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50 Jahre Stadtkantorei Bremerhaven

Published by kreiskantorin, 2023-08-16 19:41:54

Description: 50 Jahre Stadtkantorei Bremerhaven – Festschrift zum Chorjubiläum 2013

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Festschrift 50 Jahre Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven 1963 - 2013

EVAN G E L I S CH-L U T H E R I S C H E R Festschrift KIRCHENKREIS BREMERHAVEN 50 Jahre Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven KREISKANTORAT BREMERHAVEN Inhalt Grußworte 2 Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy ........................................................................ 2 Superintendentin Susanne Wendorf-von Blumröder ..................................................................... 2 Ernst-Michael Ratschow (Superintendent i. R.) .............................................................................. 3 Pastor Ulrich von Stuckrad-Barre (Vorsitzender des Kirchenvorstandes) ..................................... 4 Melf Grantz (Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven) ............................................................. 4 Michael Frost (Kulturdezernent der Stadt Bremerhaven) .............................................................. 5 Ulrich Mokrusch (Intendant des Stadttheaters Bremerhaven) ...................................................... 5 Kirchenmusikdirektor Hauke Ramm (Stade) ................................................................................. 6 Friedrich Wandersleb (Kreiskantor i. R.) ......................................................................................... 7 Prof. Carsten Klomp ......................................................................................................................... 8 Kreiskantorin Eva Schad .................................................................................................................. 8 Chorleiter 12 Friedrich Wandersleb (Kreiskantor von 1954 bis 1992) ................................................................... 13 Carsten Klomp (Kreiskantor von 1992 bis 1995) .............................................................................. 14 Eva Schad (Kreiskantorin seit 1995) ................................................................................................. 14 Erlebnisbericht (Marita Westphal-Blome) ............................................................................................ 15 Konzerte 1963 – 2013 16 Advent – Weihnachten ..................................................................................................................... 16 Erlebnisbericht (Edith Haisch) ............................................................................................................. 19 Passion ............................................................................................................................................... 22 Erlebnisbericht (Marita Westphal-Blome) ............................................................................................ 26 Endzeit ............................................................................................................................................... 28 Erlebnisbericht (Marita Westphal-Blome) ............................................................................................ 30 Messen ............................................................................................................................................... 34 Cantica und Psalmen ........................................................................................................................ 39 Kantaten und Rundfunkgottesdienste ............................................................................................ 41 Oratorien ........................................................................................................................................... 41 Carl Orff: Carmina burana .............................................................................................................. 46 Noch einmal: Bachs Weihnachtsoratorium .................................................................................... 51 Repertoireliste (Werke mit Orchester) 1963 bis 2003 ...................................................................... 52

Chorreisen 58 Finnland (1967, 1970, 1977) ................................................................................................................ 58 Holland (1977, 1982) .......................................................................................................................... 58 Leipzig (1989, 1994) ............................................................................................................................ 58 Schweden (1998) ................................................................................................................................ 59 Harz (2002) ........................................................................................................................................ 60 Mallorca (2003) ................................................................................................................................. 60 Polen (2008) ....................................................................................................................................... 62 Leipzig (2013) ..................................................................................................................................... 64 Jubiläums-Chorreise in die Normandie (2013) ................................................................................ 64 »Alta Ribberta beata« (Kirsten Back & Brigitte Schulte) ..................................................................... 68 Übersicht: Chorreisen der Evangelischen Stadtkantorei Bremerhaven ......................................... 69 Berichte 70 Silke Wacker: 50 Jahre und kein bisschen leise ............................................................................... 70 Irmela Bohlmann: Tolle Leute im Chor .......................................................................................... 71 Matthias Clasen: Thank God, it’s Friday ......................................................................................... 72 Petrus Klan: Mein War Requiem und mein Nagelkreuz von Coventry oder: Kann man aus Krieg Poesie und Musik machen? ................................................................. 76 Barbara Tönjes: Wie ein Bauwerk das Leben von Menschen verändern kann! ............................ 77 Bruno Fröhlich, Petrus Klan und Stefan Tönjes: Die drei von drüben ......................................... 77 Annika Heyen: »Kinderchen!« ......................................................................................................... 78 Interview 80 Chormitglieder 2013 82 Jubiläum 84 Programm zum Festwochende......................................................................................................... 84 Jubiläumskonzerte............................................................................................................................. 85 Kurioses 86 Eibe Meiners’ großer Kantorei-Test .................................................................................................. 86 Katja Asmussens Chor-Panoptikum ................................................................................................ 87 Sponsoren 88 Impressum Brommystraße 25 • 27570 Bremerhaven Herausgeber: Kreiskantorat Bremerhaven Fon 0471 - 92 11 16 • [email protected] Eva Schad, Wilhelm-Brandes-Straße 2, 27570 Bremerhaven Fax 0471 - 2 65 80 • www.weser-druckerei.de Tel.: 0471 - 200 290, [email protected] www.kreiskantorat - bremerhaven.de Redaktion: Eva Schad & Folker Froebe Gestaltung / Satz: Folker Froebe Erscheinungsdatum: 23. August 2013

GruSSworte Grußworte Landessuperintendent Dr. Hans Christian Brandy Ich wollte von Herzen gern diese gegründet. Über 100 Sängerin- schöne und köstliche Gabe Gottes, die nen und Sänger sind heute unter freie Kunst der Musica, hoch loben der Leitung von Eva Schad aktiv, und preisen. Weil diese Kunst von wunderbare Konzerte kommen Anfang der Welt allen Kreaturen von jedes Jahr zur Aufführung, das Re- Gott gegeben ist, denn da ist mitnich- nommee der Kantorei reicht weit ten nichts in der Welt, das nicht ein über die Grenzen der Stadt hin- Schall und Laut von sich gebe. aus. Auch Reisen ins europäische (Martin Luther) Ausland gibt es immer wieder. Mit einem Festprogramm wird das Gleich nach der Theologie Jubiläum in diesem Jahr gefeiert. räumte der Reformator der Dafür meine besten Wünsche; ich Musik den höchsten Platz ein. freue mich sehr, am 25. August Martin Luther sang ein Loblied auf die »Musica« selbst dabei sein zu können schon vor 500 Jahren. »Singen und Sagen« gehör- Ich wünsche dem Chor, dass auch weiterhin ten für ihn als Zeugnis des Glaubens zusammen. seine Musik zum Lob Gottes und zur Freude der Uns evangelischen Christen liegt die Kirchenmu- Menschen erklingt. Denn Musik ist eine »köstli- sik am Herzen. Musik und Gesang gehören zur che Gabe Gottes«. Schönheit des Protestantismus. Wir sind eine sin- Dr. Hans Christian Brandy gende und klingende Kirche. Ich freue mich daher, im Jahr 2013 der Evan- gelischen Stadtkantorei Bremerhaven zu ihrem 50-jährigen Jubiläum zu gratulieren. Als Chor für ›große Kirchenmusik‹ wurde die Kantorei 1963 Superintendentin Susanne Wendorf - von Blumröder Liebe Evangelische Stadtkanto- rei, herzlich willkommen in des Weihnachtoratoriums von Bach die Evangelische Stadtkantorei der Mitte des Lebens! So könnte Bremerhaven. man den Glückwunsch analog zu Heute, im Jahr 2013: In den einem menschlichen Geburtstag Kirchengemeinden geht es we- formulieren. sentlich lockerer zu. In den Ge- Jahrgang 1963: Alles noch et- meinden wird über die zu groß was steif, die Männer der Kirche gewordenen Gebäude beraten. stets im Anzug. Es wird viel ge- Der demographische Wandel baut und geplant: Kirchen, Ge- nimmt seinen Lauf, wir richten meindehäuser, Kindergärten. Kir- uns darauf ein, kleiner zu werden chengemeinden und die ganze Ge- und Profil zu behalten. Oratori- sellschaft richten sich auf großes en werden regelmäßig gesungen, Wachstum ein. Das Angebot an kirchlichen Ak- Gottesdienste werden mit der Kantorei zu etwas tivitäten wird vielfältiger. Auch Oratorien sollen Besonderem, nebenbei sind Kammerchor sowie in Zukunft gesungen werden, deshalb wird aus Kinder- und Jugendchöre entstanden. Ein hohes einem Auswahlchor anlässlich der Aufführung Niveau im Bereich der klassischen Kirchenmusik 2

kennzeichnet die heutige Arbeit. Die Kantorei ist GruSSworte selbstverständlicher Bestandteil des kirchlichen Lebens, auch so lässt sich eine Entwicklung der Gefühle, Fragen und Bekenntnisse. vergangenen 50 Jahre benennen. Ich möchte der Kantorin und den Sängerin- Viele singen schon jahrelang mit, andere nen und Sängern danken für ihr Engagement, ih- kommen dazu. Um die 100 Sängerinnen und ren Mut und ihr Durchhaltevermögen. Die Freu- Sänger kommen jeden Freitagabend zusammen. de am Singen möge allen erhalten bleiben und Die Luft im Gemeindesaal wird manchmal dünn die Bereitschaft, unseren Glauben auf musikali- und die Stühle knapp. Es werden Töne geübt und sche Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. der richtige Schwung, die Spannung steigt vor ei- nem Konzert und dann ist es doch geschafft: Der Susanne Wendorf-von Blumröder Reichtum unseres Glaubens wird spürbar, tiefe Ernst-Michael Ratschow (Superintendent i. R.) Zum 50-jährigen Jubiläum der Evangelischen Stadtkantorei Leben zu rufen. Damit war die Voraussetzung geschaffen, auch Bremerhaven grüße ich alle Teil- größere Chorwerke einzustudie- nehmerinnen und Teilnehmer ren und zur Aufführung zu brin- recht herzlich und freue mich gen. Herrn Carsten Klomp, der schon auf die Aufführung der das Amt des Kirchenmusikers vom Bach-Kantate Lobe den Herren, den 1. April 1992 bis zum 30 September mächtigen König der Ehren am 25. 1995 inne hatte und Frau Kreiskan- August 2013. Mit diesem Gruß torin Eva Schad, die ihre Arbeit verbinde ich meinen aufrichtigen am 1. Oktober 1995 aufnahm. Dank an alle Sängerinnen und Hätten diese drei Musiker und Sänger, die oft über viele Jahre, Organisten den Sängerinnen und manche auch über Jahrzehnte hin- Sängern nicht immer wieder durch weg durch ihre verlässliche Teilnahme das Chor- ihren ganz persönlichen, Kräfte raubenden Ein- singen und Chorleben erst ermöglicht haben. satz gezeigt, welche phantastische Aussagekraft Dazu gehört ein beträchtlicher Zeiteinsatz – hier in den den einzelnen Chorwerken zu finden ist, denke ich außer an die wöchentlichen Proben der Chor könnte dieses Jahr kein Jubiläum feiern. auch an die Probenwochenenden in Drangstedt Insbesondere Frau Schad ist es zu danken, dass oder im Harz. Vielen Dank dafür: Der Einsatz sie alljährlich immer wieder Sponsoren auftut, so hat sich voll gelohnt. Das Klangbild des Chores dass auch Werke mit größerem Orchester aufge- ist so ausgefeilt und auf das einzelne Werk so ge- führt werden können. Und hier ist dann auch zu nau abgestimmt, dass sich dem Hörer die Werke bewundern, dass sie sich in fast allen musikali- der Meister immer wieder neu erschließen zur schen Stilrichtungen auskennt und die einzelnen großen Freude und Erbauung. So sind auch Aus- Werke mit dem Chor und dem Orchester dann so landseinsätze inzwischen eine Selbstverständlich- einstudiert, dass wirklich ganz unterschiedliche keit geworden wie dieses Jahr wieder in Frank- Klangfarben zu Gehör kommen. reich. Der Applaus ist der Dank der Hörer! Allen noch einmal ein großes Dankeschön Insbesondere ist nun aber auch den Chorlei- und hoffentlich: Weiter so – mit viel Freude! tern der Evangelischen Stadtkantorei zu danken: Herrn Friedrich Wandersleb, der vom 1. August 1954 bis zum 31. März 1992 als Organist und Chorleiter der Christuskirchengemeinde ange- stellt war und 1963 auf die glückliche Idee kam, die Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven ins Ernst-Michael Ratschow 3

GruSSworte Pastor Ulrich von Stuckrad-Barre (Vorsitzender des Kirchenvorstandes) Voller Dankbarkeit begeht un- sere Christuskirchengemein- nur ›Beigabe‹ oder ›Verzierung‹ der Predigt, sondern sie wirkt de in diesem Jahr das 50. Jubiläum entscheidend mit an der Verkün- ihrer Evangelischen Stadtkantorei. digung von Gottes Wort. Dieser Die Gemeinde ist froh und stolz, Gedanke ist mir sehr wichtig. Pre- dass die Stadtkantorei viele unse- digerinnen und Prediger und alle rer Gottesdienste mitgestaltet und an der Kirchenmusik Beteiligten darüber hinaus das Gemeindele- arbeiten zusammen. Gegenseitige ben durch eine Menge von Kon- Wertschätzung und verständnis- zerten bereichert. An dieser Stelle volle Zusammenarbeit sind dafür sei allen Sängerinnen und Sängern unerlässlich. Der Kirchenvorstand und Eva Schad gedankt für all die der Christuskirche will die Arbeit Zeit und all die Liebe und Begeis- der Stadtkantorei auch weiterhin terung, die sie der Stadtkantorei und damit auch mit allen Kräften unterstützen. unserer Gemeinde widmen. Was haben wir schon alles miteinander er- Dabei sind wir uns alle bewusst, dass die lebt: große Oratorien und Passionen, Radiogot- Wirkung der Stadtkantorei weit über unsere Ge- tesdienste, viel Klassisches, aber auch neuere und meinde und weit über Bremerhaven hinausgeht. moderne Kompositionen. Wie viele tausende Menschen kommen von weit her, um in der Stunden an Proben stecken dahinter … Dank- Stadtkantorei zu singen, und Menschen kommen bar erinnern wir uns an viele musikalische Hö- von weit her, um die Stadtkantorei zu hören. hepunkte, die wir in der Christuskirche erleben Musik zieht die Menschen an und füllt immer durften. Der größte Schatz der kirchenmusikali- wieder unsere schöne und große Kirche – oft ge- schen Arbeit sind die vielen Menschen, die mit- nug bis auf den letzten Platz. In ihrer 50-jährigen machen. Sie machen unsere Gemeinde reich! Wir Geschichte ist die Stadtkantorei in unserer Regi- freuen uns auf die kommenden Jahre! on zu einer Institution geworden, deren religiöse Im Namen des Kirchenvorstands wünsche ich und kulturelle Bedeutung man gar nicht hoch der Stadtkantorei für Ihre weitere Arbeit Gottes genug schätzen kann. Segen. Zentrum der Arbeit der Stadtkantorei bleibt die Verkündigung der Liebe Gottes zu allen Menschen. Diese Aufgabe teilt sich die Kirchen- musik mit der Predigt. Kirchenmusik ist nicht Ulrich von Stuckrad-Barre Melf Grantz (Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven) Fünfzig Jahre Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven – Die musikalische Ausgestaltung der Stücke wird von der Kirchen- das ist ein Jubiläum, auf das der gemeinde und den Konzertbesu- Kirchenkreis Bremerhaven mit chern geschätzt. So verwundert es gutem Grund stolz sein kann. Seit nicht, dass die gut besuchten Kon- 1963 trägt der Chor für ›große Kir- zerte des Oratorienchores seit Jahr- chenmusik‹ zum Musikleben unse- zehnten ein fester Bestandteil des rer Stadt bei. Über 100 Mitglieder Bremerhavener Kulturlebens sind. aus Bremerhaven und den angren- Mit seinen Konzertreisen von zenden Landkreisen treten regel- Finnland bis nach Mallorca hat mäßig in Gottesdiensten und Kon- der Oratorienchor den Kirchen- zerten auf. Oratorien, Kantaten kreis und die Stadt Bremerhaven und Motetten von Bach bis Britten in zahlreichen Ländern Europas verzaubern das Publikum in der Christuskirche. würdig vertreten – als Botschafter für christliche 4

Werte und kirchenmusikalische Kultur – einma- GruSSworte lige Erfahrungen sowie unvergessliche Erlebnisse, die Sängerinnen und Sänger miteinander teilen. Engagement des Oratorienchores und gratuliert in diesem Sinne der Evangelischen Stadtkantorei Ein Zusammenwirken der Chöre aller Alters- Bremerhaven zum 50-jährigen Jubiläum. Ich wün- stufen und über Generationen hinweg ist eines sche dem Chor und seinen Unterstützern alles der höchsten Anliegen des Kreiskantorats. Junge Gute für die Zukunft und weiterhin viel Erfolg. Talente werden altersgemäß in Kinder- und Ju- gendchören gefördert. Für die Stadt Bremerhaven Melf Grantz und die gesamte Region ist diese Jugendarbeit seit Jahrzehnten von unschätzbarem Wert. Die Stadt Bremerhaven ehrt das langjährige Michael Frost (Kulturdezernent der Stadt Bremerhaven) In der vergangenen Spielzeit des Stadttheaters bewegte uns das Region und sogar im europäi- Schauspiel Wie im Himmel, das die schen Ausland, längst über diesen ursprünglichen Auftrag hinaus. Gründungsgeschichte eines Kir- So gratuliere ich der Stadtkan- chenchores erzählte. Wir erlebten, torei des ev.-luth. Kirchenkreises wie die Mitglieder des Chores zu- Bremerhaven sehr herzlich zum nächst ihre eigene Stimme fanden, 50-jährigen Jubiläum und danke sowohl musikalisch als auch in ih- allen Sängerinnen und Sängern, rer persönlichen Entwicklung, um nicht zuletzt aber auch der Kreis- schließlich als Chorgemeinschaft kantorin Frau Schad, besonders nicht nur einander zu stärken, son- herzlich für das großartige Enga- dern mit der Kraft der Musik ihr gement, mit dem sie die kirchli- Publikum zu berühren. che Chormusik zu einem festen Diese Grundidee des gemeinsamen Singens Bestandteil des kulturellen Lebens unserer Stadt funktioniert nicht nur im Theaterstück. Die 1963 werden ließen. Ich wünsche allen Beteiligten, gegründete Evangelische Stadtkantorei Bremer- dass es ihnen auch in Zukunft gelingen möge, haven mit ihren derzeit über einhundert Sänge- die Herzen Ihres Publikums mit Ihren Stimmen rinnen und Sängern berührt ihre Zuhörerinnen zu erreichen. und Zuhörer nun bereits seit 50 Jahren. Was einst als Chor für ›große Kirchenmusik‹ begann, wirkt durch das Repertoire sowie die Vielzahl der Tä- tigkeiten und Auftritte in Bremerhaven, in der Michael Frost Ulrich Mokrusch (Intendant des Stadttheaters Bremerhaven) Als ich vor knapp drei Jahren meine Stelle als Intendant sammenarbeit zwischen Stadtkan- torei und Stadttheater unbedingt des Stadttheaters in Bremerhaven auszubauen sei. Umso mehr freue antrat, machte ich schnell Be- ich mich, dass wir in der relativ kanntschaft mit der energischen kurzen Zeit auf drei herausragen- und hoch motivierten Kreiskanto- de gemeinsame Projekte zurück- rin Eva Schad und den begeister- schauen können. Dies war zum ten Sängerinnen und Sänger der einen die bewegende Aufführung Evangelischen Stadtkantorei der des War Requiems von Benjamin Christuskirche. Schnell waren wir Britten im Herbst letzten Jahres. uns einig, dass die in den zurück- Unter der musikalischen Leitung liegenden Jahren praktizierte Zu- von Kreiskantorin Eva Schad und 5

