sommer 2017                         magazin für franziskanische kultur und lebensartEuropa –                mon amour                            Demokratie, Frieden und Achtung der Menschenwürdewww.franziskaner.de  Weitere Themen: Die Katholiken und der Rechtspopulismus +++ Franziskanische                     Familie: Erster Orden +++ Südsudan – Gefangen in der Logik des Krieges
Franziskanische                                          SüdsudanFamilie                                                         Seit 2011 unabhängig,Vor 500 Jahren spalte-                                   reich an Rohstoffen undte sich der franziskani-                                 doch arm und zerstört.sche Männerorden.                                        Wie geht das zusam-Anlass für uns, den                                      men? Und vor allem:Ersten Orden (Minori-                                    Was kann man tun fürten, Franziskaner und                                    die Menschen, die vonKapuziner) genauer                                       Krieg und Hungersnotanzuschauen.                                             bedroht sind?               Seite 24–27                                               Seite 30–32     Sommer 2017                                         35 	 Bruder Germanicus                                             © oben: meinhardt • don bosco mission bonn • melinda nagy - stock.adobe.com • © unten picture alliance/ap photo                                                         36 	 Franziskanerklöster in DeutschlandZeitschrift der Deutschen Franziskaner                                                         Wir gedenken des am 16. Juni verstorbenen Helmut Kohl4	 Kultur                                                mit einem Bild, das ihn mit dem damaligen französischen         Anregungen und mehr                             Präsidenten François Mitterand im Jahr 1984 zeigt. Es ruft                                                         ihn als Kanzler der Einheit und Wegbereiter der Europäi-6	 Europa und Rechtspopulismus                           schen Union in Erinnerung. »Die deutsche Einheit und die        •	 	 Europa, mon amour                           europäische Einigung sind zwei Seiten ein und derselben        •	 	 Die Rettung des Christlichen im Abendland?  Medaille«, sagte er einmal.        •	 	 Interview mit Andreas Püttmann17 	 Spiritualität	         Geistlicher Wegbegleiter21 	 Theologischer Impuls         Kleines theologisches Wörterbuch: Geschichte22 	 Franziskanisch leben         Vivere – Leben in franziskanischer Inspiration24 	 Franziskanische Familie        •	 	 Franziskaner zwischen Einheit und Vielfalt        •	 	 Kapuziner – Minoriten – Franziskaner28 	      	 Berufungsgeschichten         Peter Amendt OFM29 	 Nachrichten30 	 Aktuelles         Südsudan – Gefangen in der Logik des Krieges33 	 Auszug aus dem Kursprogramm34 	 Impressum und BuchverlosungDie Zeitschrift »Franziskaner«… erscheint viermal im Jahr … wird klimaneutral auf Recyclingpapier gedruckt … liegt in allen franziskanischen Häusern aus… können Sie sich kostenlos nach Hause liefern lassen:   … wird zu großen Teilen über Spenden finanziert:Provinzialat der Deutschen Franziskanerp rovinz         Spenden zur Finanzierung dieser Zeitschrift erbitten wirFrau Ingeborg Röckenwagner                               unter Angabe des Verwendungszweckes »Spende Zeitschrift«Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München                      auf das Konto der Deutschen [email protected]                              IBAN DE40 5109 1700 0080 8888 80Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111            BIC VRBUDE51 bei der Bank für Orden und Mission
Europa, mon amourWenn man den Angstmachernglaubt, steht Europa kurz vordem Abgrund und »die Politik«ist an allem schuld. Dabeileben wir in der Luxusecke derWelt. Es ist an der Zeit, sich fürEuropa, für Demokratie, Frie-den und die Achtung der Men-schenwürde starkzumachen.                           Seite 6–16© oben: alotofpeople – fotolia.com/bearbeitung: meinhardt  europa braucht ideen, keine angstmache                                                           1957 legten Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Nieder                                                           lande in den Römischen Verträgen den Grundstein für die Europäische Union. Gut zehn Jahre nach                                                           dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der Europa in ein einziges Schlachtfeld und einen riesigen Friedhof                                                           verwandelt hatte, war das ein mutiger Schritt. 60 Jahre danach kommt dennoch keine Feierstimmung                                                           auf. Europa wackelt. Solidarität bröckelt. Neue nationale Gräben tun sich auf. In Europa werden wieder                                                           Zäune gebaut. England steigt aus, andere Länder könnten folgen.                                                           »Es kommen Franzosen, es eilen Spanier herbei, Deutsche und Engländer schließen sich an.« Diese                                                           Worte beziehen sich nicht auf die EU. Sie stammen vom Anfang des 13. Jahrhunderts und beschreiben                                                           das Wachsen der franziskanischen Bruderschaft. Diese war durchaus eine europäische Bewegung. Ihre                                                           Anhänger, aus verschiedenen Kulturen und ohne einheitliche Sprache, hatten eine verbindende Idee,                                                           »sie wollten im Kleid und nach der Regel unseres Ordens leben« (1 C 27).                                                           Jedes gemeinsame Projekt braucht eine gemeinsame Idee. Auch Europa. Die Baumeister der EU, Robert                                                           Schumann, Konrad Adenauer, Alcide De Gasperi, waren überzeugte Christen. Europa hat tief christliche                                                           Wurzeln. Aber zu seiner Geschichte gehören auch die römische und griechische Antike, Juden und Mus                                                           lime, die Aufklärung und die Religionskritik. Europa war immer schon »multikulturell«. Diese Mischung                                                           hat einen einzigartigen Wertekanon geschaffen: Respekt vor der Würde der menschlichen Person, Solida                                                           rität, Recht, Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie.                                                           Die aktuelle Europa-Müdigkeit lässt leicht vergessen: Die europäische Idee hat diesem von Kriegen zer                                                           rissenen Kontinent die seit Jahrhunderten längste Friedensperiode gebracht. Europa ist kein Faktum.                                                           Europa ist eine Aufgabe. Das war nach dem Krieg so und das ist heute wieder so. Das europäische Haus                                                           ist entstanden, weil Menschen und Staaten bereit waren, sich füreinander zu öffnen. Auf diesem Funda                                                           ment steht auch ein künftiges Europa. Es wächst nicht aus Angst. Populismus spielt mit der Angst, kennt                                                           nur eigene Interessen und grenzt sich ab. Das aber sind Haltungen, die der biblischen Botschaft zutiefst                                                           widersprechen.                                                           Europa lebt von der Basis, von Menschen, die die europäische Idee aktiv mittragen, nicht nur bei einer                                                           Wahl, sondern auch im Gespräch am Stammtisch und in der Verwandtschaft. Dazu möchte die vorlie                                                           gende Ausgabe unserer Zeitschrift FRANZISKANER einladen.                                                           Cornelius Bohl OFM (Provinzialminister)                                                                                                    editorial                                                        3
BRUDER THOMAS EMPFIEHLT»Einen Besuch im jüdischen Museum in Berlin«                              zwei Linien, der schwarzen des                                                      © picture-alliance/akg-images /florian profitlich                                                                          Holocausts und der goldenen                       Gehen Sie Stufe für Stufe den Weg nach oben.       eines verklärten Blicks auf die                            Ab und zu queren Gänge der Erinnerung an      Vergangenheit. Im jüdischen                              dunkle Zeiten der Geschichte. Am Ende der   Museum Berlin gelingt der Blick                              langen Treppe öffnet sich der Blick in die  auf die lange und reiche jüdische                             reiche Geschichte jüdischen Lebens in        Tradition, ohne durch die kurzen                             Deutschland. Auch wenn ich einiges           dunklen Jahre verstellt zu werden                             wusste, manches ahnte, beim Besuch des       und ohne diese zu überspielen.                              jüdischen Museums in Berlin wurde mir                             deutlich, wie verkürzt unser Blick auf das   Jüdisches Museum Berlin,                            deutsche Judentum häufig ist. »Between the    Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin,                                 lines« nennt Daniel Libeskind seinen     www.jmberlin.de, Eintritt: 8 Euro,                                     architektonisch sehr interessanten   ermäßigt 3 Euro, Familien: 14 Euro                                      Museumsbau. Für mich beschreibt er  (2 E, 4 K).                                      die schwierige Wanderung zwischen          Bruder Thomas Abrell OFM (52) arbeitet als Referent in der franziskanischen Bildungsstätte Haus Ohrbeck bei OsnabrückAngebote für junge Erwachsene – www.projekt.sandamiano.de                    Berufen zum Menschsein – Berufen zum Christsein – Berufen zum Gehen in den Fußspuren Jesu                                              Weitere Informationen 33www.projekt.sandamiano.de              Assisi – praktisch und direkt                                       Pilgern auf den Spuren des                                                                                  heiligen Franziskus                                            2. bis 9. SeptemberMit Bruder René und Bruder Pascal eine Woche Assisi                                  10. bis 23. Juli                  in franziskanischer Perspektive erleben.                           Auf der Via Francescana zu Fuß unterwegs von Spoleto                                                                                         über Assisi nach Rom.        In dieser Zeit bilden wir eine kleine geistliche      Gemeinschaft in einem Wohnhaus mitten in                                                 Wir wandern durch die faszinierende Landschaft       Assisi. Ganz praktisch werden wir in dieser                                               Mittelitaliens. Gemeinsam feiern wir Eucharistie,     Woche unser Leben und Beten miteinander                                                      lesen die Bibel und erfahren viel vom Leben desgestalten und uns als Gruppe selbst versorgen.                                                     heiligen Franziskus, der mit seinen Gefährten oft                                                                                                    durch diese Landschaft gezogen ist.      Nebenbei wird es unsere Aufgabe sein, dieKapelle Santo Stefano zusammen mit dem dort                                                 Orientierungsbaukasten:                                                                                            Finde deine Berufung                 angrenzenden Garten zu betreuen.                                                                                                  Ein Angebot junger Ordensleute für dich.              Hüttenwoche in der Natur                                                             20. bis 22. Oktober 2017: Mein/-e Lebensarchitekt/-in –           am Fuß der Benediktenwand                                                                                                       Mit Gott rechnen                                              6. bis 12. August                                    26. bis 28. Januar 2018: Meine Lebenswerkzeuge –           Eine Hüttenwoche im Hochmoor nahe des                                                                                                       Kennenlernen, was hilft                Klosters Benediktbeuern (Oberbayern).                                              13. bis 15. April 2018: Meine Lebensbaustellen –         Als Gruppe wollen wir einfach leben und der                                                   Entschieden leben         Natur und Gott ganz nahekommen. Geplant                                                                          SURFTIPP Frische franziskanische Impulse zu kirchlichen             sind angepasste Wandertouren durch die                      Gebirgslandschaften oder um den                     Themen im Jahreskreis bietet die neue Website forumfranziskus.com.                                                                          Theologie-Studenten aus Münster haben mit dem Kapuziner Thomas        Walchensee, Badetage, Führungen durch das                         Schied die Internetsite eingerichtet, um ihre Begeisterung für den               Kloster Benediktbeuern, Erkundung des                      Glauben zu teilen. Ihnen liegt besonders die Botschaft von Papst                                                                          Franziskus und seine Berufung auf den heiligen Franziskus von Assisi        Moorlehrpfades etc. – aber vor allem viel Zeit                    am Herzen. Die Site bietet jeden Monat einen Impuls in bewusst                                                        für Dich.         franziskanischer Färbung zu christlichen Themen und lädt zur                                                                          Kommentierung ein. > > forumfranziskus.com4 kultur
Bruder Rangel kocht                                         Vorschau: Heilig-Land-Fahrt Ostern 2018                        Küstensalat                                         Israel/Palästina 2018                                          Wie die Elemente Erde, Wasser und Luft an der Küste aufeinander-                                         26. März 2018 – 3. April 2018 (von Montag in der Karwoche      treffen, vereinen sich in diesem sommerfrischen Salat Rote Bete,                                         bis Osterdienstag)                                             Lachs und Apfel in einer Komposition. Die Herbheit der Erde trifft auf                                                                                                        die Frische der See und die süße Frucht des Baumes. Der Salat passt                                         Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, Berg Tabor, Heiligtümer        gut zu Gegrilltem: Dadurch kommt dann auch noch das Feuer als                                         am See Gennesaret und anderes.                                 viertes klassisches Element hinzu. Ein Lobgesang an die Schöpfung.                                         Ein Angebot des Kommissariats des Heiligen Landes für                                         alle Interessierten!                                           Zutaten (für 4 Personen)           500 g Kartoffeln                                         Infos und Anmeldung:                                            150 g vorgekochte Rote Bete     1 Teelöffel Zitronensaft                                         Kommissariat des Heiligen Landes,                              200 g in Öl eingelegter Lachs                                         Werner Mertens OFM, Tel.: 0 29 22 9 82-131,                     1 Apfel                         1 Esslöffel Bouillon                                         Mail: [email protected]                            1 Zwiebel                          (Klare-Brühe-Pulver)                                                                                                         ½ Kopf Eisbergsalat                                         > > www.heilig-land.de                                          300 g Gartenbohnen              2 Esslöffel Mayonnaise                                         Studienreise nach Bosnien-Herzegowina                              (z. B. Stangenbohnen)          Salz, Pfeffer                                         18. bis 24. September 2017© bild oben: marie-armelle beaulieu/cts  Reisegruppe der letzten Studienreise nach Istanbul im          Zubereitung                                         September 2016                                                                                                        Kartoffeln kochen (ca. 40 Minuten), schälen, abkühlen lassen. Die                                         In Kooperation mit Bruder Jürgen Neitzert OFM lädt die         Bohnenkerne aus der Hülse lösen, garkochen und abkühlen lassen.                                         »franziskanische Initiative 1219. Religions- und Kulturdialog  Die vorgekochten Rote Bete schälen (wegen der intensiven Farbe u. U.                                         e. V.« zu einer interreligiösen Studienreise ein. Der Balkan   Handschuhe tragen) und zerkleinern. Lachs zusammen mit dem Öl                                         hat durch die Jahrhunderte eine wechselvolle interreli        in eine große Schüssel geben. Zitrone, Bouillonpulver, Mayonnaise,                                         giöse Geschichte durchlebt. Römer, Slawen, Osmanen,            Kartoffeln und Rote Bete hinzugeben und kräftig zerstampfen.                                         Österreicher und viele andere haben eine Pluralität ent       Zwiebeln schälen und sehr fein zerhacken. Eisbergsalat in feine                                         stehen lassen, die mal friedlich, mal konfliktreich war:       Streifen schneiden. Apfel schälen, entkernen und fein zerkleinern.                                         Muslime, orthodoxe und römisch-katholische Christen            Alles der Schüssel hinzugeben und behutsam vermengen. Mit Salz                                         sowie Juden lebten und leben bis heute in dieser Region        und Pfeffer abschmecken.                                         zusammen. Im Rahmen unserer Reise, die uns nach                                         Sarajevo, Mostar und Srebrenica führen wird, werden wir        Guten Appetit!                                         uns mit der Frage auseinandersetzen, wie das friedliche                                         Zusammenleben der Religionen gelingen kann. Dazu                              bruder rangel geerman ofm (43)                                         besuchen wir Gedenkorte und Gotteshäuser und kommen                    wurde auf Aruba (Niederländische Antillen)                                         mit Menschen unterschiedlicher Religion zusammen.                  geboren und lebt in Megen in den Niederlanden.                                                                                                         Von Beruf ist er Krankenpfleger. Er bekocht die Brüder                                         Leistungen: Reiseleitung, Ü/F in einfachen Hotels,                   und die Gäste des Klosters und engagiert sich                                         Fahrtkosten, Eintrittspreise. Kosten: ca. 800 Euro.                                         Informationen: Tel.: 0 30 51 05 77 73 oder unter:                                     in der Jugendarbeit.                                         > > www.1219.eu/studienreise2017/
Stefan Federbusch OFM  Ich bin in einem Europa groß geworden, das durch Schüleraustausch, Städtepartner                       schaften und andere Formen der Begegnungen Verständnis füreinander wachsen lässt                       und Freundschaften pflegt, das mit dem Schengen-Abkommen seine nationalen                       Grenzen öffnete und mit einer gemeinsamen Währung das Bezahlen in vielen Ländern                       erleichterte. Dieses Europa schätze ich.Doch dieses Lebensgefühl »Europa«            wortung für nicht geglückte politische    gestellten Politikern regiert, wie das        © bild oben: picture alliance/andreas arnold/dpa, porträt: kerstin meinhardtteilen aktuell viele nicht mehr. Mir ist     Entscheidungen auf »Brüssel« geschoben,   bereits in einigen osteuropäischen Lännatürlich bewusst, dass die Europäische      ohne zu erwähnen, dass hierfür wesent    dern wie Polen und Ungarn der Fall ist?Union in ihrer jetzigen Konstruktion         lich die nationalen Regierungen verant   Mit Emmanuel Macron wurde letztlichDemokratiedefizite aufweist und durch        wortlich waren. Mit den Lorbeeren für     ein europafreundlicher Politiker gewählt.Überreglementierungen zum Sünden            positive Entwicklungen schmückten sich    »Europa atmet auf!«, so der Tenor derbock geworden ist. So wird »Europa«          die nationalen Regierungen dagegen        meisten Kommentare. Vorerst jedenfalls.häufig mit schwerfälliger Bürokratie und     gerne.                                    »Glauben Sie mir, wir werden mit EuroFremdbestimmung gleichgesetzt. Viel         Europa, quo vadis? Diese Frage stellt     pa keinen Erfolg haben mit ausschließleicht ist Europa nicht mehr unumstritten,   sich mir nach dem Brexit genannten        lich juristischer Expertise oder wirtschaftweil seine positiven Errungenschaften        Austritt der Briten aus der Europäischen  lichem Know-how (...) Wenn es uns inwie Frieden und (Reise-)Freiheit zu selbst  Union. Europa, bleibst du bestehen? Die   den kommenden zehn Jahren nicht geverständlich geworden sind. Und weil         Vorstellung, dass Europa auseinander     lingt, Europa eine Seele zu geben, es mites die verantwortlichen Politiker und        fallen könnte, beschäftigte mich wie      einer Spiritualität und einer tieferenauch wir Bürger versäumt haben, die          viele andere im Vorfeld der Präsident    Bedeutung zu versehen, dann wird dasVision von Europa weiterzuentwickeln         schaftswahl in Frankreich. Würde ein      Spiel zu Ende sein.« Diese Mahnungund das gemeinsame Haus zukunftsfähig        weiteres Land von nationalistisch ein    vom damaligen Kommissionspräsidentenzu gestalten. Zu oft wurde die Verant6 europa
