man nicht auf einen Dolmetscher den österreichischen Alpen zwar nicht. Genug Gipfel angewiesen sei. Hinzu kommen die vielen Touristen. gibt es dort aber immer noch für sie zu erklimmen. »Jeder Deutsche möchte einmal in seinem Leben ans Nordkap reisen«, zitiert sie einen in ihrer Heimat geläufigen Spruch, der mehr als ein Körnchen Wahr- heit enthalten dürfte. Ob Mitternachtssonne oder
zurückgeblickt Cricket mit dem Lehrerteam Ob Englischkurse für angehende Offiziere, fachsprachliche Fortbildungen für Funker oder maßgeschneiderter Unter- richt für Militärattachés: Passende Angebote für Bundes- wehrsoldaten schneidert die Abteilung »S« im Bundesspra- chenamt. Für die fachliche Leitung der Englischausbildung der Marineunteroffiziere in Bremerhaven ist Burkhard Meyer verantwortlich. Erste pädagogische Praxis hat er als Fremdsprachenassistent in England erworben. interview martin finkenberger, pad Herr Meyer, als Fremdsprachenassistent in England Gurtha in Anlehnung an die englische Aussprache des Cricket im Lehrer- wurden Ihnen zu Ehren zwei deutschsprachige Thea- Namens »Goethe« und Leonid Breschnew. Allerdings team: Burkhard terstücke verfasst und exklusiv aufgeführt. Wie kam verstarb der Generalsekretär der KPdSU wenige Tage Meyer galt als es dazu? nach der Erstaufführung. Dem Werk fehlte somit fort- Deutschlands an der aktuelle Bezug. Auf Anraten des fremdsprachi- Antwort auf Ian Die Sir William Borlase’s Grammar School in gen Beraters aus Deutschland wurde deshalb auf eine Marlow, an die ich 1982 vermittelt worden war, war Vorführung vor größerem Publikum verzichtet. Botham, einem sei- eines der letzten Jungengymnasien des Landes mit Während Ihrer Zeit in England tat sich in der Bundesre- nerzeit bekannten reichlich Tradition und ausgezeichnetem Ruf. Mei- publik einiges: Die Diskussion um den NATO-Doppelbe- ne Schüler, die von mir Einzelunterricht erhielten, schluss war auf dem Höhepunkt und nach Ihrer Rück- Spieler. kamen fast durchweg aus wohlhabenden Familien kehr gab es eine neue Regierung. Spielte das in denaustausch36 bildet dieser schönen und betuchten Kleinstadt auf hal- Gesprächen mit Lehrkräften oder Schülern eine Rolle? bem Weg zwischen Oxford und London oder waren im schuleigenen Internat untergebracht. Drei von Eines Tages im September informierte mich einer ihnen hatten die glänzende Idee, mich zu fragen, ob der Deutschlehrer, Helmut Schmidt sei zurückgetre- sie auch zu den Stunden der jeweils anderen beiden ten. Dies entsprach zwar nicht ganz den tatsächli- kommen durften, um möglichst viel von mir zu ha- chen Vorgängen in Bonn. Der Regierungswechsel ben. Belohnt wurde ich daraufhin mit der Exklusiv- wurde so jedoch ein gelegentliches Gesprächsthema aufführung zweier selbstverfasster deutschsprachi- zur obligatorischen Tasse Tee in den Pausen vorm ger Theaterstücke. Das hat mich sehr beeindruckt. Kamin im Lehrerzimmer. Da ich neben Anglistik auch Ihren Weg auf deutsche oder britische Bühnen, wo Politikwissenschaft studierte, mühte ich mich nach sie heute noch von renommierten Regisseuren in- Kräften, den Kollegen und meinen Schülern die Me- szeniert werden, fanden die Stücke allerdings nicht. chanismen dieses Koalitionswechsels zu erläutern. Woran lag das? Als schließlich der neue Bundeskanzler ebenfalls Hel- mut hieß und wie sein Vorgänger zum NATO-Dop- Es wird die Handlung gewesen sein. Eines der Thea- pelbeschluss stand, legte sich die Aufregung. Eine terstücke spielte im Dschungel und endete in der ato- Richtungsänderung der deutschen Politik war aus maren Apokalypse. Die Hauptfiguren waren unter an- der Inselsicht nicht zu erkennen. derem drei Afrikaner, ein norwegischer Fischer namens
