Im G’schäft Landshuter TraditionsgeschäfteEin Buch von Lila Hartig
EinleitungOb nun Multiplex Kinos oder Einkaufszentren: Müller, Karstadt, H&M, Douglas - Läden, die es überall gibt und die das Gesichtder Innenstädte immer gleichförmiger und austauschbar machen.In meiner Heimatstadt Landshut faszinieren mich schon seit Jahren die kleinen, alteingesessenen Läden der Innenstadt.Meine Oma kauft die kleine Packung Friedhofserde für das Grab ihrer Mutter bei der Sämerei Ziegler, kauft Strümpfe bei StrumpfLorenz. Ihre Generation, eine Generation die noch repariert und nicht weggeschmissen hat, ist es nicht wie die meine gewohnt,alles an einem Ort, in einem Kaufhaus oder im Internet zu bekommen.In Geschäften, in denen die Kundschaft nicht nervt und anonym ist, setzt meine Oma auf die Qualität der Ware, sowie die per-sönliche und kompetente Beratung und Aufmerksamkeit, die sie in solch einem Fachgeschäft bekommt. Doch leider ist dieserZustand sehr vergänglich, denn die Läden werden verschwinden - die letzten Jahre der meisten Läden sind bereits gezählt.Schade, denn gerade diese Läden geben der Stadt erst ein Gesicht. Sie scheinen die letzten Überlebenden des Einzelhandels zusein, im Kampf gegen die großen Kaufhäuser und den Internethandel.Mit meiner respektvollen Herangehensweise habe ich die Inhaber und Verkäufer der kleinen Traditionsläden Landshuts überzeu-gen können, bei diesem Projekt mitzuwirken. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Gisela Jahnke, Christine Fischer,Birgit Meyer und Herta Roider für ihre Offenheit und ihr Vertrauen mir gegenüber bedanken.Mir ist wichtig ein ehrliches Bild des Ladens zu zeigen, das den Charakter und das Besondere - eben das, was den Laden aus-macht, herausstellt. Aber auch deren Geschichte, die meist eng mit der persönlichen Geschichte der Besitzer und Verkäuferverbunden ist, spielt selbstverständlich eine Rolle. In meiner Bilderserie möchte ich den Stolz der Verkäufer oder Besitzer zeigen– würdevolle Portraits des liebevoll eingerichteten Ladens und somit die Zeit kurz anhalten und auf die kleinen Schätze des Ein-zelhandels aufmerksam machen, bevor sie völlig verschwinden.Lila HartigLila Hartig wurde 1989 in Landshut geboren.2010 begann sie ihr Studium Fotodesign an der Hochschule München.Weitere Arbeiten auf www.lilaheart.comDieses Buch entstand innerhalb eines Projekts zum Thema “Portrait” unter der Betreuung von Frau Renate Niebler an der Hoch-schule München.
Strumpf LorenzGrasgasse 333, 84028 LandshutUrsprünglich als Kurzwarengeschäft eröffnet, vor allem Fachwissen. Wir sind trotz allem einist das Geschäft in der Grasgasse seit 1959 Fachgeschäft und machen nach wie vor Repa-spezialisiert auf Strümpfe aller Art. Die Stamm- raturen.”kundschaft ist hauptsächlich die mittlere Alters- “Es ist nicht so, dass nix mehr geht und nixstufe, aber die Kundschaft wächst auch nach. mehr läuft, es läuft schon, aber es ist halt allesFrau Jahnke ist “schon immer da” - 1959 hat vergänglich und es tut uns in der Seele leid,sie ihre Lehre zur Verkäuferin in diesem Ge- weil niemand mehr so ein kleines Geschäftschäft begonnen und ist bis heute dort geblie- übernehmen will. Und bei uns ist es ein Alters-ben. problem: Wir haben ein Durchschnittsalter von“Ich hab’ das von der Pike auf gelernt und ei- 62 Jahren und dann weiß man ja was los ist.nen sehr strengen Lehrmeister gehabt. Vor al- Im Moment schaut‘s ein bisserl duster aus mitlen Dingen der Umgang mit der Kundschaft, dem Nachfolger und dann hoffen wir auf ei-und das is in einem Geschäft, das überwiegend nen kleinen Engel da oben, der das überneh-von der Stammkundschaft lebt, das wichtigste! men will - an dem scheiter‘s halt.”Und so läuft es weiter: mit Freundlichkeit und
“Die Zukunft schaut sehr böse aus, weil keine Nachfolger da sind.”
Ernst und Alfred Ziegler OHGAltstadt 80, 84028 LandshutAngefangen von einem Sortiment von über “Der Kundenstamm ist groß und reicht von1.000 Pflanzensamen, über Unkraut- und Un- jung bis alt und geht durch alle Gesellschafts-geziefervernichter und Gartendeko, bis hin zu schichten”, sagt Christine Fischer. Sie ist schoneiner großen Auswahl an Korken in den ver- seit geraumer Zeit Verkäuferin im Laden. “Esschiedensten Ausführungen oder Hundekno- hat sich so gewandelt, dass viele Leute dannchen in Form eines Schuhs - all das ist das zu uns kommen, weil sie es wo anders nicht125-jährige Einzelhandelsgeschäft im Herzen mehr bekommen oder wenn es wo andersder Landshuter Altstadt. nicht finden und wir schauen halt, dass wir dasUrsprünglich wurde das Geschäft 1886 als Ag- Unmögliche möglich machen. Oder wenn sierar- und Getreidehandel eröffnet, stellte dann im Garten Läuse haben, einen Käfer gefundenaber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun- oder irgendeinen Baum haben, dann bringenderts auf Gartenbedarf um. Alfred Zieglers Va- sie uns die Blätter mit und zeigen sie uns undter ließ 1912 die Ladeneinrichtung einbauen, wir sagen ihnen dann was sie machen müs-die noch heute Bestand hat. sen.”
“Ich hoffe schon dass es so weiter geht aber heutzutage weiß man ja nie - aber es läuft aufalle Fälle weiter.”
Schallplatten MeyerSchirmgasse 275, 84028 LandshutAuch in diversen Internetforen hoch gelobt wieder geht. Da schämen sich manche, wennals “ein einzigartiger Laden in Deutschland”, sie sagen: ‘heut hab ich nix gefunden’ - das isthat dieser Laden ein riesen Sortiment an CDs, ganz seltsam. Es ist doch natürlich, dass manSchallplatten und Kassetten aller Musikrichtun- nicht jedes mal etwas findet”, sagt Birgit Meyer.gen. 1976 von Detlev Mayer eröffnet, übernahm“Die Leute sind es auch nicht mehr gewöhnt, - aufgrund seines Ruhestandes und weil ernur das Unverbindliche von einem Kaufhaus - schon lange aufhören wollte - seine Frau Birgitda kann man schauen, auch ohne dass man 2010 den Laden. Er machte weiterhin die Be-das Gefühl haben muss: da wird einem so auf stellungen, sie den Rest. Zum Jahresende 2012die Finger geschaut oder man ohne Kaufen schließt der Laden endgültig.
“Die Schließung wäre eh in wenigen Jahren beschlossene Sache, weil’s einfach mit der Bran-che so ist. Generell recht schlecht, von den Firmen kommt keine Unterstützung und immermehr Kunden verliert man an’s Internet.”
Handschuh VoglSteckengasse 290a, 84028 LandshutSeit 1949 spezialisiert sich das Geschäft auf die Nachfrage groß: “dann stehen schon malHandschuhe aller Art. Ursprünglich als kleine fünf Leute im Laden, aber ich nehm‘ mir dannManufaktur in der Kurstadt Karlsbad speziali- trotzdem die Zeit und berate jeden ausführ-siert sich das Geschäft später in Landshut auf lich”. Die Kunden schätzen die FachberatungWinter-, Auto- und Strick- und vor allem Leder- sehr, denn Frau Roider findet für jede Handhandschuhe. “Meine Eltern haben auch selber den passenden Handschuh. Die Ehrlichkeit istHandschuhe angefertigt und zugeschnitten. ihr aber auch wichtig: “lieber sagt einer es ge-Auch orthopädische Handschuhe für Leute, die fällt ihm nix oder es ist nicht das, was er sichdie Finger amputiert hatten.” vorgestellt hat, als dass er nach zwei Wochen“Natürlich hab ich schon früher immer wie- wiederkommt und es zurückgibt.” Viele kom-der ausgeholfen und kleinere Reparaturen men auch von weiter her, aus Erding odergemacht. Letztes Jahr hab ich dann angefan- München. “Manche kennen halt die Münchnergen. Wir haben erst noch geschaut, weil’s mei- Preise und kommen dann zu uns.” Die Qualitätne Mutter noch gehabt hat.” Nach dem Tod der Handschuhe ist sehr hochwertig, teilweiseihres Vaters hat Herta Roider 2011 das Ge- handgenäht. “Die Handschuhe halten aberschäft übernommen. Sie öffnet den Laden im auch sehr lang, weil’s ein gutes Leder ist. IchHerbst und schließt ihn meist Ende Mai nach verkauf’ jemandem Handschuhe, die 20 Jahreder Kommunion wieder. Zur Hauptsaison ist halten. Der kommt halt leider so schnell nicht mehr, höchstens für Reparaturen.”
“Wir müssen halt jetzt schauen, aber wir hoffen schon dass es weitergeht!”
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