Immer wieder sonntags: Jeden 1. Sonntag im Monat treffen sich um 14 Uhr Menschen unter dem Motto »Pulse                                                    of Europe«. Sie wollen einen Beitrag für ein vereintes, demokratisches Europa leisten.                                                    Jacques Delors – ausgesprochen 1992,         Auf die Problematik der unterschiedli       Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.                                                    als der Vertrag von Maastricht an einem      chen Geschwindigkeiten bei der äußeren       Die offene, freie und plurale Gesellschaft                                                    Referendum in Dänemark zu scheitern          und inneren Entwicklung hat der              wird von manchen Teilen der Bevölke                                                    drohte – hat nichts von ihrer Dringlich     CDU-Europapolitiker Karl Lamers ver         rung nicht mehr alsWert an sich gesehen.                                                    keit verloren. Im Gegenteil: Die Frage       wiesen: »Krisen sind der natürliche Ent     Dem Modell des »Multikulti« wird das                                                    nach der Zukunft Europas stellt sich         wicklungsmodus von solchen politi           Modell der »Nation« gegenübergestellt,                                                    drängender denn je.                          schen Großprojekten, wie es die Euro        jeweils mit links- wie rechtsextremen                                                                                                 päische Union ja zweifelsfrei ist. Denn      Ausbuchtungen. In Europa lebten bis                                                    was verbindet uns?                           dabei geht es einerseits um die Neuor       2014 weniger als sieben Prozent »Nicht-                                                                                                 ganisation der politischen Macht, um         EU-Bürger« und selbst durch die Zuwan                                                    Was hält die Europäische Union zusam        eine überstaatliche. Aber es geht gleich    derung von Flüchtlingen in den Jahren                                                    men? Die viel beschworene Grundierung        zeitig auch um das, was mit dem Nati        danach ist ihr Anteil nur geringfügig                                                    als christliches Abendland ist es schon      onalstaat bislang verbunden war, näm        angestiegen. Dennoch gelingt es, bei                                                    lange nicht mehr. In der EU-Verfassung       lich die Nation, ein Gefühl der Selbst      einigen die Angst vor »Überfremdung«                                                    ist anstelle des Gottes-Bezugs in der        achtung, der Selbstvergewisserung, der       zu schüren. Während die einen Vielfalt                                                    Präambel nur noch vom »kulturellen,          Identität. Und solche Identitäten ändern     als Bereicherung erleben, stellt sie für                                                    religiösen und humanistischen Erbe           sich weniger schnell, als dieWirklichkeit    andere eine Bedrohung dar. Auf die                                                    Europas« die Rede. In den 1957 geschlos     sich ändert.«                                damit verbundenen Herausforderungen                                                    senen Verträgen der EuropäischenWirt        Die Frage nach der Identität gilt gleicher  reagieren sie mit einfachen Antwort                                                    schaftsgemeinschaft, der Vorläuferin         maßen für Deutschland, wo die Debatte        mustern. Konstruierte Gegensätze wie                                                    der Europäischen Gemeinschaft, wurde         um unsere Leitkultur wieder aufgebro        »Die da oben und wir hier unten« sowie                                                    die Wirtschaft als Mittel und Zweck der      chen ist. Wer sind wir als »Volk«, was       »Wir und die anderen« reichen jedoch                                                    politischen Einigung und als Instrument      macht uns aus als »Nation«? In einem         nicht aus, unsere Welt zu begreifen, ge                                                                                                 säkularen Staat, in dem das Christentum      schweige denn sie zu gestalten. Durch                                                    von Frieden und Freiheit benannt. Diese      immer mehr an Bedeutung verliert und         populistische Parolen zunehmend eine                                                    rein wirtschaftliche Zielsetzung reicht      die Zahl der Menschen mit anderer Re        »Misstrauensgesellschaft« zu schaffen,                                                    heute nicht mehr aus. Der konservative       ligionszugehörigkeit zunimmt, stellt         vertieft die Gräben und führt in die Spal                                                    spanische Europaabgeordnete Esteban          sich automatisch die Frage nach dem          tung innerhalb der Gesellschaft und                                                    González Pons stellt fest: »Wir können                                                    zwischen den Völkern.                                                    einen gemeinsamen Markt haben, aber© casa rosada (argentina presidency of the nation)  wenn wir keine gemeinsamen Träume                    Papst Franziskus                                                    haben, haben wir nichts.« Ähnlich sieht                                                    es auch der Bonner Staatsrechtler und                             »Die Wirklichkeit der Demokratien lebendig zu erhal-                                                    ehemalige Bundesverfassungsrichter                               ten, ist eine Herausforderung dieses geschichtlichen                                                    Udo Di Fabio. Europa habe mit dem                              Momentes (…) Das ist eine Herausforderung, die Ihnen                                                    Einigungsprozess seine philosophischen                     die Geschichte heute stellt. (...)                                                    und religiösenWurzeln zu stark vernach                                                    lässigt. Es sei nicht zu unterschätzen,      Liebe Europaabgeordnete, die Stunde ist gekommen, gemeinsam das                                                    »wie bedeutend kulturelleWurzeln und         Europa aufzubauen, das sich nicht um die Wirtschaft dreht, sondern                                                    eine Sinnsuche jenseits reiner Zweck        um die Heiligkeit der menschlichen Person, der unveräußerlichen                                                    rationalität sind«. Auf einem Symposion      Werte; das Europa, das mutig seine Vergangenheit umfasst und ver-                                                    zum Thema »Europa – christlich?« be         trauensvoll in die Zukunft blickt, um in Fülle und voll Hoffnung seine                                                    tonte er, dass eine »nostalgisch rückwärts  Gegenwart zu leben. Es ist der Moment gekommen, den Gedanken                                                    gewandte Konstruktion eines christ          eines verängstigten und in sich selbst verkrümmten Europas fallen                                                    lichen Europa als verbindliche Leitkultur    zu lassen, um ein Europa zu erwecken und zu fördern, das ein Prota-                                                    kein Kompass einer offenen Welt« sei.        gonist ist und Träger von Wissenschaft, Kunst, Musik, menschlichen                                                    Dennoch gäben die Geschichte und die         Werten und auch Träger des Glaubens ist. Das Europa, das den                                                    Idee Europas festen Halt und Orientie       Himmel betrachtet und Ideale verfolgt; das Europa, das auf den Men-                                                    rung.                                        schen schaut, ihn verteidigt und schützt; das Europa, das auf sicherem,                                                                                                 festem Boden voranschreitet, ein kostbarer Bezugspunkt für die ge-                                                                                                 samte Menschheit!«                                                                                                 (Auszug aus der Ansprache vom 25. November 2014 in Straßburg)                                                                                                                                                             europa                       7
was brauchen wir und was                     sen, mag insbesondere bei den Älteren       Laut Hirnforschung sind sowohl Ent                               © bilder-erzbistum-köln.denicht?                                       auch daran liegen, dass die Kirchen lange   scheidungen wie Erinnerungen stark an                                             Zeit autoritäre Staats- und Gesellschafts  Emotionen gebunden. Unser Gehirn istPolitisch und gesellschaftlich traditio     vorstellungen vertreten und den Gläubi     durch die Evolution darauf ausgerichtet,nelleWerte und konservative Positionen       gen ein einfaches Gut/Böse-Denken           aus der Vergangenheit eine gewünschtezu vertreten, ist völlig legitim. Problema  vermittelt haben.                           Zukunft zu gestalten. Dazu werden dietisch wird es jedoch immer dann, wenn        Während Rechtspopulisten gern den           als erinnerungswert geglaubten Wahrsich wertkonservative Grundhaltungen        Begriff des »Volkes« als Gegenbegriff       nehmungen an entscheidungsrelevantemit rechtspopulistischen Tendenzen           zum politischen Establishment ins Spiel     Emotionen gekoppelt wie etwa gut, böse,und rechtenWeltbildern verbinden. Für        bringen als Bekundung einer vermeint       lustig, gefährlich, wichtig. Darin liegtviele Christen hat beispielsweise der        lichen Mehrheit, die Minderheiten vehe     einerseits die Gefahr der VerführbarkeitSchutz der Familie eine hohe Bedeu          ment ausgrenzt, sollten Christen mit        beispielsweise für populistische Parolen,tung. Gefährlich wird es dann, wenn          dem Begriff »Volk Gottes« gerade die        andererseits die Chance, Menschen mitsich dies zum »Anti-Genderwahn« und          universaleWeite der einen Menschheits      wirklich guten Ideen und Projekten zuzur »Homophobie« ausweitet. Ähnliches        familie ins Spiel bringen. Europa braucht   begeistern. Auf die zunehmenden rechtsgilt für den Umgang mit Andersgläubi        eine Seele, wie Jacques Delors zu Recht     extremen Tendenzen reagieren immergen, wenn der Schutz der Christen und        angemahnt hat. Es braucht Spiritualität,    mehr Menschen mit kreativen Aktionender christlichen Lebenskultur zum Anti      und wer wäre da kompetent, wenn nicht       zugunsten Europas.Wieder Begeisterungislamismus (Islamophobie) oder Anti         die Kirchen.                                für Europa zu wecken, versucht etwa diejudaismus wird. Allgemein gesprochen:                                                    Bewegung »Pulse of Europe«, die regelAlarm ierend wird es immer dann, wenn       wie können wir europa                       mäßig in zahlreichen Städten Menschendie eigene Identität durch Feindbilder       wieder beseelen?                            versammelt, um für ein vereintes Europaund Ausgrenzung abgesichert werden                                                       zu werben. Europa braucht neue Perspeksoll.                                        Wie geht es weiter mit Europa? Einem        tiven, es braucht Visionen. Es brauchtWie reagieren die Kirchen auf diese Ent     Europa, das seine Bedeutung und welt       neben dem großen Ganzen eines geeinwicklung? Wie zahlreiche Beispiele zei      weite Verantwortung derzeit in nationa     ten Europas Teilnahme und Teilhabe,gen, wenden sie sich mit großer Klarheit     listischen Egoismen zu verlieren droht.     Mitentscheidungs- und Gestaltungsgegen den (Rechts-)Populismus. Doch          Einem Europa, das sich durch die Ent       möglichkeiten vor Ort, um den Begriffwas bedeutet es aus christlicher Sicht,      wicklungen in den USA vor die Aufgabe       »Europa« wieder mit emotional positivenwenn laut einer Umfrage der Tageszei        gestellt sieht, seine Rolle ganz neu zu     Erfahrungen zu besetzen. Das zunehtung »La Croix« 46 Prozent der gelegent     definieren. Wird es wieder ein Europa       mend als formale Verwaltungseinheitlich praktizierenden und etwa ein Drit      der offenen Grenzen werden? Ein Europa      empfundene Europa wieder zu »betel der regelmäßig praktizierenden Ka       bunter Vielfalt, ein Europa der Regionen?   seelen« und als attraktiven Lebensraumtholiken bei der französischen Präsi        Ein Europa, das sich nicht durch das Ein   zu gestalten, ist die große Herausfordedentschaftswahl für Marine Le Pen und        stimmigkeitsprinzip permanent selbst        rung der kommenden Jahre. nden Front National gestimmt haben?           blockiert? Ein Europa der unterschiedDass sich so viele Christen von ab- und      lichen Geschwindigkeiten? Ein Europa                       stefan federbusch ofm (49)ausgrenzenden Parolen ansprechen las        mit mehr Transparenz?                                  ist Redaktionsleiter der Zeitschrift                                                                                                          »Franziskaner« und Leiter des                                                                                                           Exerzitienhauses in Hofheim          Rainer Maria Kardinal Woelki»Die Kirche lehnt die politische Programmatik des Rechtspopulismus ab, bestimmten rechtspopulis-tischen Positionen und Kampagnen widerspricht sie entschieden und ächtet sie. Die Kirche lehntauch die Frontstellung gegenüber den gesellschaftlichen Unterschichten im Rechtspopulismus ab.Sie tritt ein für die Inklusion und für die gesellschaftliche Teilhabe aller gesellschaftlichen Schichten (…)Die Kirche lehnt die Frontstellung gegenüber vermeintlich ›Fremden‹ im Rechtspopulismus ab.Stattdessen tritt sie für die ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt ein. Christen unterscheiden nichtnach Herkunft, Kultur und Religion, sondern erkennen in jedem Menschen das Abbild Gottes. (…)Die Kirche ächtet rechtspopulistische Positionen und Kampagnen, die gegen die Menschenwürde verstoßen oder gegen die Ge-währleistung von Menschenrechten gerichtet sind. (…)Gegen die Menschenwürde verstoßen Positionen und Kampagnen (…) wenn sie einzelne gesellschaftliche Gruppen pauschaldiskriminieren. Dies ist der Fall bei der Pegida-Kampagne gegen eine vermeintliche ›Islamisierung‹ des Abendlands oder auchbei der ausgrenzenden Position der AfD, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre.«                                                                                                          (aus »AFD, Pegida und Co.«, Herder Verlag 2017)8 europa
Die Rettung des      Christlichen im Abendland?      Demokratie und Menschenwürde statt Rechtspopulismus      Ein Aufatmen ging am Abend des 7. Mai 2017 durch Europa: »Gerettet!«      sozialdemokratischen Parteien Europas nicht mehr als      Marine Le Pen vom Front National hatte den Kampf um die Präsident        Anwalt der »kleinen Leute« wahrgenommen und kon      schaft in Frankreich verloren. Wenngleich unklar war, für welche Politik  servative Parteien treten als Modernisierer auf. Durch      der Sieger – der parteilose frühere Wirtschaftsminister und Investment   die Bewegung der großen Parteien zur Mitte der Parteien      banker Emmanuel Macron – stand: Allein, dass er einen europafreund       landschaft entstanden an den Rändern Freiräume, die      lichen Kurs versprach, war Grund genug für ein Gefühl der Erleichterung.  neu besetzt wurden. In Südeuropa traten auch links      Denn Marine Le Pens Konzept für Frankreich hieß: raus aus der EU, dem     populistische Parteien auf den Plan, im Rest Europas      Euro und der Nato. Die rechtspopulistischen Parteien anderer europäi     sind es vornehmlich rechtspopulistische Parteien,      scher Staaten teilen ihre Vorstellungen, gleichzeitig haben sie sich der  denen politische Bedeutung zukommt. In Polen stellt      Rettung des christlichen Abendlandes verschrieben, was dann meist         die ultrarechte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)      heißt: Muslime raus! Europaweit sind solche Gruppierungen seit einigen    sogar die Regierungschefin, in Ungarn die Fidesz –      Jahren auf dem Vormarsch.                                                 KDNP den Ministerpräsidenten, und in Österreich                                                                                verlor der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ nur      woher kommen die rechtspopulistischen                                     knapp die Präsidentschaftswahlen. Auch in allen an      bewegungen?                                                               deren Nachbarländern Deutschlands sind Parteien mit                                                                                rechtspopulistischer Ausrichtung in den Parlamenten      Noch vor wenigen Jahren galten diese Gruppen bis auf wenige Ausnah       vertreten.      men als unbedeutende Randerscheinungen des Parteienspektrums.Wie          Das Auftreten solcher Gruppierungen machen Forscher      kam es »quasi über Nacht« zu einem solchen Bedeutungszuwachs? Man        vor allem in Zeiten des Umbruchs aus. Ändern sich      che Beobachter vermuten, es sei eine Folge der Zuwanderung von Schutz    Lebens- und Arbeitsverhältnisse sehr schnell, fällt es      suchenden aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten, in Afghanistan oder      großen Teilen der Bevölkerung schwer, sich zu orien      Afrika. Nach allen Untersuchungen bewegen sich aber schon seit Mitte      tieren. Die Zukunft erscheint unsicher, ja bedrohlich.      der Neunzigerjahre wachsende Teile der Bevölkerungen in verschiedenen     Alles, was sicher geglaubt war, Normen undWerte der      Ländern Europas politisch nach rechts. Parteienforscher halten rechts    Elterngeneration – darunter auch die traditionellen      populistische Parteien daher nicht für eine kurzlebige Erscheinung. Sie   Familienbilder – sind infrage gestellt. Die Zunahme      erklären ihren anhaltenden Wahlerfolg unter anderem damit, dass die       an Freiheitsgraden wird nicht als Entwicklungschance,      alten Volksparteien ihre Funktion als Interessenvertretungsorgan zwi     sondern als Überforderung erlebt, und die große      schen Staat und Gesellschaft eingebüßt haben und sich viele Menschen      nicht mehr von ihnen vertreten fühlen. So werden beispielsweise die©dpa                                                                                rechtspopulismus                                          9
Menschenleere Produktionsstraße. Welchen Platz hat der   hergehende Zukunftsangst verstärken bei vielen den Wunsch nach »der                   © bild oben links: istock.com – phonlamaiphoto/bild rechts: picture alliance/zumbapress.com Mensch in den Zukunftsszenarien der Wirtschaft 4.0? Die Digi-   guten alten Zeit«, nach Überschaubarkeit und einfachen Lösungen. Mo                                                                 dernisierungsverlierer und verunsicherte Menschen, die real oder vermeint   talisierung verändert die Arbeitswelt massiv. Viele Menschen  lich die Verlierer von morgen sind machen daher einen großen Anteil anverlieren die Orientierung in einer Phase rapider Umbrüche und   der Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien aus.reagieren mit Angst. Dieses Gefühl macht anfällig für die simp- len Schwarz-Weiß-Vorstellungen rechtspopulistischer Parteien.   wie »ticken« die rechtspopulisten?         Unübersichtlichkeit wirkt ängstigend. Statusverlust     Ursprünglich war »Populist« eine herabsetzende Fremdzuschreibung. Ge         droht und politische Entfremdungsgefühle entste        meint war eine Haltung, die den wechselnden Stimmungen der Bevölkerung         hen. Hinzu kommt, dass die Lebenswirklichkeiten         nachläuft und der es nicht um die Sache an sich geht, sondern um die Zu         zwischen städtischen Zentren und ländlichen Ge         stimmung der Massen mit dem Ziel einer öffentlichkeitswirksamen Selbst         bieten noch stärker als früher auseinanderfallen.       inszenierung. In den letzten Jahren wird die Bezeichnung vermehrt auch         Die Aufmerksamkeit von Politik und Medien kon          als positive Selbstbezeichnung gebraucht. »Populistisch und stolz darauf!«,         zentriert sich aber in der Regel auf die Zentren.       so Marine Le Pen, der es gelungen ist, den rechtsextremen Hintergrund des                                                                 Front National zu kaschieren und ihre Partei als einen Verein von Bieder         Gegenwärtig haben wir es mit Anpassungsproble          männern darzustellen, die das Abendland retten wollen. Ihr italienischer         men an die digitalisierte Produktions- und Arbeits     Kollege Matteo Salvini von der Lega Nord meint, dass es wohl nicht falsch         weise der Zukunft – Wirtschaft 4.0 genannt – zu         sei, auf der Seite des Volkes zu stehen und dafür zu sorgen, dass die Mei         tun. Hier fürchten besonders Ältere, den damit          nung des Volkes Politik werde: »Sono un Populista!« – Ich bin Populist! –         verbundenen Anforderungen nicht mehr gewach            steht auf seinen T-Shirts.         sen zu sein sowie jüngere nicht Hochqualifizierte,      Wer verstehen will, wie Rechtspopulisten denken, kann dies beim US-Präsi         durch die rasante Automatisierung und den Ein          denten Donald Trump in Reinkultur studieren. Bei aller Unterschiedlichkeit         satz von Robotern als Arbeitskräfte überflüssig zu      eint populistischeWeltbilder, dass sie die Gesellschaft als zwei voneinander         werden. Wir leben zudem in einer Welt, die unter        getrennte – in sich einheitliche – Gruppen begreifen. Auf der einen Seite         den Auswirkungen des Klimawandels und zahl             steht »das reine Volk«, auf der anderen eine korrupte, unmoralische Elite,         reichen gewaltsam ausgetragenen Krisen und              die an der Macht klebt und im Kern verdorben ist. Die reale Vielfältigkeit         Kriegen leidet. Große Wanderungsbewegungen              der Bevölkerung, ihre zum Teil weit auseinanderfallenden Lebenswelten         von Schutzsuchenden nach Europa führen unter            und -stile, ihre unterschiedlichenWerte und Einstellungen werden ignoriert.         anderem zu massiven Besitzstandswahrungspro         blemen, insbesondere bei denen, die Migranten           Rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch         als Konkurrenten um Arbeit und Wohnung emp         finden. Es ist die Angst vor dem sozialen Abstieg,      Europäische Parlamente mit rechtspopulistisch zugeordneten Parteien         gepaart mit dem Gefühl, machtlos und von den               Im Parlament vertreten An der Regierung beteiligt Stellt Regierungschef         etablierten Parteien und Politikern nicht vertreten         zu sein, die anfällig macht für populistische Bot      Eine Übersicht über die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa         schaften. Das Gefühl, diesen Entwicklungen schein      bietet eine interaktive Karte auf der Website der Bundeszentrale für politische Bil-         bar hilflos ausgeliefert zu sein, und eine damit ein   dung: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/10 rechtspopulismus
einfache antworten auf komplexe probleme                                       Amnesty International setzte Anfang Juni in Hannover ein Zeichen                                                                               für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender undDie populistische Wirklichkeitsdeutung erfolgt nach einem stets gleichen       intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI). Rechtspopulisten ängstigtMuster: Das einheitliche Volk ist Grundlage der politischen Gemeinschaft,      die »bunter« werdende Gesellschaft. Sie meinen, in einer Welt desaber einige Akteure missachten die Souveränität dieser Volksgemeinschaft.      Umbruchs sollten wenigstens die traditionellen Familienbilder er-Der von den Populisten ausgemachte Missstand wird lautstark und mit            halten bleiben.emotionsgeladenen Bildern angeprangert. Bei der Erfüllung des Ziels, dembevormundeten Volk wieder zu seinem Recht zu verhelfen, ist nahezu jedes       was ist so gefährlich amMittel recht, offensichtliche Lügen – alternative Fakten genannt – einge      rechtspopulismus?schlossen. Die Bedrohung der Souveränität des Volkes geht nach populistischer Weltsicht von ganz unterschiedlichen »Eliten« aus: Mal ist es das      Rechtspopulisten nehmen Stimmungen des Volkesinternationale Finanzkapital, dann wieder sind es technokratische Steue       auf und bringen sie zu Gehör, so Matteo Salvinirungseliten der EU-Bürokratie oder die sogenannten»Systemparteien«.            von der italienischen Lega Nord.Was soll verkehrtVertreter rechtspopulistischer Ideen führen gerne auch die political correct  daran sein in Zeiten, in denen sich zunehmendness einfordernde Bildungselite, Befürworter des »Genderwahns«, »Flücht       mehr Menschen nicht mehr von den Volksparteienlingsfreunde, die Islamisten ins Land holen« oder ganz allgemein »die linken   vertreten fühlen?Meinungsmacher« als Schuldige an der vermeintlichen Misere an. In verschwörungstheoretischer Sichtweise werden diese als Verräter am eigentli      Das Problem ist, dass sie nicht Stimmungen aufchen Volkswillen gebrandmarkt.                                                 nehmen, sondern dass sie Stimmungen machen!                                                                               Sie schüren Ängste, sie polarisieren und sie hetzenzwischen opfermythos und hass auf alles fremde                                 gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Die Angst                                                                               der Europäer vor »dem Fremden« ist die Angst, dieSich selbst sehen Populisten als »Anwälte«, als »Retter des Volkes«, die von   Rechtspopulisten am stärksten bedienen und verihren Gegnern »aufs Übelste« verunglimpft werden. Insofern wird man            stärken. Zwar haben nicht die Flüchtlinge zu denkaum einen Rechtspopulisten erleben, der sich nicht zugleich als Opfer         rechtsextremen Einstellungen geführt, die Forschersieht, mit dem »schlimmer als jemals mit anderen« umgesprungen wird. In        schon länger bei Umfragen bemerkten. Sie habendiesem Opfermythos sind fassungslos machende Bezüge beliebt, bei denen         aber der diffusen Angst vor dem Morgen, der Angstdie Gegner der Rechtspopulisten zu Nazischergen und sie selbst zu Verfolg     vor sozialem Abstieg und Statusverlust ein konkreten »wie die Juden unter Hitler« werden. Infame Vergleiche, vor allem, wenn    tes Gesicht gegeben. Die politischen Fehler bei derbedacht wird, dass Rechtspopulisten nicht nur das »einheimische Volk« in       Steuerung der Zuwanderung und bei der IntegraStellung gegen die »herrschende Elite« bringen, sondern auch gegen alle,       tion wiederum haben die bereits vorhandenen Abdie gemäß ihrem Weltbild nicht zum reinen Volk gehören. Es geht gegen          neigungen gegen »die Fremden« verstärkt. Studienalles Fremde, so zum Beispiel gegen »die Ausländer«, aber auch gegen Be       wie die Leipziger »Mitte«-Studie zeigen, wie weitvölkerungsteile mit anderer sexueller Orientierung, anderer sexueller Iden    es rechtsextremes Gedankengut bereits in die Mittetität oder mit anderen politischen Überzeugungen.                              der Gesellschaft geschafft hat. Auch die Bereitschaft                                                                               zur Gewaltanwendung ist gestiegen. Antieuropäiverbale ausfälle zwecks grösster medialer                                      sche, demokratieverachtende oder rassistische BeaufmerksamkeitObwohl sich Rechtspopulisten in Parteien organisieren, lehnen sie den Auftrag des Grundgesetzes an die Parteien ab, den politischenWillen des Volkeszu bündeln und zu bilden. Jede Instanz zwischen Volk und Macht birgtnach ihrer Auffassung das Risiko, den wahren Volkswillen zu verfälschen.Populisten fordern eine Willensbekundung des Volkes durch eine direkteDemokratie. Um den »Volkswillen« unmittelbar zum Ausdruck zu bringen,setzen Populisten gerne auf charismatische Führungspersönlichkeiten, dieals Sprachrohre des Volkes gelten. Die Führer der populistischen Bewegungensind häufig Außenseiter. Sie kommen zum Beispiel als Quereinsteiger, etwaals Unternehmer oder Professoren, in die Politik, wodurch sie sich vomverhassten politischen Establishment absetzen können. Individueller Reichtum ist dabei kein Hindernis oder gar ein Hinweis darauf, Teil der Elite zusein, sondern gilt als Gewähr dafür, nicht käuflich zu sein. Die populistischen Wortführer nehmen dann für sich in Anspruch, im Wissen um dasWollen des Volkes zu sein und mit der Stimme des Volkes oder mit dem»gesunden Menschenverstand« zu sprechen. Die Sprache, derer sie sichbedienen, ist simpel, prägnant, bildhaft und emotionsgeladen. Skandaleund Grenzüberschreitung sind gewollt, um für möglichst große medialeAufmerksamkeit zu sorgen.                                                                               rechtspopulismus  11
kenntnisse werden zwar nicht von der Mehrheit der Bundesbürger geteilt, aber     und Historikerin Britta Baas in der Zeitschrift Pu      © bild oben: picture alliance/lino mirgeler/dpa, bild rechts: www.kottiundco.netsie werden »normaler«. Eine klare Abgrenzung von rechtspopulistischen zu         blik-Forum (12/2016). Sie meint, dass eine Konrechtsextremen Haltungen ist schwer zu ziehen. Rechtspopulisten sind Tür        frontation mit dem Angstauslöser helfen könne,öffner für Rechtsextreme. Nicht zuletzt die personelle Überschneidung beider     die Angst zu bewältigen. Im Konkreten heißt diesKreise macht dies deutlich.                                                      zum Beispiel durch Begegnungen mit Flüchtlingen.                                                                                 »Entängstigung durch Begegnung« nennt es auchChristen in der AfD? Bettina Warken, Anette Schultner (AfD), Liane Bednarz und   der österreichische Theologe Paul Zulehner in seider evangelische Bischof Markus Dröge beim Evangelischen Kirchentag 2017. »Ich   nem Buch »Entängstigt euch! Die Flüchtlinge undkann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert,  das christliche Abendland«. Er meint, dass dieMisstrauen sät und Ausgrenzung predigt«, so der Theologe Dröge. Es finde sich    Christen nicht das christliche Abendland rettenkein christliches Menschenbild im Programm der AfD: »Die Partei missbraucht      müssten, sondern das Christliche im Abendland.Christen als Feigenblatt.«                                                       Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki unter                                                                                 stützt diese Position, wenn er rechtspopulistischeSeit die AfD in Deutschland in die Parlamente eingezogen ist, werden             Positionen und Kampagnen, die gegen die Menfremdenfeindliche Äußerungen offener als zuvor geäußert. »Das wird man          schenwürde verstoßen, ächtet. Als Beispiel hierfürja wohl mal sagen dürfen …« Rechtspopulistische Parteien nutzen geschickt        benennt er die Pegida-Kampagne gegen eine verdie Tatsache, dass die Angst vor dem Fremden in unserer Gesellschaft stetig      meintliche »Islamisierung« des Abendlands oderwächst. Wenn der Teil des Gehirns, in dem Angst entsteht, das Kommando           »ausgrenzende Positionen der AfD, dass der Islamübernimmt, hat es die Vernunft schwer: Angst hat ihren Ort in einem ent         nicht zu Deutschland gehöre«.wicklungsgeschichtlich sehr alten Teil unseres Gehirns, der sich nur schwerdurch die jüngeren, intelligenteren Teile steuern lässt. Und es sind nicht nur   was tun gegen denZuwanderer aus anderen Ländern, die durch ihr Anderssein Angst machen.           rechtspopulismus?Hinzu kommt die real fassbare Angst vor dem Terror islamistischer Gruppenund Einzeltäter – wie jüngst in Manchester und London. Obwohl die Wahr          Auch wenn es so scheint, als sei mit Argumentenscheinlichkeit, in Europa zum Opfer eines Anschlags zu werden, statistisch       schlecht gegen rechtspopulistische Haltungen angesehen gering ist, ist die gefühlte Gefahr immens. Und Angst spielt in den      zukommen, ist es wichtig, mutig und deutlich eineeuropäischen Gesellschaften schon allein dadurch eine zunehmende Rolle,          klare Aussage dagegenzustellen. Statt Pseudoneutraweil diese Gesellschaften einen hohen Altersdurchschnitt haben. Ältere           lität ein eindeutiges Bekenntnis zu denWerten, fürMenschen haben offenbar größere Schwierigkeiten als jüngere, die aus der         die Europa steht, und zur Demokratie!Steinzeit geerbte Angststeuerung in den Griff zu bekommen. Eine Untersu         Richtig ist, dass die Zunahme des Rechtspopulismuschung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der            auf Probleme aufmerksam macht, die es anzugehenBundeswehr hat im vergangenen Jahr dieses Phänomen auf der Grundlage             gilt: Es gibt Demokratie- und Beteiligungsdefizite.deutscher Verhältnisse bestätigt. »Demnach fühlen sich die Wählerinnen           Es gibt Probleme bei der Steuerung des Zuzugs undund Wähler der AfD – einer Partei, die kollektive Ängste geschickt aufgreift     bei der Integration von Zuflucht suchenden Menund sie in eine Politik des Alarmismus und des Beschwörens nationaler            schen. Es ist richtig, dass die Politik der vergangenenIdentität umsetzt – im Vergleich zu denen anderer Parteien am unsichersten.      Jahrzehnte die Menschen derWillkür eines aus demAls größte Bedrohungen nehmen sie religiösen Fundamentalismus und die            Ruder gelaufenen globalisierten Finanz- und WirtZuwanderung wahr. Die Befragung zeigt auch: AfD-Wähler sind im Schnitt           schaftssystems überlassen hat. Es fehlt ein überzeuälter als die anderer Parteien. Und die über 65-Jährigen unter ihnen haben       gendes Konzept, wie ein nachhaltiges, umwelt- unddeutlich mehr Angst als der Durchschnitt ihrer Altersgruppe«, so die Theologin   menschenfreundlichesWirtschaftssystem aussehen                                                                                 kann, in dem alle, die arbeiten wollen, dies zu ver                                                                                 nünftigen Löhnen tun können. Es gibt offensichtlich                                                                                 auch die Notwendigkeit, zu prüfen, ob die Abgabe                                                                                 nationaler Zuständigkeiten zur Regelung von euro                                                                                 päischen Belangen immer im Sinne der Menschen                                                                                 gewesen ist oder ob sie primär privatwirtschaftlichen                                                                                 Interessen diente. Darüber hinaus wäre eine konse                                                                                 quente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips weg                                                                                 weisend. Keine EU-Kommission muss Wasch                                                                                 beckengrößen in Toiletten regeln! Wo Regelungs                                                                                 bedarf besteht, sollte dieser auf der untersten Ebene                                                                                 vor Ort von den Betroffenen geklärt werden.                                                                                 Die Tatsache, dass Rechtspopulisten tatsächlich den                                                                                 Finger in manche Wunde legen, darf für Politiker12 rechtspopulismus
Zehn Regeln                                                         für Demokratie-Retterund Parteien nicht heißen, dass sie sich selbst rechts                           Liebe deine Stadt.populistisch gebärden, um Wählerstimmen zu be                            Mache dir die Welt zum Dorf.kommen. Überall dort, wo dies in der Vergangenheit       Bleibe gelassen im Umgang mit Demokratie-Verächtern.versucht wurde, war die Folge nur, dass rechtsex               Fürchte dich nicht vor rechten Schein-Riesen.treme, menschenverachtende Forderungen hoffähigwurden. Die richtige Schlussfolgerung für die Par                 Verliere nicht den Kontakt zu Menschen,teien wäre, dass sie sich in ihrer Organisationsform                     die nicht deiner Meinung sind.verändern. Sie müssen sich wieder zu den Bürgern                         Packe Probleme nicht in Watte.öffnen und ihre gesellschaftliche Meinungsbildungs-und Bündelungsfunktion wahrnehmen, statt von                   Verabschiede dich von der Attitüde, eigentlichoben gesteuerte Mitglieder- und Funktionärsparteien                     gegen diese Gesellschaft zu sein.zu Sein, deren Hauptziel der Machterhalt ist. Darü                    Warte nicht auf den großen Wurf.ber hinaus sollte erwogen werden, direktdemokratische Beteiligungsverfahren einzubauen, denn eine          Wehre dich, wenn von »den« Politikern die Rede ist.solche Forderung muss nicht den Rechtspopulisten                   Verbinde Gelassenheit mit Leidenschaft.überlassen werden. Ganz offensichtlich fehlt es anBeteiligungsmöglichkeiten im demokratischen Prozess, wenn sich bedeutsame Teile der Bevölkerungnicht mehr vertreten fühlen.Wer nach den Gründen für die Politikverdrossenheit          Tipps aus dem Buch »Zehn Regeln für Demokratie-Retter« (KiWi-sucht, kommt an der Erkenntnis nicht vorbei, dass        Taschenbuch, ISBN: 978-3-462-05071-4) von Jürgen Wiebicke, um diedas Interesse an politischen Fragen stark vom Einkommen und somit vom sozialen Status abhängig               Ratlosigkeit angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus zuist. DieWahlbeteiligung liegt in reichen Viertel regel  überwinden. Er zeigt, dass es auf jeden Einzelnen ankommt bei der so                                                                      dringend nötigen Neubelebung der Demokratie.mäßig um 20 Prozent höher als in Sozialbausied          lichen und kirchlichen Arbeitervereinen vermittelt wurde, heute in breitenlungen. Gerade diejenigen, die ein Interesse daranhaben müssten, dass sich etwas ändert, gehen nicht       Teilen der Bevölkerung fehlt. Da tut sich ein wichtiges Arbeitsfeld fürzur Wahl. Dahinter steht auch die Einschätzung,          die Erwachsenenbildung auf, die gefordert ist, Konzepte jenseits desdass, egal wer die Wahl gewinnt, die Situation für       Ausschreibens von Kursangeboten zu entwickeln, im Sinne einer »aufdie sozial Benachteiligten immer dieselbe bleibt.        suchenden Bildungsarbeit« damit andere, als die ohnehin gut versorgtenWenn Gewerkschaften in diesem Zusammenhang               bildungsbürgerlichen Kreise erreicht werden.einen Job hätten, dann den des Empowerments, derHilfe zur Selbstorganisation der Abgehängten.            Zu guter Letzt: Auch wenn das christliche Abendland eigentlich ein                                                         Kampfbegriff ist, um unchristliche Ziele durchzusetzen, sollte dasAuffällig bei der gesamten Debatte um die Zunahme        »Christliche im Abendland« gerettet werden. Hier sind die Kirchen gerechtspopulistischen Gedankengutes ist, dass die         fragt. Wie das geht, zeigt sich bereits im Engagement vieler christlicherwirtschaftliche und politische Grundbildung, die         Gemeinden für die Flüchtlinge, im Kampf gegen Rechtspopulismus undin der Vergangenheit zum Beispiel in gewerkschaft       für eine menschenfreundliche Gesellschaft. Für die Mehrzahl der Chris                                                                                         ten sind Demokratie, Achtung der Menschen                                                                                         würde, Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches DenkenKeine Alternative zur Zuflucht zu Extremen oder Resignation? Von wegen!                  und Handeln, Toleranz und Respekt eine selbstAm Berliner Kottbusser Tor, der als einer der sozial schwächsten Stadtteile in Deutsch-  verständliche Grundlage ihres Gemeinwesens.land gilt, hat eine Nachbarschaftsinitiative gezeigt, dass es durch Selbstorganisation   Sie sollten jenen rechtskonservativen Christen,der »Abgehängten« möglich ist, die Parteien unter Druck zu setzen.                                                                                         die versuchen, die Kirchen auf einen rechtspo                                                                                         pulistischen Kurs zu bringen, oder ihnen alter                                                                                         nativ einen politischen Maulkorb verpassen                                                                                         wollen, eine deutliche Absage erteilen: Christen                                                                                         tum geht nicht mit Ausgrenzung einher, denn                                                                                         Christen sehen in jedem Menschen das Ebenb ild                                                                                         Gottes, der die wunderbare Vielfalt aller seiner                                                                                         Geschöpfe liebt. n                                                                                                                    kerstin meinhardt (55)                                                                                             ist Mitglied der Redaktion des Franziskaners.                                                                                         Die Diplom-Soziologin lebt in Idstein im Taunus.                                                                                                             rechtspopulismus               13
Radikalisierungstendenzen am	 rechten Rand der Kirche                     Sind Christen weniger anfällig für rechtspopulistische Bewegungen und Parteien                     als Nichtchristen? Was sind eigentlich Rechtskatholiken, welche Bedeutung haben                     sie für rechtspopulistische Parteien wie die AfD? Über diese Fragen sprachen wir mit                     Dr. Andreas Püttmann. Der katholische Politikwissenschaftler und Publizist aus                     Bonn beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema. Er versteht sich selber als                     konservativen Katholiken, der aber eine klare Trennungslinie zu rechtskatholischen                     und autoritären Positionen zieht und vehement für Demokratie, Menschenrechte                     und die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes streitet.Herr Püttmann, was haben wir unter »Rechtskatholizismus« zu        etwa 300.000 kirchennahen und ca. 2,5 Millionen kirverstehen?                                                         chenfernen Katholiken zu tun. Zu knapp 3 MillionenEine eindeutige Definition ist sicherlich schwierig, aber es gibt  Katholiken kommt eine ähnliche Anzahl evangelischerKriterien. Zunächst einmal bezogen auf Parteien und Organisa      Christen, die zumindest ansprechbar sind durch dentionen: Rechtskatholik ist der, der mit rechtskonservativen oder   Rechtspopulismus.rechtsradikalen Organisationen, Parteien und Verbänden sympathisiert, zusammenarbeitet oder hier sogar Mitglied ist.           Was sind die Themen, die Christen für ein rechts                                                                   populistisches Politikangebot ansprechbar machen?Ein anderes Kriterium zielt auf das ideologische Webmuster.        Das erste, sicherlich wichtigste, ist der WiderstandTypisch für den Rechtskatholizismus ist eine Tendenz zu autori    gegen den sogenannten »Genderwahn«. Dieser Thementären Modellen von Staat und Gesellschaft statt zur gewalten      bereich ist mit einer zum Teil apokalyptischen Vorteiligen, liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie. Und zu diesem   stellung von der Auflösung der Familie und der Geideologischen Moment gehört auch das nationale, im Sinne von       schlechterordnung verbunden bis hin zu Verschwönationalistisch.                                                   rungstheorien.Wobei hier der Begriff der »Homolobby«                                                                   eine entscheidende Rolle spielt. Bei der Genderwahn-Das dritte Kriterium hängt mit dem vorherigen zusammen: Im         Idee geht es darüber hinaus um das Verhältnis derMittelpunkt des politischen Denkens von Rechtskatholiken steht     Geschlechter; also wie ist die Aufgaben- und Rollennicht das freie Individuum mit seiner Personenwürde, sondern       verteilung zwischen Mann und Frau in der Partnerdie Ordnung. Das geht bis zu ständestaatlichen Vorstellungen       schaft, mit dem Spezialthema der Kinderbetreuungund beinhaltet manchmal sogar ausdrückliche Kritik an der »fal    und der Berufstätigkeit der Frau. Dann gibt es denschen Idee von Gleichheit«.                                        Bereich der sogenannten »political correctness«. Doch                                                                   die Hauptstoßrichtung richtet sich nach meiner BeobWie groß ist der Anteil der Katholiken mit reaktionären und        achtung gegen Homosexuelle, die als die eigentlicherechtspopulistischen Überzeugungen?                                Gefahr für Ehe und Familie angesehen werden.Dies kann man am ehesten anhand des ersten genannten Kriteriums, der Nähe zu bestimmten rechtsextremen oder rechtskonser    Woher kommt diese irrationale Angst vor Gleichbevativen Gruppierungen bestimmen. Bei NPD oder auch den             rechtigung? Es wird ja niemand etwas weggenommen.Republikanern ist der Anteil der Katholiken und auch der Christen  Ich denke, die Sichtbarkeit ist der Punkt. Nach deminsgesamt immer deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Bei        Motto: Wir sind nicht homophob, wir möchten nurder AfD hingegen, also beim Rechtspopulismus, sieht es schon       nichts davon in der Öffentlichkeit sehen, wir wollenetwas anders aus. Laut einer Allensbach-Umfrage vom Sommer         nichts davon in der Schule hören. Was jemand in sei2016, sozusagen zur Blütezeit der AfD, als diese bundesweit bei    nen vierWänden macht, ist seine Sache. Heterosexualietwa 14–15 Prozent lag, haben sich 8 Prozent der kirchennahen      tät darf sich in der Öffentlichkeit zeigen, HomosexualiKatholiken und 12 Prozent der kirchenfernen Katholiken als         tät nicht, damit die natürliche Ordnung unbeschadetpotenz ielle Wähler der AFD bekannt. Damit hätten wir es mit      bleibt.14 rechtspopulismus
Was sind die zentralen Anknüpfungspunkte für Rechtskatholiken      also das Denken in einer von Gott gesetzten Ordnung                      an das Politikangebot der AfD?                                     im Gegensatz zu den von Menschen gemachten Nor                      Dieses Ordnungs- und Autoritätsfokussierte verbindet sicherlich    men, was zu einer gewissen Antiliberalität führen kann.                      die nichtkirchliche mit der kirchlichen Rechten, wenn auch die                      Motive oder Begründungen unterschiedlich sind. Für die einen       Welche Vorteile bringen die Rechtskatholiken der AfD?                      ist es die Schöpfungsordnung, für die anderen ist es die Volks    Ich sehe hier vier Dimensionen: Erstens erschließen                      gesundheit oder der »gesunde Volkskörper«. Hier gibt es die        sie der AfD eine hoch motivierte, gut vernetzte und                      größte Schnittmenge.                                               spendenbereite Anhängerschaft.                                                                                         Zweitens legitimiert man den Anspruch der Rechts                      Das Zweite ist die Islam-Angst, wenngleich nach einer Allens      populisten, Verteidiger des Abendlandes zu sein, da                      bach-Umfrage die Gottesdienstbesucher – sowohl regelmäßige         sie sagen können, wir haben ja auch Christen bei uns.                      als auch gelegentliche – weniger Vorbehalte gegen Muslime als      Drittens wirkt die Mitarbeit von Christen für die Rechts                      Nachbarn haben als kirchenferne Katholiken. Die Katholiken         populisten wie eine Art moralische Unbedenklich                      haben sogar insgesamt nochmal etwas weniger Vorbehalte gegen       keitserklärung, sie vermittelt den Eindruck einer ge                      Muslime als Protestanten und erst recht weniger als Konfessions   diegenen, braven Bürgerlichkeit.                      lose. Aber es gibt auch in der katholischen Kirche eine kleine,    Das Vierte ist, dass die Rechtskatholiken und auch                      aber lautstarke Gruppe, die die sogenannte Islamisierung des       Rechtsp rotestanten die AfD in ihrer Kirchen- und                      Abendlandes als große Gefahr ansieht, auch als Gefahr für das      Bischofskritik bestätigen. Sie sind sozusagen die Kron                      Christentum. Doch dieses Thema scheint bei Rechtskatholiken        zeugen für die Hetze gegen diese sogenannten »ver                      gegenüber dem Genderwahn-Thema eher zweitrangig. Allerdings        rotteten Funktionsträger und Staatsbeamten«.                      gibt es unter Katholiken wie in der Gesellschaft insgesamt eine                      Mehrheit, die Bedenken und Vorbehalte gegenüber dem Islam          Wie finden rechtskatholische Aufhetzer ihr Publikum?                      hat. Zweifel bestehen gegenüber der Integrationswilligkeit, ge    Wie organisieren sie ihre Anhänger?                      genüber dem Bekenntnis zum Vorrang des Grundgesetzes ge           Das ist extrem schwer nachzuvollziehen, weil es sich                      genüber religiös begründeten Rechts- und Gesellschaftsvorstel     hier um informelle Netzwerke handelt, die einfach                      lungen, und es gibt sicher auch ein Unbehagen, sich in manchen     durch eine Vielzahl persönlicher Kontakte entstehen.                      Stadtteilen von Großstädten nicht mehr heimisch zu fühlen.         Was man aber sagen kann, ist, dass der »Internet                      Insoweit gelingt einer rechtspopulistischen Partei wie der AfD     katholizismus« eine Schlüsselrolle spielt. Ein beson                      beim Thema Islam durchaus eine gewisse Anschlussfähigkeit an       derer Kristallisationspunkt ist dabei das österreichische                      große Gruppen in Kirche und Gesellschaft.                          Internetportal »Kath.net«, aber auch einige Blogger.                                                                                         Hier spiegelt sich das gesamtgesellschaftliche Phäno                      Grundsätzlich muss man meines Erachtens feststellen, dass eine     men, dass das Internet im Grunde neben allen Seg                      gewisse Nähe zu autoritären Ordnungen durchaus in den katho       nungen und Vorteilen, die es bringt, doch auch eine                      lischen »Genen« liegt. Dies zeigt auch ein Blick auf den Faschis  große Radikalisierungsmaschine ist, in der man die                      mus in katholischen Gesellschaften im letzten Jahrhundert, bei    Selbstbestätigung findet, die man sucht. Hier kann                      spielsweise in Spanien, Portugal oder auch in lateinamerikani                      schen Ländern. Es ist die straffe Hierarchie, in der man gewohnt                      ist, kirchlicherseits zu leben, und das ausgeprägte »Ordodenken«,                      Konservative Christen und andere Gruppierungen demonstrierten zuletzt am 25. Juni 2017 in der Innenstadt von Wiesbaden unter dem Motto                      »Demo für alle« gegen den neuen Lehrplan zur Sexualkunde an hessischen Schulen© boris roessler/dpa                                                                                         rechtspopulismus                                                     15
Widerspruch vermieden werden, und auch sachliche Einreden                         pologie nähersteht als alle anderen Gesellschaftssysteme.        und Korrekturen finden kaum statt, weil der Zusammenhalt der                      Hier müsste die Kirche noch etwas deutlicher werden.        Gruppe, der Korpsgeist, immer wichtiger ist.                                      Wichtig wäre zudem die Verstärkung der politischen Bil        Neben der Funktion des Internets als zentralem Kommunikations                    dungsarbeit in den zahlreichen kirchlichen Bildungsein        kanal gibt es auch bestimmte Gruppierungen, die Kongresse                         richtungen. Hier besteht ein großer Bedarf, wenn man        abhalten, die als große Heerschau dienen, wo man sich dann                        sich die Untersuchungen zur Politikverdrossenheit an        auch Face-to-Face sieht und Verabredungen trifft.                                 schaut oder zur Haltung gegenüber unserem repräsenta        Dann gibt es das Forum Deutscher Katholiken, in dem man eine                      tiven System, zur Gewaltenteilung.        Häufung von Rechtskatholiken erleben kann, neben anderen, die                     Was sind die schönsten Früchte des Christentums, gleich        einfach nur traditionell fromm und konservativ sind; aber doch                    sam seine DNA? »Empathie, Demut und Gelassenheit«.        auch einige, die durch eine gewisse Nähe zu Rechtspopulisten,                     Was sind die hervorstechendsten Eigenschaften des        zu Putin oder zur AfD aufgefallen sind.                                           Rechtspopulismus? »Empathielosigkeit, rabiater, indivi         Was wäre nötig, um dem Rechtspopulismus und dem mit ihm                          dueller oder kollektiver Egoismus und Sozialdarwinismus,         verbündeten Rechtskatholizismus in Deutschland erfolgreich                       Hybris und Daueraufgeregtheit«. Man kann den Rechts         entgegentreten zu können?                                                        populismus beschreiben als nahezu vollständige Leugnung        Wichtig wäre aus meiner Sicht, die Sozialethik nicht als ein im                   eines christlichen Selbstverständnisses oder einer christ        Grunde unbedeutendes theologisches Nebenfach zu begreifen.                        lichen Tugendethik.        Jesus ist zwar nicht für ein politisches Programm angetreten, aber                Dies deutlich herauszuarbeiten, wäre aus meiner Sicht        es ist selbstverständlich, dass die christliche Lehre politische                  Aufgabe kirchlicher Bildungsarbeit.        Konsequenzen hat. Wenn ich sage, »was ihr dem geringsten mei        ner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan«, dann muss ich                     Sollten Kirche und Christen mit der AfD sprechen?        mich natürlich auch in meinem Tun um die Bestandsvoraus                          Man sollte kein Podium für die AfD bieten. Das heißt,        setzungen eines humanen politischen Systems sorgen. Die Kirche                    einerseits Dialogbereitschaft zu zeigen, wenn etwa AfD-        hat hierfür ja mit ihren Sozialprinzipien »Personalität, Solidarität,             Parlam entarier beim katholischen Büro anklopfen und        Subsidiarität, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit« auch ein Instrumen                    sprechen wollen, dann soll man mit ihnen sprechen. Genau        tarium. Ich meine, das gehört zum Tafelsilber der Theologie und                   wie jeder Katholik und jeder Protestant mit Freunden, im        ist keine Nebenspielwiese, die man vernachlässigen kann.                          Bekanntenkreis, in der Verwandtschaft sein Zeugnis geben        Die sozialethischen Kriterien für das politische Handeln müssen                   muss und nicht nur sein Glaubenszeugnis, sondern auch        klar herausgearbeitet werden. Dass man für Flüchtlingshilfe und                   sein ethisches Zeugnis. Also keine Dialogverweigerung!        gegen Antisemitismus und gegen Rassismus ist, ist selbstver                      Aber man muss einer solchen Partei nicht neue Räume        ständlich. Aber was man speziell nacharbeiten muss, ist etwas,                    für die Verbreitung ihrer »Wahrheiten« eröffnen in der        was ich in aller Vorsicht »Theologie der Demokratie« nennen                       Hoffnung, man werde sie schon entzaubern. Die Vorstel        würde: dass ein politisches System aus katholischer Sicht sich                    lung, man müsse sie nur einmal öffentlich beim Katholiken        nicht vor allem dadurch legitimiert, was es an katholischen Ge                   tag reden lassen und dann seien sie demaskiert, ist völlig        setzen hervorbringt. Sondern dass die Demokratie – selbst wenn                    naiv und unterschätzt massiv das demagogische Potenzial        sie gelegentlich unchristliche Gesetze hervorbringt – als korrektur              dieser Leute.        fähiges System, das den Menschen und seine Würde in den Mit                      Ich halte es zudem für wichtig, dass konservative Katholiken        telpunkt stellt, einen Eigenwert hat, der der christlichen Anthro                und Protestanten im kirchlichen Mainstream nicht an den                                                                                          Rand gedrängt werden. Ich habe das früher auch selbst                                         Der im vergangenen Monat veröffentlichte         erfahren, als eher konservativer Vertreter. Es wurde nach                                         Essayband unseres Interviewpartners setzt        dem Motto verfahren: »Wer einmal beim Forum Deutscher                                                                                          Katholiken gesprochen hat, ist verstrahlt und taugt nicht                                                      sich mit den Versuchungen einer     mehr als Referent.« Solche Ausgrenzungsmechanismen                                                  schrumpfenden katholischen Kirche       gegenüber Konservativen treiben diese Leute, die eigent                                                                                          lich gar nicht rechtskonservativ oder rechtsradikal werden                                                            auseinander und bricht eine   müssten, in die Hände der politischer Rattenfänger. n                                                                  Lanze für die Ökumene.                                                                        Andreas Püttmann       interview und bearbeitung: thomas meinhardt (60)                                                                                                                              Der Redakteur des Franziskaner ist                                                     Wie katholisch ist Deutschland …                                                                … und was hat es davon?                      Diplom-Soziologe und lebt in Idstein im Taunus                                                                                          Das vollständige Interview mit Dr. Andreas Püttmann                                        Bonifatius, 16,90 €, ISBN 978-3-89710-712-0       33www.zeitschrift.franziskaner.de16 rechtspopulismus
geistlicher wegbegleiter – sommer 2017 	                                     im glauben reifen                    geistlicher wegbegleiter                    Im Glauben reifen©kerstin meinhardt  In einem Glaubensgespräch be         wird unser Glaube spannend und         ständig wächst. Damit er wächst,                    schäftigten wir uns mit dem Apos     lebendig.« Wir kamen zur Überzeu      braucht er Pflege. Wie eine Pflanze,                    tolischen Glaubensbekenntnis. Ein     gung: Es ist gut, dass wir die Texte,  die sich entwickelt, braucht unser                    Text aus dem fünften Jahrhundert      die uns durch die Kirche überliefert   Glaube Licht, Nahrung, Ruhe, Auf                    nach Christus, der Sonntag für        worden sind, bewahren und beten.       merksamkeit, Liebe.                    Sonntag in den christlichen Kirchen   Sie regen uns an, Fragen zu stellen,                    gebetet wird. »Wäre es nicht besser,  den Glauben neu zu bedenken und        Wir laden Sie ein, einmal Ihr persön                    das Glaubensbekenntnis in heutiger    ihn auch in die heutige Sprache zu     liches Wachsen und Reifen im                    Sprache zu formulieren? Die Frage     übersetzen.                            Glauben zu meditieren. Lassen Sie                    nach Gott stellt sich heute doch                                             ruhig und ehrlich auch die Fragen                    ganz anders als vor 1.500 Jahren.«    Nicht nur im Lauf der langen Mensch   und Zweifel zu. Und staunen Sie,                    Eine andere nickte: »Durch die mo    heitsgeschichte wandelt sich das       was aus dieser »Pflanze« geworden                    derne Wissenschaft wissen wir zum     Glaubensverständnis, auch im Lauf      ist und noch werden kann.                    Beispiel, dass sich die Welt allmäh  eines jeden Menschenlebens – von                    lich und stufenweise entwickelt hat   einem nicht hinterfragten Kinder      Wir wünschen Ihnen einen frucht                    und nicht fix und fertig von Gott     glauben zum Aufbegehren in der         baren geistlichen Weg und eine er                    geschaffen wurde.« Andere meinten:    Jugendzeit hin zu einem erwachse      füllte Sommerzeit!                      »Nein, einen solchen Basistext wie    nen Verständnis des Glaubens.                    das Glaubensbekenntnis kann man       Unser Glaube ist keine Schatzkiste     Ricarda Moufang und                    nicht einfach verändern. Wenn wir     mit katalogisiertem Inhalt, sondern    Helmut Schlegel                    uns an manchen Auss agen reiben,     ein lebendiger Organismus, der                                      Ricarda Moufang (56) ist Referentin im Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg.                    Helmut Schlegel OFM (74) ist Leiter des Zentrums für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg in Frankfurt.                                                                                                                         17
geistlicher wegbegleiter – sommer 2017 – juli	                                                  im glauben reifen  © bilder links und rechts: günter harmelingMeine Geschichte                                                  gespräch mit der bibel       mit Gott                                                                  »Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der ›Ich-bin-                                                 meditation       da‹. Und er fuhr fort:So sollst du zu den Israeliten sagen:                                                            Du    Der ›Ich-bin-da‹ hat mich zu euch gesandt.Weiter sprach                                                                  Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott                                          mein roter Faden        eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der                                     Von der Nabelschnur          Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein                                                                  Name für immer und so wird man mich nennen in allen                                           bis zum Grablot        Generationen.« (Ex 3,14 f.)                          seidener Faden in Todesangst                                                                  Mehr als ein Name ist, was Gott dem Mose offenbart.                              Seemannsgarn im Zweifel             »Ich bin da« ist der Ausdruck zeitloser Gegenwart: Im                              festes Tau im Seelensturm           Hier und Jetzt ist Gott, in jedem Augenblick meines                       Drahtseil auf Messers Schneide             Daseins,ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht.Leben                                                                  ist immer Sein vor Gott. Ein Ja zum Leben ist Gebet.                                        Unsichtbares Netz                               vom Ich zum Wir zum Du             »Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und                                                                  gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in                                              zeitloser Halt      der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.«                                                 in haltloser     (1 Joh 4,16)                                                           Zeit                                                                  Die Sinne, der Verstand, die Worte – sie alle erreichen               fünf anregungen für den alltag                     Gott nicht, weil er immer der ganz Andere ist. Er wohnt               •• Ich atme das Wort »Gott« ein und aus und       in unzugänglichem Licht. Das ist die Not des Glaubens.                                                                  Doch es gibt einen sicheren Weg zu Gott – die Liebe.                   spüre,wie ich durchströmt werde von Leben,     Wo immer Menschen über das Ego hinaus denken, wo                   Licht, Liebe.                                  sie uneigennützig handeln, wo sie vergeben, wo das               •• Die Geschichte meiner Gottesbeziehung          kleine Wort »Du« ihr Herz bewegt – da sind sie bei Gott                   ist kein künstlicher Kanal,sondern ein leben  und in Gott.                   diger Fluss. Oder: Welche anderen Bilder                   stellen sich bei mir ein?                      impuls               •• Ich suche Orte auf,die mir von Gott erzählen.               •• Ich denke an Menschen, deren Leben für         Jeder Mensch geht einen eigenen Weg mit Gott. Man                   mich Gott bezeugt.                             che erfahren Gottes Nähe schon früh und intuitiv, in               •• Im Gebet bitte ich Gott, mir seine Version     der Natur, im Spiel, im Staunen. Andere »erlernen« Gott                   der Geschichte mit mir zu erzählen.            durch ihre Eltern, Großeltern, Pfarrer, Lehrerinnen oder                                                                  Freunde. Meine Beziehung zu Gott wandelt sich im      18                                                          Laufe der Zeit, ebenso verändert sich mein Bild von                                                                  Gott. Eine andere Erfahrung ist Gottes Abwesenheit                                                                  und sein Nicht-Eingreifen, was häufig Glaubenskrisen                                                                  auslöst und tiefe Zweifel weckt. Menschen erleben aber                                                                  auch die ganz persönliche Berufung und die mystische                                                                  Einheit mit Gott:                                                                  •• V ielleicht ist Gott mein Freund und Ratgeber oder                                                                     mein intimster Gesprächspartner?                                                                  •• V ielleicht ist er ein Richter, vor dem ich mich fürchte.                                                                     Oder Gott ist für mich die Liebe?                                                                  •• Vielleicht ist Gott für mich mehr als Person, mehr als                                                                     Mann oder Frau, mehr als Schöpfer?                                                                  •• Welchen Weg bin ich mit Gott gegangen? Welchen                                                                     Weg ging Gott mit mir?
geistlicher wegbegleiter – sommer 2017 – august	                                                         im glauben reifengespräch mit der bibel                                           fünf anregungen für den alltag»Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den                 •• Woran denke ich, wenn ich das Wort Kirche höre?Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und                    Welche Gefühle kommen mir?geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zueinem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen                 •• Kenne ich Menschen, die für mich glaubwürdigPriesters chaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer            Kirche verkörpern?darzubringen, die Gott gefallen.« (1 Petr 2,4f.)                                                                 •• Ich meditiere die biblischen Bilder von der Kirche:»Er (Christus) ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist          Schiff auf dem Meer – Gottesvolk auf dem Weg –die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der               Zelt – Fels – Gebäude mit dem Eckstein Christus –Toten; so hat er in allem den Vorrang.« (Kol 1,18)                  Leib Christi.Der Eckstein hat neben der gestalterischen auch eine             •• Wenn ich mich als »lebendigen Stein« im Bauwerkstabilisierende Funktion: Er gibt Halt in verschiedene              Kirche verstehe, wo sehe ich meinen Platz?Richtungen. Die Steine sind in der Vorstellung der Bibelnicht materiell und tot, sondern lebendig und beweg             •• Wenn ich mich als wachsendes, aber auch verlich. Dies gibt dem »Gebäude Kirche« eine besondere                 letzbares Glied im Organismus Kirche verstehe,Dynamik. Und doch ist es gut,dass im Neuen Testament                was empfinde ich dabei?das Bild vom Organismus jenes vom Bauwerk »überholt«. Kirche ist mehr als Architektur, sie ist Beziehung.Weil Christus das Haupt des Leibes Kirche ist, muss dieentscheidende Frage der Kirche immer die Frage nachJesus sein.impuls                                                                 meditationMeine Beziehung zur Kirche ist so vielgestaltig wie die                FELS auf dünnem EisKirche selbst. Es gibt die Gemeinde, in der ich aufwuchs.              getragen von HoffnungEs gibt die Gemeinde(n), wo ich Gottesdienst feiere. Es gibt           von Sehnsuchtdie sozialen und politischen Kircheninitiativen. Es gibt die           von Not.Institution,mit Bischöfen und Papst,Dogmen und Kirchenrecht. Es gibt Kirchenräume, in denen das Heilige spürbar              Eingeritzt in die Felswändeist. Es gibt die Weltkirche.                                           verwittert und trotzig                                                                       das ewige WortKirche ist ein weites Feld:                                            das alte Versprechen:•• V ielleicht ist die Kirche für mich das einzig Sichere in                                                                       Wir werden   einer unberechenbaren Welt, ein Ort der verlässlichen               übers Wasser gehen.   Menschen und stabilen Strukturen?•• Vielleicht komme ich mit den vielen Reformen, mit den              Hand   Großpfarreien und mit dem schmerzhaften Schrumpfen                  in Hand.   der Gemeinden nicht zurecht?•• V ielleicht gehen mir die Veränderungen aber auch viel       Meine Geschichte   zu langsam voran und ich kritisiere das starre Festhalten     mit der Kirche   an Dogmen und »unmodernen« Lebensvorschriften?•• V ielleicht wurde ich durch die Kirche verletzt und sie ist                                                               19   mir fremd geworden?•• Vielleicht sind Kirchenräume meine spirituellen Rück   zugsorte?Welchen Weg bin ich mit der Kirche gegangen?
geistlicher wegbegleiter – sommer 2017 – september	  im glauben reifen    meditation                Meine Geschichte                              mit dem Glauben    Ich vertraue    auf eine Liebe    die jeden Menschen sucht    ich vertraue    auf eine Kraft    die jedes Herz umwirbt    ich vertraue    auf dich Menschensohn    und auf die Gemeinschaft    der deinen    auf die Heilung    die uns zugesprochen ist    im JETZT    das niemals aufhört    impuls                                               gespräch mit der bibel                                               © günter harmeling    Begonnen hat meine Glaubensgeschichte – so           »Amen, das sage ich euch:Wenn euer Glaube auch nur so groß ist    sagt es jedenfalls die Bibel – vor meiner Zeit.      wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von    Sie sagt, dass mein Glaube tiefer geht als mein      hier nach dort! und er wird wegrücken.Nichts wird euch unmöglich    Bewusstsein.Sie sagt,dass Glaube eine Partner       sein.« (Mt 17,20)    schaft ist, in der ich »seit Ewigkeit geliebt« bin.    Wenn das stimmt, dann ist meine Glaubens            Eines der bekanntesten Gleichnisse der Bibel: Der Glaube als Senf    geschichte zuerst »Seine« Geschichte. Glaube         korn. So klein, dass es unter den Fingernägeln verschwindet. Und    ist Gnade, Geschenk, gratis. Wenn »Credo«            doch wohnt in ihm eine große Kraft.Ist es nicht oft unsere Not,dass    bedeutet, das Herz zu verschenken (cor dare),        wir nicht an die Kraft des Glaubens glauben? Dass wir selbst unse    dann ist mein Ja-Wort Antwort auf das schon          ren Glauben kleinreden? Dabei ist er gerade dasWunder.Die kleins    immer gegebene Ja-Wort Gottes:                       ten Schritte im Glauben – ein Senfkorn Vertrauen, ein kleiner Spalt                                                         Wagnis, ein Schimmer an Hoffnung – verändern die Welt.    •• M eine Glaubensgeschichte ist kein massiver       Block, sondern eine Geschichte, da ist etwas      fünf anregungen für den alltag       »geschichtet«.                                                         •• W as glaube ich? – Wem glaube ich? Ich mache mir bewusst,    •• D a lagern verschiedene Schichten überein          dass die Frage nach dem »Du« die entscheidende Glaubens       ander. Es gibt Sedimente aus guten und               frage ist.       harmonischen Zeiten. Und es gibt poröse       Schichten, die aus Zeiten stammen, da alles       •• Ich meditiere meinen Glauben angesichts eines blühenden       zusammenzubrechen drohte.                            Baumes, eines Kindergesichtes, eines Kunstwerks, eines Grab                                                            steins, eines Christusbildes.    •• In jedem Fall ist diese Geschichte lebendig.       Mein Glaube ist ein Beziehungsgeschehen.          •• Ich zeichne meine Glaubensgeschichte in der Form eines Flusses                                                            nach. An welche markanten Stellen erinnere ich mich?    •• D eswegen stehen wohl die Glaubensinhalte       nicht an erster Stelle. Glaube ist zuerst eine    •• W as wäre in meinem Handeln und in meinen Begegnungen       Beziehung – ein wortloses Band von Herz              anders, wenn ich nicht glaubte? Warum?       zu Herz.                                                         •• Ich meditiere das »Du-Gebet«,das Franz von Assisi geschrieben                                                            hat (Gotteslob Nr. 7,2) und formuliere selbst ein Du-Gebet.20
kleines theologisches wörterbuch                               Religiöser Fundamentalismus ist brandgefährlich. Sein             Wie also erlebt sich der Glaubende in der Geschichte?                                       Gottesbild bestimmt auch die Sicht von Geschichte:         Mir selbst scheint wichtig:                                       So ein Gott greift unmittelbar ein, schafft Sieger und     Christsein geht nur in Geschichte, nicht neben                               Verlierer, macht die einen stark und lässt andere untergehen.      ihr. Gott hat sich geschichtlich offenbart. Er ist in                               »Im Namen Gottes« geschehen in der Geschichte unvorstell          Jesus in die Geschichte eingetreten. Jesus sendet                               bare Grausamkeiten.                                                in die Geschichte.                                                                                                  Das Reich Gottes beginnt schon in der Geschichte,                               Sollte man Gott nicht besser ganz aus der Geschichte heraus       aber es ist nie mit einer konkreten geschichtlichen                               halten? Nun können gerade wir Christen das nicht: Die Hei         Situation zu identifizieren. »Die Geschichte ist                               lige Schrift erzählt durchgehend von Menschen, die in ihrer        nicht das Letzte, um was es geht. Aber es geht um                               Geschichte auch eine Geschichte zwischen Gott und sich             das Letzte nur in der Geschichte«                               erfahren. Gott ist nicht über oder hinter der Geschichte. Die      (Alfred Delp SJ).                               Geschichte ist Raum Gottes. In Jesus wird er selbst ein Stück      Geschichte ist auf weite Strecken grausam und                               Geschichte. Im Glauben an die Wiederkunft Christi steckt           unverständlich. Aber es gibt in der Geschichte                               die Überzeugung, dass die Geschichte auf ihn zuläuft und           auch die Erfahrung von Versöhnung, Solidarität,                               in ihm ein gutes Ende findet.                                      Einsatz für Gerechtigkeit. Dabei können wir                                                                                                  etwas vom Reich Gottes ahnen.                               Diese Konzeption von »Heilsgeschichte« will Grundfragen           Wir können Geschichte nicht »machen«, haben                               beantworten, die sich auch in völlig säkularer Form stellen:       aber Verantwortung in ihr. Geschichte ist                               Kann man Geschichte verstehen? Gibt es einen Sinn in der Ge       immer offen, appelliert an unsere Freiheit, for                               schichte? Hat Geschichte ein Ziel? Konkret: Verläuft Geschichte    dert Entscheidungen. Politik und Weltgestal                               in einer aufsteigenden Linie, so dass, durch alle Katastrophen    tung gehören untrennbar zur christlichen                               hindurch, letztlich alles immer besser wird? Davon haben die       Berufung.                               Marxisten geträumt oder die Fortschrittsutopisten der Siebziger  Als Gott in Jesus Mensch wird, schreibt er keine                               jahre. Oder steuert alles auf die große Katastrophe zu? Dafür      Siegerg eschichte. Sein Leben ist die Geschichte                               gibt es realistische Szenarien. Oder wabert die Geschichte im      eines Verlierers. Christen haben daher einen                               Kreis vor sich hin? Nach Karl Popper hat die Geschichte keinen     besonderen Blick für die Opfer der Geschichte.                               Sinn, aber der Mensch kann ihr einen Sinn verleihen. Friedrich     Der Glaube selbst ist geschichtlich. Er hat sich                               Nietzsche hat der Kirche                                           im Lauf der Geschichte immer weiter entf altet                               vorgeworfen, die Ge                                               und kulturell wie sprachlich wechselnde Aus                               schichte Israels wie die                                           drucksformen angenommen. Auch mein Lebens                                                                                                  weg ist eine lebendige Geschichte mit Gott. n                               GeschichteMenschheitsgeschichte                               zur Vorgeschichte des                               Christentums gefälscht    Menschheitsgeschichte;                                                  cornelius bohl ofm (55)                               zu haben.                 Gottes Geschichte mit den Menschen                          ist Provinzialminister der Deutschen                                                                                                                                          Franziskanerprovinz© okalinichenko – fotolia.com                                                                                                                      theologischer impuls                     21
VivereLeben in franziskanischer InspirationFranz von Assisi und die franziskanische Spiritualität haben für viele Menschen etwasBegeisterndes. Seit Anbeginn der Bruderschaft des heiligen Franziskus machten sich daherimmer wieder Männer und Frauen auf den franziskanischen Weg der Nachfolge Christi.Die, die dies nicht in einer klösterlichen Gemeinschaft tun wollten, aber gleichw ohl denAnschluss an eine Gruppe suchten, traten sogenannten »Laienbewegungen« bei.Auch heute existieren eine Vielzahl solcher Weggemeinschaften, oftmals fühlen siesich einer Ordensniederlassung besonders verbunden.Hiltrud Bibo aus Kiedrich im Rheingau teilt die Begeisterung         Die Gelegenheit bot sich, als die Franziskaner Hermannvieler Menschen für den heiligen Franziskus und hat das An          Schalück, Helmut Schlegel, Johannes Küppers und Martinsteckende der franziskanischen Spiritualität in vielen Begeg        Lütticke vor zwei Jahren mit der Idee einer neuen franziskanungen mit Franziskanern immer wieder erfahren. Spätestens           nischen Bewegung an die Öffentlichkeit traten. »Wir fanden,ihre Teilnahme an Studienreisen der Missionszentrale der             es war an der Zeit, endlich das Verhältnis von Laien und OrdensFranziskaner nach Indien und Assisi und das intensive Erleben        leuten neu auszurichten. Es braucht einen Aufbruch aus derdes gemeinsamen Unterwegsseins mit einer Gruppe gleich              Abgeschlossenheit des Ordenslebens«, so meint Hermanngesinnter Männer und Frauen ließen in ihr einen Wunsch               Schalück, der ehemalige Generalminister der Franziskaner.reifen: »Das Franziskanische« soll nicht nur in punktuellen          »Vivere«, so nennt sich der neue Impuls für ein franziskaniBegegnungen aufscheinen oder bei gemeinsamen Reisen                  sches Miteinander. Es ist ein Angebot an Menschen wie Hiltrudspürbar sein, sondern in den Alltag ausstrahlen …                    Bibo, die auf der Suche nach einer Verortung im »Franziska                                                                     nischen« sind.                                  »Was das Franziskanische genau     Im Juni 2015 lud die Deutsche Franziskanerprovinz erstmals                                  ist? Das ist schwer zu fassen!«,   zu zwei Begegnungstreffen unter dem Titel »Vivere« ein. Seit                                  lacht die sympathische 56-jäh     dem gab es eine Reihe an bundesweiten und regionalen Ver                                  rige Chemieingenieurin. »Ei       anstaltungen. Ziemlich bald nach dem ersten Treffen im Haus                                  gentlich bin ich beruflich und     Ohrbeck fand sich eine erste Regionalgruppe im Rheinland,                                  durch ehrenamtliches Engage       und auf dem Hülfensberg trifft sich im dortigen Kloster regel                                  ment voll ausgelastet, und ich     mäßig eine Regionalgruppe, die von Johannes Küppers unter                                  will auch noch Zeit für meine      stützt wird. Weitere Gruppen existieren mittlerweile in Ohr                                  Enkeltochter haben, aber da gibt  beck und in Fulda.                                  es etwas, dem ich auf den Grund    Hiltrud Bibo ist seit den ersten Treffen der Vivere-Bewegung                                  gehen möchte! Für Einzelne ist     dabei. Mit Ulrich Rau von der Regionalgruppe Rheinland und                                  es meist schwierig, im Alltag      Pater Hermann hatte sie das Konzept für ein Vivere-Wochen                                  Veränderungen anzustoßen.          ende im Franziskanerkloster Großkrotzenburg entwickelt,                                  Daher bin ich auf der Suche nach   das Ende April mit 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern                                  einer Gruppe von gleichgesinn     stattfand. Im Nachgang traf sich bereits eine mögliche Regional                                  ten Menschen, mit denen ich        gruppe Rhein-Main. Ob Hiltrud Bibo dort die erhoffte franzis                                  mich austauschen kann, die         kanische Weggemeinschaft findet und ob es in der Vivere-                                  mich bestärken oder die mir        Bewegung eventuell sogar zu gemeinschaftlichen Lebens                                  auch mal kritisch den Spiegel      projekten kommt, bleibt abzuwarten.                                  vorhalten. Ich hoffe, so eineWeg                                  gemeinschaft zu finden. «                                                Hiltrud Bibo beim Vivere-Wochenende in Großkrotzenburg22 franziskanisch leben
Im vergangenen Jahr wurde beim überregionalen Jahrestreffen von Vivere                       Vivere-Wochenende in Großkrotzenburgdas Leitbild der neuen Bewegung und deren Strukturen diskutiert. »Das                        mit Hermann Schalück OFMwar schwierig, ja geradezu konfliktträchtig«, erinnert sich Pater Hermann.Aber gemeinsam einen guten Weg zu finden, Konflikte zu bewältigen, isteine wichtige Erfahrung. In diesem Jahr wird vom 30. Juni bis zum 2. Juliim Franziskanerkloster in Rheda-Wiedenbrück der Schwerpunkt des Bundestreffens auf der Vertiefung der franziskanischen Spiritualität, dem Wahrnehmen der Schöpfung und dem Zusammenwachsen der Gemeinschaftliegen.In der franziskanischenWelt gab es immer wieder Aufbrüche. Manches zartePflänzchen machte in seiner Wachstumsphase eine Reihe an Anpassungendurch. Nicht alle blühten und trugen Früchte. Die älteste heute noch existierende Laienbewegung in der katholischen Kirche ist der Ordo FranciscanusSaecularis (OFS), früher Franziskanische Gemeinschaft genannt. Seine Anfänge reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Heute gehören weltweit mehrere hunderttausend Christen beiderlei Geschlechts, aller Altersstufen undBerufe sowie in den verschiedensten Lebensverhältnissen zum OFS, darunter auch Priester und Bischöfe. Auch der OFS ist in Regionalgruppenorganisiert. Hätte Hiltrud Bibo nicht auch im OFS eine franziskanische Heimatfinden können? »Vielleicht, aber mich hatte die Idee gepackt etwas Neueszu entwickeln und dabei über die Grenzen des ›katholischen Milieus‹ hinauszugehen«, meint die Rheingauerin. »Vivere ist sehr offen und weltzugewandt,das zeigt auch unser Leitbild, bei uns muss man – strenggenommen – nichtmal Christ sein. Aber wir sehen uns nicht als Konkurrenz, wir hoffen aufeinen guten, partnerschaftlichen Kontakt mit der gesamten franziskanischenFamilie.«Vivere, die junge franziskanische Bewegung, versteht sich als Bereicherung,als Teil eines franziskanischen Netzwerks. Bei den Treffen von Vivere sindfolglich auch immer wieder Mitglieder anderer franziskanischer Weggemeinschaften oder des OFS dabei. Inwieweit sich auch Brüder und Schwestern verstärkt in diese Aufbruchbewegung einbringen, wird sich zeigen.Damit es wirklich zu einem neuen Miteinander, zu einer Neubestimmungdes Verhältnisses von Laien und Ordensleuten kommt, wäre dies sichernötig. n                                                                          kerstin meinhardtInformationen zu franziskanischen Weggemeinschaften, Taukreisen, Vivere, demOFS und anderen Gruppen 3 3 franziskaner.net/mitmachen/franziskanisch-leben»Vivere« bedeutet Leben (aus dem Leitbild von Vivere 3 3 www.vivere-leben.de)Leben als Geschenk und Aufgabe war die Vision von Franziskus und Klara von Assisi.Unter Vivere verstehen wir die Bewegung, in der wir gemeinsam nach einem Weg suchen, das Evangelium in franziskanischer Spiritualität zu leben – zunächst in unserem jeweiligen persönlichen Alltag, aber auch mit der Perspektive,Gemeinschaftsleben zu wagen. Unser Glaube ist unsere gemeinsame Kraftquelle.Wir wollen in geschwisterlichem Einklang mit und in Verantwortung für die Schöpfung leben. Wir suchen den Dialog mitallen Menschen und allen Religionen. Wir setzen uns mit den drängenden Fragen des Glaubens und der Religionen, derGesellschaft und einer globalisierten Welt auseinander. Wir wenden uns den Armen und Ausgegrenzten liebevoll zu,teilen mit ihnen und setzen uns aktiv für Frieden und Gerechtigkeit auf dieser Welt ein.Vivere heißt alle Menschen – gleich welcher Herkunft, Religion, Weltanschauung oder Prägung – willkommen, die sich mituns auf diesen Weg machen wollen. Wir treffen uns sowohl in Regionalgruppen als auch zu überregionalen Veranstaltungen. Auch zwischen den Treffen halten wir Kontakt untereinander (zum Beispiel in einem Internetforum) und bleibenin Gedanken und im Gebet miteinander verbunden.                                                                                                      franziskanisch leben 23
Franziskanische FamilieFranziskaner zwischen Einheit und VielfaltMenschen, die ein Tau-Kreuz um den Hals tragen, kann man unschwer als           »Ich habe das Meine getan, was euer ist, mögefranziskanisch inspiriert erkennen. Das gilt auch für die Kuttenträger mit der  euch Christus lehren!« Mit diesen Worten entweißen Kordel. Aber nur der »Eingeweihte« wird auch gleich an Farbe und         ließ der sterbende Franziskus seine Brüder inForm des Ordenskleides erkennen, ob es sich dabei um Franziskaner, Konven      eine selbstverantwortete offene Zukunft. Zwartualen (bzw. »Minoriten«) oder Kapuziner handelt. So lauten die eher volks     wusste sich die junge Gemeinschaft an die getümlichen Bezeichnungen der drei Männerorden, die aus der Gemeinschaft          meinsame Regel und das inspirierende Beispielder Minderbrüder um Franziskus von Assisi hervorgegangen und heute in           des Gründers gebunden; die konkrete zukünfDeutschland mit je einer Ordensprovinz vertreten sind. Ein Blick in die Ge     tige Gestalt jedoch galt es immer wieder neuschichte zeigt, dass das Erscheinungsbild des Minderbrüderordens in der         zu finden im Hinhören auf das Gotteswort undVergangenheit noch viel unübersichtlicher war. Aber wie kam es überhaupt        auf die religiösen und sozialen Anliegen derzu dieser Vielfalt? Macht sie heute noch Sinn?                                  jeweiligen Zeit. Der Bewegung standen unend                                                                                lich viele Gestaltungsformen offen, was freilich,                                                                                historisch gesehen, zu einer Profilunschärfe                                                                                führte. Wofür stehen die Franziskaner eigent                                                                                lich? Das ließ und lässt sich leichter bei den                                                                                reinen Priesterorden sagen oder auch bei den                                                                                jenigen neuzeitlichen Gründungen, die man                                                                                »funktionale Orden« nennen könnte, da sie ein                                                                                bestimmtes Aufgabengebiet als Gründungs                                                                                zweck und Identitätsmerkmal aufweisen.                                                                                1517: die erste spaltung                                                                                Vielen Spaltungen und Neugründungen inner                                                                                halb des franziskanischen Männerordens lagen                                                                                denn auch keine konkreten sozial-pastoralen                                                                                Orientierungen zugrunde, sondern die Intuition,                                                                                etwa den Armutsgedanken oder die kontem                                                                                plative (zurückgezogene) Lebensweise der                                                                                Anfangszeit wieder neu zu beleben. Die Reform                                                                                gruppen nutzten dazu die verfügbaren Charis                                                                                men in den eigenen Reihen und machten sich                                                                                die hilfreiche Unterstützung durch kirchliche                                                                                und weltlicheWürdenträger dienstbar. Guada                                                                                lupenser, Amadeiten und Clarener benannten                                                                                sich nach ihrem Ideengeber, die Colettaner gar                                                                                nach Colette von Corbie (1381–1447), der                                                                                französischen Klarissenreformerin. Nominell                                                                                blieben alle Gruppierungen der Minderbrüder                                                                                unter dem Dach des einen Franziskanerordens                                                                                geeint, bis Papst Leo X. im Jahr 1517 alle reform                                                                                willigen Brüder im sogenannten Orden der                                                                                Minderbrüder von der regulären Observanz                                                                                (kurz »Observanten« – als Ausdruck der strik                                                                                ten Befolgung der Armutsforderungen der24 franziskanische familie
Die franziskanische Familie wird häufig als Baum mit     Erster Ordenzahlreichen Ästen und unzähligen alten und neuenTrieben beschrieben. Selbst Eingeweihte überblicken denBaum in seiner Gesamtheit nicht immer. Aus Anlass derersten »Verzweigung« eines der Hauptstämme desfranziskanischen Baumes vor 500 Jahren – 1517 spaltetesich der franziskanische Männerorden – starten wir miteinem Beitrag über den sogenannten Ersten Orden eineReihe zur Geschichte der franziskanischen Familie.Ordensr egel) zusammenfasste. Daneben be         wiedervereinigung und/oderstand der nun separate Orden der Franziskaner-    franziskanische ökumene?Konventualen, die sich mehr auf ein Gemeinschaftsleben in Großkonventen verlegt hatten       Nach den Einbrüchen des 19. Jahrhunderts – die meisten Orden hatten nichtund aufgrund päpstlicher Privilegien Eigentum      nur numerisch unter den diversen Säkularisierungswellen gelitten – wurdeerwerben durften.                                  der Observantenorden neu aufgestellt. Papst Leo XIII. sah in einem geeinten                                                   Orden größere Chancen für eine tiefgreifende Erneuerung. So vereinigte erein franziskanischer                               1897 alle der Observanz zugehörigen Zweige zum Minderbrüderorden, derenflickenteppich                                     Mitglieder sich heute – in Abhebung von den Konventualen und Kapuzinern –                                                   weithin einfach Franziskaner nennen. Heutzutage mag es so aussehen, als seiDoch diese Zäsur war nicht mehr als eine his      die Maßnahme Leos XIII. halbherzig gewesen, da sich die Frage weiterhintorische Momentaufnahme, da die nächsten           stellt: Ist es nicht an der Zeit, dass sich alle historischen männlichen franzisReformer sozusagen bereits in den Startlöchern     kanischen Erstordenszweige zusammenschließen, um ein für alle Mal einenknieten. Die Kapuziner, welche sich zunächst       Schlussstrich unter die oft hässlichen und banalen Rivalitäten der Vergangen»Minderbrüder vom eremitischen Leben«              heit zu ziehen? Was Franziskaner, Konventualen und Kapuziner heute vonnannten, breiteten sich seit 1574 von Italien      einander trennt, ist in der Tat relativ unerheblich und drückt sich vor allemherkommend über die Alpen aus und erlang          durch unterschiedliche gruppenspezifische Verhaltensformen und Gebräucheten 1619 die völlige Eigenständigkeit als nun     aus. Diese Orden auf weltweiter Ebene zusammenzuführen, käme jedochmehr dritter Minderbrüderorden. Ihr ursprüng      einem administrativen Herkulesakt gleich, der die Kräfte der Brüder für minlich zurückgezogenes Leben wich jedoch bald        destens ein oder zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde. Dabei rückeneiner umfangreichen Predigttätigkeit. In Italien,  die franziskanischen Männerorden bereits heute mehr zusammen. GemeinsaSpanien und Frankreich bildeten sich etwa zeit    me Projekte mit den je anderen Ordenszweigen, aber auch mit Franziskanergleich die Reformgruppen der Reformaten,           innen und Klarissen führen zu einer gelebten »franziskanischen Ökumene«,Alkantariner und Rekollekten innerhalb des         die überraschende Synergien schafft; wie beispielsweise bei dem in der weltObservantenordens aus. Auch hierzulande            weiten franzisk anischen Familie angewandten Lern- und Reflexionsprogrammspiegelten sich diese Prozesse. Nach den Ein      zum franziskanisch-missionarischen Charisma. Zudem werden die jungen Ordensschnitten von Reformation und Dreißigjähri        mitglieder dazu angeleitet, über den nationalen Tellerrand zu schauen undgem Krieg wiedererstarkt, nahm sich die franzis   sich auf die internationale Vernetzung der franziskanischen Bewegung einzukanische Präsenz in den (ungefähren) Grenzen       lassen. Momentan schicken die deutschen Franziskaner ihre Novizen nachdes heutigen Deutschlands wie ein Flicken         Killarney/Irland, die Kapuziner nach Salzburg und die Konventualen nach Assisi.teppich aus. Die Konventualen waren mit zwei,die Kapuziner mit vier Provinzen vertreten.        Im späten 17. Jahrhundert erklärte der niederländische Minderbruder MathiasAufseiten der Observanten nahmen vier Pro         Croonenborch das Fehlen eines einheitlichen franziskanischen Exerzitienentvinzen die Rekollektenreform an. Die bayeri       wurfes mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Vorlieben in Sachen geistlichesche sowie die nach Südwestdeutschland hin        Übungen, genauso wie die einen ja den spanischen, andere den Rheinwein beeinragende vorderösterreichische Provinz da      vorzugen würden. Eine strikt reglementierte Uniformität wargegen schlossen sich auf Druck der Landesher      nochniedieStärkeder franziskanischen Bewegung. Vielleichtren den Reformaten an und unterhielten enge        braucht es diese auch gar nicht, solange der »franzisk anischeBeziehungen nach Italien. Im Grunde genommen       Wein« – in allen seinen farblichen und geschmacklichenversuchten Rekollekten wie Reformaten, dem         Nuancen – nach der Freiheit des Evangeliums und der Lefranziskanischen Armuts- und Bußgedanken           bensfreude des »kleinen Armen aus Assisi« schmeckt. neine neue Gestalt zu geben, wobei sich die Rekollekten – wie im Namen (»die Gesammelten«)                                                benedikt mertens ofm (54)angedeutet – auch als Spezialisten des inneren           Der Theologe ist Schriftleiter der wissenschaftlichen Zeit-Gebetes profilierten.                                    schrift »Archivum Franciscanum Historicum« und lebt im                                                                                Franziskanerk onvent San Isidoro in Rom                                                                       franziskanische familie                                        25
Kapuziner – Franziskaner – Minoriten                     Der jeweilige Stallgeruch und die leeren StälleWorin bestehen sie denn eigentlich: die             befindet sich jeweils ein junger Mann in der ersten Orientierungsphase,Unterschiede zwischen den drei franzis             dem Postulat; jeweils vier jüngere Franziskaner und Kapuziner befindenkanischen Männerorden? Einige Antwor               sich derzeit im sogenannten Juniorat, das heißt, sie haben sich zeitlich,ten lassen sich sicher in der Geschichte            aber noch nicht auf Dauer an den Orden gebunden. Das Durchschnittsalterfinden. Aber worin bestehen die Unter              beträgt bei den Franziskanern 74, bei den Kapuzinern gut 66 und bei denschiede 500 Jahre nach der ersten Teilung           Minoriten knapp 65 Jahre.des Ordens heute noch? Und wie sieht dieSituation im Jahr 2017 in Deutschland aus?          die minderbrüder der deutschen provinzen                                   © bild oben: kapuzinerprovinz österreich-südtirol/sarah schuller-kanzianUm dieser Realität auf die Spur zu kommen,habe ich ein wenig Recherche betrieben              davon 8 Brüder                                   davon 16 Brüderund die drei Provinzialminister Cornelius             im Ausland                                        im AuslandBohl OFM (Franziskaner), Bernhardin M.Seither OFMConv (Minorit) und Marinus                                    122           288Parzinger OFMCap (Kapuziner) um Infor                                   Kapuziner     Franziskanermationen und Stellungnahmen gebeten.                                                                            44die zahlen sind durchaus                                                    Minoritenernüchternd                                                    davon 3 BrüderIn den jeweiligen Deutschen Ordensprovinzen           im Auslandleben derzeit 288 Franziskaner in 35 Konventensowie vier zugeordneten Filialen, 44 Minoritenin 5 Konventen und 122 Kapuziner in 12 Konventen. Novizen gibt es aktuell in keiner der dreiOrdensprovinzen, bei Minoriten und Kapuzinern26 franziskanische familie
und jenseits der zahlen?                                          Können wir uns angesichts der drastisch sinkenden                                                                      Zahlen in allen drei Ordenszweigen einer nochLiest man die Antworten der Provinzialminister, scheint es von        gezielteren verbindlichen Zusammenarbeit verder Lebensweise her keine definierbaren Unterschiede zu               schließen?geben. Auf die Frage nach den jeweiligen Schwerpunktaufgabensind die Antworten ebenfalls kaum zu unterscheiden. Alle          Alle drei Ordenszweige machen sich Gedanken überdrei Ordenszweige sind tätig in Bildungsarbeit, Wallfahrts-,          ihre Grundausbildung in Postulat, Noviziat undExerzitien- und Pfarrseelsorge; alle drei haben soziale Projekte      Juniorat. Die Franziskaner planen ein europäischesund betreiben Beichtpastoral, Gottesdienstaushilfen und               Noviziat in Irland. Die nordwesteuropäische KapuSchwesternseelsorge. Die drei unterscheiden sich durch das           zinerkonferenz hat ähnliche Überlegungen für eineine oder andere Projekt wie Citypastoral oder Gemeinschaften,        Noviziat in Irland. Treffen sich dann in Zukunftdie mit Laien und Menschen mit Behinderung zusammen                  deutsche Franziskaner- und deutsche Kapuzinerleben. Aber wirklich markante Unterschiede sind kaum aus             novizen in zwei getrennten Noviziaten in Irland?zumachen.Alle drei Provinzialminister sprechen von der Schwierigkeit,      Die Diözesankirchen erweitern allerorts ihre pasto»lebensfähige Konvente« zu besetzen, und alle mühen sich,             ralen geografischen Räume und schaffen Megapfarfür die hohe Anzahl der älteren und pflegebedürftigen Brü            reien und Megastrukturen. Wollen auch die dreider adäquate Aufgaben und Orte zu finden, an denen diese              Zweige des Ersten Ordens einfach nur ihre geografiBrüder leben oder betreut werden können. Alle drei haben              schen Grenzen ausweiten? Sprich: In Zukunft gibt esein mulmiges Gefühl mit Blick auf den fehlenden Nach                 eine Europ äische Franziskanerprovinz, eine Europäwuchs. Der strukturelle Umbau der Provinz – zum Beispiel              ische Minoritenprovinz und eine Europäischedie Auflösung von Häusern – sowie die finanzielle Vorsorge            Kapuzinerp rovinz? Ist das wirklich zukunftsfähig?für die kommenden Jahrzehnte beschäftigen die Provinzleitungen aller drei Ordenszweige in gleicher Weise. Erfreu      Natürlich wäre das Zusammengehen der drei Ordenslich ist, dass alle drei dennoch den Mut haben, nach vorne            zweige – systemisch und juristisch gesehen – einzu schauen und Neues zu wagen. Aber wie lange wird die                »Gewaltakt«. Aber haben Kirche und Orden nichtKraft dazu noch reichen? Und: Worin unterscheiden sie sich            schon ganz andere »Gewaltakte« hinbekommen?denn nun wirklich – die drei Zweige des Ersten Ordens desheiligen Franzisk us in Deutschland? Bei dieser Frage ver       Was spricht eigentlich gegen folgendes Zahlenspiel:weisen die drei Ordensleiter (unisono!) auf den jeweiligen        1517 Trennung des Ordens in Konventualen und»Stallgeruch«. Worin dieser aber besteht, vermag keiner sogenau zu formulieren.                                                    ObservantenUnd wie sehen die Provinzialminister die Zukunft des Ersten       1527 KapuzinerreformOrdens in Deutschland? In einem sind sich alle drei einig:        1897 Leoninische UnionAuf alle Fälle braucht es eine stärkere Zusammenarbeit zwi       2017 G edenken an die erste Trennung des Ordensschen den verschiedenen Zweigen. Anknüpfungspunkt könn           2027 Wiedervereinigung des Ersten Ordensten eine gemeinsame Grundausbildung in Postulat, Noviziat         Manchmal entwickeln sich die Dinge deutlich schnellerund Juniorat sein, auch wenn ungewiss ist, wie die obersten       als gedacht. So schlossen die drei Generalminister beiOrdensleitungen in Rom dann dazu stehen werden. Und ob            einem Treffen Ende Mai eine künftige Vereinigung nichtan eine Vereinigung der drei Ordenszweige zu denken sei,          aus. Sie ermutigten vielmehr dazu, Initiative zu ergreifen,beantwortet einer der drei mit dem Satz: »Persönlich kann         neue Formen der Gemeinschaft und der Brüderlichkeitich mir ein Zusammengehen der drei Ordenszweige gut vor          zu »testen«. Vielleicht fangen wir einfach mal damit an,stellen, mit Blick auf die drei weltweiten Orden halte ich es     uns alle wieder »Minderbrüder« zu nennen. Oder – sollaugenblicklich aber noch für sehr unrealistisch.«                 te dieser Begriff vielleicht doch zu sehr in der mittelalter                                                                  lichen Ständeo rdnung verhaftet sein – wie wär’s, wennso weit, so gut, aber ...                                         wir uns ab sofort alle nur noch »Franziskaner« nennen?                                                                  Eine gemeinsame Zeitschrift unterAls Kapuziner kann ich mich – aus ordensinterner nüchterner       diesem Titel hätten wir dann jaSicht – allen diesen Einschätzungen und Zukunftsoptionen          schon. nanschließen. Auch die Rede vom »Stallgeruch« könnte ich mitkeinem anderen Wort ersetzen. Dennoch beschleichen mich                                     christophorusein paar Fragen:                                                                   goedereis ofmcap (52)Was nützt der Stallgeruch, wenn am Ende kein Rind                         ist Kirchenrektor in Frankfurt                                                                       Liebfrauen und Stellvertreter des    mehr im Stall steht (Hab 3,17)?                                               Povinzials der Deutschen                                                                                           Kapuzinerprovinz                                                                  franziskanische familie                                        27
Seine Vision: teilen ziskanerwer                                                                                                    fran                                                                                                                        n»Wir wollten die Welt verändern –                                                                                        den                                                                                                      fdoch die Welt hat uns verändert.«                                                                     ranziskaner seiBruder Peter belädt seinen kleinen PKW mit einigen                   verändern – doch die Welt hatLaib Brot und süßen Stückchen, die er von einer                      uns verändert«, erinnert sichBäckereifiliale kurz vor Ladenschluss gespendet be                 Bruder Peter. Die Veränderungenkommt. Die Lebensmittel sind für den Nachtbus be                    waren auch im Orden massiv spürbar.stimmt, mit dem er in einer Stunde seine Tour durch                  Peter begann seinen Weg kritisch zu hinterfragen und ihm wurdedie Düsseldorfer Altstadt fahren wird, um obdachlo                  klar: »Franziskaner will ich sein, aber zu einer ›Karriere‹ als Priestersen Menschen das Nötigste für die Nacht anzubieten.                  fehlt mir die Berufung.«»Ich fühle mich hier am richtigen Platz. Es ist wahrscheinlich die franziskanischste Zeit meines Lebens.                 Mit abgeschlossenem Theologiestudium, aber ohne den klassischenDen Menschen zu helfen, nah bei ihren Nöten zu                       Weg Richtung Priesteramt, kehrte Peter an den Rhein zurück. Er zogsein, genau das ist es, was ich immer wollte«, freut                 nach Essen in eine Franziskaner-Kommunität in einer Obdachlosensich Bruder Peter, der vor Kurzem seinen 70. Ge                     siedlung. Das Zimmer verrammelt, die Fensterscheibe eingeschmisburtstag feiern durfte.                                              sen, ein einfaches Bett auf dem Boden. Größer konnte der KontrastPeter Amendt stammt aus Bonn und ist durch sein                      zum monastisch geprägten Klosterleben in München nicht sein.katholisches Elternhaus schon als Kind in ein kirch                 Doch Peter war froh, denn er wollte als Franziskaner das Leben der                                                                     Armen teilen. Sein Studium der Sozialwissenschaften, das er bereitslich geprägtes Milieu hineingewachsen. Er war Mess                  in München parallel begonnen hatte, konnte er in Bochum abschliediener und besuchte ein Ordensinternat der Redemp                   ßen und anschließend noch promovieren. Die Mischung von Theotoristen. Von den Franziskanern erfuhr Peter zum ers                logie und Soziologie faszinierte ihn, und so arbeitete er als wissenten Mal kurz vor dem Abitur, als er im heimischen                    schaftlicher Assistent an der Universität. Hätte seine OrdensleitungGarten saß und mit halbem Ohr ein Gespräch seinerMutter mit einer Bekannten verfolgte. Diese erzählte                                    damals nicht sein Organisationstalent erkannt und                                                                     ihn mit neuen Aufgaben betraut, so hätteüber den Gartenzaun hinweg – und mit viel Begeis                                                   er sich auch eine wissenschaftlicheterung – von ihrem Neffen, der bei den Franziska                                                       Laufbahn gut vorstellen können.nern eingetreten sei. »Das hat irgendwie ein Licht                                                          Aber nach einer kurzen Epiin meinem Kopf entzündet. Keine feste Idee,                                                                   sode als Präfekt im Ordenaber es hatte irgendwie den Geschmack von                                                                      sinternat in VossenackFreiheit«, erinnert sich Peter an sein erstes »Be                                                        wurde Bruder Peterrufungserlebnis«.                                                                                         Sekretär der InterfranNach seinem Schulabschluss hat er sich                                                                    ziskanischen Arbeitsdann tatsächlich bei den Franziskanern be                                                                 gemeinschaft (INFAG)worben. Der Weg im Orden war damals klar                                                                   und Sekretär der davorgezeichnet: Wer mit Abitur kam, ging                                                                    maligen Kölner Fran                                                                                                          ziskanerprovinz. Seinnach dem Noviziat in das sogenannte Kleri                                                                Interesse an sozialerkat, um Theologie zu studieren und Priester zu                                                            Gerechtigkeit und seinwerden. So kam Bruder Peter Mitte der 1960er                                                              Bedürfnis, den MenJahre zum Studium nach München. Es war dieZeit eines großen gesellschaftlichen Umbruchs,die Zeit von Arbeiter- und Studentenprotesten, dieZeit des Zweiten Vatikanums. »Wir wollten die Welt                                                Bruder Peter Amendt28 berufungsgeschichten
franziskaner aktuell                                             weitere informationen 33 www.franziskaner.netschen zu helfen, führten ihn einige          Frischer Wind in der Redaktion  Jahre später auch zur Missionszentrale der Franziskaner (MZF) in               Hofheim am Taunus • Drei neue Mitglieder werden die Redaktion dieser ZeitschriftBonn. Dort war er, neben seiner Auf         verstärken (v. l.): Johannes Roth OFM (35) aus Ohrbeck, Andreas Brands OFM (50) ausgabe als Provinzsekretär, 24 Jahre          Berlin und Pascal Sommerstorfer OFM (42) aus Fulda. Wir freuen uns auf die Zulang als Projektkoordinator für             sammenarbeit mit den Brüdern.Hilfsprojekte in Lateinamerika und           Wo Licht ist, ist auch Schatten:Wir verabschieden die langjährigen Redakteure MichaelAfrika tätig.                                Blasek OFM und Thomas Abrell OFM und danken den beiden Franziskanern für ihre Mit                                             arbeit.Wir sind sehr froh, dass sie uns durch ihre Beiträge (»Bruder Thomas empfiehlt«Für Bruder Peter war es eine erfüllte        und durch die Karikaturen von Michael Blasek) weiterhin verbunden bleiben.Zeit, doch es gab auch immer wieder Projekte, die strukturell nicht in       Franziskaner, Kapuziner und Minoriten auf dem Weg zurdie Förderung der MZF passten.               Ordensvereinigung?»Dahinter standen oft Nöte vonMenschen, die mir sehr nahegin              Hofheim am Taunus • Vom 12. bis 14. Juni 2017 trafen sich 70 Mitglieder der drei franzisgen«, erinnert sich Peter Amendt.            kanischen Männerorden (Franziskaner, Kapuziner und Minoriten) im Exerzitienhaus2005 schließlich setzte er seinen            der Franziskaner in Hofheim bei Frankfurt. Anlass des Treffens war die vor 500 JahrenWunsch, diesen Menschen unbüro              verfügte Teilung des »Ersten Ordens« und das Reformationsgedenken. Unter denkratisch, abseits des großen Missi          Teilnehmern des dreitägigen Treffens waren die Provinzialminister der Leitungsonshilfswerks der Franziskaner zu            gremien der drei Männerorden, die zum sogenannten »Ersten Orden« des heiligenhelfen, in die Tat um. Er gründete           Franziskus gehören.sein eigenes kleines Hilfswerk               Das Treffen war das erste gemeinsame »Mattenkapitel« der Minderbrüder in Deutsch-»vision teilen« in Düsseldorf. Der           land. Mattenkapitel sind Zusammenkünfte der Ordensmitglieder, die bereits von FranzOrden stellte ihn dafür frei.                von Assisi eingeführt wurden. Sie dienen der gemeinsamen Beratung über die Zukunft                                             der Gemeinschaften.Wenn Bruder Peter heute mit dem              Die drei Provinzialminister von Deutschland, Cornelius Bohl OFM (Franziskaner),Nachtbus die Obdachlosen in                  Bernhardin M. Seither OFMConv (Minoriten) sowie Marinus Parzinger OFMCap (KapuDüsseld orf zu später Stunde be            ziner) halten eine künftige Wiedervereinigung der Minderbrüder für möglich. Siesucht und dem einen mit einem                haben gemeinsam mit den versammelten Brüdern konkrete Schritte für die kommenBrot, einem anderen mit einer war           den Jahre vereinbart, um die Zusammenarbeit zu intensivieren und das Zusammen-men Decke durch die Nacht hilft,             wachsen zu fördern. Ein ausführlicher Bericht folgt in der nächsten Ausgabe.dann ist das nur eines von vielenseiner Hilfsprojekte für Menschen            Papst Franziskus fordert: »Schluss mit dem Waffenhandel«am Rand der Gesellschaft. Dennseine Vision ist das Miteinander            Rom • Mit unmissverständlichen Worten und eindringlichen Bildern klagt Papstteilen – hier in Düsseldorf und in           Franziskus in seiner Videobotschaft im Juni dieses Jahres die Staaten an, die mit orgader ganzen Welt. n                           nisiertem Waffenhandel dazu beitragen, Kriege zu unterstützen. Drastische Worte                                             findet der Papst für die Regierungen und ihre nationalen Führer, die den Waffenhandel             natanael ganter ofm (45)        im großen Stil betreiben und ihr Tun heuchlerisch mit Friedensmotiven verkleiden.           ist Öffentlichkeitsreferent der   »Es ist ein absurder Widerspruch, wenn man vom Frieden spricht und Friedensver-   Deutschen Franziskanerprovinz und         handlungen führt, gleichzeitig aber den Waffenhandel fördert oder zulässt!«                                             Papst Franziskus fordert die nationalen Führer auf, diesem Treiben endgültig ein Ende                            lebt in München  zu setzen. Auch die Franziskaner in Deutschland engagieren sich gegen den Waffen-                                             handel und fordern von der Bundesregierung, endlich die Rüstungsexporte aus                                             Deutschland, vor allem außerhalb der NATO, zu beenden. Sie sind eine der Träger                                             organisationen der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«                                                                                                                  nachrichten 29
SüdsudanGefangen in der LogikZwei Wochen lang war Silja Engelbert, Mitarbeiterin der     Gewalt in die Nachbarländer Uganda, Kenia und Äthiopien geflüchtetDon Bosco Mission, im Südsudan. Das ostafrikanische         sind, wird auf 1,8 Millionen geschätzt. Nach Angaben von UNICEFLand leidet unter einem seit Jahren andauernden Bürger     sind rund zwei Millionen Kinder aus ihrer Heimat vertrieben, etwakrieg und einer akuten Hungersnot. Im Don-Bosco-Zen        die Hälfte davon innerhalb des Landes. Mitte Mai forderten die Vertrum in der Hauptstadt Juba befindet sich eines von vielen  einten Nationen 1,4 Milliarden Dollar Hilfsgelder bis Jahresende,Flüchtlingslagern des Landes. Nach ihrer Rückkehr war       um die Flüchtlinge in den Nachbarländern versorgen zu können.die erfahrene Projektreferentin erschüttert: »Ich selber    Wie in vielen Regionen Ostafrikas trifft die extreme Dürre auch diehabe noch nie so vieleWaffen in einem Land gesehen. Die     Menschen im Südsudan sehr hart. Anfang Mai waren nach UN-AnMilitärs sind meist angetrunken, die Soldaten zu einem      gaben 100.000 Menschen im Südsudan unmittelbar vom Hungertodgroßen Teil Jugendliche unter 20 Jahren.«                   bedroht, rund sechs Millionen Südsudanesen werden in diesem JahrRückblick: Im Jahr 2011 wurde der Südsudan als 54. Staat    auf Nothilfe angewiesen sein. Die Trockenheit ist dabei nicht einmalAfrikas unabhängig. Das Land verfügt über reiche Boden     der ausschlaggebende Faktor:Während Zehntausende hungern, gebeschätze, vor allem über Erdöl und Gold. Anders als viele    die Regierung mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen für Waffenandere Länder des Kontinents besitzt der Südsudan zudem     aus, kritisierte derWeltsicherheitsrat vor einigenWochen. Die Hungersgenügend fruchtbares Ackerland. Gerade darin liegt je      not ist demnach vor allem auch das Resultat des Krieges und derdoch die Tragik der gegenwärtigen Situation: Das Land       Waffenkäufe. Ein UN-Waffenembargo scheiterte zuletzt Ende 2016könnte die Kornkammer für die gesamte Region sein,          am Veto Russlands.doch der jüngste Staat derWelt ist sechs Jahre nach seinemhoffnungsvollen Aufbruch auch einer der ärmsten. Eine       wer verdient am sterben im südsudan?Dürre und vor allem der seit Ende 2013 wütende Bürgerkrieg haben die Landwirtschaft weitgehend zum Erliegen      In der südsudanesischen Hauptstadt Juba kämpft der Franziskanergebracht.                                                   Federico Gandolfi auf der lokalen Ebene gegen Ursachen und FolgenIm Krieg stehen sich die Regierung unter Salva Kiir vom     des Bürgerkrieges an. Er und seine Mitbrüder bieten JugendlichenStamm der Dinka und Rebellen unter dem ehemaligen           Workshops für Friedensbildung, Versöhnung und Traumabewältigung.Vizepräsidenten Riek Machar vom Stamm der Nuer unversöhnlich gegenüber. Auf beiden Seiten kämpfen Vete                  Federico Gandolfi OFM besucht Freunderanen aus dem Unabhängigkeitskrieg; auch in der Regierung und den Ministerien haben vor allem ehemaligeWarlords das Sagen. Sie nutzen den Staat als Selbstbedienungsladen und bereichern sich ohne Rücksicht auf dieBevölkerung. Die Kämpfe toben längst nicht mehr nur imNorden, wo sich vor allem die Ölquellen befinden, sondernhaben weite Teile des Landes erfasst.die grösste flüchtlingskrise afrikasRund 100 Volksstämme leben im Südsudan, und es gelingt den Warlords zunehmend, sie gegeneinander auszuspielen. Inzwischen spielt sich hier die größte Flüchtlingskrise Afrikas ab: Die Zahl der Menschen, die vor der30 aktuelles
des Krieges                                                                                        libyen                ägypten                                           saudi-                                                                                                                                                               arabien                                                                                        tschad                sudan                                            jemen                                                                                                                               äthiopien                                                                                           zentral           südsudan                                                                                        afrreikpaunbilsickhe                                                                                                                                                               somalia                                                                                        demokratische                  uganda  kenia                                                                                        republik kongo                                                                                                                                                 tansania                           Mehr als 25 Millionen Menschen sind derzeit in Afrika vom Hungertod bedroht. Besonders betroffen sind der Nordosten                           Nigerias, Südsudan, Somalia, Äthiopien und Kenia. Allein im Südsudan leiden mehr als fünf Millionen Menschen an extremem                           Hunger. Besonders schlimm ist die Situation für Kinder, schwangere und stillende Frauen sowie für alte Menschen.                           »Das Öl ist vielleicht die einzige Einnahmequelle für den    mit. Bruder Hans arbeitet seit 2014 im Südsudan und kennt das Land,                           Südsudan, aber das Öl ist nicht das Problem. Es ist die      seine Menschen und die Probleme wie kaum ein anderer. »Es ist vor                           Frage, was die Regierung mit dem Geld macht«, betont         allem der Export von Öl in die asiatische Welt, der die Waffenkäufe                           Bruder Federico. »Und wenn die Regierung Waffen kauft,       und den Krieg ermöglicht«, so Bruder Hans. »Nicht zu unterschätzen                           dann muss es andere Regierungen geben, die Waffen ver       ist in diesem Zusammenhang auch der Goldabbau im Südosten des                           kaufen. Wo liegt hier die Verantwortung?«                    Landes.«© bild oben: paul jeffrey  Don-Bosco-Expertin Silja Engelbert sieht das ähnlich:        die regierung hängt am öl-tropf                           »Auch andere Länder profitieren vom südsudanesischen                           Öl, sie unterstützen die eine oder andere Seite mitWaffen    Der Preissturz auf dem Rohölmarkt und die Zerstörungen von Pump                           und sind daran interessiert, dass der Krieg weitergeht – so  anlagen durch den Krieg haben die Regierung jedoch in finanzielle                           makaber das klingt. So können die Ressourcen des Landes      Schwierigkeiten gebracht. Die Inflation stieg zwischenzeitlich auf                           leichter ausgebeutet werden«, sagt sie. Fachleute gehen      800 Prozent, Beamte und Soldaten konnten nicht mehr bezahlt wer                           davon aus, dass auch Waffenlieferungen mit Option auf        den. »Weil die Einnahmen aus dem Ölexport nicht mehr so reichlich                           zukünftige Bezahlung von Staaten wie Israel, Ägypten,        fließen, sucht die Regierung nach allen Möglichkeiten, Einnahmen                           der Ukraine und anderen den Krieg am Laufen halten.          in US-Dollar zu erhalten«, sagt Hans Eigner. Dabei scheint den Macht                           Im Oktober 2016 wurde nahe der Hauptstadt Juba das           habern jedes Mittel recht zu sein: Unmittelbar nachdem Ende März                           Zentrum zur Förderung des Friedens und zur Behandlung        erstmals offiziell von einer drohenden Hungerkatastrophe die Rede                           von Traumata eingeweiht. Am Bau des »Good Shepherd           war, kündigte Präsident Salva Kiir an, die Gebühren für die Arbeits                           Peace Center« beteiligten sich alle 46 im Südsudan vertre   erlaubnis ausländischer Hilfsorganisationen drastisch zu erhöhen.                           tenen Ordensgemeinschaften. Für die Comboni-Missionare       Die weltweite Empörung zwang den Präsidenten, Anfang Mai eine                           wirkte der Deutsche Hans Eigner MCCJ bei der Errichtung      gemäßigtere Erhöhung in Aussicht zu stellen. Nichtregierungsorgani                                                                                        sationen sollen demnach jährlich »nur« 3.500 US-Dollar statt wie                                                                                        bisher 600 zahlen.                                                                                                                       aktuelles                               31
Hans Eigner hat dafür neben der Finanznot des Staates           angst und misstrauen lähmen das land                                      © bild unten: paul jeffrey        eine weitere Erklärung: »Viele der zahlreichen Nichtregie        rungsorganisationen im Land helfen den regierungs              Kirchen und Ordensgemeinschaften müssen zwar keine Ge        kritischen und regierungsfeindlichen Gruppen, also den          bühren zahlen, werden in ihrer caritativen und sozialen Arbeit        ›Falschen‹. So ist es aus der Sicht der Regierung nur logisch,  aber trotzdem behindert.Weil die sogenannten Rebellen spiri        die Gebühren für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter           tuelle und pastorale Tätigkeiten dulden, verdächtigt die Regie        internationaler Hilfswerke zu erhöhen.« Noch hat Präsi         rung kirchliche Einrichtungen immer wieder der Kooperation        dent Kiir die Ankündigung nicht umgesetzt. Sollte es dazu       mit den Aufständischen. Auch Federico spürt die allgegen        kommen, würden sich vor allem kleine Organisationen             wärtige Atmosphäre von Angst und Misstrauen, die das Land        die Gebühren kaum mehr leisten können. Leidtragend              lähmt: »Natürlich verurteilen wir die Grausamkeiten, die hier        wäre einmal mehr die hungernde Bevölkerung.                     verübt werden. Aber wenn wir die Handlungen von den Men                                                                        schen trennen, also die Sünde vom Sünder, wird das in diesem  Bischof Paride Taban (vorne) mit Mitgliedern des von ihm im Jahr      Umfeld nicht unbedingt verstanden«, so der Franziskaner.  2004 gegründeten Friedensdorfes »Holy Trinity Peace Village Kuron«    »Wir müssen extrem vorsichtig sein, denn sogar während un  bei der Feldarbeit. Das Friedensdorf soll nach den Vorstellungen des  serer Gottesdienste sind Leute da, die sich Notizen darüber  Bischofs ein Modell für das Zusammenleben der verschiedenen Eth-      machen, was wir über die Regierung sagen.«  nien im Südsudan sein.                                                Hoffnung keimte auf, als Präsident Kiir am 14. Dezember  33 www.kuronvillage.net                                               2016 einen »Nationalen Dialog« ankündigte. Er sollte auf                                                                        lokaler Ebene beginnen und in einer großen Versöhnungs32 aktuelles                                                            konferenz münden. Tatsächlich glauben viele Experten im                                                                        Südsudan, dass nur ein Nationaler Dialog unter neutraler                                                                        Leitung einen Friedensprozess in Gang bringen könnte. »Wenn                                                                        es keinen Nationalen Dialog gibt, dann bleibt leider nur der                                                                        Krieg, um die Vormachtstellung der vor allem vom Stamm                                                                        der Dinka geführten Regierung einzuschränken. Das wäre die                                                                        schlechteste Lösung«, sagt beispielsweise Hans Eigner. Doch                                                                        mangelndes Vertrauen mache inzwischen jeden Dialog fast                                                                        unmöglich.                                                                        Die Regierung tut indes wenig, um Vertrauen aufzubauen:                                                                        Offenbar um den Anschein von Inklusion zu erwecken, wur                                                                        den einige namhafte Persönlichkeiten des Landes in das Ko                                                                        mitee für den Nationalen Dialog berufen – ohne vorher gefragt                                                                        worden zu sein. Viele, wie auch Friedensbischof Paride Taban,                                                                        lehnten dies ab. Sie misstrauen der Clique einstigerWarlords                                                                        (Kriegsherren) in der Regierung. Außerdem dürften sie an                                                                        der Neutralität des Gremiums gezweifelt haben, nachdem                                                                        sich Salva Kiir als »Patron« des Nationalen Dialogs installiert                                                                        hatte. Dass der Präsident die umstrittene Stellung unlängst                                                                        wieder aufgegeben hat, dürfte nur wenig helfen. Wie es mit                                                                        dem Nationalen Dialog weitergehen soll, weiß derzeit nie                                                                        mand.                                                                        ein funken hoffnung bleibt                                                                        Obwohl es in Juba seit Anfang des Jahres keine größeren Kampf                                                                        handlungen mehr gegeben hat, ist auch die Hauptstadt vom                                                                        Krieg schwer gezeichnet. Dort hat Bruder Federico die Hoff                                                                        nung auf Frieden nicht aufgegeben. »Es gibt so viele gute Men                                                                        schen hier in Südsudan, so dass Gottes Werk für uns alle sehr                                                                        klar zu erkennen ist. Auch wenn der Krieg sehr vieles zerstört                                                                        hat, so hat er doch den Glauben und die Hoffnung, dass es                                                                        eines Tages Frieden geben wird, nicht zerstören können.« n                                                                                                                               andré madaus (46)                                                                                      war lange Jahre Redakteur der Zeitschrift Franziskaner.                                                                                     Heute lebt er als freiberuflicher Journalist in Ingelheim.
Auszug aus dem Kursangebot unserer Bildungshäuser                        Weitere Angebote unserer Bildungs- und Exerzitienh äuser erhalten Sie bei den genannten Adressen. Auch Konvente unserer Pro                        vinz und einzelne Brüder bieten Kurse und Fahrten an. Informationen dazu finden Sie auf unserer Website www.franziskaner.deexerzitienhaus – franziskanisches zentrum für stille und begegnungKreuzweg 23, 65719 Hofheim, Tel.: 0 61 92  99 04-0, Fax: -39, E-Mail: [email protected], www.exerzitienhaus-hofheim.de       7. 8.-   Malexerzitien                        Meditatives Malen, Schweigezeiten,        Jutta Schlier, Exerzitienbegleiterin11. 8. 2017                                          Einübung in die Meditation (Atem)       7. 8.-   Atem im Fluss –                      Meditatives Bogenschießen, Austausch,     Otto Bammel, Theologe, Gestaltseelsorger;11. 8. 2017 Zazen und Bogenschießen                  durchgängiges Schweigen                   Dr. Alexander Ullrich, Psychotherapeut     11. 8.-   Yoga-Wochenende                       Yoga-Übungen für Körper und Geist,        Katja Bergmann13. 8. 2017                                          spirituelle Impulse     25. 8.-   Vom inneren Kind zum                  Aufstellungs- und Biografiearbeit,        Dr. Isolde Macho, Theologin, Meditationsbegleiterin27. 8. 2017 selbstbewussten Erwachsenen              Achtsamkeitsübungen       4. 9.-   Einzelexerzitien                     Impulse zur Bibel- und Lebensbetrachtung, Norbert Lammers, Franziskaner, Exerzitienbegleiter;10. 9. 2017                                          Begleitungsgespräche, durchgängiges       Dorothee Laufenberg, Steyler Missionsschwester,                                                     Schweigen                                 Klinikseelsorgerin, geistliche Begleiterin       8. 9.-   Leben aus der Kraft der Ursymbole:   Textliche Impulse, Meditation, Zeiten der Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner10. 9. 2017 WEG – Meditationswochenende              Stille, Austausch in der Gruppe, kreatives Tun     22. 9.-     Klassische Musikmeditation          Die Kunst des Hörens. Sie brauchen Herz,  Wolfgang Zeitler, Psychotherapeut, Musiktherapeut24. 9. 2017      Fasten und Unterwegssein            Verstand und Ihre Hände.     25. 9.-                                         Entspannung und Meditation, Fasten- und Elisabeth Müller, Fastenleiterin30. 9. 2017                                          Ernährungsberatung, Wanderungen       9. 10.-   Qi-Gong-Woche                       Die Qi-Gong-Praxis der 18 Bewegungen      Hans Martin Lorentzen, Qi-Gong- und Tai-Chi-Lehrer13. 10. 2017     Herz-Qi-Gong                        steht im Vordergrund                      Hans Martin Lorentzen, Qi-Gong- und Tai-Chi-Lehrer                 Glaubenswochenende                  Bewegungen, Austausch, kurze Vorträge     Patrick Tavanti, Theatertherapeut     13. 10.-                                        und Abendmeditation15. 10. 2017                                         »Werdet wie die Kinder!« – Aber wie geht                                                     das eigentlich als Erwachsener?     13. 10.- 15. 10. 2017     16. 10.-  Spiritualität und Psychosynthese      Übungen aus Psychosynthese, Meditation, Peter van Gool, Jesuit, Therapeut20. 10. 2017                                         Gespräch und Austausch, Liturgiehaus ohrbeck – katholische bildungsstätteAm Boberg 10, 49124 Georgsmarienhütte, Tel.: 0 54 01 33 6-0, Fax: -66, E-Mail: [email protected], www.haus-ohrbeck.de       23. 7.-   Internationale Jüdisch-Christliche  Das Buch der Sprichwörter                 Rabbiner Prof. Dr. Jonathan Magonet; 30. 7. 2017     Bibelwoche                                                                    Dr. Uta Zwingenberger, Theologin, und Team                 Wanderwoche 2017                    Halbtages- und Tageswanderungen im        Maria Feimann, Supervisorin (DGSv)       14. 8.-                                       Teutoburger Wald 18. 8. 2017     Übergänge im Leben gestalten        Zwischen »nicht mehr« und »noch nicht«    Rainer Fincke und Ulla Peffermann-Fincke, Ennea                                                                                               gramm-Trainer; Aadel Maximilian Anuth, Theologe       18. 8.-   Fußläufig?                          Feldenkrais-Methode und Musik             Romy Bronner, Feldenkrais-Pädagogin; 20. 8. 2017                                                                                   Thomas Abrell, Franziskaner, Theologe                 Grundkurs Bibliolog                 Zweiteilige Fortbildung, Teil 1           Andrea Schwarz, Bibliolog-Trainerin;       15. 9.-                                                                                 Dr. Uta Zwingenberger, Theologin 17. 9. 2017     Du fehlst: Meine Trauer.            Wochenende für trauernde junge            Christoph Aperdannier, Referent Junge Erwachsene;                 Meine Erinnerungen.                 Erwachsene von 18 bis 30 Jahren           Aadel Maximilian Anuth, Theologe       21. 9.-   entscheiden!                        Wochenende für junge Erwachsene zur       Jan Aleff, Pastoraler Mitarbeiter; 23. 9. 2017                                         Ents cheidungsfindung                    Aadel Maximilian Anuth, Theologe                 Jiddische und hebräische Lieder     Lieder-Workshop mit Chasan                Chasan Daniel Kempin, Sänger und Gitarrist;       29. 9.-   zum Thema Frieden                   Daniel Kempin                             Dr. Christiane Wüste, Theologin 1. 10. 2017       6. 10.-  8. 10. 2017       9. 10.- 10. 10. 2017kloster und meditationshaus im altmühltal – franziskanerkloster dietfurtKlostergasse 8, 92345 Dietfurt, Tel.: 0 84 64  65 2-0, Fax: -22, E-Mail: [email protected], www.meditationshaus-dietfurt.de       18. 9.-   T'ai Chi Ch'uan                     Einführungskurs                           Petra und Sunyata Kobayashi, Tai-Chi-Lehrer 24. 9. 2017     Sesshin: Zen-Meditation             Nur für Geübte                            Johannes Fischer, Zen-Lehrer                 Nuad Phaen Boran                    Körperlicher und seelischer Ausgleich     Heike Pfletschinger, Nuad-Phaen-Boran-Lehrer       2. 10.-                                       durch Berührung 8. 10. 2017       9. 10.- 15. 10. 2017                                                                                                                          programm 33
buchverlosung                                                                                             fdreauntszcishkeanerprovinzIn der letzten Ausgabe fragten wir nach dem Ort, den unser Bruder                                         Adressänderung und BestellungenG ermanicus besuchte. Die richtige Antwort lautete: Münster. Unter den75 richtigen Einsendungen haben wir drei Gewinnpakete verlost.                                            Provinzialat der Deutschen Franziskanerp rovinz                                                                                                          Zeitschrift Franziskaner	Dieses Mal verlosen wir unter allen Teilnehmenden, die uns die folgende Frage                             Frau Ingeborg Röckenwagnerrichtig beantworten, drei Exemplares des unten vorgestellten Buches.                                      Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München                                                                                                          [email protected]                                                          Germanicus genießt den Sommer                   Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111                                                          und besucht eine Stadt mit einem                                                          bedeutenden Dom, der im Hinter                 Impressum                                                          grund zu erkennen ist. In welcher                                                          Stadt hält er sich auf?                         Franziskaner – Magazin für franziskanische 	                                                          ❏	 Regensburg                                   Kultur und Lebensart 	                                                          ❏	 Trier                                        Zeitschrift der Deutschen Franziskaner                                                          ❏	 Köln                                                                                                          ISSN 1869-9847 – Zeitungskennziffer 50876                                                                     Antwort und Ihre Adresse an:                                                                     meinhardt Verlag und Agentur,        Herausgeber Provinzialat der Deutschen                                                                     Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein,   Franziskaner, Sankt-Anna-Straße 19,                                                                     Stichwort: Franziskaner              80538 München                                                                     Einsendeschluss: 15. August 2017.                                                                     Es gilt das Datum des Poststempels.  Redaktionsanschrift Stefan Federbusch OFM,                                                                     Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.    Exerzitienhaus, Kreuzweg 23, 65719 Hofheim,                                                                                                          Tel.: 0 61 92 99 04-0,Niklaus Kuster/Nadia Rudolf von Rohr                                                                      E-Mail: [email protected] Liebe                                                                                            Redaktion Andreas Brands OFM, Stefan Feder-Niklaus und Dorothea von Flüe                                                                             busch OFM (Redaktionsleiter), Natanael Ganter                                                                                                          OFM, Kerstin Meinhardt, Thomas Meinhardt, Jür-Patmos, 2. Auflage 2017, 192 Seiten, Hardcover mit Leseband, vierfarbig,                                  gen Neitzert OFM, Johannes Roth OFM, Pascalmit mehreren Abbildungen, 19,00 Euro (D), ISBN: 978-3-8436-0876-3                                         Sommerstorfer OFM,Niklaus von Flüe, der Nationalheilige der Schweiz, ist                                                    Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nichtundenkbar ohne Dorothea, seine Frau, mit der er gern                                                      in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.»zu Tanze ging« und mit der er seinen Weg gemeinsam                                                       Die Rechte an den Artikeln liegen bei den jeerrungen hat.                                                                                             weiligen Autoren. Eine Wiedergabe – auch aus-Dieses Buch lässt Dorothea sprechen. Sie erzählt vom                                                      zugsweise – ist nur mit vorherigerLeben einer großen Bauernfamilie in der Zentral                                                          Genehmigung gestattet.schweiz im 15. Jahrhundert, von 20 glücklichen Ehejahren,von Niklaus’ überraschender Lebenswende mit 50 und von ihrem                                              Weitere Mitarbeitende dieser Ausgabe 	eigenen Werden.                                                                                           Michael Blasek OFM, Cornelius Bohl OFM,Dabei zeigt sich das Bild zweier kantiger Persönlichkeiten und ihrer                                      Christop horus Goedereis OFMCap, André Madaus,Lebenswege, die sich verbunden haben und die trotz Trennung untrennbar                                    Benedikt Mertens OFM, Ricarda Moufang, Hel-geblieben sind. So geht es nicht nur um Mystik und Politik des Heiligen,                                  mut Schlegel OFMsondern ebenso um eine Ehe- und Liebesgeschichte, die um Verantwortung,Bindung und Freiheit weiß.                                                                                Bildnachweise Titel: © dpa. Alle anderen Nach-                                                                                                          weise stehen auf den Seiten, ungekennzeichnete                            Franziskaner Mission                                                          Bilder ents tammen dem Archiv der Franziskaner                                                                                                          oder dem der Firma meinhardt.                                    Die Ausgabe Nummer 2 unseres Schwestermagazins                                    »Franziskaner Mission« können Sie kostenfrei                          Layout Kerstin Meinhardt (art-dir.), Désirée Neff                                    bestellen bei Franziskaner Mission,                                    Tel.: 02 31 17 63 37-65, E-Mail: [email protected]          Verlag, Gestaltung und Anzeigenverwaltung                                    bzw. in Bayern unter Tel.: 0 89 21 12 61 10,                          meinhardt Verlag und Agentur,                                    E-Mail: [email protected]                                Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein,                                                                                                          E-Mail: [email protected],                                                                                                          www.meinhardt.info                                                                                                          Bankverbindung Die Zeitschrift »Franziskaner«                                                                                                          e rscheint quartalsweise. 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Germanicus und die Wahl der Gallier            Franziskus und Germanicus überschritten die Grenze            nach Gallien. Franziskus schwärmte:»Dies ist das            Land, dem ich meinen Namen verdanke.            Francesco, kleiner Franzose, so hat mich mein Vater            genannt.« – »Heißt nicht auch der Präsident hier wie            du? Franç ois?« – »Wo lebst du,Germanicus? Die Gallier            haben einen neuen Präsidenten gewählt!« »Ach ja?            Und wie heißt der?« – »Emmanuel.« – »Ach du lieber            Gott! Dann verdankt der ja seinen Namen unserem            Herrn Jesus. ›Er soll Immanuel heißen‹, hat doch der            Engel damals verkündet. Endlich haben auch die Gallier            ihren Retter.«            In ihrer Begeisterung gingen sie einen Schritt            schneller. »Sag mal, Franziskus, sind Engel            eigentlich Männer oder Frauen?« – »Wie            kommst du denn darauf?« – »Naja, bei uns            in Germanien, da regiert die mächtige Angela;            das ist doch der lateinische Name für Engel. Die            Angela verkündet bei uns die großen Verheißungen.« –            »Dann wundert‘s mich nicht«,meinte Franziskus,»dass            der Retter Emmanuel schon am zweiten Tag die mächtige            Angela besucht hat.« Germanicus jubelte: »Da siehst du mal,            unser Europa ist und bleibt das christliche Abendland. Es            wimmelt hier nur so von Engeln und Heiligen und Rettern.«text helmut schlegel ofmillustration michael blasek ofm
München                     Gemeinschaft am Goetheplatz                                                                                                         Eine von 35 Gemeinschaften der Franziskaner in                                                                                                         Deutschland (v. l.): Igor Hollmann, Nikolaus Voss,                                                                                                                         Heinz Schnitker und Bernd Leopold.www.franziskaner.de
                                
                                
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