Fremdsprachenassistentenprogramm 37Foto: timages/shutterstock.com Von welchen Erfahrungen aus Ihrer Zeit als Fremd- Zur Person sprachenassistent konnten Sie anschließend selbst Burkhard Meyer, Jahrgang 1961, studierte Englisch profitieren? und Wissenschaft von der Politik für das Lehramt an Gymnasien. Seit 1988 ist er für das Bundessprachenamt Der elfmonatige Aufenthalt bedeutete für mich in der Sprachausbildung deutscher Marinesoldaten am die zweite komplette Umstellung meiner Lebens- Dienstort Bremerhaven tätig. Im Schuljahr 1982/83 war umstände innerhalb kurzer Zeit, da ich zuvor mit er Fremdsprachenassistent an der Sir William Borlase’s Studienbeginn mein Elternhaus verlassen hatte. Das Grammar School in Marlow (Buckinghamshire). vollständige Eintauchen in eine Kultur und Lebens- art, die mich schon lange fasziniert hatte, war von Vermittlung fachsprachlicher Kenntnisse für zukünf- unschätzbarem Wert. An unserer Heimatuniversität tige Offiziere und Portepee-Unteroffiziere. Seit der fielen wir Rückkehrer auf, weil wir über eine größere zentralen Zusammenfassung der Sprachendienste Redegewandtheit in der Fremdsprache verfügten. bei militärischen Dienststellen unter dem Dach des Die Professoren, die vorher Empfehlungsschreiben Bundessprachenamtes vor einigen Jahren bin ich di- für uns verfasst hatten, wussten somit, wen sie etwa rekt bei dieser Bundesoberbehörde tätig. für Aufgaben als wissenschaftliche Hilfskraft an- Wer nutzt heute die Dienstleistung Ihrer Einrichtung? sprechen konnten. Nebenbei hatte das Programm auch eine ehestiften- Als Bundesoberbehörde nehmen wir ein breites de Funktion. Aufgabenspektrum wahr. Dazu gehören neben der zielgruppenbezogenen Sprachausbildung in bis zu 50 Meine spätere Ehefrau kommt aus Frankreich und Sprachen für die Bundeswehr und für Bundes- und hatte im Rahmen ihres Studiums an der Universität Landesbedienstete auch die Ausbildung in Deutsch Angers bereits ein Auslandssemester an der Partner- als Fremdsprache für Angehörige ausländischer universität in Osnabrück verbracht. Nach Abschluss Streitkräfte auf der Grundlage internationaler Ver- dieses Studiums kam sie zur Berufsorientierung als einbarungen sowie Übersetzen, Dolmetschen und Fremdsprachenassistentin erneut nach Osnabrück Terminologiearbeit in der Abteilung »Sprachmittler- und war wieder im selben Studentenwohnheim wie dienst«. Bei der Sprachmittlung begleitet das Bundes- ich untergebracht. Zu diesem Zeitpunkt war ich dort sprachenamt die Bundeswehr nicht nur bei allen Aus- unter anderem für die Wohnheimkneipe zuständig, landseinsätzen, sondern unterstützt die Streitkräfte in deren Team sie mitwirken wollte. So lernten wir beispielsweise auch mit der Übersetzung technischer uns kennen. Mittlerweile sind wir seit über 27 Jahren Dokumente oder beim Dolmetschen sensibler politi- verheiratet – und meine Frau unterrichtet Französisch scher Gespräche und Verhandlungen. und Deutsch am Gymnasium unseres Wohnortes. Sie selbst dagegen unterrichten an einer Marineschu- le, einer militärischen Dienststelle. Wie kam es dazu? Der Abschluss meines Referendariats in Nieder- sachsen fiel in die Zeit eines Einstellungsstopps. Nur für »Feuerwehrstellen« konnte man sich melden – was ich tat. Ein Angebot bekam ich allerdings für die Marineschule, deren Englischausbildung fachlich dem Bundessprachenamt unterstand, dem zentralen Sprachendienstleister des Bundes und vor allem der Bundeswehr. Im Sommer 1988 begann ich in Bremer- haven als Sprachlehrer für Englisch, wo sich bald eine langfristige Perspektive ergab. Bei meinen Schülern handelte es sich vor allem um Portepee-Unteroffizie- re, die für eine Verwendung im Ausland vorgesehen waren und ihre Englischkenntnisse verbessern oder auffrischen sollten, besonderes Augenmerk galt da- bei der kommunikativen Kompetenz. Hinzu kam die