GruSSworte standen alle drei großen Chöre der Stadt vereint auf einer Bühne und wirkten gemeinsam an ei- Generalmusikdirektor Stephan Tetzlaff vereinten nem herausragenden Theatererlebnis mit: der sich das Städtische Orchester Bremerhaven, die Chor des Stadttheaters Bremerhaven, die Evange- Kammer Sinfonie Bremen, Solisten, der Jugend- lische Stadtkantorei Bremerhaven und der Bach- chor der Christuskirche und die Evangelische Chor der Großen Kirche. Insgesamt 140 musikbe- Stadtkantorei Bremerhaven und gestalteten einen geisterte Menschen sangen dieses chorgewaltige ergreifenden Konzertabend. Werk, zu dem Ballettmeister Sergei Vanaev eine beeindruckende Choreographie geschaffen hat- Zu einer erneuten Zusammenarbeit zwischen te. Ohne solch einen begeisterten Chor wie die unserem Ballettensemble und den Chören der Evangelische Stadtkantorei wären solche Projekte Christuskirche kam es bei Bachs Magnificat. Ser­ nicht denkbar gewesen. Das ist gelebte Stadtkul- gei Vanaev choreographierte zwölf ausdrucksstar- tur, die es auch weiterhin zu pflegen und zu för- ke abstrakte Pas de deux und Pas de trois gegen dern gilt, damit auch die Zukunft viele solcher barocke Klänge, getanzt von den Tänzerinnen Erlebnisse für uns bereithält! und Tänzern des Stadttheaters Bremerhaven, mu- Ulrich Mokrusch siziert unter Leitung von Eva Schad durch den Bremerhavener Kammerchor, das Barockorches- ter Concerto Bremen und Vokalsolisten. Ganz bestimmt unvergessen bleiben die 13 ausverkauften Vorstellungen von Carl Orffs Car- mina Burana im Großen Haus des Stadttheaters. Erstmals in der Stadtgeschichte Bremerhavens Kirchenmusikdirektor Hauke Ramm (Stade) Seit der Gründung der Christus- kirche 1875 haben insgesamt rien und weitere große Werke der Kirchenmusik aufzuführen. sieben Kirchenmusiker an der Nach der langjährigen prägen- Christuskirche gewirkt. 1954 wur- den Zeit unter Friedrich Wanders- de Friedrich Wandersleb als haupt- leb übernahm 1992 Carsten Klomp beruflicher Kantor angestellt und für drei Jahre die Leitung des Cho- widmete sich u. a. mit der Grün- res. Seit 1995 leitet Kreiskantorin dung eines Kirchenchores gleich Eva Schad die Stadtkantorei. dem musikalischen Gemeindeauf- Heute singen über 100 Sänge- bau. Über Wanderslebs Chorarbeit rinnen und Sänger in der Evangeli- an der Christuskirche berichtet schen Stadtkantorei Bremerhaven. Hans Linder bereits 1959: Die intensive Chorarbeit ist ge- prägt durch die Aufführungen des An den hohen kirchlichen Festtagen kann man sich gesamten oratorischen Repertoires. Neben den hier oft an der trefflichen Wiedergabe vor allem Hauptwerken, wie z. B. der Matthäuspassion von Schützscher Werke erfreuen. Johann Sebastian Bach, gelangen auch seltener zu Mit der Gründung der Evangelischen Stadtkanto- hörende Werke – z. B. die Messe von Robert Schu- rei Bremerhaven durch Friedrich Wandersleb be- mann – zur Aufführung. Die Stadtkantorei hat gann eine kontinuierliche Erfolgsgeschichte. Als seit 1967 Konzertreisen in zahlreiche europäische Fachberater für Kirchenmusik der Kirchenkreise Länder unternommen. Die Pflege des A-cappella- Bremerhaven und Wesermünde-Süd – ab 1979 Repertoires mündet aber auch in die kirchenmu- als Kreiskantor des Kirchenkreises Bremerhaven sikalische Gestaltung der Gottesdienste in der – mit einem übergemeindlichen Dienstauftrag Christuskirche. versehen, gründete Friedrich Wandersleb 1963 Die Aufführungen der Evangelischen Stadt- diesen übergemeindlichen Chor. Er sollte inter- kantorei Bremerhaven prägen das kulturelle Le- essierten Sängerinnen und Sängern aus verschie- ben in Bremerhaven in besonderer Weise. Im denen Gemeinden die Möglichkeit geben, Orato- Sprengel Stade und in der Hannoverschen Lan- 6

deskirche wird das Wirken der Stadtkantorei in GruSSworte seiner großartigen Vielfalt und Fülle hochge- schätzt. Lande! Lobsinget zu Ehren seines Namens; rüh- met ihn herrlich!« (Psalm 66,1–2) Die Evangelischen Stadtkantorei Bremerha- ven möge auch in Zukunft mit Hingabe kraft- Hauke Ramm voll Gottes Lob verkündigen: »Jauchzet Gott, alle Friedrich Wandersleb (Kreiskantor i. R.) Fünfzig Jahre, ein halbes Jahr- hundert! Das ist wirklich ein Johannespassion und 1967 die Mat- thäuspassion. So wurde deutlich, Anlass, innezuhalten und zurück- dass Bach unser musikalisches zuschauen. So lange schon treffen Zentrum war. sich sangesfreudige Menschen als Durch vorwiegend mündliche Evangelische Stadtkantorei, um Werbung wuchs der Chor und die großen Werke der Kirchenmu- fand über die kirchlichen Wur- sik zu erarbeiten und aufzuführen. zeln hinaus seinen festen Platz im Als ich 1954 nach Bremer- Bremerhavener Musikleben. Chor- haven kam und die hauptamtli- fahrten nach Finnland und Hol- che Kirchenmusikerstelle an der land, besonders aber unsere Chor- Christuskirche in Geestemünde wochenenden, die uns anfängl­ich übernahm, gab es in Bremerha- in den Sachsenhain bei Verden ven keinen kirchlichen Oratorienchor. Oratori- und nach Wüstewohlde führten, dann aber in sche Werke wie etwa Händels Messias führte der Drangstedt ihren festen Platz fanden, ließen den Städtische Musikdirektor mit der Liedertafel auf, Chor zu einer guten Gemeinschaft zusammen- anfänglich sogar in der Christuskirche, weil die wachsen, mit der auch ein so schweres Werk wie Große Kirche noch Ruine war. An meinem An- die h-Moll-Messe erarbeitet werden konnte. fang stand der von mir gegründete Kirchenchor Als Gründer und langjähriger Leiter kann der Christuskirche, mit dem ich neben dem Mu- ich diesen Rückblick nur voller Dankbarkeit tun. sizieren im Gottesdienst in Verbindung mit an- Diese Arbeit war ein Geschenk. Dankbar bin deren Chören oratorische Werke von Heinrich ich aber auch für den Einsatz und die Treue der Schütz aufführte. Bei der Aushilfe in einem ande- Chormitglieder. Dankbar sei den schon Heimge- ren Chor fragte mich ein ebenfalls aushelfender rufenen gedacht. Dank sei aber auch denen ge- Chorsänger, ob man nicht in Bremerhaven einen sagt, denen das Alter eine weitere Beteiligung ver- Chor für Oratorien gründen könne. Meine Ant- wehrt und die doch durch jahrelange Treue die wort: »Gern, wenn Sie mir Männerstimmen brin- Arbeit mitgetragen haben. Sie und viele, die aus gen!« Dieses Gespräch war die Initialzündung für beruflichen und anderen Gründen die Kantorei die Gründung der Evangelischen Stadtkantorei. verlassen mussten, werden dankbar an das Ge- Am Anfang stand eine Testaufführung zu Epi- schenk der Kirchenmusik zurückdenken. phanias 1963 mit der Bachkantate Gelobet seist du, Eine besondere Freude ist es mir, dass die Ar- Jesu Christ und dem vierten Teil des Weihnachts- beit der Stadtkantorei nach meinem Weggang un- oratoriums mit den Kirchenchören der Christus- geschmälert fortgeführt werden konnte. Meinen und der Kreuzkirche und etlichen Helfern. Als beiden Nachfolgern dafür ein herzliches Danke- diese gelang, wurden in drei Probenphasen mit schön! So sei am Schluss der Wunsch ausgespro- einem interessierten Kreis die ersten drei Teile des chen, dass die Stadtkantorei und ihr Dienst wei- Weihnachtsoratoriums erarbeitet. Ihre Aufführung ter unter dem Segen Gottes stehen mögen. im Dezember 1963 war die eigentliche Geburts- stunde der Evangelischen Stadtkantorei Bremer- haven unter meiner Leitung. Es folgten 1964 in einer Abendmusik in der Pauluskirche die Motet- te Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf, 1965 die Friedrich Wandersleb 7

GruSSworte Grußworte sind schön und Prof. Carsten Klomp wichtig aber – so ganz unter Freiburger Arbeit und damit die dort von mir gegründeten Chöre uns – eigentlich will sie niemand nach 17 Jahren abgegeben habe, wirklich lesen (und schreiben hatte ich nicht ein solches Verlust- auch nicht unbedingt). Bei diesem gefühl wie 1995 nach 3 ½ Jahren Grußwort verhält sich das etwas als Leiter der Stadtkantorei. anders. Vielleicht nicht unbedingt Liebe Sängerinnen und Sänger bei Ihnen aber ganz bestimmt der Stadtkantorei: Ich gratulie- bei mir, denn auch wenn ich an- re und danke Ihnen, dass Sie so gesichts der Chor-Leitungszeiten ein toller, sympathischer und im meines Vorgängers und meiner wahrsten Sinne des Wortes unver- Nachfolgerin nur eine Episode in gesslicher Chor sind. der Leitung der Stadtkantorei war, Lieber Herr Wandersleb: Ich so war die Leitung der Stadtkantorei wesentlich gratuliere Ihnen, dass Sie einen wunderbaren mehr als eine Episode für mich. Die Stadtkanto- Chor gegründet und so lange geleitet haben und rei war ›mein‹ erster großer Chor, das Ensemble, nun erleben dürfen, wie sich ›Ihre‹ Stadtkantorei mit dem ich die ersten großen Werke komplett in 50 Jahren entwickelt hat. eigenverantwortlich aufführen durfte, mit dem Liebe Eva: Ich gratuliere Dir, dass Du den ich zum ersten Mal herumexperimentieren durf- Chor zu einem Ensemble gemacht hast, das aus te und aus dem heraus ich den Kammerchor und der Kulturszene Bremerhavens und der Region – mittelbar durch Chorbekanntschaften – das nicht mehr wegzudenken ist. Kammerorchester gründen konnte. Und mir gratuliere ich, dass ich meinen beruf- Vor allem aber waren die Mitglieder der lichen Werdegang als hauptamtlicher Kirchen- Stadtkantorei die Menschen, die mich damals als musiker mit der Bremerhavener Stadtkantorei jungen Berufsanfänger wie eine (zugegebenerma- beginnen durfte – ich hätte mir keinen besseren ßen ziemlich große) Familie empfangen haben, Start wünschen können. mit denen mich Freundschaften verbunden ha- Alles Gute für die nächsten 50 Jahre wünscht ben, die den alleinstehenden jungen Mann zum Ihnen und Euch Essen eingeladen haben, die die typischen Fehler und Eigenarten des Berufsanfängers akzeptiert haben, die ehrlich dankbar für die langjährige Arbeit des Vorgängers und gleichzeitig neugierig und freudig gespannt auf die Arbeit des Neuen waren. Selbst als ich vor ein paar Monaten meine Carsten Klomp Im Dezember 1967 probt Fried- Kreiskantorin Eva Schad rich Wandersleb mit 28 Sängerin- risten überwiegend junge Leute sind, nur wenige über 30 Jahre alt. nen und 7 Sängern für einen Weih- Die Stadtkantorei besteht zu nachtsgottesdienst (Bild auf der diesem Zeitpunkt seit vier Jahren. nächsten Seite). Die Frauen tragen Während Friedrich Wanderslebs (mit einer Ausnahme) Rock und junger Chor Weihnachtsmotetten Bluse, Dauerwelle oder zeittypisch übt, lauscht in Stuttgart die kleine hochtoupierte Haare, die Männer Eva, gerade mal fünf Monate alt, in (wiederum mit einer Ausnahme) der Wiege dem Geigenspiel ihrer Anzug und Krawatte. Erst ein Mutter. 1967 ist mein Geburtsjahr. zweiter Blick auf das Schwarzweiß- Das Bild zeugt von einer ande- Foto lässt erkennen, dass die Cho- ren Zeit und wirkt doch vertraut: 8

Ich erkenne ›meine‹ Christuskirche. Das hölzer- GruSSworte ne Notenpult, an dem mein Vorvorgänger steht, ist auch heute noch bei jeder Chorprobe in Ge- Wacker, die zweite von links in der ersten Reihe, brauch. Und ich finde ein bekanntes Gesicht: Silke ist seit nunmehr 50 Jahren Kantoreimitglied und hat als Leiterin der hiesigen Musikschule meinen Kindern einen ersten Zugang zur Musik eröffnet. Abb. 1: Chorprobe mit Friedrich Wandersleb im Dezember 1967 Dies alles führt mir vor Augen, dass ich als Kan- langjährigen Chormitglieds bis heute). Ich war torin eine Tradition fortführe, die vor meinem damals 28 Jahre jung und kam frisch vom Studi- Geburtsjahr 1967 begonnen hat und seitdem um. Die 29-jährige Weggefährtenschaft Wanders- bruchlos fortbesteht. Noch heute singen in der lebs mit seinem Chor schien mir unvorstellbar Stadtkantorei Gründungsmitglieder, die als jun- lang. Heute, 18 Jahre später, wird mir staunend ge Menschen 1963 ihre Liebe zum Singen in den bewusst, dass ich selbst bereits einen entscheiden- neugegründeten Chor einbrachten, daneben aber den Lebensabschnitt gemeinsam mit der Stadt- auch Jugendliche, die, eben erst der musikali- kantorei und ihren Sängerinnen und Sängern schen Kinderarbeit entwachsen, nun auf einmal verbracht habe, ja, dass ich beginne, meine eigene bei Bachs h-Moll-Messe in der ersten Reihe stehen. Zeit mit dem Chor nicht mehr in Jahren, sondern Viele Kirchenchöre leiden an Überalterung – in Jahrzehnten zu rechnen. Mit der Stadtkanto- nicht so die Evangelische Stadtkantorei. Sie war rei durfte ich nach meinem Studium alle großen von Anbeginn ein generationenübergreifendes chorsymphonischen Werke das erste Mal einstu- Projekt und ist dies bis heute. dieren und aufführen. Aber auch nach knapp zwei Jahrzehnten habe ich meine persönliche Lis- Als ich 1995 nach Bremerhaven kam, war te der ›aufzuführenden Werke‹ noch immer nicht mit meinem unmittelbaren Vorgänger, Carsten vollständig abgearbeitet und bislang nur wenige Klomp, der Generationenwechsel in der Chorlei- Stücke wiederholt ins Programm genommen. tung bereits vollzogen. Dennoch war Friedrich Die Arbeit bleibt noch viele weitere Jahre span- Wandersleb, der den Chor gegründet und fast nend – für Chor und Dirigentin. drei Jahrzehnte lang, von 1963 bis 1992, geleitet hatte, als prägende Gestalt nach wie vor gegen- In der Rückschau sehe ich, wie sich im letzten wärtig (und ist dies in der Erinnerung manch halben Jahrhundert die Rahmenbedingungen der 9

GruSSworte Der Erfolg der Evangelischen Stadtkantorei Bremerhaven hat viele Mütter und Väter, und es Kirchenmusik verändert haben. So ist die kirchli- kommen immer neue hinzu. Der Gründer der che Kultur weniger selbstverständlich geworden, Evangelischen Stadtkantorei, Friedrich Wanders- während Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring in leb, schuf in Bremerhaven die Voraussetzungen den letzten zwei Jahrzehnten sehr an Bedeutung für eine zukunftsträchtige Kirchenmusikpflege. gewonnen haben. Wofür die Evangelische Stadt- Zahlreiche ›stille‹ Helfer, übernehmen Woche für kantorei dennoch seit fünfzig Jahren unverändert Woche ehrenamtliche Dienste, allen voran den steht, sagt programmatisch schon ihr Name: Als Kantoreimitglieder Elke Harksen und Ute Gätje, ›evangelischer‹ Chor lebt sie in den musikalischen die sowohl den gesamten Karten- und Notenver- Ausdrucksformen des christlichen Glaubens. kauf durchführen oder überwachen als auch für Als übergemeindliche ›Stadtkantorei‹ vertritt sie die Verteilung von Plakaten und Handzetteln andererseits die kirchliche Kultur inmitten der sorgen. Kein Kantoreikonzert wäre möglich ohne Vielstimmigkeit höchst unterschiedlicher Kultur- die Führung der Abendkasse durch ehrenamtli- und Freizeitangebote. Wenn die Stadtkantorei che Helfer unserer Gemeinde und den Podestauf- singt, dann hat dies tatsächlich Strahlkraft in die und -abbau durch die Männer der Stadtkantorei – Stadt hinein und bis weit ins Umland! immer dabei: Jens Schoppenhauer, Klaus Fischer, Peter Wacker, Ulrich Krey und Friedrich Bremer. Wer – wie viele Bremerhavener – neidvoll auf Daniel Wandersleb schließlich ist es zu danken, die großen Kulturstädte schaut, übersieht leicht dass die Entwicklung des Chores fast lückenlos die eigenen Vorzüge: Ein Erfolgsmodell wie die durch Tonaufnahmen dokumentiert ist und ich Evangelische Stadtkantorei funktioniert am bes- jederzeit überprüfen kann, wie beispielsweise die ten in einer Mittelstadt wie Bremerhaven, in der Bach’sche h-Moll-Messe – unser Jubiläumswerk – es eben nicht selbstverständlich ist, dass alljähr- vor 11 Jahren bei ihrer ersten Aufführung unter lich zur Adventszeit das Bach’sche Weihnachts­ meiner Leitung geklungen hat. oratorium dreißigmal erklingt (wie etwa in Ham- burg), die aber dennoch das kulturelle Zentrum Im Namen aller Sängerinnen und Sänger dan- einer ganzen Region bildet. Es ist nicht zuletzt ke ich den Mitarbeitern der Christuskirche, die diese privilegierte Stellung, die mir den Freiraum dem Chor seit fünfzig Jahren eine Heimat geben, gibt, auch unbekannte oder seltener aufgeführte dem Kirchenkreis Bremerhaven, dem ehemaligen Werke ins Programm zu nehmen, ohne dass ich Superintendenten Ernst Michael Ratschow und fürchten müsste, die Stadtkantorei könnte in der unserer jetzigen Superintendentin Susanne Wen- Publikumsgunst sinken. Die Bremerhavener ha- dorf - von Blumröder für ihre große Unterstüt- ben in fünf Jahrzehnten gelernt: Sie werden – was zung, den Sponsoren und Förderern unserer auf- auch auf dem Programm steht – ein Konzert der wendigen Oratorienkonzerte und nicht zuletzt Evangelischen Stadtkantorei nie enttäuscht oder den zahlreichen Zuhörern, die regelmäßig die auch nur gelangweilt verlassen! Gottesdienste und Konzerte in unserer schönen Christuskirche besuchen. Das vergangene Jahr 2012 war für die Sänge- rinnen und Sänger der Stadtkantorei (und auch Ob es auch in 50 weiteren Jahren noch eine für mich persönlich) ein Jahr der Höhepunkte, Chorleiterin (oder einen Chorleiter) der Evange- allem voran die Open-Air-Konzerte mit der Car- lischen Stadtkantorei Bremerhaven geben wird? mina Burana im sonnigen Nordenham und im Ich stelle mir vor, wie sie (oder er) am Grußwort verregneten Bremerhaven sowie die Aufführung zum 100-jährigen Bestehen des Chores arbeitet, des War Requiems von Benjamin Britten zusam- unsere Worte liest und die Bilder aus unserer Ge- men mit dem Jugendchor der Christuskirche, genwart betrachtet. Ich kann nur vermuten, als dem Städtischen Orchester Bremerhaven und was meine Kollegin aus der Zukunft sie wahrneh- Generalmusikdirektor Stephan Tetzlaff. Doch men und empfinden wird: als Zeugnisse einer an- nicht allein an solchen Publikumserfolgen misst deren Zeit und doch vertraut. sich der Wert der Stadtkantorei, sondern auch am Eva Schad Gemeinschaftssinn, an der Motivation und an der mitreißenden Musikalität der über hundert Sängerinnen und Sänger, die Woche für Woche – und darüber hinaus auch für manches Probenwo- chenende – den Weg in die Christuskirche finden. 10

Musik ist der direkte Weg zur Seele LeonhardBernstein Seit 35 Jahren Unter anderem im Programm: Spezielle Musikförderung von heißt es bei uns: „Lernen mit Spaß und Herz“ 4 Monaten - 12 Jahren fördern wir die Kreativität unserer In der Schüler/innen durch Komponieren von eigenen Musikstücken. Popular Music School ist es unser Ziel, dass unsere ein Band-Instrument erlernen Schüler/innen lernen, Gedanken und Gefühle musikalisch auszudrücken Überschaubare Lerngruppen Verschiedene musikalische Richtungen lernen unsere Schüler durch das Klassik, Rock, Pop, Funk, Jazz und Latin gemeinsame Musikzieren sich emo- Übungen zu zeitgemäßen Musikrichtungen tional zu öffnen und empathischer und Spieltechnische Ausbildung & Gehörbildung aufmerksamer für Andere zu werden gilt bei uns Qualität durch langjährige Erfahrung und permanente Fortbildung basiert unser erfolgreicher Musikunter- richt auf stetiger Weiterentwicklung der Unterrichtskonzepte Lernen Sie uns kennen, machen Sie mit! Bürozeiten Mo-Fr von 12:00 bis 19:00 Uhr. Vereinbaren Sie einen Probeunterricht, einen Probemonat und entscheiden Sie sich dann für einen der angebotenen Kurse. Silke Wacker Georgstraße 50-52 27570 Bremerhaven Tel.: (0471) 926 91 94 Fax: (03212) 1411 996 E-Mail: [email protected] www.musikschule-wacker.de www.musikschule-wacker.de - www.musikschule-wacker.de - www.musikschule-wacker.de - www.musikschule-wacker.de

Chorleiter Chorleiter Im Jahre 1827 waren der Hafen und die Stadt Das Zentrum einer anspruchsvollen kirchenmu- Bremerhaven gegründet worden. Knapp zwei sikalischen Chorarbeit war in der ersten Hälfte Jahrzehnte später ließen sich südlich der Geeste des 20. Jahrhunderts nicht die Christuskirche, inmitten der kleinen Bauernsiedlung Geesten- sondern die Dionysiuskirche in Lehe, wo zwi- dorf etwa 3000 Neuansiedler nieder und errich- schen 1925 und 1948 der ›Madrigalchor‹ unter der teten den Hafen Geestemünde. Der so entstande- Leitung von Otto Last (dem Vater des gegenwär- nen Doppelgemeinde Geestendorf-Geestemünde tigen Kantors Otto-Ernst Last) unter anderem das diente die im Mittelalter errichtete Marienkirche Mozart-Requiem (1946), die Bach’sche Matthäus- als Gotteshaus. Es erwies sich aber bald, dass passion (1947) und Haydns Schöpfung (1946/1947) dieses für die wachsende Zahl an Gemeinde- zu Gehör brachte. Der erste Kirchenmusiker an mitgliedern viel zu klein war, und so wurde im der Christuskirche, der die Amtsbezeichnung ei- Jahre 1863 der Neubau einer Kirche beschlossen. nes Kantors führte, war Erich Knorr. Über ihn 1868 wurde Baurat Hase mit der Planung betraut; schreibt Hans Linder in seiner Kleine[n] Musikge- bis zur Grundsteinlegung zog es sich noch bis schichte Bremerhavens: zum 19. Juli 1872 hin. Die Bauarbeiten nahmen »Sein [Jan Martin Rademachers] Wirken setzte reichlich drei Jahre in Anspruch, so dass am 14. in den Jahren zwischen 1946 und 1956 Kantor November 1875 die Einweihung gefeiert werden Erich Knorr (geb. 1895) fort, der mit großer Tat- konnte. kraft versuchte, wieder eine regelmäßige Folge Seit ihrer Gründung haben insgesamt sieben Kir- kirchenmusikalischer Veranstaltungen einzurich- chenmusiker an der Christuskirche gewirkt: ten.« (S. 10) 1875–1893: Lehrer Brinkmann Knorr gründete in den späten 40er Jahren des 20. 1893–1944: Johann Martin Rademacher Jahrhunderts einen Chor für konzertante Kir- 1944–1946: August Rademacher chenmusik. Die ›Bach-Kantorei‹ scheint jedoch 1946–1954: Kantor Erich Knorr nur für kurze Zeit Bestand gehabt zu haben; je- 1954–1992: Kantor Friedrich Wandersleb denfalls kam es nur zu einer einzigen, nicht mehr 1992–1995: Kantor Carsten Klomp datierbaren Aufführung des Bach’­schen Weih- seit 1995: Kantorin Eva Schad nachtsoratoriums. Über eine Chorarbeit der drei ersten Musiker an der Christuskirche, Lehrer Brinkmann, Johann Sein Nachfolger als Kantor der Christuskir- Martin Rademacher und August Rademacher, che schließlich, Friedrich Wandersleb, widmete ist nichts bekannt. Johann Martin Rademacher die ersten Jahren seines Wirkens dem kirchenmu- muss jedoch ein fähiger Organist gewesen sein. sikalischen Gemeindeaufbau. Mit der Gründung So weiß Riemanns Musiklexikon in der 10. Auf- eines Kinderchores legte er das Fundament für lage von 1922 zu berichten, er habe das gesamte eine spätere Mitwirkung der von ihm ausgebild- Orgelschaffen Johann Sebastian Bachs den Lieb- ten Kinder und Jugendlichen in dem von ihm habern der Orgelmusik in Zyklen von 20 Aben- neu belebten Kirchenchor und später auch in der den dargeboten: Evangelischen Stadtkantorei. Über Wanderslebs Chorarbeit an der Christuskirche berichtet Hans Linder 1959: »An den hohen kirchlichen Festtagen kann man sich hier oft an der trefflichen Wiedergabe vor al- lem Schützscher Werke erfreuen.« (S. 10) Abb. 2: Riemann-Musiklexikon, 10. Aufl., 1922, S. 1028 Oratorienkonzerte wurden in den 50er und frühen 60er Jahren durch die 1909 gegründe- te Bremerhavener Liedertafel bestritten. Unter 12

der Leitung von GMD Hans Kindler führte der Chorleiter Chor unter anderem die Bach’sche Johannespassi- on (1951), das Mozart-Requiem (1955), den Messias sierten Sängerinnen und Sängern aus verschie- (1958) und die Carmina Burana (195/1957) sowie denen Gemeinden die Möglichkeit geben sollte, Werke von Hans Pfitzner, Heinrich Kaminski Oratorien und große Kirchenmusik zu singen. und Johannes Drießler auf. Die Konzerte fanden zunächst in der Christuskirche, nach deren Wie- Zu den geschichtlich gewachsenen Kuriositä- deraufbau 1960 dann in der ›Großen Kirche‹ statt. ten des kirchlichen Lebens in Bremerhaven gehört der Umstand, dass einzig die Bürgermeister-Smidt- Dem Fehlen eines kirchlichen Oratorien- Gedächtniskirche (›Große Kirche‹) der unierten chores begegnete Friedrich Wandersleb mit der Bremer Landeskirche, alle übrigen Gemeinden Gründung der Evangelischen Stadtkantorei Bre- jedoch der lutherischen Hannoverschen Landes- merhaven im Jahre 1963. Als ›Fachberater für kirche angehören. Ein Jahr nach der Gründung Kirchenmusik der Kirchenkreise Bremerhaven der Evangelischen Stadtkantorei Bremerhaven, und Wesermünde-Süd‹ (ab 1979 ›Kreiskantor des 1964, rief Gerd Reinfeld, Kantor an St. Rember- Kirchenkreises Bremerhaven‹) war Wandersleb ti in Bremen, an der ›Großen Kirche‹ den Bach- der erste Kirchenmusiker an der Christuskirche Chor als Oratorienchor der Bremer Landeskirche mit übergemeindlichem Dienstauftrag. Dement- ins Leben. Seitdem bereichern beide Oratorien- sprechend verstand sich die Stadtkantorei von chöre das kulturelle Leben nicht nur Bremerha- Anfang an als übergemeindlicher Chor für die vens, sondern des gesamten Elbe-Weser-Dreiecks. ganze Stadt Bremerhaven, der nicht mit kleineren Im Folgenden werden die drei bisherigen Leiter Gemeindechören konkurrieren, sondern interes- der Evangelischen Stadtkantorei Bremerhaven kurz vorgestellt. Abb. 3: Jubiläumskonzert am 14.12.2003; Bremerhavener Kirchenmusiker, von links nach rechts: Eva Schad, Friedrich Wandersleb, Otto-Ernst Last und Dieter Conradi Friedrich Wandersleb (Kreiskantor von 1954 bis 1992) Friedrich Wandersleb wurde 1927 als Sohn des Pastors Martin Wandersleb in Helmstedt terricht bei der Braunschweiger Domorganistin Dr. Ellinor Dohrn. Kirchenmusikstudium an der geboren. Nach gründlichem Klavierunterricht Musikhochschule Stuttgart von 1946 bis 1953. Do- Orgelspiel, anfänglich autodidaktisch, dann Un- zenten unter anderen Hermann Keller, Johann 13

Chorleiter Christuskirche Bremerhaven und Kreisfachbera- ter für Kirchenmusik (Kreiskantor) für die Kir- Nepomuk David und Hans Grischkat. Kirchen- chenkreise Bremerhaven und Wesermünde-Süd. musik-A-Prüfung 1950. Erste nebenamtliche Kir- chenmusikerstelle an der Matthäuskirche Stutt- 1954 Gründung des Kirchenchores der Chris- gart von 1949 bis 1953. Danach ein Jahr Kantor tuskirche. 1963 Gründung der Evangelischen Stadt- und Organist an St. Lamberti Hildesheim. Vom kantorei Bremerhaven. Seit 1992 im Ruhestand. 1. August 1954 an Kantor und Organist an der Abb. 4: Abschiedsfeier für Friedrich Wandersleb 1992 Prof. Carsten Klomp (Kreiskantor von 1992 bis 1995) Carsten Klomp, geb. 1965, studierte Schulmu- sik, Kirchenmusik und Klavier an der Musik- torei‹ und das ›Herdermer Vokalensemble‹. Seit 2006 leitet er das von ihm gegründete Haus der hochschule Detmold sowie Germanistik an der Kirchenmusik in Schloss Beuggen. Universität Bielefeld. Im November 2000 erfolgte seine Ernennung Von 1986 bis 1992 war er Kirchenmusiker an zum Professor für Liturgisches Orgelspiel an der der Herdecker Stiftskirche, danach Kreiskantor Musikhochschule Freiburg; zum Wintersemester an der Christuskirche Bremerhaven. Von 1995 bis 2012/13 wurde er zum Professor für Künstleri- 2012 wirkte er als Landes- und Bezirkskantor für sches Orgelspiel an der Heidelberger Hochschule Südbaden und Freiburg an der Freiburger Lud- für Kirchenmusik berufen. wigskirche. Hier gründete er die ›Freiburger Kan- Eva Schad (Kreiskantorin seit 1995) Eva Froebe-Schad, geb. 1967 in Stuttgart, stu- dierte Evangelische Kirchenmusik (A) sowie 1995 ist sie Kreiskantorin des Kirchenkreises Bremerhaven. In dieser Eigenschaft leitet sie die Orgel und Cembalo (Konzertexamen) in Stutt- Evangelische Stadtkantorei, den Bremerhavener gart (Jon Laukvik), Hamburg (Wolfgang Zerer) Kammerchor, mehrere Kinder- und Jugendchöre und Wien (Michael Radulescu). 1992 gewann sie sowie das Bremerhavener Kammerorchester. Da- den 1. Preis im Internationalen Orgelwettbewerb neben konzertiert sie als Organistin und Cemba- ›Johann Sebastian Bach‹, Luzern. Seit Oktober listin. 14

Chorleiter Die Jahre unter Friedrich Wanderslebs Lei- te das uns nun schon bekannte Procedere ein. tung waren nicht nur für die Kantorei Und wieder hatten wir das richtige Gespür für und für Bremerhaven, sondern auch für mich den fähigsten Kandidaten, pardon, die fähigs- selbst sehr prägend. Wie viel konnten wir von te Kandidatin. Gespannt und erwartungsfroh ihm und seinem umfassenden Wissen lernen! sahen wir der ersten gemeinsamen Chorpro- Sicherlich ist auch der gute Geist im Chor be entgegen. Wie würde es wohl werden mit zum großen Teil auf seine Persönlichkeit und einer Frau? Doch die neue Chorleiterin ließ sein Vorbild des gelebten Glaubens zurückzu- auf sich warten. Erkrankt! Leichte Zweifel führen. Daher war ich richtiggehend traurig, wurden schon in unseren Reihen laut. Doch als wir ihn 1992 in den Ruhestand verabschie- kaum war die Neue da, startete sie auch schon den mussten. Zum letzten Mal dirigierte er so richtig durch. Es dauerte nicht lange und am 22. März die Bach’sche Johannespassion. wir erkannten: Etwas Besseres als Eva Schad Ein paar Tage später organisierte die Kantorei hätte uns nicht widerfahren können! Als für ihn eine kleine Feier. Nur ungern ließ ich Energiebündel mit viel Temperament, leicht mich überreden, dazu für ihn ein Abschieds- schwäbelndem Charme, erstaunlichem Elan lied zu verfassen, das von seinen liebenswer- und Ideenreichtum mischte sie nicht nur un- ten kleinen ›Schwächen‹ handeln sollte. seren Chor auf, sondern binnen kurzem auch die musikalisch-kulturelle Szene der Stadt Eine lange Ära war zu Ende gegangen. Bremerhaven insgesamt. Die Fußstapfen, die Friedrich Wandersleb hinterlassen hatte, waren groß. Wer würde Mittlerweile ist Eva Schad auch schon im hineinpassen? Mit Spannung verfolgten wir achtzehnten Jahr bei uns. Manche aus der das Ausschreibungsverfahren für die Nach- Kantorei haben gar keine andere Chorlei- folge. Die Bewerber, die in die engere Wahl tung kennen gelernt. Das fiel mir schon beim gekommen waren, stellten sich uns im Rah- 40-jährigen Chorjubiläum auf, als wir sie ver- men einer Chorprobe vor, denn wir hatten eint mit ihren beiden Amtsvorgängern bei der ein Mitspracherecht bei der Neubesetzung Aufführung des Bach’schen Weihnachtsoratori- der Kantorenstelle. Ich sehe die Kandidaten ums erleben durften. Bei uns Älteren war die noch vor meinem geistigen Auge und entsin- Wiedersehensfreude groß, doch begegneten ne mich, dass einer gleich hervorstach, dem nicht wenige der Sängerinnen und Sänger der Ruf als Improvisationstalent an der Orgel den früheren Leitern des Chores zum ersten schon vorausgeeilt war: Carsten Klomp. Mit Mal. Dies zeigt aber auch: Über Nachwuchs- großer Mehrheit wurde er gewählt. Ein Ge- mangel haben wir (nicht zuletzt dank Frau nerationenwechsel. Flott und schwungvoll Schads strategischer Kinder- und Jugendchor- nahm er seine Arbeit bei uns auf und brachte arbeit) nicht zu klagen. Und erfreulicherweise frischen Wind. Dieser wehte alsbald einige stellen sich immer wieder – meist im Nach- ›Altgediente‹ aus unseren Reihen hinaus, sog klang eines Konzertes – Musikbegeisterte aus im Gegenzug aber auch neue Sängerinnen Nah und Fern zum Vorsingen ein. und Sänger an. So blieb auch unter ihm das ausgewogene Verhältnis zwischen älteren und Ich gratuliere der jetzigen Leiterin der jüngeren Stimmen erhalten, das immer schon Stadtkantorei und ihren Amtsvorgängern, den spezifischen Klang unserer Kantorei aus- insbesondere dem Chorgründer Friedrich machte. Wandersleb, von ganzem Herzen zum 50-jäh- rigen Bestehen ›ihres‹ Chores. Möge Eva Leider sollte Carsten Klomp uns und der Schad uns noch lange hier erhalten bleiben Stadt Bremerhaven schon bald wieder den und möge sie ihre schier unerschöpflich schei- Rücken kehren, denn neue Aufgaben lockten nende Energie, Willenskraft und mitreißende ihn nach Freiburg. So hieß es nach gut drei Freude an der Arbeit nicht verlieren! Jahren ein weiteres Mal: Kreiskantor und Lei- Marita Westphal-Blome ter für die Stadtkantorei gesucht! Wieder setz- 15

KonzertE Konzerte 1963 – 2  013 Advent – Weihnachten Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium Am 14. Dezember 1963 kündigt die Nord- seezeitung in einem kurzen Artikel »Bachs Weihnachts-Oratorium in der Christuskirche« an: »Für diese Aufführung wurde ein Auswahl- chor gebildet, der mit diesem Werk erstmals an die Öffentlichkeit tritt und seine Arbeit als ›Evan- gelische Stadtkantorei Bremerhaven‹ fortsetzen wird.« (Abb. 5) Die Proben fanden bis zum Bau des heutigen Gemeindehauses im Jahr 1975 in ei- nem Saal statt, der zu dem heute noch bestehen- den Pfarrhaus in der Schillerstraße 3 gehörte. Mit Bachs Weihnachtsoratorium hat das musi- kalische Leben der Evangelischen Stadtkantorei Bremerhaven begonnen. Und das Weihnachtsora­ torium ist das von ihr am häufigsten aufgeführte Oratorium: Elfmal ist es in 50 Jahren erklungen, davon zweimal vollständig mit allen sechs Kanta- ten. Eine Aufführung aller sechs Teile an einem Tag wurde in den Anfangsjahren der Kantorei noch als Herausforderung für die Aufnahmefä- higkeit der Zuhörer empfunden. In einer Ankün- digung der Aufführung vom 16. Dezember 1969 schrieb Kantor Friedrich Wandersleb im ›Geeste- münder Gemeindeboten‹: »… sollen in diesem Jahr, wohl zum ersten Mal, alle sechs Teile an einem Abend erklingen. Um die Hörer nicht zu überfordern, sind allerdings innerhalb der Teile Kürzungen vorgesehen. Nicht an den Chorsätzen, denn gerade die große Schön- heit der bisher nicht aufgeführten Choräle und Choralsätze hat den Wunsch nach einer Gesamt- aufführung ausgelöst.« Abb. 5: J. S. Bach, Weihnachtsoratorium, Es ist diesen Worten anzumerken, wie schwer Konzertankündigung vom 14.12.1963 Friedrich Wandersleb die Kürzungen an einigen Arien gefallen sein müssen. Für die zweite Gesamtaufführung 30 Jahre danach, am 17. Dezember 2000, verteilte Kanto- rin Eva Schad die Kantaten 1–3 und 4–6 auf den späten Nachmittag und den Abend, dazwischen gab es einen Imbiss im Gemeindehaus. 16

KonzertE Abb. 6: Einladung Friedrich Wanderslebs zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums von J. S. Bach am 15.12.1963 17

KonzertE Abb. 7: Plakat zur Aufführung des Weihnachtsoratoriums von J. S. Bach am 15.12.1963 18

KonzertE An die Aufführung des Bach’schen Weih­ Natürlich habe ich mir dann auch das nachtsoratoriums vor 50 Jahren erinnere Konzert am 14. Dezember 1963 angehört. ich mich noch sehr gut. Am deutlichsten aber Nun war die Kirche voller Menschen, hell habe ich die Generalprobe vor Augen: Die erleuchtet, und eine gespannte Erwartungs- Wirkung der Musik, das Staunen über den haltung der Besucher war zu spüren – und Klang der Trompeten, die Atmosphäre in der ich wartete auf den Eingangschor. Ich woll- fast dunklen Christuskirche sind ganz fest in te eigentlich nur »Jauchzet, frohlocket« samt meiner Erinnerung geblieben. Pauken und Trompeten hören. Aber ich hörte das ganze Weihnachtsoratorium, die Kantaten Ich war 14 Jahre alt und sang im Schulchor 1 bis 3, auch die Arien! Daran kann ich mich der Surheider Schule, den unsere junge Mu- nun wieder sehr gut erinnern, denn die Arien siklehrerin Inge Drescher leitete. Sie erzählte erforderten viel Geduld – und die hatte ich uns voller Begeisterung von ›ihrem‹ Chor, der damals nicht. Aber ich habe durchgehalten! Evangelischen Stadtkantorei Bremerhaven und lud uns ein, bei der Generalprobe in der Jedes Jahr in der Weihnachtszeit wartete Christuskirche zuzuhören. Da der Eintritt ich auf die Aufführung des Weihnachtsoratori­ nichts kostete (Taschengeld war zu jener Zeit ums, aber es wurde nicht jedes Jahr gesungen. äußerst knapp), machte ich mich auf den Weg. Später dann gehörte in unsere Plattensamm- lung sehr schnell das Weihnachtsoratorium. Das Weihnachtsoratorium kannte ich nicht, hatte es noch nie gehört. Damals gab es in Mein Mann und ich haben viele Konzerte meiner Familie noch kein Fernsehgerät, mei- der Kantorei besucht. 1991 trat mein Mann in ne großen Brüder hatten zwar eine ›Musik- die Kantorei ein, 1992 unsere Tochter Annet- truhe‹ mit einem Schallplattenspieler, hörten te, und im Januar 1996 kamen auch unsere aber ganz andere Musik. Tochter Lena und ich hinzu. So sang nun die ganze Familie in der Evangelischen Stadtkan- So saß ich nun in dem hohen, schwach torei. Wir haben zweimal das Weihnachtsora­ erleuchteten Kirchenschiff der Christuskirche torium zusammen gesungen und als Familie mit einigen anderen Zuhörern. Es war abso- die Reisen nach Skandinavien und Mallorca lut still. Vorn im Altarraum stand der Chor, mitgemacht, zu dritt die Reise durch Polen Herr Wandersleb dirigierte. und zuletzt auch die Jubiläumsfahrt in die Normandie. Und dann begann die Musik, der Ein- gangschor »Jauchzet, frohlocket, auf, preiset Die wunderbare Musik, die vielfältige die Tage« erklang. Solch eine Musik hatte ich Chorliteratur und die gute Chorgemeinschaft bisher noch nie gehört: diese schmetternden in der Kantorei möchte ich nicht mehr mis- Trompeten, die Pauken und der Chor – ich sen. Der Freitagabend gehört dem Chor. war ergriffen und überwältigt! Zu meinem Edith Haisch großen Glück wurde der Eingangschor mehr- fach geprobt. Von Anfang an berichtete die Nordseezeitung in später Musiklehrer. Beide begleiteten die Auf- ausführlichen und bebilderten Vorankündigun- führungen der Stadtkantorei mit fachkundigen gen sowie in Rezensionen über die Aufführun- Kritiken, wobei letzterer mit lobenden Worten in gen der Evangelischen Stadtkantorei. Über viele der Regel ein bisschen sparsamer war als ersterer. Jahre hinweg waren es zwei Rezensenten, die sich die Berichterstattung über musikalische Ereig- Mit der Aufführung der Kantaten 1–3 des Weih­ nisse in Bremerhaven teilten: Werner Steinmeier, nachtsoratoriums am 17. Dezember 1995 – noch ehemals Kapellmeister am hiesigen Stadttheater, von ihrem Vorgänger Carsten Klomp geplant später Musiklehrer an verschiedenen Schulen, – gab Eva Schad ihren musikalischen Einstand und Hans Linder, ebenfalls Kapellmeister und als Leiterin der Stadtkantorei. In der Nordsee- zeitung lobte Hans Linder die neue Kantorin: 19

KonzertE Abb. 8: J. S. Bach, Weihnachtsoratorium, 17.12.1995; Rezension von Hans Linder in der NZ (Auszug) Im Gemeindebrief der Christuskirche von Febru- Der Chor konnte seine beiden ehemaligen Leiter, rar / März 1996 brachte Bettina Praßler-Kröncke, Friedrich Wandersleb und Carsten Klomp, und damals Pastorin der Christuskirche, ihre solidari- seine jetzige Leiterin Eva Schad jeweils in einer sche Freude zum Ausdruck: der drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums erle- »Zum ersten Mal stand eine Frau am Dirigenten- ben (Abb. 9 & 10). pult in der Christuskirche und gab den Takt an. Es war ein ausdrucksvolles und erfrischend tem- Herr Fischer, langjähriger Pastor der Chris- poreiches Konzert.« tuskirche und stimmführendes Chormitglied seit Anlässlich der 40-Jahr-Feier erklang das Werk Jahrzehnten, schrieb in der damaligen Festschrift: am 14. Dezember 2003, fast auf den Tag genau »Ihnen gilt der Dank aller Sängerinnen und Sän- 40 Jahre nach dem Konzertdebüt der Kantorei. ger, der ehemaligen wie der jetzigen. Wir haben uns von ihnen musikalisch ›in die Obhut genom- men‹ gefühlt in gleicher Weise, wie ein Schrift- 40 Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven Jahre Ev.-Luth. Christuskirche Bremerhaven · Schillerstraße 1 3. ADVENT SONNTAG, DEN 14. DEZEMBER 2003 10.00 Uhr Festgottesdienst mit weihnachtlicher Chormusik Im Anschluß an den Gottesdienst wird zum Jubiläumsempfang in den Gemeindesaal geladen 17.00 Uhr J.S. Bach: Weihnachtsoratorium ‹ Karten Es dirigieren die Kantoren der Christuskirche aus drei Generationen 1. Kategorie: € 15,– ( 13,50) 2. Kategorie: € 12,– (10,50) Friedrich Wandersleb Carsten Klomp Eva Schad Eva Schad 3. Kategorie: € 9,– ( 7,– ) (1963 - 1992) (1992 - 1995) (seit 1995) sichtbeh.: € 4,– Sopran: Johanna Spörk · Alt: Sibylle Fischer · Tenor: Tilman Kögel · Baß: Ralf Grobe Bremerhavener Kammerorchester · Bläser des Städtischen Orchesters Bremerhaven Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Mit freundlicher Unterstützung der Waldemar Koch Stiftung € 5,– / 4,– / 3,– / 1,– ‹ Vorverkauf Musikhaus Steiner (Tel. 471 64) Ticket-Shop der NZ (Obere Bürger 48) Tourist-Info (Obere Bürger 17) Buchhandlung Hübener (Tel. 321 45) Abb. 9: J. S. Bach, Weihnachtsoratorium, 14.12.2003; Plakat des Jubiläumskonzerts 20

KonzertE Abb. 10: J. S. Bach, Weihnachtsoratorium, 14.12.2003; Friedrich Wandersleb, Carsten Klomp, Eva Schad Abb. 11: J. S. Bach, Weihnachtsoratorium, 19.12.2010 mit den Kinderchören der Christuskirche 21

KonzertE chael Gusenbauer gekürzten und kommentierten Fassung auch einigen älteren Menschen eher zu- steller unserer Tage, Maarten ’t Hart in seinem sagen als die übliche 90 Minuten. Buch Bach und ich, seine Nähe zu J. S. Bach be- schreibt: ›… der mich als Kind mit der Bearbei- Gefragt sind die Kinderchöre der Christus- tung Wohl mir, dass ich Jesum habe in seine Obhut kirche jedoch nicht allein als Zuhörer: Ihren Ein- genommen hat.‹« stand als Chorpartner der Stadtkantorei gaben sie 2010 stellte Eva Schad der ›eigentlichen‹ Auffüh- 1999 in der Aufführung der Bach’schen Matthäus­ rung des Weihnachtsoratoriums erstmals Bachs passion. Seitdem dürfen Kinder ab der 3.  Klasse Weihnachtoratorium für Kinder voran. Für jugend- auch das Weihnachtsoratorium mitsingen, und liches Publikum hatte sie in langjähriger Auf- zwar sämtliche Choräle aller Kantaten. Mit ih- bauarbeit gesorgt, umfassten ihre Kinder- und ren hellen Stimmen und weißen Blusen stechen Jugendchöre doch zu dieser Zeit bereits über 70 sie – klanglich wie optisch – erfrischend aus der Kinder im Alter von 4 bis 20 Jahren. Es stellte sich Menge der schwarz gekleideten Chordamen und zudem heraus, dass die 45 Minuten der von Mi- -herren der Kantorei heraus (Abb. 11). Weihnachtskonzerte Friedrich Wandersleb 15. Dezember 1963 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 16. Dezember 1965 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 16. Dezember 1969 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–6 17. Dezember 1972 Heinrich Schütz: Historia von der Geburt Christi 16. Dezember 1974 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 13. Dezember 1982 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 4–6 18. Dezember 1987 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 4–6 Eva Schad 17. Dezember 1995 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 17. Dezember 2000 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–6 Wandersleb / Klomp / Schad 14. Dezember 2003 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 (Jubiläumskonzert zum 40-jährigen Bestehen) Eva Schad 5. Dezember 2004 Benjamin Britten: Saint Nicolas Felix Mendelssohn Bartholdy: Kantate Vom Himmel hoch, da komm ich her 25. Dezember 2005 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantate 5 (Rundfunkgottesdienst) 23. Dezember 2007 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 19. Dezember 2010 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 4. Dezember 2011 Friedrich Kiel: Der Stern von Bethlehem 22. Dezember 2013 J. S. Bach: Weihnachtsoratorium, Kantaten 1–3 22

KonzertE Schütz – Kiel – Rutter – Britten – Mendelssohn Als weihnachtliche Komposition aus der Zeit vor Gewissermaßen als Vorgänger Rutters in J. S. Bach wurde am 17. Dezember 1972 die His­ punkto ›Einsatz von Kinderchören in Oratori- toria von der Geburt Christi von Heinrich Schütz enliteratur‹ kann Benjamin Britten gelten. Er durch die Kantorei gesungen. stellt in seiner Adventskantate Saint Nicolas der Kantorei ebenfalls einen Jugendchor zur Seite, Einer späteren Zeit entstammt dagegen die der gemeinsam mit der Orgel von der Empore große Weihnachtskantate Der Stern von Bethlehem herunterschallt. Brittens Oratorium erklang am des Romantikers und Mendelssohn-Zeitgenossen 5. Dezember 2004 zusammen mit der romanti- Friedrich Kiel. Sie wurde am 4. Dezember 2011 schen Weihnachtskantate Vom Himmel hoch von gemeinsam mit John Rutters Mass of the Child­ Felix Mendelssohn Bartholdy. ren aufgeführt, in der die Jugendchöre neben der Kantorei eine zentrale Rolle einnahmen. Passion Bereits bei der ersten Aufführung der Matthäus­ passion von J. S. Bach durch die Evangelische Stadtkantorei im Jahr 1967 wurden die Choral- melodien im Eingangschor (»O Lamm Gottes«) und im Schlusschor des ersten Teils (»O Mensch, bewein«) durch einen Kinderchor gesungen (Abb.  12). Übernahmen damals noch Schülerin- nen und Schüler der Wilhelm-Busch-Schule diese Aufgabe, zu deren Proben Friedrich Wandersleb mit dem Fahrrad fuhr, so konnte er sich für die zweite Aufführung der Matthäus­passion im Jahr 1977 bereits auf die im Jahr zuvor gegründete ›Kurrende‹ der Christuskirche stützen. Dazu schrieb er im November 1981 im Ge- meindebrief: »War es bis dahin (1976) mehr eine offene Singgruppe gewesen, so wurde jetzt eine geregelte Chorarbeit daraus.« Diese Arbeit hat Eva Schad bei ihrem Dienst- beginn engagiert aufgenommen und zu einer neuen Blüte gebracht. Zwar verlor sich der Name ›Kurrende‹. Die Kinder- und Jugendchöre glänzen jedoch – wie seinerzeit die Kurrende mit Werken von Carl Orff und Benjamin Britten – neben der Abb. 12: Plakat zur Aufführung der Matthäus­passion Mitwirkung in Gottesdiensten heute mit fröh- von J. S. Bach am 19.3.1967 lichen und gelungenen Aufführungen von Kin- der-Musicals zu biblischen und nichtbiblischen »Die Stadtkantorei mit ihren angeschlossenen Texten. Die für die Aufführung von Brittens Kin- Chören (Kurrende, Kirchenchor, Jugendchor) deroper Noahs Flut im Jahr 1983 genähten schwar- war schon immer ein musikalisch zuverlässiger zen Kurrende-Kostüme sind noch heute in Ge- und stimmlich ausgeglichener Vokalkörper mit brauch. Viele jugendliche Sängerinnen sind aus erfreulich vielen Jugendlichen.« der Kinderchorarbeit in die Kantorei ›hineinge- wachsen‹. Dass dieses auch in der musikalischen Sechsmal hat die Kantorei Bachs Matthäuspassion Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist in der aufgeführt, zuerst jeweils in einem zeitlichen Ab- Kritik von Werner Steinmeier zur oben erwähn- stand von etwa zehn Jahren, dann zuletzt 2007 ten Aufführung der Matthäuspassion zu lesen: und 2011. Für die Chormitglieder, die seit länge- 23

KonzertE Abb. 13: J. S. Bach, Matthäuspassion, 28.3.1999; Rezension von Dieter Strohmeyer in der NZ 24

rer Zeit mitsingen, ist es eine interessante und KonzertE bereichernde Erfahrung, das Werk unter jeweils anderer Leitung in verschiedener stilistischer waren auch Friedrich Wanderslebs Aufführun- Auffassung kennengelernt zu haben. gen der Matthäuspassion keineswegs von »Orato- rienfeierlichkeit und aufwühlendem Sängerpa- Es lässt einen heute bisweilen schmunzeln, thos« bestimmt; vielmehr gibt Strohmeyer seine wie die Rezensenten der 90er Jahre versuchten, Referenz selbst an: die Aufnahmen unter Otto die ihnen zunächst fremde ›historisch informier- Klemperer und Karl Richter aus den 50er und te‹ Aufführungspraxis zu beschreiben, die in allen 60er Jahren. größeren kirchenmusikalischen Zentren längst etabliert war. Man lese nur Dieter Strohmeyers Bei Eibe Meiners, übrigens selbst Kantorei- Kritik der Aufführung vom 28. März 1999 unter mitglied, hat sich das Hörverhalten schon ein- der Leitung von Eva Schad (Abb. 13)! Allerdings deutig dem heutigen Geschmack angeglichen. So schreibt er zur Aufführung am 10. April 2011: 14 Ȋ LOKALE KULTUR Dienstag, 12. April 2011 Fesselnd Donner und Hölle beschworen Eva Schad und ihre Chöre bieten eine fesselnde Aufführung von Bachs Matthäuspassion VON EIBE MEINERS kennen. Großartig erfasst Con- chester überzeugte mit Durch- Mit Urgewalt riefen die Choris- BREMERHAVEN. Eindringlicher als naire die Tragik der Figur. Don- sichtigkeit und gestalterischer Ge- ten die Naturgewalten gegen den mit Johann Sebastian Bachs Mat- nernd lässt er Petrus sich selbst nauigkeit. Ihre historischen In- Verräter Judas an. Jeder Einsatz thäuspassion kann man den Sinn verfluchen, ehe er schwört, dass strumente klangen gedämpfter als ein Blitz, aus den Bässen gurgelte der Passionszeit kaum vermitteln. er Jesus nicht kennt. Dann wird bei modernen Orchestern – be- der Donner, mit schneidenden Für die Aufführung in der Chris- dem Apostelchef sein Scheitern sonders schön der samtige, intime Achteln wurde der Abgrund der tuskirche gilt dies in besonderem bewusst. „Und ging heraus und Klang der alten Querflöten und Hölle beschworen. Im Wechsel Maße. Kantorin Eva Schad hatte weinte bitterlich“: Connaires die trübseidigen Töne der Gambe. schmetterten Kantorei und Kam- mit Mikel Connaire einen Tenor- Stimme ist nun ein leises Win- merchor „zertrümmre“, „verder- Löwen für die Rolle des Evange- seln, sie versiegt, er haucht Petrus Für die chorische Gestaltung be“, „verschlinge“, „zerschelle“ listen gefunden. Er nutzte die aus dem Oratorium ins Nichts. hatte Eva Schad Stadtkantorei, und droschen ein auf „den fal- Freiräume der Rezitative, um die Kammerchor sowie Kinder- und schen Verräter“. Judas konnte ei- Höhepunkte seiner Erzählung Im Bass Sebastian Noack ging Jugendchöre aufgeboten – fast das nem leidtun. wortdeutlich und mit hoher Ge- ein wuchtiger Jesus den Leidens- komplette Vokalaufgebot der Ge- staltungsvielfalt auszukosten. weg. Tanja Aspelmeyer mit leuch- meinde. Eindrucksvoll verlieh Trostvoll dann später der Grab- tendem Sopran, der Bassist Ralf dieses Kollektiv trauernden Gläu- gesang für Jesus – da hatte Eva Da ist etwa Petrus, der groß- Grobe und Altistin Julie Compa- bigen, panischen Schriftgelehr- Schad mit ihren Ensembles die spurig verkündet hat, er werde rini komplettierten die Solisten- ten, übermütigen Spöttern und ganze Bandbreite des Werks be- sich immer zu seinem Herrn be- riege. Das Hamburger Barockor- aufgehetztem Pöbel die Stimme. eindruckend abgeschritten. Abb. 14: J. S. Bach, Matthäuspassion, 10.4.2011; Rezension von Eibe Meiners in der NZ Die zweite uns erhaltene Passionsvertonung von onsgottesdienst am Sonntag Palmarum 1992 von J. S. Bach, die Johannespassion, ist fünf Mal von der Kantorei und der Gemeinde verabschiedet der Kantorei und einmal vom Bremerhavener hat. Kammerchor aufgeführt worden. Für die Kanto- rei besonders eindrücklich war die Aufführung, In einer Würdigung des Wirkens von Fried- mit der sich Friedrich Wandersleb in einem Passi- rich Wandersleb schrieb Hans Linder am 21. März 1992 in der Nordseezeitung: Abb. 15: Würdigung Friedrich Wanderslebs in der NZ vom 21.3.1992 durch Hans Linder 25

KonzertE Besonders tief in mein Gedächtnis einge- der Einfachheit halber allesamt die Altstim- prägt hat sich mein erstes Konzert mit me aus Chor I. Nach geraumer Zeit hatten der Stadtkantorei: die Matthäuspassion von wir die Choräle und Chorstücke durchgear- Johann Sebastian Bach im März 1977. Zwar beitet und konnten in die Gesamtproben mit hatte ich schon seit Kindertagen in Schul- und der Kantorei integriert werden. Ein wenig Kirchenchören gesungen, aber als Teil eines beklommen fühlte ich mich zunächst schon. solchen ›großen‹ Chores mit berufsmäßigem Würde ich den Ansprüchen genügen? Aber Orchester und Profi-Sängern zusammen auf- das gute Miteinander, die gemeinschaftliche zutreten, war für mich damals etwas Gewal- Freude an der Musik und nicht zuletzt die tiges. Ich weiß noch heute, wie beeindruckt Probenwochenenden in Drangstedt ließen ich war angesichts der voll besetzten Kirchen- recht bald die Dämme brechen. bänke: Wie warm mir war vor Aufregung – Nervenkitzel und Gänsehautgefühl pur! Da Zugleich mit den Noten drang ich auch stand ich nun mit weißer Bluse und schwar- immer tiefer in die Worte des Evangeliums zem langen Rock – der damaligen Chorklei- ein. Derart plastisch und hautnah wie beim dung – und war nicht nur nervös, sondern Mitsingen in der Matthäuspassion hatte ich die auch ein bisschen stolz, hier mit dabei zu Passionsgeschichte nie zuvor erlebt. Es ist mir sein zu dürfen. Als die Töne des Orchesters noch heute gegenwärtig, wie beim Schluss­ erklangen und wir mit einstimmten, schmolz chor ein Kloß in meinem Hals dicker und di- ich förmlich dahin. Texte und Noten konnte cker wurde, meine Stimme ersticken ließ, und ich auswendig, hatten wir doch unter Herrn ich schließlich in Tränen ausbrechen musste. Wandersleb überaus intensiv und lange auf dieses Konzert hingearbeitet. Danach wollte ich dabei bleiben und wuchs immer mehr in den Chor hinein. Mehr als ein Jahr zuvor hatten wir mit den Schnell hatte ich gemerkt, dass meine anfäng- Proben begonnen. Ich gehörte dem Kirchen- lichen Hemmungen vollkommen fehl am chor an, als Herr Wandersleb mit Blick auf die Platze waren. Die Stadtkantorei erlebte ich Doppelchörigkeit des Werkes fragte, ob nicht nicht als elitäre Gruppierung, sondern als leis- einige von uns die Matthäuspassion mitsingen tungsorientierten Chor mit viel Gemeinsinn, möchten. Ein verlockendes, aber auch etwas in dem sich Freundschaften entwickelten, die beängstigendes Angebot! Denn ich hatte gro- weit über das Musizieren hinausgingen. Und ßen Respekt vor der Kantorei, in der so viele durch unseren Chorleiter war immer auch der Pastoren, Organisten und Lehrer vertreten enge Bezug zu meiner kirchlichen Heimat, waren. Doch stellte ich mich der Herausforde- der Christuskirche, gegeben. So wurden die rung. Nach jeder regulären Kirchenchorprobe Chorproben zu einem festen Bestandteil mei- wurde daraufhin noch eine halbe Stunde im nes Lebens. Fortan war der Freitagabend für kleinen Kreise weiter geprobt. Wir sechs oder anderweitige Unternehmungen tabu. sieben Frauen aus dem Kirchenchor sangen Marita Westphal-Blome (seit 36 Jahren im Chor) Auch weniger bekannte Passionsvertonungen 2010 wurde sie in einem Passionsgottesdienst zur finden in den Konzerten der Stadtkantorei ihren Sterbestunde Jesu aufgeführt: Im Gottesdienst Ort. Neben den beiden Schütz-Passionen haben am Karfreitagnachmittag (für den selbstverständ- besonders die Aufführungen des Passionsoratori- lich kein Eintrittspreis erhoben wird) steht in der ums Membra Jesu nostri von Dietrich Buxtehude Christuskirche traditionell die Kirchenmusik im am 21. März 1993 unter der Leitung von Carsten Vordergrund. Telemanns Vertonung der Leidens- Klomp und am 9. April 2004 unter Eva Schads geschichte Jesu dauert nur eine gute Stunde – im Leitung beeindruckt. Gegensatz etwa zu der dreimal so langen Verto- nung von J. S. Bach. Gegliedert wurde die Passi- Selten zu hören ist auch Georg Philipp Te- on durch die Predigt, wie es schon im 18.  Jahr- lemanns Matthäuspassion von 1746. Am 2. April 26

hundert üblich war. Auf solche Art wird in der KonzertE Christuskirche schon seit Wanderslebs Zeiten jeder Karfreitagsgottesdienst gestaltet – zumeist Eine Meditation über das Passionsgeschehen allerdings durch den kleineren Kammerchor stellt auch die altkirchliche Sequenz Stabat Ma­ und das Bremerhavener Kammerorchester, da ter dolorosa dar. Am 23. November 1997 wurde sie der Karfreitag grundsätzlich in den Ferien liegt, in einer Vertonung von Francis Poulenc in der so dass viele Mitglieder der Stadtkantorei (gerade Christuskirche aufgeführt. Die anschließende die zahlreichen Lehrer) verreist sind. Besprechung von Roger Matscheizik in der Nord- seezeitung würdigt die Leistung des Chores an- gesichts der enormen Schwierigkeit des Werkes: Abb. 16: Francis Poulenc, Stabat mater, 23.11.1997; Rezension von Roger Matscheizik in der NZ (Auszug) Abb. 17: W. A. Mozart, Requiem, 17.11.1971 27

KonzertE Passionsoratorien Friedrich Wandersleb 31. März 1965 J. S. Bach: Johannespassion 19. März 1967 J. S. Bach: Matthäuspassion 7. April 1968 J. S. Bach: Johannespassion 5. März 1977 J. S. Bach: Matthäuspassion 31. März 1981 J. S. Bach: Johannespassion 12. April 1987 J. S. Bach: Matthäuspassion 22. März 1992 J. S. Bach: Johannespassion Carsten Klomp 21. März 1993 Dietrich Buxtehude: Membra Jesu nostri Eva Schad 23. November 1997 Francis Poulenc: Stabat Mater 28. März 1999 J. S. Bach: Matthäuspassion 18. Mai 2003 J. S. Bach: Osteroratorium 9. April 2004 Dietrich Buxtehude: Membra Jesu nostri 25. März 2005 J. S. Bach: Johannespassion 25. März 2007 J. S. Bach: Matthäuspassion 2. April 2010 Georg Philipp Telemann: Matthäuspassion 10. April 2011 J. S. Bach: Matthäuspassion Endzeit In mancherlei musikalischer Gestalt hat die Evangelische Stadtkantorei die Worte des Re­ und frühen 20. Jahrhunderts und den Tonfällen amerikanischer Unterhaltungsmusik (Jazz, Gos- quiems erarbeitet und im Singen tiefe Eindrücke pel, Musical). Nach einer engagierten und von erfahren und anderen vermittelt. spannungsvoller Erwartung erfüllten Probenzeit, Auf Eva Schads Einstudierung der modernen, führte die Kantorei Rutters Requiem am 9. No- in einem ›Musical-nahen‹ Stil komponierten Re­ vember 2003 unter Eva Schads Leitung auf. Als quiem-Vertonung des zeitgenössischen englischen zweites Chorwerk in diesem Konzert erklang, Komponisten John Rutter (geb. 1945) waren ei- dem Requiem kontrastierend gegenübergestellt, nige ältere Chorsängerinnen und Chorsänger Rutters nicht weniger populäres Magnificat. In andeutungsweise vorbereitet. Denn bereits im der Besprechung des Konzerts in der Nordsee- Februar 1990 hatte die Evangelische Stadtkanto- zeitung weist Thorsten Meyer besonders auf rei zusammen mit der Bremerhavener Liedertafel den lichtvoll-tröstlichen Charakter der Requiem- und dem Opernchor im Stadttheater Bremer- Komposition und ihrer Interpretation durch Eva haven das Requiem von Andrew Lloyd Webber Schad hin (Abb. 18). (geb. 1948) aufgeführt; die Leitung hatte GMD 8. Mai 1995 – vor 50 Jahren endete der zweite Leo Plettner. John Rutters Kompositionsstil ist Weltkrieg. Mit Aufführungen zweier Requiem- eine eigentümliche Mischung aus den Traditio- Vertonungen wurde in Bremerhaven dieses Ereig- nen der abendländischen Kirchenmusik des 19. nisses gedacht. Am Vorabend des Gedenktages, 28

KonzertE Abb. 18: John Rutter, Requiem, 9.11.2003; Rezension von Thorsten Meyer in der NZ vom 12.11.2003 (Auszug) am 7.  Mai, erklang in der Christuskirche unter Auch Eva Schad widmete sich beiden Werken: der Leitung von Carsten Klomp das Requiem von Das Requiem von Mozart erklang unter ihrer Lei- W. A. Mozart. Am 12. Mai war in der Großen Kir- tung bereits zweimal, jedoch beide Male mit dem che unter der Leitung von Werner Dittmann das vor knapp 20 Jahren gegründeten Bremerhavener Deutsche Requiem von Johannes Brahms zu hören. Kammerchor. Freilich singen im Kammerchor Texte des jüdischen Lyrikers Paul Celan und Bil- auch zahlreiche Kantoreimitglieder, einige von der des Krieges gaben – wie auch die Musik – dem ihnen – wie heute die 18-jährige Annika Heyen Gedenken Worte und Raum. oder früher Susanne und Maren Kratz – zudem auch noch im Jugendchor. So gibt es manche Mit einem Anlass wie diesem verbindet sich Choristen, die, wenn auch noch Stimmproben für manche Chorsängerin und manchen Chor- hinzukommen, bald täglich zu einer Probe ins sänger auch die Erinnerung an einen Gottesdienst Gemeindehaus kommen. Der ersten Aufführung am 9. November 1988 zum 50-jährigen Gedenken des Mozart-Requiems 2003 folgte eine zweite am an die Reichsprogromnacht. Die Kantorei sang 28. Februar 2010, dieses Mal in Kooperation mit damals u. a. die ergreifende Motette von Johann dem Ballett des Stadttheaters Bremerhavens. Der Herman Schein: Zion spricht, der Herr hat mich Kammerchor stand dabei hoch oben in der Apsis verlassen, der Herr hat mein vergessen. über dem Ballettpodest. Die beiden eben erwähnten Requiem-Ver- Am 20. November 1988 sang die Kantorei tonungen wurden unter der Leitung von Fried- zum ersten Mal das Deutsche Requiem von Johan- rich Wandersleb dreimal (Mozart) und zweimal nes Brahms. Für den Chor war es zugleich das ers- (Brahms) aufgeführt. Über die Aufführung des te Mal, dass er ein größeres Werk der Romantik Mozart-Requiems vom 17. November 1971 – also kennen lernten durfte. Eine Wiederaufnahme er- noch in den Anfangsjahren der Kantorei – schrieb fuhr das Brahms-Requiem dann am 6. November Werner Steinmeier in der Nordseezeitung: »Die 2005 durch Eva Schad. In der Zwischenzeit durch Stadtkantorei jedenfalls vollbrachte mit Mozarts vielfältigste Musikstile aller Epochen geübt, fiel ›Requiem‹ wohl ihre bisher glänzendste Leis- das Werk dem Chor schon viel leichter. tung«. 29

KonzertE Carsten Klomp im Jahr 1993. Die Aufführung vom 31. Oktober 1993 würdigte Hans Linder in Eine beeindruckende Begegnung mit einer der Nordseezeitung mit folgenden Worten: für den Chor neuen Klangwelt brachte die Erar- beitung des Requiems von Maurice Duruflé durch Abb. 19: Maurice Duruflé, Requiem, 31.10.1993; Rezension von Hans Linder in der NZ vom 3.11.1993 Mit der Aufführung des Hebbel-Requiems op. 144b es nicht verwunderlich, dass Eva Schad dem Chor von Max Reger – zusammen mit den hebräischen seither noch weitere Werke dieses Genres er- Chichester Psalms von Leonard Bernstein – begab schlossen hat, wie etwa jene von Franz von Suppé sich die Kantorei am 7. November 1999 erneut auf und Gabriel Fauré, die am 11. November 2007 in bis dahin eher ungewohntes Terrain. der Christuskirche erklangen. Dieter Strohmeyer beschrieb das Konzert in der Nordseezeitung als Angesichts der großen Zahl von Requiem-Ver- eindrucksvolles Musikereignis (Abb. 20). tonungen, vor allem aus dem 19. Jahrhundert, ist Es ist Eva Schad im Laufe der Zeit immer tivation und Disziplin) ist bislang noch jedes wieder gelungen, auch unbekanntere Wer- Unternehmen zum Erfolg gworden. Sich ke auszugraben, von denen manche erstmalig selbst nicht schonend, führt sie dabei auch in Bremerhaven erklangen, wie beispielswei- uns zuweilen bis an unsere Grenzen. Doch se die Kompositionen von John Rutter oder stets von Neuem scheinen alle Mühen verges- das War Requiem von Benjamin Britten. Für sen und belohnt, wenn sich mit den Schluss- uns als Chor bedeutete dies zumeist schwere tönen am Ende eines Konzertes das wun- Brocken, an denen wir gehörig zu knabbern derbare Gefühl einstellt, gemeinsam etwas hatten – die Zahl der Extra-Proben spricht Großartiges auf die Beine gestellt zu haben! Bände! Dank Eva Schads ansteckendem En- Marita Westphal-Blome thusiasmus (und natürlich auch unserer Mo- 30

14 NORDSEE-ZEITUNG LOKALE KULTUR KonzertE Dienstag, 13. November 2007 Eindrucksvolles Musikerlebnis: Die Evangelische Stadtkantorei und die Kammer-Sinfonie Bremen spielen Fauré und Suppé. Foto: map Mit dramatischen Akzenten Requiemvertonungen von Franz von Suppé und Gabriel Fauré in der Christuskirche Von unserem Mitarbeiter rung kam. Faurés „Requiem für scher (Sopran) und Hans Lydman Confutatis, eindrucksvoll die Si- Dieter Strohmeyer Sopran und Baritonsolo, Chor, (Bariton) kosten das harmonische cherheit im A-cappella-Satz des Orchester und Orgel“ ist – im Ge- Raffinement dieser Musik in ihren Benedictus. Die Dirigentin, und Bremerhaven. Franz von Suppé, gensatz zum Werk von Suppé – Solopartien mit empfindsamem das ist die Überraschung des sonst eigentlich nur als Komponist frei von jeder Außendramatik. Er Ausdruck aus. Abends, musiziert mit dem Or- der Wiener Operette bekannt, verzichtet zum Beispiel auf das chester nicht historisierend, etwa schrieb seine „Missa pro de- Dies irae, den Tag des Zorns, und Dramatischer und gefühlvoller mit zurückhaltender instrumenta- functis“ schwer erschüttert durch das Tuba mirum, das himmlische und auch etwas plakativer geht es ler Artikulation, sondern schmis- den Tod seines Freundes und För- Strafgericht. Die dynamischen in der Musik von Franz von Suppé sig und mit kantiger Energie und derers Franz Pokorny, Gabriel Kontraste sind gezügelt, die Klang- zu. Es zeigt sich, dass er das beleuchtet das Geschehen mit dra- Fauré sah seine Requiemverto- farben im Bremer Orchester wir- (Chor-)Handwerk bei Verdi und matischen Akzenten. nung etwas gelassener mit Blick ken fast impressionistisch changie- die Führung der Solostimmen bei auf sein eigenes Ende, das aller- rend und gedämpft. Eva Schad ge- Mozart exzellent gelernt hat. Vom Exzellent das Soloquartett mit dings noch etwas, nämlich 37 Jah- winnt der Musik packende Aus- fast melodramatischen Sprechge- Sibylle Fischer (Sopran), Ann-Ju- re, auf sich warten ließ. Er wollte drucksmomente ab – herrlich die sang im Domine Jesu bis zum liette Schindewolf (Alt), Robert eine „fried- und liebevolle Musik“ Abstufung der dunklen Streicher schwärmerischen, vom zarten Morvei (Tenor) und Nans Lydman schreiben „so sanftmütig wie ich gleich zu Beginn oder die feinen Oboenklang umrankten Lacrimo- (Bariton) in feiner Abstimmung in selbst“. Beide Werke waren jetzt in klanglichen Abmischungen im sa beherrscht er spielerisch alle ihren vielen Ensemblepartien. einem Konzert der Stadtkantorei „Pie Jesu“. Zudem singt der Chor Ausdrucksmöglichkeiten. Alles Ann-Juliette Schindewolf mit und der Kammer-Sinfonie Bremen in guter Staffelung und mit gestal- das wird vom Chor, Orchester und schönem Timbre und Robert Mor- in der Christuskirche zu hören. terischem Bedacht. Diesmal sind von den Solisten lebendig umge- vei mit üppiger Durchschlagskraft die Männerstimmen in der Chor- setzt. ließen besonders aufhorchen. Fried- und sanftmütig präsen- mitte platziert und vom Sopran Zwischen den beiden Requiemver- tierte sich Faurés Musik, die am und Alt sozusagen umzingelt, was Bemerkenswert die Balance der tonungen war noch das Adagio für Sonntagabend in der Christuskir- der allgemeinen Intonationssicher- Stimmregister in den homophonen Streicher von Samuel Barber zu che unter Eva Schad zur Auffüh- heit sehr zugute kommt. Sibylle Fi- Abschnitten (Introitus), reizvoll hören. Viel Beifall in der vollbe- herausgearbeitet der Kontrast der setzten Christuskirche. Männer- und Frauenstimmen im Abb. 19: Requiem-Vertonungen von Suppé und Fauré, 11.11.2007; Rezension von Dieter Strohmeyer in der NZ 31

KonzertE lebs Kinderchorarbeit entwachsen – nun häufig unter Eva Schads Leitung die Oratorienkonzer- Eine der expressivsten Requiem-Vertonungen des te der Stadtkantorei mit ihrer ausdrucksstarken 20. Jahrhunderts ist zweifellos das War Requiem Singstimme bereichert. Im Konzert vereinten von Benjamin Britten. Wohl jeder Leiter eines sich die Leistungen aller zu einem ergreifenden großen Chores wünscht sich, dieses monumenta- Ganzen. Das Publikum honorierte die Auffüh- le Werk einmal aufführen zu können – ein in jeder rung mit Standing Ovations (Abb. 21). Hinsicht grenzgängiges Unterfangen: Dem Chor wird ein enormes Hörverständnis abverlangt, es Durchweg erfreulich geriet die Kooperation bedarf erheblicher finanzieller Mittel, um das mit dem Stadttheater Bremerhaven. Nach den groß besetzte Werk zu realisieren, und nicht vielen ›Carmina-Auftritten‹ der Stadtkantorei im zuletzt müssen zwei Orchester, zwei Chöre und Stadttheater (hinten mehr) in der ersten Jahres- drei Solisten in der Christuskirche untergebracht hälfte 2012 konnte im Gegenzug das Orchester und koordiniert werden. Bei der Aufführung am für einen ›Dienst‹ in Anspruch genommen wer- 18. November 2012 gesellte sich der Jugendchor den, so dass das Gesamtprojekt wirtschaftlich zur großen Orgel, das Kammerorchester – die überhaupt erst realisierbar wurde. GMD Stephan Kammer Sinfonie Bremen unter der Leitung von Tetzlaff und Chorleiterin Eva Schad arbeiteten GMD Stephan Tetzlaff – musizierte zusammen partnerschaftlich und ohne jedes Kompetenzge- mit den beiden männlichen Solisten im rechten rangel zusammen, und das Städtische Orchester Seitenschiff, während das Städtische Orchester musizierte – trotz des zusätzlichen Dienstes – Bremerhaven zusammen mit der Stadtkantorei hochkonzentriert. und dem Solospropran den gesamten Altarraum in Anspruch nahm (die ersten beiden Bankreihen Belohnt wurden die aufwändige Vorberei- mussten abmontiert werden). Sopransolistin war tung und der Einsatz aller Beteiligten u. a. durch Sibylle Fischer, die – einst aus Friedrich Wanders- die Rezension von Ulrich Müller (Abb. 22). Ev. - luth. Christuskirche Bremerhaven Bremerhaven - Geestemünde  ·  Schillerstraße 1 Sonntag Benjamin Britten 18. November 18.00Uhr WAR REQUIEM  Eintritt Sopran: Sibylle Fischer LANDSCHAFTSVERBAND 1. Kategorie: € 20,– (18,–) Tenor: Thomas Mohr DER EHEMALIGEN HERZOGTÜMER Bariton: Timothy Sharp 2. Kategorie: € 16,– (14,–) BREMEN UND VERDEN 3. Kategorie: € 10,– (8,–) Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven Jugendchor der Christuskirche sichtbeh.: € 5,– Städtisches Orchester Bremerhaven Kinder & Jugendliche bis 18 Jahre: Kammer Sinfonie Bremen € 5,– / 4,– / 3,– / 2,– Leitung und Einführung: Eva Schad & Stephan Tetzlaff  Vorverkauf www.bremerhaven-tickets.de Buchhandlung Hübener (Tel. 321 45) Ticket-Shop der NZ (Obere Bürger 48) Tourist-Infos: Hafeninsel und Schaufenster Fischereihafen Abb. 21: Benjamin Britten, War Requiem, 18.11.2012; links: Plakat, rechts: Eva Schad und Stephan Tetzlaff beim Schlussapplaus Dem Konzert vorangegangen waren eine lange rungen mit dem War Requiem gibt Petrus Klan in und anstrengende Probenarbeit und ein musi- der Sparte ›Berichte‹ (Mein War Requiem und mein kalisch wie menschlich produktives Chorwo- Nagelkreuz von Coventry). chenende in der Freizeit- und Begegnungsstätte Schließlich soll noch eine Komposition erwähnt Oese – von Pastor Matthias Clasen (sinngemäß) werden, die der Gattung Requiem nahesteht und kommentiert mit den Worten: »Schon erstaun- der sich Friedrich Wandersleb (1979) und Cars- lich, die Chorsänger singen freiwillig ohne Mur- ten Klomp (1994) engagiert angenommen haben: ren drei Tage lang nur Dissonanzen«. Einen sehr die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz. persönlich gefärbten Bericht von seinen Erfah- 32

LOKALE KULTUR KonzertE Dienstag, 20. November 2012 Verdienter Beifall für Chöre und Orchester: Mehr als 170 Musiker gestalteten die Aufführung des expressiven „War Requiems“, das Benjamin Britten vor 50 Jahren zur Neueinweihung der kriegszerstörten und wiedererrichteten Kathedrale von Coventry geschrieben hat. Foto pr Immer tönt die Totenglocke Ergreifende Aufführung des „War Requiems“ von Benjamin Britten in der Christuskirche VON ULRICH MÜLLER in der durch deutsche Bomben Messe zuständig waren. GMD Marschrhythmus, sorgten Strei- zerstörten und nach dem Zweiten Tetzlaff dagegen leitete die kleine- cher und Bläser für fesselnde BREMERHAVEN. Die Sängerinnen und Weltkrieg wieder aufgebauten Ka- re Kammer-Sinfonie und die bei- Dramatik. Und über allem Sänger in der hintersten Reihe muss- thedrale von Coventry war es so- den männlichen Solisten, die schwebten von der Empore aus ten unbedingt schwindelfrei sein, weit, formierte sich die 90-köpfi- ganz diesseitig mit Vertonungen die reinen Stimmen des Jugend- bei Benjamin Brittens „War Re- ge Evangelische Stadtkantorei, von Wilfred Owens Gedichten chors, der sich dem hohen Ni- quiem“ wurde es eng in der Geeste- scharten sich die 16 Sängerinnen vom Inferno, Chaos und Leid des veau der bewegenden Aufführung münder Christuskirche. Die Chöre des Jugendchors um die Orgel. Krieges sangen. „Welche Glocke nahtlos anpasste. auf einem hoch aufragenden Podest Dazu kamen die 65 Musiker des schlägt denen, die man schlachtet und der Empore, zwei Orchester und Städtischen Orchesters und der wie Vieh?“, antworteten sie auf Am Ende siegt in Brittens „War rund 550 Zuhörer: Das Konzert am Kammer-Sinfonie Bremen, als das einleitende „Ewige Ruhe ge- Requiem“ doch noch die Versöh- Sonntagabend war in jeder Hinsicht letzte nahmen die Solisten Sibylle währe ihnen, Herr“ des großen nung über die Schrecken des ein beeindruckendes Erlebnis. Fischer (Sopran), Thomas Mohr Chors – die Abstimmung funktio- Krieges: „Lass uns nun schla- (Tenor) und Timothy Sharp (Bari- nierte perfekt. fen…“, tönte es vielstimmig durch Zwei Musikfreunde, eine Idee – ton) ihre Plätze ein. Mutter beweint ihr Kind die Christuskirche. schon seit einigen Jahren beschäf- Schroffe Passagen wechselten so tigten sich Kreiskantorin Eva Eine kurze Einführung mit mit ergreifenden lyrischen Mo- Die Glocken läuteten, die Ak- Schad und Generalmusikdirektor Klangbeispielen, dann wurde das menten, die Bläser riefen gleich- teure und das Publikum schwie- (GMD) Stephan Tetzlaff mit dem vielschichtige Werk hochkonzen- sam zu den Waffen, die Mutter gen und sammelten sich. Erst da- Plan, das dem Gedenken an die triert musiziert. Eva Schad diri- beklagte den Tod des Kindes. Im- nach setzte der langanhaltende, Kriegstoten gewidmete Ausnah- gierte dabei die Musiker vom mer wieder war die Totenglocke stehende Applaus ein, den dieses mewerk des britischen Kompo- Stadttheater und die Stadtkanto- zu hören, schlug die Trommel im Konzert und all seine Mitwirken- nisten gemeinsam zu bewältigen. rei, die zusammen mit der Sopra- den, besonders aber Eva Schad 50 Jahre nach der Uraufführung nistin für den liturgischen Teil der und Stephan Tetzlaff unbedingt verdient hatten. Abb. 22: Benjamin Britten, War Requiem, 18.11.2012; Rezension von Ulrich Müller in der NZ A­ -capella-Werke wie dieses haben der Kantorei des unbegleiteten Chorgesangs zu proben und immer wieder Gelegenheit gegeben, die Kultur unter Beweis zu stellen. 33

KonzertE Requiem-Aufführungen Friedrich Wandersleb 17. November 1971 W. A. Mozart: Requiem 18. November 1979 Heinrich Schütz: Musikalische Exequien 14. März 1982 W. A. Mozart: Requiem 20. November 1988 Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem 17. März 1991 W. A. Mozart: Requiem 24. November 1991 Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem Carsten Klomp 31. Oktober 1993 Maurice Duruflé: Requiem 6. November 1994 Heinrich Schütz: Musikalische Exequien 7. Mai 1995 W. A. Mozart: Requiem Eva Schad 7.November 1999 Max Reger: Hebbel-Requiem op. 144b 9. November 2003 Leonard Bernstein: Chichester Psalms John Rutter: Requiem 5. November 2005 Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem 11. November 2007 Franz von Suppé: Requiem Gabriel Fauré: Requiem 18. November 2012 Benjamin Britten: War Requiem Messen Gelebte Ökumene Eine Messe als musikalische Gattung ist im Diese Tradition ist bis heute kontinuierlich ursprünglichen Sinn Musik für den Gottes- weitergeführt worden. Carsten Klomp wiederhol- dienst. Es hat für die Evangelische Stadtkanto- te das zunächst in der Christuskirche aufgeführte rei neben konzertanten Aufführungen immer Duruflé-Requiem am 1. November 1993 in einem wieder auch Gelegenheiten gegeben, eine Messe lateinischen Hochamt der Herz-Jesu-Kirche Lehe, im Gottesdienst zu singen. Das Erlebnis öku- nunmehr in einer Fassung für Chor und Orgel. menischer Verbundenheit mit den katholischen Unter der Leitung von Eva Schad wurde in der- Kirchengemeinden in Bremerhaven ist von den selben Kirche am 16. Mai 1999 die Missa brevis Chormitgliedern – und nicht nur von ihnen – als St. Joannis de Deo von Joseph Haydn gesungen, bereichernd und beglückend empfunden worden. nachdem sie 14 Tage zuvor am Sonntag Kantate Am 22. Juni 1986 sang die Evangelische Stadt- im Gottesdienst der Christuskirche aufgeführt kantorei unter Friedrich Wanderslebs Leitung die worden war. Auch die Missa brevis in G von W. A. Messe in G-Dur von Franz Schubert in der Herz- Mozart erfuhr mehrere solcher Aufführungen: Jesu-Kirche Lehe. Diesem Anlass vorangegangen erstmals beim offenen Chorprojekt ›Kantate zum war eine Aufführung der Missa secunda von Hans Mitsingen‹ am 19. November 2006 gemeinsam Leo Hassler am 13. Juni 1982. Es folgte im Jahr mit der Kantate Wer nur den lieben Gott lässt wal­ 1989 die Krönungsmesse von W. A. Mozart. ten von J. S. Bach, ein weiteres Mal beim ersten 34

ökumenischen offenen Chorprojekt ›Messe zum KonzertE Mitsingen‹ am 11. Februar 2012 zuerst in der Herz- Jesu-Kirche Geestmünde und am Folgetag in der Christuskirche. Bach: h-Moll-Messe Abb. 23: J. S. Bach, h-Moll-Messe, 31.3.1974; Konzertankündigung in der NZ Die h-Moll-Messe von J. S. Bach nun übersteigt zeitung, es sei »verständlich, daß (bis 1974) als den Rahmen einer gottesdienstlichen Auffüh- einzige Darbietung des vollständigen Werkes in rung bei Weitem. Außerdem bedeutet sie für Bremerhaven nur eine Aufführung durch eine den Chor jedes Mal von Neuem eine Herausfor- Bremer Chorvereinigung vor dem ersten Welt- derung, die zu bewältigen viel Vorbereitungs- krieg zu melden ist.« In der Besprechung heißt es zeit erfordert. Die meisten Oratorienaufführun- weiter: gen wurden seit den 70er Jahren im Freizeitheim »Welches war nun das Interpretationskonzept Drangstedt intensiv vorbereitet; für die Auffüh- von Kantor Wandersleb? Der Einstellung unse- rung der h­ -Moll-Messe im November 2002 unter rer Zeit folgend, bevorzugte er durchweg frische der Leitung von Eva Schad unternahm die Kan- Tempi und vermied das sentimentale Romantisie- torei erstmals eine viertägige Chorfreizeit in ren früherer Generationen; mit einer Ausnahme; den Harz. Auf die besonderen Anforderungen ›Et in terra pax‹ geriet wohl etwas zu gefühlsbe- des Werkes verweist auch die Rezension der ers- tont. Dagegen blieb der optimistische Grundzug ten Aufführung durch die Stadtkantorei im Jahr dieser Musik in den freudigen Sätzen gewahrt 1974. Damals schrieb Willy Peter in der Nordsee- 35

KonzertE Die Analytiker mögen sich an der verschlun- genen Welt der inhaltlichen Aspekte, die Bachs (Gloria und Osanna). Dem innig vorgetragenen Musik in jeder Nuance transportiert, erfreuen, in ›Incarnatus‹, der geistigen Mitte dieser Messe und der Christuskirche erschloss sich das Werk schon dem Fundament christlichen Glaubens, setzte er allein durch den Klangreichtum, den die Beteilig- im ›Kyrie‹ und ›Crucifixus‹ menschliches Leid ten zu entfalten verstanden. und im ›Confiteor‹ den Jubel des erlösten Men- schen entgegen. Der ausgezeichnet vorbereitete Allen voran die Evangelische Stadtkantorei. Chor, die Solisten und das Domkammerochester Bach nahm beim Komponieren keine Rücksicht Bremen waren ihm hierbei verläßlich Helfer.« auf sängerische Grenzen. Melodisch vertrackt in Zwischen der letzten von Friedrich Wandersleb den Einzelstimmen und harmonisch diffizil im dirigierten Aufführung im Jahr 1985 und der Zusammenklang ist jedes Chorstück der Messe im Jahr 2002 von Eva Schad geleiteten lagen im- ein neuer Gipfel, den es zu erklimmen gilt. Doch mer noch 17 Jahre. Über die Aufführung vom 3. schon im Kyrie zeigte die Kantorei, dass sie die Her- November 2002 auf historischen Instrumenten ausforderung annahm. Warm und klar in der Ton- schrieb Thorsten Meyer in der Nordseezeitung: gebung, mit feiner Binnendynamik und präziser »Viel wird in der Bachforschung darüber gestrit- Phrasierung schwangen sie sich unbeirrt durchs ten, ob die Messe ein zusammenhängendes Werk Klanggeschehen. Allein diese Leistung in diesem oder ›nur‹ die Summe brillanter Einzelteile ist. einen Stück hätte für ein ganzes Konzert genügt.« Eva Schad hielt mit ihren Mitstreitern ein flam- Am 10. November des Jubiläumsjahres 2013 wird mendes Plädoyer für die h-Moll-Messe als Ge- die h-Moll-Messe ein weiteres Mal in der Christus- samtkunstwerk. kirche erklingen. Messen von Mozart bis Rutter Abb. 24: W. A. Mozart, c-Moll-Messe, 16.6.1996; Rezension von Thomas Rogalla in der NZ 36

Auch mehrere Messen W. A. Mozarts hat Eva KonzertE Schad mit der Kantorei erarbeitet: Während die c­ -Moll-Messe (sie wurde von Eva Schad schon Ihr Mann, Folker Froebe, der sie für die Zeit des zweimal aufgeführt, am 16. Juni 1996 und 10 Jahre Mutterschutzes vertreten hatte, übernahm die später am 19. März 2006) und die Krönungsmesse Endproben und das Konzertdirigat, Eva Schad (sie erklang am 30. Dezember 2001 zusammen selbst hatte sich für den (notfalls verzichtbaren) mit den Vesperae solennes de Confessore) eher kon- Orgelpart vorgesehen. Als sie während der Ge- zertante Werke sind, erklang die Missa brevis in G, neralprobe plötzlich ins Krankenhaus eingelie- wie bereits berichtet, in verschiedenen Gottes- fert werden musste, wusste jeder, dass es bis zur diensten und Messfeiern. Geburt ihres ersten Kindes nicht mehr weit sein konnte. Am Folgetag saßen die junge Mutter und Erst im letzten Jahrzehnt hat die Stadtkanto- die erst wenige Stunden alte Felicitas just zum rei auch Messkompositionen des 19. Jahrhunderts Konzertbeginn im Publikum, was das Interesse in ihr Repertoire aufgenommen. Besonders er- der Chorsänger am Geschehen im Kirchenschiff eignisreich war die Aufführung der As-Dur-Messe ungemein steigerte. von Franz Schubert zusammen mit der Theresien­ messe von Joseph Haydn am 27. Juni 2004, dem Einige Jahre später, am 7. November 2010, Tag der Geburt von Eva Schads Tochter Felicitas. folgte noch die Messe von Robert Schumann, die Dieter Strohmeyer in der Nordseezeitung be- sprach: 14 Ȋ LOKALE KULTUR Dienstag, 9. November 2010 Für Schumann ins Zeug gelegt Evangelische Stadtkantorei führt unter Eva Schad in der Christuskirche die späte Messe auf VON DIETER STROHMEYER Sinfonie posthum doch veröffent- Als musikalischer Höhepunkt Stadtkantorei setzte die lange ver- licht. des Abends erwies sich die Dar- kannte und erst in den letzten BREMERHAVEN. Drei Werke von ho- bietung von drei Liedern, die Jahrzehnten wiederentdeckte hem Anspruch hatte Kreiskantorin Zumindest für die beiden ers- Gustav Mahler auf Texte von Missa sacra op. 147 von Robert Eva Schad für ihr romantisches Pro- ten Sätze ist Mendelssohns Friedrich Rückert komponiert Schumann so souverän um, als gramm zum Schumann-Jahr ausge- Selbstkritik kaum nachvollzieh- hat. Hier hatte Sopranistin Sibyl- hätte diese Musik eine lückenlose wählt. Die Ev. Stadtkantorei und die bar. Die Kammer-Sinfonie Bre- le Fischer einen grandiosen Auf- Aufführungstradition hinter sich. Kammer-Sinfonie Bremen zeigten men gab ihr mitreißenden Fluss tritt. Mit exzellenter Atemkon- sich dem gewachsen. Die Hörer in und eine erstaunliche Brillanz. trolle und strahlend aufblühender Der Chor legte sich für Schu- der sehr gut besuchten Christuskir- Nach der zart-schwebenden Ein- Höhe fühlte sie sich bewunderns- mann kraftvoll und ausgewogen che in Geestemünde erlebten ein leitung setzte die Dirigentin auf wert in den Geist und die Stim- ins Zeug, bewährte sich vor allem überaus bewegendes Konzert. straffen musikantischen Zugriff mung dieser Gesänge ein. im vielschichtigen Sanctus, in und gab auch den kniffligen kon- dem der Text vielfältig gewendet Den Auftakt machte – ein Nach- trapunktischen Verstrickungen Außerordentliche Sopranistin wird und immer neue musikali- klang zum Reformationstag – die Kontur. sche Einkleidungen erfährt. mitunter recht kantige „Reforma- In „Ich bin der Welt abhanden tionssinfonie“ von Felix Mendels- Das Scherzo, das oft als gekommen“ gelang ihr ganz aus- Fein ausgearbeitete Nuancen sohn Bartholdy. Der Komponist Fremdkörper in dem Werk emp- gezeichnet die Gestaltung der wurden hörbar, etwa die emotio- schrieb 1838 an einen Freund: funden wird, nahm sie im Tempo scheinbar zwanglos sprechenden nalen Wechsel im Gloria („Mise- „Die Reformationssinfonie kann moderat und anmutig. Die Holz- und doch in den Instrumentalpart rere nobis“) oder im zart intonier- ich nicht mehr ausstehen, möchte bläser trumpften solistisch herr- eingeschmolzenen Gesangslinie. ten Agnus Dei. Von besonderer sie lieber verbrennen, sie soll nie- lich auf. Die Bearbeitung des Lu- Eine außerordentliche Darbie- Wirkung das ganz auf kammer- mals herauskommen.“ Zum ther-Chorals „Ein feste Burg ist tung! musikalische Feinheit getrimmte Glück hat er sie nicht verbrannt, unser Gott“ im Finale wirkt eher Offertorium, auch hier mit einer und 30 Jahre später wurde die etwas gewollt, aber Eva Schad Dann kam das unbekannteste gedankentiefen Durchdringung fand auch hier das rechte Maß. Werk des Abends, doch die Ev. des Textes durch die Solistin. Abb. 25: Robert Schumann, Missa sacra, 7.11.2010; Rezension von Dieter Strohmeyer in der NZ Mit der Glagolitischen Messe von Leoš Janácˇek er- ten Mass of the Children spielt ein dreistimmiger arbeitete der Chor erstmals eine Messe der frühen Kinderchor eine gewichtige und eigenständige Moderne. In drei Sinfoniekonzerten am 27., 28. Rolle neben dem großem Chor. Die Stadtkanto- und 29. April 1998 wurde sie von der Stadtkanto- rei führte das ebenso großbesetzte wie klangschö- rei zusammen mit dem Opernchor und dem Or- ne Werk zusammen mit den Jugendchören der chester des Stadttheaters aufgeführt; die Leitung Christuskirche am 4. Dezember 2011 erstmals in hatte der damalige GMD Leo Plettner. Bremerhaven auf. Mit auf dem Programm stand das selten zu hörende Weihnachtsoratorium von John Rutter entstammt der typisch engli- Friedrich Kiel. schen Chortradition. In seiner 2003 uraufgeführ- 37

KonzertE Messen in Konzerten und Gottesdiensten Friedrich Wandersleb 31. März 1974 J. S. Bach: h-Moll-Messe 26. März 1979 J. S. Bach: h-Moll-Messe 13. Juni 1982 Hans Leo Hassler: Missa secunda 30. Oktober 1983 J. S. Bach: Magnificat 20. Mai 1984 J. S. Bach: Messe in A-Dur (Kyrie, Gloria) 12. Oktober 1985 J. S. Bach: h-Moll-Messe 22. Juni 1986 Franz Schubert: Messe in G-Dur 1989 W. A. Mozart: Krönungsmesse Februar 1990 Ludwig van Beethoven: Messe in C-Dur im Sinfoniekonzert des Stadttheaters (Einstudierung: Friedrich Wandersleb) Eva Schad 16. Juni 1996 W. A. Mozart: c-Moll-Messe 15. Juni 1997 J. S. Bach: Messe in F-Dur (Kyrie) 27., 28 und 29. April 1998 Leoš Janácˇek: Glagolitische Messe im Sinfoniekonzert des Stadttheaters 38 (Einstudierung: Eva Schad) 16. Mai 1999 Joseph Haydn: Missa brevis St. Johannis 27. Februar 2000 Marc-Antoine Charpentier: Te Deum 30. Dezember 2001 W. A. Mozart: Krönungsmesse 28. April 2002 W. A. Mozart: Missa brevis in G 3. November 2002 J. S. Bach: h-Moll-Messe Folker Froebe 27. Juni 2004 Franz Schubert: As-Dur-Messe Joseph Haydn: Theresienmesse Eva Schad 19. März 2006 W. A. Mozart: c-Moll-Messe 19. November 2006 W. A. Mozart: Missa brevis in G 21. Dezember 2008 Francis Poulenc: Gloria John Rutter: Gloria 7. November 2010 Robert Schumann: Messe 4. Dezember 2011 John Rutter: Mass of the Children W. A. Mozart: Missa brevis in G 12. Februar 2012 J. S. Bach: h-Moll-Messe 10. November 2013 (Jubiläumskonzert zum 50-jährigen Bestehen)

KonzertE Cantica und Psalmen Magnificat-Vertonungen Der wohl meistkomponierte biblische Text nein kann dies als einer von vielen unspektaku- ist das Magnificat (»Meine Seele erhebt den lären Schritten auf dem Weg hin zur deutschen Herrn«), der psalmenartige Lobgesang der Maria Wiedervereinigung gesehen werden. Die Auffüh- (Lk 1, 46–55). So wie der Text des Messordinari- rung von 1996 unter der Leitung von Eva Schad ums zum Hauptgottesdienst gehört, so hat das musste in der Pauluskirche stattfinden, da in Magnificat seinen festen Ort im Nachmittagsgot- der Christuskirche eine neue Heizung eingebaut tesdienst, der Vesper. Es wurde ursprünglich als wurde – nicht unwichtig für Chor und Zuhörer. schlichter Wechselgesang im Psalmton rezitiert, Eine vierte Aufführung des Magnificats am später auch konzertant vertont. 9. Dezember 2012 ergab sich aus einer erneuten Die Evangelische Stadtkantorei hat das Magni­ Kooperation mit dem Ballett des Stadttheaters ficat von J. S. Bach drei Mal gesungen. Im Jahr 1975 Bremerhaven und Ballettchef Sergei Vanaev. Ge- geschah dies zur Feier des 100-jährigen Bestehens sungen wurde sie dieses Mal vom Bremerhavener der Christuskirche, jener Kirche also, in der die Kammerchor: Für sechs Tänzer, Solisten, Orches- Stadtkantorei ihren wichtigsten Proben- und Auf- ter und die gut 100-köpfige Stadtkantorei böte die führungsort hat. Die Aufführung des Jahres 1983 Christuskirche nicht genügend Raum. hatte darin ihr Besonderes, dass zum ersten Mal Eine Vertonung aus unseren Tagen erfuhr mit eine bekannte Solistin aus der damaligen DDR, John Rutters Magnificat am 9. November 2003 Adele Stolte, die Sopranpartie sang. Im Nachhi- eine mitreißende Aufführung: Abb. 26: John Rutter, Magnificat, 9.11.2003; Rezension von Thorsten Meyer in der NZ (Auszug) Zur Liturgie der Vesper gehören außer dem Ma­ zart mit seinen Vesperae solennes, die der Chor zu- gnificat noch weitere Cantica und Psalmen. Eine sammen mit der Krönungsmesse am 30. Dezem- vollständig durchkomponierte Vesper schuf Mo- ber 2001 zu Gehör brachte. Magnificat-Aufführungen Friedrich Wandersleb 15. November 1975 J. S. Bach: Magnificat 30. Oktober 1983 J. S. Bach: Magnificat Eva Schad 8. Dezember 1996 J. S. Bach: Magnificat 30. Dezember 2001 W. A. Mozart: Vesperae solennes 29. November 2003 John Rutter: Magnificat 39

KonzertE Händel – Mendelssohn – Elgar – Bernstein Eine britische Besonderheit ist das Anthem, eine Bei Edward Elgar denkt man sofort an sei- mehrsätzige Psalmenkantate. Mehrere Anthems ne berühmteste Komposition, den Pomp and von G. F. Händel, darunter das bekannte Zadok Circumstance-Marsch, der alljährlich die ›Last the Priest, standen auf dem Programm eines Night of the Proms‹ als glanzvolles Schlussstück Konzerts am 18. Mai 2003, zusammen mit Bachs krönt. In einem Konzert zur Sail am 26. August Oster­oratorium und der Bach-Kantate Der Friede 2010 erklang das Stück außer in der orchestralen sei mit dir. Originalfassung als Zugabe noch ein zweites Mal mit Chor (»Land of Hope and Glory«). Im Zen­ Mit Felix Mendelssohn Bartholdys symphoni- trum dieses Konzerts aber standen drei geistliche scher Kantate Wie der Hirsch schreit nach frischem Chorwerke Elgars: Die Anthems Great is the Lord Wasser (Psalm 42) erklang am 31. Oktober 1993 und Give unto the Lord sowie Elgars Te deum sind unter der Leitung Carsten Klomps eine deutsch- üppigste englische Chorromantik und ließen die sprachige Psalmvertonung des 19. Jahrhunderts in Herzen der Zuhörer höher schlagen. der Christuskirche. Abb. 27: Plakat des Oratorienkonzerts zur Sail am 26.8.2010 Die Aufführung von Leonard Bernsteins rhyth- rungen. Zusammen mit Bernsteins dreisätziger misch vertrackten Chichester Psalms in hebräischer Chorsymphonie erklang am 7. November 1999 Sprache stellte den Chor vor neue Herausforde- das Hebbel-Requiem von Max Reger. Aufführungen von Psalmvertonungen Carsten Klomp 31. Oktober 1993 Felix Mendelssohn Bartholdy: Der 42. Psalm Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser Eva Schad 7. November 1999 Leonard Bernstein: Chichester Psalms 18. Mai 2003 G. F. Händel: Anthems, u. a. Zadok the Priest 26. August 2010 Edward Elgar: Anthems Great is the Lord und Give unto the Lord, Te Deum 40

KonzertE Kantaten und Rundfunkgottesdienste Seit Ende der 60er Jahre hat die Stadtkantorei jährlich an einem Rundfunkgottesdienst, der das offene Chorprojekt ›Kantate zum Mitsingen‹. Es bietet musikalisch Interessierten die Möglich- von Radio Bremen übertragen wurde, mitge- keit, zusammen mit Sängerinnen und Sängern wirkt. Meistens wird in diesen Gottesdiensten der Stadtkantorei an nur einem Wochenende eine Bach-Kantate zum Sonntag der entsprechen- eine Kantate einzustudieren und im Sonntags- den Kirchenjahreszeit gesungen. Diese Tradition gottesdienst aufzuführen. Im Anschluss an ein ist über 50 Jahre hinweg bestehen geblieben, so solches Projekt haben immer wieder Sängerin- dass die Stadtkantorei über ein reiches Repertoire nen und Sänger als neue Mitglieder zur Kantorei an Bach-Kantaten verfügt – neben oratorischen gefunden. Kompositionen in Kantatenform, wie dem Weih­ Neben Werken Johann Sebastian Bachs und nachtsoratorium und dem Osteroratorium Johann Dietrich Buxtehudes standen wiederholt auch Sebastian Bachs. Kantaten des 19. Jahrhunderts auf dem Programm, Zu den festen jährlichen Einrichtungen ge- so etwa am 5. Dezember 2004 die unverkennbar hört auch – von Friedrich Wandersleb begonnen, am Bach’schen Vorbild geschulte Kantate Vom von Eva Schad fortgeführt und weiterentwickelt – Himmel hoch von Felix Mendelssohn Bartholdy. Oratorien Die Evangelische Stadtkantorei wurde 1963 ausdrücklich als »Chor für Oratorien und oratorien hat die Kantorei immer wieder auch die großen biblischen Oratorien von Händel bis große Kirchenmusik« gegründet. Neben den ­Honegger zur Aufführung gebracht. bereits erwähnten Weihnachts- und Passions- Georg Friedrich Händel: Der Messias und andere Oratorien »Singen Sie kammermusikalisch«: So verdeut- Chorsänger lernten beim Singen unter anderem lichte Carsten Klomp den Chorsängerinnen und das ›Schwer – Leicht‹ der Silbenbetonung zu be- Chorsängern seine Vorstellung, wie Händels Mes­ achten. In diesem Bemühen um eine ›historisch sias zu singen sei. Am 6. Dezember 1992 dirigierte informierte‹ Aufführungspraxis wird der Gene- er den Messias zum Antritt seiner 3 ½ Jahre wäh- rationenwechsel spürbar, der sich mit Leitung renden Amtszeit als Kreiskantor des Kirchenkrei- der Kantorei durch Eva Schad vollzogen hatte. ses Bremerhaven. Hatte Werner Steinmeier in seiner Rezension der Messias-Aufführung von 1992 noch die Kontinu- In seiner Besprechung (Abb.  28) würdigt ität zwischen den Interpretationsansätzen Fried- Werner Steinmeier das »glanzvolle« Konzert als rich Wanderslebs und Carsten Klomps hervorge- Frucht der »jahrelange[n] Aufbauarbeit« Fried- hoben, so arbeitet Dieter Strohmeyer das ›Neue‹ rich Wanderslebs und der Qualitäten seines noch der Messias-Interpretation Eva Schads heraus jungen Amtsnachfolgers Carsten Klomp (es war (Abb. 29). die letzte Kritik über eine Aufführung der Kanto- rei aus seiner Feder, er starb im März 1993): Neu war es auch, dass Eva Schad den Messias auf die Kantorei und den Bremerhavener Kam- Die Aufführung des Messias am 13. Dezem- merchor aufteilte: Die großen Chöre wurden ber 1998 unter der Leitung von Eva Schad brach- von der Kantorei gesungen, während sie die eher te eine ganze Reihe an Neuerungen. Der Chor kammermusikalischen und fugierten Teile dem sang das Oratorium erstmals in der englischen Kammerchor zusprach – angesichts der von Eva Originalsprache. Das ›Hamburger Barockorches- Schad gewählten Tempi eine sinnvolle Entschei- ter‹ spielte auf historischen Instrumenten, d. h. dung. Mit zunehmendem Alter und vielleicht auf Nachbauten originaler Instrumente der Ba- auch in Folge der Geburt ihrer zwei Kinder Feli- rockzeit und in ›alter‹, um einen Halbton tiefer citas (2004) und Jakob (2007) wurden ihre Tempi liegender Stimmung. Die Chorsängerinnen und 41

KonzertE Abb. 28: Händel, Der Messias, 8.12.1992; Rezension von Werner Steinmeier in der NZ (Auszug) ruhiger, und auch die Art und Weise des Musizie- am 13. Dezember des Händel-Jahres 2009 sang rens nahm einen kleinen Wandel. Bei der zweiten die Kantorei wieder alle Teile selbst – eine Spur Aufführung des Messias unter Eva Schads Leitung langsamer, aber nicht weniger lebendig. Abb. 29: G. F. Händel, The Messiah, 13.12.1998; Rezension von Dieter Strohmeyer in der NZ (Auszug) Neben dem Messias hat sich die Kantorei auch vener Kammerchor bereits das Oratorium Saul Händels doppelchörigem Oratorium Israel in aufgeführt – von Eva Schad nur wenige Tage vor Egypt angenommen, das am 8. Oktober 2006 in Beginn ihres Mutterschutzes mit dickem Bauch der Christuskirche erklang. In diesem Werk – vom Hochstuhl aus dirigiert. von den Zeitgenossen seines hohen Choranteils wegen geschmäht, von den Späteren aus glei- Am 22. Februar 2009 schließlich, zu Händels chem Grunde hochgeschätzt – erzählt Händel in 250. Todesjahr, verbanden Eva Schad und der zahlreichen Volks- und Massenchören von den ehemalige Stadttheater-Intendant Dr. Dirk Bött- zehn Plagen und dem Auszug der Israeliten aus ger einige der schönsten Oratorienchöre mit Tex- Ägypten. Zwei Jahre zuvor hatte der Bremerha- ten von und über Händel zu einem ›Rundumbild‹ des Orpheus des Barock. 42

KonzertE Aufführungen von Händel-Oratorien Friedrich Wandersleb 16. November 1980 Der Messias 25. November 1984 Der Messias Carsten Klomp 6. Dezember 1992 Der Messias Eva Schad 13. Dezember 1998 The Messiah 22. Februar 2006 Orpheus des Barock – Oratorienchöre von G. F. Händel 8. Oktober 2006 Israel in Egypt 13. Dezember 2009 The Messiah Joseph Haydn: Die Schöpfung Nachdem die Kantorei 1999 in der Aufführung lich anschaulichen Wetter- und Tierportraits in einer Missa brevis von Joseph Haydn mit der Haydns Schilderung des Paradieses zu singen und Tonsprache dieses Komponisten in Berührung zu hören! gekommen war, konnte der Chor im Jahr darauf in der Einstudierung des Oratoriums Die Schöp­ Schließlich wurde im Jahr 2009 in Bremen fung durch Eva Schad ein großes Chorwerk von der 32. Deutsche Evangelische Kirchentag gefei- Haydn kennen lernen. ert. Auch Bremerhaven wollte einen musikalisch- kulturellen Beitrag leisten, und so erklang Die Etwas reißerisch klingt die Überschrift zur Schöpfung, passend zum Motto des Kirchentages Rezension der Aufführung vom 9. Juli 2000 in der »Mensch, wo bist du?«, am 23. Mai 2009 erneut in Nordseezeitung: »Brüllender Löwe und schneller der Christuskirche – dieses Mal begleitet vom ei- Tiger – Haydns ›Schöpfung‹ in der Christuskir- genen Bremerhavener Kammerorchester, was für che« (Abb.  30). Aber es hat dem Chor und den die engagierten Laienmusiker ein großes Stück Zuhörenden schon Freude gemacht, die so köst- Arbeit war. Mendelssohn: Elias, Paulus und ›Lobgesang‹ Am 21. Oktober 2001 – die Erschütterung über lisch-dramatischen Darstellung von Naturgewalt die schrecklichen Terroranschläge des 11. Septem- und Menschengewalt. »Im Oratorium ›Elias‹ bebt ber auf das World Trade Center in New York war die Erde«, titelte die Nordseezeitung. Die Bespre- allen noch nahe – sang die Kantorei unter der Lei- chung von Dieter Strohmeyer lässt erkennen, dass tung von Eva Schad das Oratorium Elias von Felix es in der Musik nicht nur die Erde ist, die bebt, Mendelssohn Bartholdy. sondern dass es um den »von Zweifeln, Ängsten und Irritationen geprägte[n] Mensch[en]« geht, Ob sich beim Singen oder Hören dieses Ora- heute wie damals (Abb. 31). toriums in Gedanken Musik und Weltgeschehen berührten, wird jede und jeder anders empfun- Nicht weniger dramatisch komponierte Men- den haben. Die Musik ist offen dafür, zumal die delssohn seinen Paulus, den die Kantorei am 9. Musik von Mendelssohns Elias in ihrer musika- November 2008 zur Aufführung brachte. 43

KonzertE Abb. 30: Joseph Haydn, Die Schöpfung, 9.7.2000; Rezension in der NZ 44

KonzertE Im Oratorium ›Elias‹ bebt die Erde […] Sie hat den Komponisten Felix Mendelssohn der Aufruhr der Naturelemente zum Zuge, das Bartholdy eindrucksvoll gegen alle Klischees Zerreißen des Himmels, das Beben der Erde, das der Glätte, Oberflächlichkeit und Sentimenta- Zerbrechen der Felsen. Dem standen – etwa im lität verteidigt. Damit hat sie bewiesen, dass er Doppelquartett oder in der langen Wiederewe- gleichfalls kraftvoll und innovativ komponierte. ckungsepisode – in beeindruckender Steigerung Er lebte […] nicht nur glücklich dahin, sondern Szenen einer zart empfundenen romantischen war ein von Zweifeln, Ängsten und Irritationen Religiösität gegenüber. Der Dirigientin halfen geprägter Mensch. bei dieser Gradwanderung ein gut disponierter und einstudierter Chor und vorzügliche Solisten. Das war wohl das Verständnis Eva Schads, das weit von jeder frömmelnden Interpretation Der Chor war bei dieser stürmischen Ausle- entfernt ist […]. Und so kam in einer turbulenten gung extrem gefordert. […] Eindrucksvoll die Ausgestaltung durch Chor und Orchester auch Zuverlässigkeit und Präzision der Einsätze […]. Abb. 31: Felix Mendelssohn-Bartholdy, Elias, 21.10.2001; Rezension von Dieter Strohmeyer in der NZ vom 24.10.2001 (Auszug) Felix Mendelssohn Bartholdy starb am 4. Novem- von Eva Schad sollte seines Todesjahres vor 150 ber 1847 im Alter von nur 38 Jahren. Mit der Auf- Jahren gedacht werden. In diesem Konzert kam führung seiner 2. Symphonie Lobgesang am 15. zum ersten Mal ein neues Chorpodest zum Ein- Juni 1997 in der Christuskirche unter der Leitung satz. Oratorienaufführungen (außer Händel) Friedrich Wandersleb 14. Oktober 1990 Arthur Honegger: König David Eva Schad 15. Juni 1997 Felix Mendelssohn Bartholdy: 2. Sinfonie Lobgesang 9. Juli 2000 Joseph Haydn: Die Schöpfung 21. Oktober 2001 Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias 9. November 2008 Felix Mendelssohn Bartholdy: Paulus 23. Mai 2009 Joseph Haydn: Die Schöpfung (Kirchentag Bremen) Arthur Honegger (1892–1955): König David »Endlich mal was anderes in der Bremerhavener Aber die Rezensentin muss auch feststellen, dass Chorszene«, begrüßt Monika Willers in ihrer nicht unbedingt eine Mehrheit der potentiellen Rezension in der Nordseezeitung die Auffüh- Konzertbesucherinnen und -besucher mit ihr ei- rung von Arthur Honeggers König David am 14. ner Meinung ist. Denn am Schluss schreibt sie: Oktober 1990. »Neben ihrem Bach-Studium hat »Es hat viel Spaß gemacht, den ›König David‹ sich die Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven in dieser Aufführung zu hören. Schade, daß die unter der Leitung von Friedrich Wandersleb jetzt Christuskirche nicht voll besetzt war. Hoffentlich um ein Werk aus unserem Jahrhundert bemüht.« 45

KonzertE ben. Komponisten wie John Rutter und Maurice Duruflé waren den meisten, die die erwähnten hält das weder den Chor noch Wandersleb davon Requiem-Aufführungen gehört hatten, bis da- ab, sich auch weiterhin um unbekanntere Musik hin vermutlich unbekannt, ebenso wie manches zu bemühen.« Chorwerk bekannterer Komponisten. Dennoch erfahren auch Konzerte mit unkonventioneller Konzertbesucherinnen und -besucher für Programmgestaltung seit langen Jahren erfreuli- das Hören neuer und unbekannter Werke zu chen Zuspruch. gewinnen, ist seit Friedrich Wanderslebs König David-Projekt ein wichtiger Aspekt bei der Pro- grammauswahl für die Kantoreikonzerte geblie- Carl Orff: Carmina burana Hafenwelten Bremerhaven Freiluftbühne am Neuen Hafen (beim „Lloyd‘s“) Sonntag, den 8. Juli 2012, 19.00 Uhr Carl Orff Evangelische Stadtkantorei Bremerhaven Open-air Sopran: Lilli Wünscher · Tenor: Daniel Kim · Bariton: Peter Kubik Klaviere: Adrian Rusnak & Marina Kondrasheva Schlagzeugensemble Christian Pfeifer Leitung: Eva Schad Eintritt frei! Abb. 32: Carl Orff, Carmina Burana; Plakate der Aufführungen von 1994 und 2012 Es ist zwar eine klösterliche Handschrift, die wollten das Werk gerne aufführen. So fand sich das Libretto für die wohl berühmteste Kom- ein ungewöhnlicher, aber – wie sich herausstellte position von Carl Orff abgegeben hat. Aber eine – sehr geeigneter Aufführungsort, den es mittler- Aufführung in einer Kirche rechtfertigt diese Tat- weile nicht mehr gibt, das so genannte ›Design- sache allein noch nicht. Denn deren Bezeichnung Labor‹, besser bekannt unter dem Namen ›ehe- als cantiones profanae, sprich ›weltliche Lieder‹, maliges Stadtbad‹. könnte – wie Carsten Klomp im Programmheft zur Aufführung schreibt – »durchaus noch das Das Orchester saß im ehemaligen Nicht- Wörtchen ›sehr‹ vorangestellt werden«, insofern schwimmerbecken, der Chor war über Eck am sie »zum Teil recht drastisch die Freuden des Sau- Beckenrand postiert, das Publikum saß auf den fens, Fressens, Liebens und Spielens, verbunden Zuschauerrängen (Abb. 33). Den Aufführungsbe- mit heftigen Angriffen auf Kirche und Gesell- dingungen musste etwas nachgeholfen werden: schaft«, beschreiben. Doch Chorleiter und Chor Bei hochsommerlichen Temperaturen wurden in schweißtreibender Arbeit der Kantoreimitglieder 46

KonzertE Abb. 33: Carl Orff, Carmina Burana, 17.7.1994 im ehemaligen Stadtbad Bremerhaven Stühle und Podeste für den Chor, das Orchester Für die Damen und Herren der ›Sinfonia und das Publikum aus dem nahen Schifffahrts- Silesia‹, Mitglieder des Nationalen Rundfunk­ museum und der Pauluskirche herbeitranspor- sinfonieorchesters Kattowitz / Polen, stellten die tiert. Das Konzert wurde ein großer Erfolg und Kantoreimitglieder Privatquartiere bereit. Da die sorgte nicht zuletzt des Aufführungsortes wegen Carmina burana am Tag nach dem Bremerhave- für besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlich- ner Konzert in einer Halle der Meyer-Werft in Pa- keit. Wann kann man schon einmal ein großes penburg wiederholt wurden, war genügend Zeit Orchester mitsamt Dirigenten und Kinderchor für eine herzliche Begegnung mit den Gästen. in einem leer gepumpten Schwimmbadbecken erleben? Über die Aufführung am 17. Juli 1994 schreibt Donald Preuß in der Nordseezeitung: Abb. 34: Carl Orff, Carmina Burana, 17.7.1994; Rezension von Donald Preuß in der NZ 47

KonzertE bestehend aus Petrus Klan, Bruno Fröhlich und Stefan Tönjes, einen perfekten Sommerabend. Das Einstudieren und die Aufführung des Wer- Auf das Eröffnungskonzert der Jugendchöre, die kes machte den Chorsängerinnen und Chorsän- später am Abend den Kinderchorpart der Carmi­ gern so viel Spaß, dass sich ein Jahr danach, im na Burana übernahmen, folgte ein Beitrag von Oktober 1995, viele noch einmal als Chor für Vasilly und Adrian Rusnak, die mit stimmungs- eine Ballett-Inszenierung der Carmina burana am voller Salonmusik zur Carmina-Aufführung am Stadttheater Bremerhaven zur Verfügung stellten. lauen Sommerabend überleiteten. Die rund 1000 Zuschauer saßen an Tischen, fein eingedeckt mit Knapp zwei Jahrzehnte später realisierte Eva köstlichen Speisen und Getränken, und erlebten Schad ihren lang gehegten Plan, die Carmina die Carmina Burana in einem traumhaften Am- burana open-air aufzuführen. Das schmissige biente. Einen Tag später wurde das Chorpodest und rhythmusbetonte Werk ist mit seiner gro- von fleißigen Chorherren mit Anhängern zu den ßen Schlagzeugbesetzung wie geschaffen für die neuen ›Havenwelten‹ gegenüber dem Restaurant Open-Air-Bühne, zumal es von Carl Orff selbst ›Lloyds‹ transportiert. Mehrere hundert Zuhörer eine Fassung gibt, in der das große Orchester erlebten die dortige Aufführung am Sonntag den auf nur zwei Klaviere und Schlagzeug reduziert 8. Juli 2012, vor Regen und heftigem Wind not- ist. In dieser Besetzung ist es möglich, alle Aus- dürftig geschützt durch die vorsorglich bestellten führenden – die Stadtkantorei samt Kinderchor, Partyzelte. Der Bericht in der Nordseezeitung drei Sänger und die Instrumentalisten – auf einer (Abb. 35) und die Fotoserie (Abb. 37) vermitteln 9 mal 6 Meter kleinen Bühne unterzubringen. Im Eindrücke von beiden Aufführungen: Rahmen von ›Klassik im Park‹ organisierte das so- wohl musikalisch als auch planerisch bestens auf- einander eingespielte Nordenhamer Männer-Trio, Dienstag, 10. Juli 2012 LOKALE KULTUR Ȋ 15 Mit Bravour gegen Wind und Regen angesungen Knatternde Planen, umschlagende Schirme: Die Freiluft-Aufführung von „Carmina Burana“ hatte ihren eigenen Charme VON ULRICH MÜLLER nung sorgte: Werden es die noch nie. Sopranistin Lilli Wünscher Wie schon im Vorjahr hatte Eva Schad Pech mit dem Wetter. In Regen- BREMERHAVEN. „O Fortuna!“ O nicht anwesenden Solisten recht- und Tenor Daniel Kim komplet- capes und unter Schirmen hielt das Publikum dennoch tapfer aus. Foto hr Glücksgöttin! Mit diesem Ausruf zeitig auf die Bühne schaffen? tierten die Reihe der Solisten, die beginnt Carl Orffs Kantate „Car- sich mit dem Chor ausdrucks- mina Burana“, und er mag am Der mächtige, von Eva Schad stark durch die 24 Lieder und ih- Sonntagabend auch manchem dirigierte Chor sang sauber und re Gefühlslagen sangen. Dass Besucher der Freiluft-Aufführung präzise, war dank der Lautspre- Kim dabei eine offenbar aus dem am Neuen Hafen auf den Lippen cher überall auf dem Platz bes- Perkussionsfundus entliehene gelegen haben. Mit verblüffender tens zu hören. Pentatonik und Bratpfanne benutzte, um seine Pünktlichkeit begann der Wind Romantik, Archaisches und aus- Noten vor dem vom Bühnendach kurz vor dem Auftritt der Evange- gelassene Tänze: Adrian Rusnak tropfenden Wasser zu schützen, lischen Stadtkantorei den Regen und Marina Kondraschewa steu- sorgte für Heiterkeit. über den Platz vor dem „Lloyd’s“ erten die Klavierbegleitung bei, zu fegen, das Schicksal meint es die vier Schlagwerker sorgten für „O Fortuna!“ – irgendwann offenbar nicht gut mit Kreiskan- das Fundament der ständig wech- hatte sich die Feuchtigkeit auch torin Eva Schad und ihrem Chor. selnden Rhythmen. durch Kabel und Anschlüsse ge- Mit der Bratpfanne arbeitet, doch direkt vor dem letz- Auch die Zuschauer, die kei- Dazu leise im Wind knatternde ten Lied konnte das nun wirklich nen Schutz mehr im aufgestellten Planen, umschlagende Schirme niemanden mehr erschüttern. Zelt gefunden hatten, ließen sich und knisternde Regenmäntel –- „Schmählich Leben! Erst miss- zunächst nicht vertreiben. Unter Open Air hat in Bremerhaven sei- handelt, dann verwöhnt es“, sang diesen Umständen war es trotz ne ganz eigene Atmosphäre. der Chor und brachte das Kon- ausgeteilter Plastikcapes eine klu- zert souverän „unplugged“ zu En- ge Entscheidung von Kantorin Auf die Sekunde genau stürmte de. Großer Applaus für das beein- Eva Schad, das Vorprogramm des Bariton Peter Kubik auf die Büh- druckende Konzert, Beifall von Jugendchors zu kürzen und frü- ne, sein erster, mit den Worten den Mitwirkenden für die beharr- her als vorgesehen ins Hauptwerk „Alles macht die Sonne mild“ be- lichen Zuschauer. Ach ja, eine einzusteigen. Eine Entscheidung ginnender Text war ein Lecker- Stunde später war es mit dem Re- zudem, die durchaus für Span- bissen für Freunde gepflegter Iro- gen dann erst mal wieder vorbei. Abb. 35: Carl Orff, Carmina Burana, 8.7.2012; Rezension von Ulrich Müller in der NZ Wie bereits 1995 wurden die Carmina burana mussten alle Sängerinnen und Sänger in einem auch 2012 wieder für eine Ballett-Inszenierung mehrstöckigen, sechs Meter hohen ›Amphithea- ins Programm des Stadttheaters genommen. Die- ter‹ einreihig im Halbkreis stehend singen, was ses Mal übernahmen die Stadtkantorei und der Kapellmeister Stefan Veselka einige Koordinati- Bach-Chor die Chorpartie gemeinsam mit dem onsschwierigkeiten bereitete. Nach der Premiere Opernchor des Stadttheaters Bremerhaven. Der vom 31. März 2012 gelang das Experiment von Inszenierung und dem Bühnenkonzept folgend, Aufführung zu Aufführung besser – und die 48


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