Foto: PAD/ Marcus Gloger Über den PAD — Der Pädagogische Austauschdienst (PAD) des Sekreta- riats der Kultusministerkonferenz besteht seit 1952. Er ist als einzige staatliche Einrichtung im Auftrag der Länder für den internationalen Austausch im Schulbereich tätig. 1995 übernahm er die Aufgaben einer Nationalen Agentur für EU-Bildungsprogramme im Schulbereich. Im Programm Erasmus+ (2014 bis 2020) ist der PAD für den Bereich der Schulbildung verantwortlich. Seit 2013 ist er zugleich Nationale Koordinierungsstelle für eTwinning, das internetgestützte Netzwerk für Schulen in Europa. Als langjähriger Partner des Auswärtigen Amtes beteiligt sich der PAD an der Initiative »Schulen: Partner der Zu- kunft« (PASCH) und am Freiwilligendienst »kulturweit«. Der PAD unterstützt Austauschprojekte und Partner- schaften von Schulen und Bildungseinrichtungen und fördert die Mobilität von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Bildungsfachleuten. Seine Arbeit dient der Völkerverständigung durch internationalen Dialog und internationale Begegnung. Die Programme des PAD fördern das Fremdsprachenlernen und »Deutsch als Fremdsprache« im Ausland. Teilnehmenden Einrichtun- gen und Personen aus Deutschland ermöglicht der PAD, den eigenen Unterricht und das Fremdsprachenlernen zu verbessern. Der PAD informiert, vermittelt und betreut Programm- teilnehmende, evaluiert Projektergebnisse und verwaltet Fördermittel. Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer Website kmk-pad.orgaustausch38 bildet
39Wir sind für Sie da!—Unsere Hotline zu Erasmus+ im Schulbereich erreichen ImpressumSie von Montag bis Freitag von 9.00 bis 12.00 und von13.00 bis 15.30 Uhr unter der kostenfreien Servicenummer: HERAUSGEBER 0800 3727 687 Pädagogischer Austauschdienst (PAD) des Sekretariats der Kultusminister-Unsere Hotline zu eTwinning erreichen Sie von konferenz – Nationale Agentur fürMontag bis Freitag von 9.00 bis 12.00 und von 13.00 EU-Programme im Schulbereichbis 15.30 Uhr unter der kostenfreien Servicenummer: Graurheindorfer Straße 157 · 53117 Bonn 0800 389 466 464 TEL. 0228 501-221 · FAX 0228 501-333 E-MAIL [email protected] kennt keine Grenzen: Das School WEB www.kmk-pad.orgEducation Gateway informiert in 23 Sprachen zuaktuellen Themen der Schulbildung in Europa. REDAKTION Martin FinkenbergerWeitere Informationen FOTOS Falls nicht anders angegeben, www.schooleducationgateway.eu Fotoquelle Kultusministerkonferenz,Erasmus+ im Netz PAD, PrivatDas gemeinsame Webportal der vier NationalenAgenturen in Deutschland bietet Zugang zu TITELBILD radoma, Syda Productions/allen Programmteilen. Weitere Informationen shutterstock.com www.erasmusplus.de ERSCHEINUNGSWEISE Halbjährlich AUFLAGE 16.000 Exemplare GESTALTUNG DITHO Design, Köln DRUCK Druckcenter Meckenheim (DCM) Der auszugsweise Nachdruck mit Quellenangabe ist erlaubt. Zwei Beleg- exemplare an den PAD sind erbeten. Diese Publikation wurde gedruckt aus Mitteln der Europäischen Kommission, Generaldirektion Bildung und Kultur, des Auswärtigen Amtes und der Länder. Die Verantwortung für den Inhalt trägt allein der PAD. IHRE ADRESSE HAT SICH GEÄNDERT? Um »Austausch bildet« weiterhin zusenden zu können, teilen Sie uns bitte Ihre neue Anschrift mit: [email protected]
austausch40 bildet Gefördert durch kmk-pad.org
Search
Read the Text Version
- 1 - 40
Pages: