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Ethos Jahr 2018 Nr.7

Published by The Virtual Library, 2022-09-14 08:02:38

Description: Christliche Zeitschrift

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BEDEUTUNGSVOLL LEBEN 7/2018 I 35. Jahrgang I www.ethos.ch I 1 5.70, CHF 6.60 VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN Mann – Opfer einer sexualisierten Gesellschaft? Frau – Attraktivität versus Heiligkeit? PSYCHO-TROJANER CHEFARZT DR. T. BÖRNER BEGEGNUNG MIT Marionetten im Tierreich Überzeugung mit Folgen Professor Wilder-Smith

INPUT Christen werden immer wieder als «ra- dikal» bezeichnet – ein provokatives Gegenfeuer Wort, versteht man heute darunter doch oft «Rücksichtslosigkeit, Extremismus und In Australien kommt es regelmässig zu verheeren- Gewalt». den Buschbränden. Um sich vor den hungrigen Flammen zu schüt- Dabei ist die ursprüngliche Bedeutung zen, legen die Einwohner kontrollierte Gegenfeu- von radikal etwas ganz anderes: «gründ- er. So wird dem Buschfeuer wirksam die Nahrung lich, einer Sache auf den Grund gehen, entzogen. Wo das Gegenfeuer sein Werk getan wurzeltief» (abgeleitet von lat. radix, «Wur- hat, kann das Buschfeuer nicht mehr wüten. Wer zel»). Radikal meint ganz und gar, grad- sich in diesem Bereich aufhält, ist in Sicherheit. linig, überzeugt von der Richtigkeit einer überprüften Sache, für die man konse- Für schuldige Menschen gibt es einen ge- quent einsteht. Ein Christ hat den Auftrag, schützten Ort vor dem Gericht Gottes: das ein Botschafter Jesu zu sein, das Evange- Kreuz von Golgatha. Dort traf Jesus Christus das lium von der Gnade Gottes zu bezeugen. göttliche Strafgericht über die Sünde. Er litt und Gott möchte die Rettung aller Menschen. starb am Kreuz für fremde Schuld. Jeder, der Das schliesst Gewalt aus. Liebe kämpft in seine Schuld bekennt und seine Zuflucht zu dem Klarheit für die Wahrheit, lässt aber dem Gekreuzigten nimmt, ist sicher vor dem Bannstrahl anderen die Freiheit, sie anzunehmen oder göttlichen Zorns. abzulehnen. Gott ist Liebe – aber auch Wahrheit. «Die Schuld liegt entweder auf dem Gekreuzig- ten oder auf uns.» v Leben mit Perspektive, Gerrid Setzer, CSV «Jesus spricht: ‹Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen›.» Johannes 5,24 2 ETHOS 7| 2018

EDITORIAL LIEBE LESERIN, LIEBER LESER Radikalen Christen wird vorgeworfen, als Jesus uns frei machen kann von unse- haben, dann untergraben wir den Boden, sie würden sich und ihre Meinung zum Massstab machen und sie andern aufzwin- ren Sünden, oder dass wir zu jemand ande- auf dem unsere Kinder stehen sollen, und gen. Weit gefehlt. Christen unterstellen sich selbst dem Massstab des Christus. Dr. med. rem beten sollen, als nur zu Gott? wir zerstören auch jede Hoffnung, das er- Börner beugte sich unter Gottes Gebot «Du sollst nicht töten» und nicht unter das Dik- Im Buch der Offenbarung warnt uns lösende Salz und Licht unserer sterben- tat der Klinikleitung. Gekostet hat es ihn seine Stelle als Chefarzt. (Lesen Sie mehr Gott sehr eindringlich vor der den Kultur sein zu können (...) dazu im Interview ab Seite 14.) Verführung unserer Zeit: Ganz bestimmt machen Bleierne Schwere legt sich auf mein Herz. Traurig stehe ich vor der Bücher- Sie kommt nicht plump wir uns damit nicht be- wand in den Räumen einer christlichen Gemeinde. Aufgereiht sind Titel eines be- um die Ecke, sondern «Unsere liebt. Aber wenn wir kannten Autors. Er hält teils echt berüh- christlich getarnt. ‹Radix› muss in Ihm wirklich an den un- rende Predigten über Jesus und hat grossen Deshalb fordert uns endlich-persönli- Zulauf. Endlich einer, der über Konfessi- onsgrenzen hinweg das verbindende Ele- die Bibel auf, alles sein, fest verankert. chen Gott glauben ment betont. Einheit unter Christen – wer – und ganz beson- Nur das bewahrt uns – den Gott der Hei- sehnt sich nicht danach? ders das, was geist- ligkeit und Liebe –, Doch zu welchem Preis? Darf man ein- liche Führer lehren vor geistlicher wenn wir wirklich fach darüber hinwegsehen, wenn zentrale – zu prüfen. Je besser Blindheit.» den Herrn und sein Aussagen der Bibel umgedeutet oder un- wir mit dem Original, Wort und seine Kirche terschlagen werden? sprich Gottes Wort, ver- lieben, dann haben wir Nicht etwa, dass wir Christen als «radi- kal» bezeichnet werden, bereitet mir wirk- traut sind, desto schneller keine andere Wahl.» lich Sorge, sondern dass offenbar viele – ohne es zu merken – den radikalen Abso- erkennen wir eine Fälschung. Ich kenne die Müdigkeit, die lutheitsanspruch, den Gott für sich fordert, opfern. Zwar wird mit grossem Einsatz und Es mag noch so fromm daherkommen Resignation im Kampf gegen den christ- eindeutigen Worten verkündet: «Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, nie- – wer über Jesus viel Richtiges sagt, aber lich gefärbten Einheits-Mainstream, die mand kommt zum Vater als allein durch mich» (Joh. 14,6), aber daneben werden insgeheim einen anderen Erlösungsweg Unlust auf den «Aber-Mahnfinger». Doch auch «notwendige Glaubens-Konstrukte» festgelegt, die dem Herzstück des Evange- – «Bibel plus» oder «Bibel minus» – ver- dann sehe ich in die liebenden Augen des liums diametral entgegenstehen. Wo heisst es in der Bibel, dass bestimmte Gebets- kündet, ist ein Irrlehrer, ein Verführer. Das Mannes am Kreuz. Möchte ich sein Wort, rituale, spezielle Strategien und besondere Geisteserfahrungen nötig sind, um Gottes sagt Gott in seinem Wort, nicht ich. Er wird seine Liebe verraten? Nein! ER, Jesus, soll Wirken zu erleben? Dass jemand anders einst Rechenschaft fordern. mein Alles sein! Radikal! Die Liebe zu ihm Die evangelikale Welt heute ist gespal- drückt sich in Gehorsam seinem Wort ge- ten, tief gespalten. Francis A. Schaeffer hat genüber aus. Das ist zuweilen unbequem, schon Ende des letzten Jahrhunderts be- aber es lohnt sich immer. Unsere «Ra- sorgt geschrieben: dix» muss in Ihm sein, fest verankert – «Wenn die Heilige Schrift durch theo- dann kann Jesus durch uns echte Frucht logische Infiltration und Kompromisse wirken. Nur das bewahrt uns vor geistli- und ebenso durch kulturelle Infiltration cher Blindheit, damit wir nicht von jedem und Kompromisse nach und nach zerstört Wind «christlich getünchter Lehre» mitge- wird, haben wir als bibelgläubige Christen rissen werden. dann den Mut, die Wasserscheide aufzuzei- gen? Werden wir den Mut haben, eine Linie Herzlich, Ihre zu ziehen – und zwar öffentlich zwischen denen, die der gesamten Bibel glauben, und denen, die theologisch und kulturell infiltriert sind? Wenn wir diesen Mut nicht Daniela Wagner- Schwengeler 3ETHOS 7| 2018

INHALT JULI 2018 38 14 2 INPUT 28 Gegenfeuer 3 EDITORIAL 6 REPORTAGE Kalahari 12 ALLTAGSTAUGLICH Gottes befreiendes Genderprogramm 14 INTERVIEW Sich beugen – oder woanders arbeiten! 20 LEBENSRECHT Wen wir leben lassen 22 GEKREUZTE WEGE Menschen, die mein Leben prägten – Arthur Ernest Wilder-Smith 26 FOKUS 28 MEDIEN Ich bin online – also bin ich?

22 32 LESERBRIEFE / KREUZWORTRÄTSEL 56 WITZ & WISSEN 58 KIDS 34 POSTER Von Feiglingen und echten Kerlen 36 FILM 60 BÜCHER & CO. Summer 1993 61 REZEPT 37 ZEITZEICHEN Malabi Rosencreme-Pudding mit Waldbeer-Coulis 38 MANN UND SEXUELLE REINHEIT 62 RATGEBER GESUNDHEIT Männer – Opfer einer sexualisierten Gesellschaft? Ringelblume 40 FRAU UND SCHÖNSEIN 68 INPUT Heiligkeit und Attraktivität – passt das zusammen? Unsterblich? 44 SCHÖPFERHANDWERK ABO-BESTELLKARTEN Fremdgesteuert FINDEN SIE AUF DER LETZTEN UMSCHLAGSEITE. 48 INTERVIEW/JUGEND Mein Papa – ein echtes Vorbild! 52 KREATIV Regendusche unter freiem Himmel 54 ETHOS OPEN HANDS «Die Liebe ist langmütig und freundlich ... sie lässt sich nicht erbittern»

Ein junger Gepard. REPORTAGE KALAHARI EIN TRAUM, DEM EIN EIGENTÜMLICHER GERUCH VON STAUB, GEGRILLTEM FLEISCH UND FREIHEIT ANHAFTET. KEVIN WINTERHOFF 6 ETHOS 12| 2018

Eine Löwin. Ein Freund und ich planen, Gut erkennbar: die Milchstrasse. nach Südafrika zu fliegen. Kalahari-Gebiet Unser Ziel: Löwen, Geparde 7ETHOS 7| 2018 und möglichst auch Leoparden bei der Jagd zu beobachten und zu fotografieren. Von meiner Frau bestärkt, nehmen wir das Abenteuer Kalahari in Angriff. Geruch der Freiheit Der Traum von Afrika ist weit mehr, als exotische Tiere, Pflanzen und Begegnun- gen mit Menschen einer anderen Kultur. Man erschliesst ihn sich durch verschie- denste Sinneseindrücke. Er riecht so ganz andersartig. Wunderbar. Unvergesslich, diese eigentümliche Mischung aus staub- haltiger Luft und gegrilltem Fleisch. Un- trennbar mit den Weiten der Kalahari ver- bunden. Riecht so Freiheit? Die Landschaft der Kalahari lässt sich nicht eindeutig zuordnen. Viele beschrei- ben sie als Wüste, was nicht ganz stimmt. Es handelt sich vielmehr um eine Dorn- strauchsavanne, geprägt von grosser Tro- ckenheit mit jährlichen Niederschlägen von 200 bis 500 mm, die jedoch unregelmäs- sig auftreten. Der Auob und Nossob, zwei Flüsse im südafrikanischen Teil der Kala- hari, führen nur alle paar Jahre für kurze Zeit Wasser. Beim Auob kommt das etwa alle elf Jahre vor, beim Nossob alle 60 Jahre. Es verwundert daher nicht, wenn der Begriff Fluss dort eine etwas andere Bedeutung hat. So kann man ihn die meiste Zeit mit dem Auto befahren statt mit einem Boot. Zahlreiche rotsandige Dünen erin- nern ein wenig an die weiter westlich ge- legene Namib-Wüste. Ebenso die ikoni- schen Oryx-Antilopen, das Wahrzeichen des Parks, die man überall antrifft. Wegen der grossen Dürre leben in der Kalahari keine Dickhäuter wie Elefanten, Nilpferde oder Nashörner. Hingegen gibt es eine er- staunliche Zahl von Geparden, Löwen, Leoparden und anderen Raubtieren, wel- chen es offensichtlich nicht an Beutetieren auf ihrer Speisekarte mangelt.

Gleitaar. Wiedehopf. Gut zu wissen Strauss. Eine gute Vorbereitung für eine Reise in die Kalahari ist unerlässlich. Wichtig zu wissen: Die Kalahari ist ein grenzübergreifender Na- tionalpark, der Gebiete in Südafrika, Nami- bia und Botswana umfasst. (Wir beschränk- ten uns auf den südafrikanischen Teil.) Es empfiehlt sich, die Unterkünfte mindestens ein halbes Jahr, besser noch ein Jahr im Vo- raus zu buchen. Kurzentschlossene werden kaum etwas finden. Generell hat man die Wahl zwischen Cot- tages oder Camps (Haus oder Zelt). Auch Camping-Aufbauten auf Autos sind sehr beliebt. Viele reisen mit sogenannten Dach- zelten. Bei den Camps unterscheidet man zwischen staatlichen und privaten, wobei letztere meist teurer und luxuriöser ausge- stattet sind. Sämtliche Camps sind umzäunt und absolut sicher. Ein besonderes Abenteuer bieten soge- nannte Wildernesscamps. Diese verfügen über keinerlei Umzäunung und sind kleiner. Hier kann man wirklich im Einklang mit der Natur übernachten, weitab von jeglicher Zi- vilisation! Manche dieser Camps bestehen aus gerade einmal vier Häusern und einem Nationalparkmitarbeiterhaus. Eines Abends, wir haben eben den Ster- nenhimmel fotografiert und sind in unser Haus zurückgekehrt, hören wir in nächster Nähe zwei Löwen brüllen. Wir haben sie – oder sie uns – um nur etwa fünf Minuten ver- passt! Am nächsten Morgen finden wir ihre Spuren direkt vor unserer Hütte. Uns trenn- ten also gerade einmal 20 Meter Luftlinie! Unsicher haben wir uns dennoch nie gefühlt. Man kann sowohl vom Norden aus über Namibia wie auch über Südafrika in die Ka- lahari einreisen. Bei dieser südlichen Route, welche wir wählten, fliegt man bis Johan- nesburg und dann idealerweise bis nach Uppington, einem kleinen Provinzflugha- fen mit viel Charme und wenig Passagieren. Von dort dauert es nur noch 2 1/2 Stunden bis zum Eingang Twee Rivieren. Als Mietauto kommt ausschliesslich ein Geländewagen infrage, denn die Strassen im Nationalpark sind Sandpisten und be- sonders die Wege zu den Wildernesscamps anders nicht befahrbar. Buchungen können über Mietwagen-Vergleichsportale oder di- rekt bei den Anbietern getätigt werden. 8 ETHOS 7| 2018

Junge Geparde. Sekretärvogel. Elandantilope. Fuchsmanguste. Löwe. 9ETHOS 12| 2018 Gepardenfamilie.

Gepard. Riesentrappe. Löwenbaby. Fuchsmanguste. 10 ETHOS 7| 2018

Löwin mit ihrem Jungen. Aufregung im stillen Örtchen Kapfuchs. Die Faszination einer Reise in die Kalahari lässt sich nur schwer beschreiben. Als Eu- ropäer, welcher an Lichtverschmutzung ge- wöhnt ist, beeindruckt mich zum Beispiel der nächtliche Sternenhimmel unglaub- lich. Während ich in den Neumondhim- mel der Kalahari blicke, fällt mir unweiger- lich die Beschreibung «so viel wie Sand am Meer» ein. Einen derart gigantischen Ster- nenhimmel mit Milchstrasse zu sehen und diesen bis zum Horizont verfolgen zu kön- nen, ist ein überwältigender Anblick! Ebenso die Tierwelt. Auf unserer Fahrt haben wir grosses Glück und finden nicht nur tolle Lichtstimmungen vor, sondern können auch verschiedenste Tiere beob- achten. Geparde mit Jungen im schönsten Abendlicht oder Löwen im Morgenlicht mit der Kamera festzuhalten, zählen zu den absoluten Highlights. Dabei stört kei- neswegs, dass es in der Kalahari verboten ist, das Auto zu verlassen. Das heisst, sämt- liche Fotos und Beobachtungen erfolgen aus dem Auto heraus. Es sei denn, man be- findet sich auf einem Parkplatz, was nichts anderes ist als ein kleiner Bereich mit Toi- lettenhäuschen mitten in der Wildnis. Einer Besucherin bescherte dies vor ei- nigen Jahren eine unvergessliche Überra- schung. Als sie das stille Örtchen verlassen wollte, lagen vor der Ausgangstüre einige Löwen im Schatten, um zu ruhen. Es ging gut aus für die Frau. Sie hatte jedoch reich- lich Überlegungszeit in ihren beschauli- chen zwei Quadratmetern, denn Löwen gehen weg, wann sie es wollen, und keine Minute früher. Der Ehemann im Auto, wel- cher die Szene filmte, hatte sichtlich Spass. Ich besitze kein Video von meinem Auf- enthalt und bin auch ganz froh, dass mir bei meinen Austrittzeiten eine solche Be- gegnung erspart geblieben ist. Die Fo- tos hingegen erinnern mich an ein unver- gleichliches Erlebnis und an einen Traum, den ich mir erfüllen durfte. v Kevin Winterhof, Jg. 1987, verhei- ratet; Wohnort: Hagen in Nord- rhein-Westfalen; Beruf: Lehrer und Finanzberater; Hobbys: Naturbeob- achtung, Naturfotograie, Sport. 11ETHOS 7| 2018

ALLTAGSTAUGLICH GOTTES BEFREIENDES GENDERPROGRAMM Die «Bafta Awards» (Filmauszeichnun- «Die Identitätskrise einer Solche Prozesse sind nichts Neues. Sie gen)-Zeremonie, jährlicher Vorläufer Gesellschaft, die jüdisch- tauchen lediglich in verschiedenen Hül- der grossen Oscars, wurde im April 2017 christliche Werte im Eiltempo len auf. Die antiken Städte Sodom und in London als historischer Meilenstein über Bord wirft, nimmt Gomorrah waren der Inbegriff morali- gefeiert. Zum ersten Mal fielen die Gen- groteske Ausmasse an.» scher Zügellosigkeit. Schon von der Zeit derkategorien «bester Schauspieler, beste der Richter in Israel lesen wir, dass «jeder Schauspielerin» weg und wurden mit ei- jüdisch-christliche Werte im Eiltempo über tat, was recht war in seinen Augen» (Rich- ner geschlechtsneutralen Auszeichnung er- Bord wirft, nimmt groteske Ausmasse an. ter 17,6). Der Unterschied heute ist die Ge- setzt. Die Korken knallten für diesen bahn- Trends wetteifern miteinander in der Kunst schwindigkeit, mit der die Zersetzung her- brechenden Fortschritt in der Abschaffung der Perversion. Die sogenannte «Objekt- kömmlicher Werte vor sich geht, beflügelt der Geschlechter. Die tapferen Held/In- sexualität» ist im Kommen. Wenn dein durch die globale Massenkommunikation. nen der Anti-Diskriminierungsschlacht Partner dich enttäuscht hat, kein Problem wurden auf den roten Teppichen gefeiert, – du heiratest deinen lokalen Bahnhof. Gottes Kontrastprogramm wird schon unter ihnen die britische Schauspielerin Oder einen Baum. Oder dich selber («So- in den ersten Büchern Mose vorgestellt. Emma Watson, berühmt durch ihre Rolle logamie»). Ein Akademiker in den USA Schlicht, verständlich, eindeutig, zeitlos: in Harry Potter. Sie war die glückliche Ge- meint, auf eine neue Variante der sexuel- «Als Mann und Frau schuf er sie» (1. Mose winnerin der ersten «gegenderten» Aus- len Identität gestossen zu sein. Er will in 1,27). Als ob Gott schon damals an eine Zu- zeichnung und nahm in ihrer Siegesrede seinem Unterbewusstsein die Identität ei- kunft gedacht hätte, in der selbst unwider- kein Blatt vor den Mund in ihrem Eifer, die nes Nilpferdes entdeckt haben und erwei- legbare wissenschaftliche Fakten in einem Abschaffung des Mann- und Frauseins in tert Begriffe wie «bi-sexual» und «trans-se- Rausch des Irrsinns in Frage gestellt wer- der Filmwelt hochleben zu lassen. xual» auf «tranimal identy» (Kombination den. Schon Adam wurde überredet, dass Mensch und Tier). Die langfristigen Aus- nur der Mensch sich frei entfalten kann, Selbst dem britischen Reporter Piers wirkungen dieser Strömungen auf Gesell- der nach keinen Regeln lebt. Diese Lüge Morgan, für seine militant-liberalen An- schaften, die ohnehin im Begriff sind, sich lebt weiter. Gottes Ordnungen bedeuten sichten berüchtigt, war dieses Schauspiel von allen bisherigen Normen abzulösen, dagegen Freiheit, nicht Zwänge. Wir verlie- eine Nummer zu viel. In einem zynischen werden verheerend sein. Das Menschsein ren nicht unsere Persönlichkeit, wir gewin- Kommentar (Daily Mail 9.5.2017*) fragte an sich löst sich auf und artet in einen bo- nen sie. Das wertfreie Vakuum ist der Ort, er sich, warum die neutralisierte Schau- denlosen Narzissmus aus. in dem sich die Identität eines Menschen spielerin in einem winzigen, hautengen auflöst. Unter Gottes Regie blüht sie auf. Glitzerkleid ihre alles andere als gender- neutralen Reize zur Schau stellte – anstatt Geistliche Aufbrüche in der Bibel, wie etwa in einem neutralen, sackähnlichen auch in der Kirchengeschichte, sind immer Anzug, der für Mann und Frau und alles eine Rückkehr zum Wort Gottes, nicht eine dazwischen geeignet wäre. Er stellte sich Abkehr von ihm. den weltweiten Aufstand der Feministin- nen im Falle vor, dass ein Mann die gender- «Deine Ordnungen ... beleben die Seele» freie Auszeichnung gewonnen hätte oder (Psalm 19,9). v dass Männer bei den Olympischen Spielen kraft ihres Körperbaus alle genderneutra- *http://www.dailymail.co.uk/news/article-4485048/ len Medaillen absahnen. Geschweige denn Piers-Morgan-politically-correct-personality- die Szenen, die sich in gemischten Toiletten Emma-Watson.html abspielen werden, wenn besoffene, männli- che Kraftpakete sich spontan entscheiden, Nicola Vollkommer, Jg. 1959, verheiratet, vier Kin- dass sie sich heute wie Frauen anfühlen. der, Lehrerin und Autorin, Hobbys: Klavierspielen und Singen, lebt in Reutlingen. Die Identitätskrise einer Gesellschaft, die Aus dem Vorwort vom Kursbuch «Frau zu Frau», RigatioVerlag, erscheint im Juli 2018. 12 ETHOS 7| 2018

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INTERVIEW Herr Dr. Börner, weshalb haben Sie für sich Meine erste Stelle als Assistenzarzt be- Ist es nicht «Ansichtssache», von welchem die Entscheidung getroffen, als Gynäkolo- kam ich am Knappschaftskrankenhaus Zeitpunkt an man von einem Menschen ge keine Abtreibungen vorzunehmen? Dortmund, also einem nicht konfessio- spricht? Wer entscheidet, wo man die nellen Haus. Der Chefarzt dort hatte völ- Grenze zieht? Dr. Börner: Für mich war die Unantast- lig selbstverständlich für sich und seine barkeit des Lebens schon immer wichtig. Abteilung Schwangerschaftsabbrüche un- Das ist eine schwierige Frage, weil sie sich Rückblickend könnte eine Ursache darin tersagt. Das ging gegen sein Berufsethos. streng naturwissenschaftlich nicht ge- liegen, dass meine Mutter und ich 1961 So bin ich in meinem Fach aufgewachsen, nau beantworten lässt. Allerdings finden meine Geburt gerade so überlebt haben. was meiner Einstellung sehr entgegenkam. wir Hinweise z. B. im deutschen Embryo- Respekt für das von Gott geschenkte Le- Ich empfand es als das Normale. Von An- nenschutzgesetz: «§8 Begriffsbestimmung ben, auch in der Natur, war mir also quasi fang meiner Laufbahn an stand für mich (1) Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes angeboren. Das ist zugegebenermassen et- ausser Frage, dass sich das Gebot «Du sollst gilt bereits die befruchtete, entwicklungs- was spekulativ, aber der Mensch sucht im- nicht töten» auch auf das Leben im Mutter- fähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt mer gern nach Erklärungen ... leib bezieht. der Kernverschmelzung (Anm. d. Verf.: SICH BEUGEN – ODER WOANDERS ARBEITEN! «Der Preis, als Chefarzt verbrannt zu werden und Buhmann der Nation zu sein, hat mich schon beschämt.» So der Gynäkologe Thomas U. Börner im Gespräch mit ethos. Die konsequente Umsetzung seiner Überzeugung kostete ihn die Chefarzt-Stelle. 14 ETHOS 7| 2018

der Kerne der Eizelle u. des Spermiums) und im Grunde nach einer Möglichkeit Das Angebot wird gut angenommen ...» suchten, ihr Kind auszutragen. Hier ver- und ist überregional bekannt. suchte ich, zum Austragen zu ermutigen, Aus biblischer Sicht – Psalm 139,13: ohne dabei die Probleme zu verniedlichen. Welches sind gemäss Ihrer Erfahrung als «Denn du hast ... mich gebildet im Mutter- Ich sagte ihnen ganz klar, dass es nicht ein- langjährig praktizierender Arzt die meist- leib» und Jeremia 1,5: «Ich kannte dich, ehe fach wird, sie ggf. Alleinerziehende werden genannten Gründe, weshalb Frauen eine denn ich dich im Mutterleib bereitete ...» – auch mit allen finanziellen Konsequen- Abtreibung wünschen? – ist meiner Ansicht nach nicht daran zu zen –, dass sie am Ende aber doch am bes- zweifeln, dass es sich um schützenswertes ten dabei rauskämen, weil sie ihr Gewissen • Passt nicht wegen Berufsausbildung/ menschliches Leben handelt, auch wenn es nicht belasten würden. Grob geschätzt ha- Karriere. noch im Körper der Mutter verborgen ist. ben sich etwa 1/3 von diesen Unentschlos- senen für das Kind entschieden, die ande- • Noch ein Kind schaffe ich finanziell Wann allerdings genau der menschliche ren – manches Mal unter Tränen – dann nicht. Embryo beseelt wird, darüber finden wir doch nicht. keine Information. • Ich bin zu jung/zu alt. Diejenigen, die mir nachher ihr Kind • Mit dem Erzeuger möchte ich nicht zu- Sie führten 13 Jahre lang eine eigene gezeigt haben (darauf habe ich immer Wert Praxis und ermutigten manche ungewollt gelegt), bereuten es nicht, sondern waren sammenleben. schwanger gewordene Frau, das Kind zu dankbar. Das waren natürlich sehr schöne • Ich kann dem Kind nichts bieten. bekommen. Wie waren die Reaktionen? Momente in meinem Berufsleben. • Kurioseste Begründung: Ich habe einen In die gynäkologische Praxis kamen Frauen, grossen Garten mit Hunden und Pfer- die von mir eine Feststellung der Schwan- den, da passt kein Kind mehr hin. gerschaft und der Schwangerschaftswoche sowie die Überweisung zum Schwanger- Um ungewollt schwangere Frauen zu Bei Ihrem Amtsantritt als Chefarzt in der schaftsabbruch verlangten. Neben diesen gesetzlich vorgeschriebenen Massnahmen unterstützen, gründeten Sie im Jahr 1997 Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg und dem Hinweis, dass sie eine Beratungs- bescheinigung benötigen und sich um die den Verein «Hoffnung». Wie genau sieht war klar, dass es unter Ihrer Leitung keine Kostenregulierung kümmern müssen, ist es aber immer auch so, dass der Arzt oder die Hilfe aus? Abtreibungen mehr geben wird, wenn kei- die Ärztin als eine Art moralische Instanz wahrgenommen werden. Meine erste Re- ne medizinische Notwendigkeit vorliegt. aktion auf das Ultraschallbild oder auf die Frage nach dem Abbruch spielte nach mei- Zu den Gründungsmitgliedern gehören ner Wahrnehmung eine grosse Rolle. Ob der Arzt Empathie für die Situation der meine Frau und ich, in erster Linie ging Von 2011 bis 2015 war ich zunächst als Frau signalisiert, sich Zeit nimmt oder das als Routineeingriff abtut, der schnell zu er- die Initiative allerdings von Esther Tepper, Honorararzt und später als angestellter ledigen sei – je nachdem kann die ganze Si- tuation augenblicklich kippen, entweder zu einer Hebamme, aus, die auch jetzt noch Facharzt in der Klinik tätig. Zu dieser Zeit vorsichtigem Optimismus bei der Frau oder zu einem innerlichen Zusammenbrechen, die 1. Vorsitzende ist. Wir sind war ich zusammen mit der weil hier keine echte Hilfe zu erwarten ist. ein Zusammenschluss inzwischen pensionier- Dabei habe ich stets zwischen zwei Fällen unterschieden: Einerseits diejeni- von Mitgliedern aus «Der Chefarzt ten Oberärztin ei- gen, die sich fest entschlossen gaben und verschiedenen Kir- ner von zwei Ärz- nicht diskutieren wollten. In solchen Fäl- len respektierte ich die Entscheidung der chen und ver- dort hatte völlig selbst- ten, die in einem Frau und stellte ihr die Überweisung aus – folgen das Ziel, verständlich für sich und Team von fünf wenn auch mit dem Gefühl des Bedauerns Frauen im seine Abteilung Schwanger- Ärzten keine und mit besorgten Gedanken an ihr wei- Schwanger- Abbrüche vor- teres Leben. Andererseits gab es auch viele Frauen, vielleicht 50 %, die unentschlossen schaftskonflikt schaftsabbrüche untersagt. nahmen. Da waren, sich von anderen gedrängt fühlten zu beraten und Das ging gegen sein Berufs- aber der Chef ihnen zu hel- und zwei wei- fen. Dazu ge- ethos. So bin ich in meinem tere Kollegen hören z. B. Amts- Fach aufgewachsen.» den Eingriff an- gänge und Anträge, boten, gab es keine aber auch Bereitstel- lung von Wohnraum so- wie Erstausstattungen aus un- serer gut bestückten Kleiderkammer für Babys. Wir leben in erster Linie von Spen- den, von denen auch drei Angestellte be- zahlt werden. Einige Jahre lang kamen zu- sätzlich Einnahmen vom Jugendamt für die Bezahlung der Mitarbeiter der sozial- pädagogischen Familienhilfe. 15ETHOS 7| 2018

Proteste von aussen. 2016 ging der amtie- kale Zeitung («Elbe-Jeetzel-Zeitung») An- fügt und das operative Spektrum der Abtei- rende Chefarzt in Rente, und ich bewarb fang Februar 2017 um ein Interview mit lung in unzulässiger Weise eingeschränkt. mich um seine Stelle. Mir war klar, dass dem Krankenhaus-Geschäftsführer und Unter diesen Voraussetzungen hätte ich das Thema Schwangerschaftsabbruch kon- mir. Ihnen war zu Ohren gekommen, dass nicht eingestellt werden dürfen. trovers ist. Ich befürchtete auch, aufgrund eine Patientin mit dem Wunsch nach ei- meiner Einstellung den Posten nicht zu be- nem Abbruch abgelehnt worden war. Zwei Nicht vergessen darf man das Schicksal kommen. Daher freute ich mich sehr, als Tage später erschien der Artikel, wiederum des Klinikgeschäftsführers Dr. Fröhling, der Geschäftsführer des Krankenhauses, zwei Tage später war ich in sämtlichen Me- dem man im Zuge dieser Ereignisse frist- Herr Dr. Fröhling, kein Problem darin sah, dien Deutschlands inkl. «BILD» und «Spie- los gekündigt hatte. Ihm wurde vorgewor- im Gegenteil meine Position sogar unter- gel-online». Im Krankenhaus wurde ich fen, ohne Rücksprache mit der Konzern- stützte. Zusätzlich sicherte ich mich ab, in- ermutigt, aktiv auf Radio- und Fernseh- spitze meine Position unterstützt zu haben. dem ich die umliegenden Praxen besuchte, interviews zuzugehen und meine Position Er gelangte ans Arbeitsgericht und bekam die mir – bis auf eine – ihre Unterstützung zu vertreten. So wäre es besser, als wenn in erster Instanz Recht. Jedoch ging Capio zusagten. Auch in der Klinik gab es inner- diese einfach irgendetwas berichteten. in Revision. halb des Pflegeteams sehr viele, die er- leichtert waren, dass wir den Eingriff nicht Wie lauteten die Argumente, dass Sie für Das Revisionsverfahren findet am mehr anboten. das Haus nun plötzlich nicht mehr tragbar 27.06.2018 vor dem Landgericht Hannover seien? Was wurde Ihnen vorgeworfen? statt. Seit seiner Entlassung hat er nicht ei- Wie ist der Stein ins Rollen gekommen, nen Euro Gehalt bekommen! Ich hoffe nun der sie letztlich Ihre Stelle kostete? Wieder einen Tag später bekam ich einen sehr, dass er auch dort gewinnt und nicht Anruf aus der Konzernzentrale in Fulda. durch mich Schaden erleidet. Nachdem ich Anfang November 2016 Der Vorwurf lautete, ich hätte dem Kon- meine Stelle angetreten hatte, bat die lo- zern einen massiven Imageschaden zuge- Erhielten Sie Unterstützung? Wenn ja, von wem? «ICH LEBE NICHT MEHR, ICH FUNKTIONIERE ...» Heute Morgen bin ich auf einen Zeitungsbericht gestos- Vor einiger Zeit habe ich selbst eine Abtreibung vor- sen: «Der Chefarzt, der nicht abtreiben will». Dies hat genommen. Die Umstände, dass mein damaliger Freund jünger war, mitten im Studium steckte und ich finanzielle wieder einiges in mir aufgerissen. Obwohl es mir Altlasten hatte, waren im Nachhinein nicht wirklich der nicht leicht fällt, will ich über meine persön- ausschlaggebende Grund für meine Entscheidung. Wir lichen Erlebnisse berichten – für mich und hatten uns zu diesem Zeitpunkt niemandem anvertraut für viele andere betroffene Frauen, die still und waren völlig überfordert. leiden. Ich bin 33 Jahre alt, habe einen erfolg- Mein Wunsch, Mutter zu werden, hatte sich schon mit reichen Job und ein gutes soziales Um- 26 gefestigt. Allerdings wollte ich erst eine solide Grund- feld. Man beschreibt mich als Kämp- lage schaffen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich an einem fernatur, einfühlsam und als starke riesen Projekt, welches finanziell mein Leben für immer Persönlichkeit. Diese Frau gibt es verändert und mir eine Zukunft mit einer eigenen Fami- nicht mehr. lie gesichert hätte. Dieses Projekt habe ich natürlich ver- loren, nach allem was passiert ist. Mein damaliger Partner überliess mir zwar die Ent- scheidung, dennoch brachte er mich indirekt dazu, mich gegen unser Baby zu stellen. Die lähmende Angst, alleine dazustehen, meinem Kind nichts bieten zu können, und meine Hilflosigkeit gewannen die Oberhand. An einem Montag hielt ich den positiven Test in Händen, am Donnerstag sass ich alleine beim Be- ratungsgespräch und montags darauf sollte be- 16 ETHOS 7| 2018

«Neben diesen Politiker und natürlich die Konzernspitze zwei Monate Bereitschaftsdienste, um die gesetzlich vorge- in Fulda. Diese behaupteten, mindestens Zeit bis zu meinem Nachfolger zu über- schriebenen Massnahmen «verwundert» bis hin «entsetzt» zu sein, brücken. (...) ist es aber immer dass ich einen Eingriff nicht mehr anbie- auch so, dass der Arzt ten wolle, für den man doch so lange «ge- Nachdem das sozusagen geregelt war, er- oder die Ärztin als eine Art kämpft» habe. «Entsetzt» zeigte sich z. B. reichten mich sehr viele Briefe und E-Mails, moralische Instanz wahr- der Probst für den Landkreis Lüchow-Dan- sehr wenige Hass-Mails (meistens anonym), genommen werden.» nenberg, Stephan Wichert-von Holten. Es aber eben auch sehr viele Mutmach-Briefe hätte doch zuvor immer so gut geklappt (zusammen etwa 200), teilweise aus dem In der «heissen Phase», d. h. in den fünf Ta- mit dem Chefarzt. «Erleichtert» war er, als Ausland (Holland, England, Polen, USA). gen vom ersten Interview bis zu meinem der Konzern anordnete, Abbrüche wie- Von einem Kollegen aus Süddeutschland Auflösungsvertrag, kam Unterstützung der anzubieten. Ich erwähne das, weil da- kam spontan ein Blumenstrauss; mehrere nur aus der Familie, in erster Linie durch mit für mich eine Welt zusammenbrach, als Personen suchten mich in der Klinik auf, meine Frau, und durch meinen Pastor. Al- ich realisieren musste, dass sogar die offizi- um mir ihre Zustimmung zu signalisie- les ging sehr schnell, sodass z. B. Lebens- elle Kirche mich verurteilte. Gegen einen so ren. Zwei Petitionen wurden verfasst, über recht-Gruppen keine Chance hatten, in grossen Strom konnte und wollte ich nicht 20 000 Unterschriften gesammelt, das dieser kurzen Zeit zu reagieren. mehr schwimmen. Deshalb bot ich einen E-Mail-Fach des Capio-Konzerns war ver- Auflösungsvertrag an. Über den Inhalt des stopft. Man richtete dort eine Umleitung Die Zeitungen interviewten Personen, Vertrages habe ich mit dem Konzern Still- ein, sodass alle Mails automatisch in einem die mehr oder weniger etwas dazu zu sa- schweigen vereinbart. Da ich mich noch in Mülleimer landeten ... gen hatten, so z. B. den Oberkreisdirek- der Probezeit befand, hätte man mich oh- tor, Beratungsstellen wie «Pro Familia», nehin nach einem Monat ohne Begrün- Fast alle Bekannten und Freunde hielten dung entlassen können. So leistete ich noch zu mir, insbesondere wegen meiner konse- quenten Haltung. Das beeindruckte viele mehr als mein Glaubenshintergrund. reits die Abtreibung erfolgen. Ich war in der 5. Schwan- Initiative Rahel e.V. Im Verbund sind Frauen und Män- gerschaftswoche. Mir wurde gesagt, noch würde das ner, die ebenfalls die schmerzlichen Erfahrungen einer Herz meines Kindes nicht schlagen. Deshalb wollte ich es Abtreibung durchlebt haben. Hier fühlte ich mich zum schnell «hinter mich bringen». ersten Mal verstanden. Aber auch dies half mir nur tem- porär. Zwei Stunden vor dem Eingriff fragte der Frauenarzt meinen Partner und mich, ob wir sicher seien. Wir er- Jeden Tag bereue ich meine Entscheidung und hielten ein Ultraschallbild. Das veränderte etwas in mir. wünschte mir, ich hätte so einen Arzt wie Sie gehabt, der In der Klinik kam ich in einen Raum und wusste in die- nicht zugelassen hätte, dass ich mein Fleisch und Blut sem Moment: Ich mache den Fehler meines Lebens. Im- umbringe. Der mir vor Augen gehalten hätte, dass es mer wieder wanderten die Gedanken zum Ultraschallbild sich um ein Lebewesen handelt und es immer Mittel und in meiner Tasche. Wege gibt. Bitte hören Sie niemals auf, Ihren Standpunkt zu vertreten. In einem Raum voller junger Mädchen, die gerade ab- getrieben hatten, wachte ich auf. Sie weinten, schrien oder Für Frauen wie mich gibt es zu wenig Aufklärung, we- wimmerten, andere schliefen. Ich hatte grosse Schmer- der was den Abbruch betrifft und erst recht nicht, was da- zen, aber der Verlustschmerz war noch grösser. Ein Teil nach geschieht. Zu keinem Zeitpunkt war mir klar, was von mir war gestorben. Ich fühlte mich leer. Keiner hatte dies für Spätfolgen haben könnte. Ich lebe nicht mehr, mich auf die Zeit danach vorbereitet oder mich nur an- ich funktioniere. Aber ich stehe dafür gerade. Wenn ich satzweise davor gewarnt. schon nicht helfen kann, dann erheben Sie bitte weiter- hin Ihre Stimme dagegen, damit es weniger Frauen gibt, Als gebrochener Mensch verliess ich die Klinik. Mein die den grössten Fehler ihres Lebens begehen: «Du sollst Partner und ich weinten unzählige Tage und Nächte, es nicht töten.» folgten Albträume, viel Hass und Streit bis hin zur Tren- nung. Auszug aus einer E-Mail von Susi aus Dortmund, 33 Jahre, nachdem in allen Medien über meine Entlassung als Chef- Erst suchte ich Hilfe bei einer Psychologin, was nichts arzt berichtet wurde. brachte. Später bezahlte ich viel Geld für eine private Psy- chologin. Wieder vergeblich. Daraufhin stiess ich auf die 17ETHOS 7| 2018

«Patientinnen, bei Gott geborgen, auf jeden Fall im Recht, meinte, sie sei zwar Christin und teile meine die mich aus der Praxis und ich wusste, dass meine berufliche Lauf- Überzeugung, könne dies aber so kurz vor kannten, wussten, dass ich bahn damit nicht beendet sein würde. Ganz der Wahl nicht öffentlich vertreten. alles andere als frauen- generell empfand ich den bundesweiten feindlich bin, sondern Aufschrei als völlig überzogen, denn rein Es kam so weit, dass Ihr Arbeitgeber Sie mich in vielen Belangen betriebswirtschaftlich gesehen ging es um vor die Wahl stellte, sich entweder zu etwa 30 Eingriffe im Jahr. Offenbar hatte ich beugen und Abtreibungen durchzuführen für sie eingesetzt in ein Wespennest gestochen. oder zu gehen. Sie verliessen Ihre Stelle, habe.» ohne etwas anderes in Aussicht zu haben Patientinnen, die mich aus der Praxis ... Zwei Chefarztkollegen sagten mir un- kannten, wussten, dass ich alles andere als ter vier Augen, dass sie meine Haltung für frauenfeindlich bin, sondern mich in vie- Man gestand mir persönlich zu, auf Abbrü- richtig hielten. Leider machten sie aber len Belangen für sie eingesetzt habe. Eine, che zu verzichten. Das ist ja auch im Gesetz keine Eingaben Richtung Geschäftsfüh- die ihre erste Schwangerschaft abgebro- so festgelegt und arbeitsrechtlich nicht an- rung. Andere Kollegen haben sich über chen hatte, obwohl ich ihr davon abriet, greifbar. Was man aber nicht akzeptierte, mich lustig gemacht. und dann mit dem zweiten Kind zur Ge- war meine Entscheidung für die Abteilung burt bei mir war, schrieb mir einen netten insgesamt. Ich war der Meinung, als Chef Absolut gar keine Unterstützung oder Brief. nicht etwas für nachgeordnetes Personal auch nur die geringste Reaktion kam von genehmigen zu können, ohne die Verant- meinem Berufsverband oder der Ärzte- Frau Rundt drohte dem Krankenhaus wortung tragen zu wollen, wofür ich aber kammer in der Phase der Berichterstat- mit dem Entzug von Fördermitteln. Leider im Zweifelsfalle dann doch hätte gerade- tung. veröffentlichte der Justiziar Prof. Dr. Scholz stehen müssen. Zum damaligen Zeitpunkt von der Ärztekammer Niedersachsen erst hatte ich noch einen Oberarzt, der dies Der Betriebsrat gab für meinen Ver- zwei Monate später im «Niedersächsischen übernehmen sollte. Aber was ist, wenn er bleib eine Unterschriftenliste aus, was aber Ärzteblatt» eine Stellungnahme, nach der mal Urlaub hat, krank ist oder nach Bereit- nichts mehr an meinem Auflösungsvertrag Fördermittel überhaupt nicht vom Vorhal- schaftsdiensten morgens nach Hause geht? änderte. ten ambulanter Eingriffe, schon gar nicht Organisatorisch hätte das nicht funktio- von Schwangerschaftsabbrüchen, abhän- niert. Daher lehnte ich diese Hintertür ab. Wie gingen Sie mit den Anschuldigungen, gig gemacht werden dürfen. Zu der Zeit hat ja Anfeindungen um? Da kommt ja von das aber niemanden mehr interessiert, nur Einen ähnlichen Fall gab es in der Nähe frauenfeindlich über lieblos, hart und gar die Lokalzeitung brachte eine Notiz. Ich von Stadthagen in Niedersachsen, wo ein gefährlich alles. Die niedersächsische So- hatte kurzfristig überlegt, Frau Rundt we- neues Krankenhaus eine kirchliche Trä- zialministerin Cornelia Rundt (SPD) dachte gen öffentlicher Anstiftung zu einer Straf- gerschaft bekam und deshalb keine Ab- gar laut über finanzielle Sanktionen nach. tat anzuzeigen, aber es wäre mir dann doch brüche mehr vorgenommen werden durf- zu sehr eine billige Racheaktion gewesen. ten. Auch dort hat Frau Rundt interveniert. Natürlich war ich schockiert und trauerte Ich bin überzeugt davon, dass der Kon- Jetzt führt ein externer Kollege die Eingriffe meiner Chefarztstelle nach. Wir alle, die zern von Frau Rundts Drohung stark be- durch – für mich ein untragbarer Zustand. Hebammen, meine Kollegen und der Kli- einflusst wurde. Der Ministerpräsident von nikgeschäftsführer, hatten allerhand gute Niedersachsen, Stephan Weil, war der Mei- Eine neue Chefarztstelle wurde mir nir- Pläne, nun war plötzlich alles hinfällig. Ei- nung, das Thema sei Frauensache, «das sol- gends angeboten, auch nicht von konfes- gentlich war ich Anhänger des Klinikkon- len die unter sich regeln». Eine Landtags- sionellen Häusern. Mir macht das nichts zerns, das Krankenhaus war erst vor we- abgeordnete aus unserem Landkreis aus, weil es mir in Dannenberg nicht um nigen Jahren als eines der modernsten in den Titel ging, sondern um das Gestalten Niedersachsen eingeweiht worden. Ich hatte einer Abteilung und die Projekte, die wir dort für den Konzern ein MVZ gegründet, planten. das erweitert werden sollte. Nach meiner letzten Information sind alle Vorhaben auf Das tönt alles sehr standhaft und mutig. Eis gelegt worden. In den allerersten Tagen Was gab Ihnen die Kraft, zu Ihrer Überzeu- überwog die Anspannung, danach war ich gung zu stehen, auch wenn Sie einen sehr eher deprimiert. Trotzdem fühlte ich mich hohen Preis bezahlen mussten? Der Preis in Euro war nicht so hoch, in- sofern muss ich mein «Heldentum» etwas relativieren. Aber der Preis, als Chefarzt verbrannt zu werden und Buhmann der 18 ETHOS 7| 2018

Nation zu sein, hat mich schon beschämt. Meine Enttäuschung über den Verlust Sie glauben und vertrauen Gott. Es ist Ein weiterer Nachteil ist die Entfernung der Stelle wich letztendlich der Überzeu- nun ein Jahr her, seit man sich Ihrer von zu Hause, die ich jetzt in Kauf neh- gung, dass es offenbar irgendwie wichtig «entledigt» hat. Haben Sie wieder eine men muss, und das Aufgeben von wichti- war und ich die Aufgabe, über das Thema Arbeitsstelle gefunden? gen Aufgaben und Ehrenämtern in meiner aufzuklären, wohl übernehmen sollte. Da- Heimatstadt (z. B. Gemeindeleitung, Mu- rum gerissen habe ich mich nicht. Aber Ja, seit Mitte Mai 2017 bin ich wieder in sikgruppe, christliche Männerarbeit). Vie- wenn es dran ist und eine von Gott mir zu- Anstellung, wenn auch befristet, aber alle les, was zu Hause zu erledigen ist, bleibt gedachte Rolle, wäre es wenig weise, damit sechs Monate verlängert. So bin ich im- nun an meiner Frau hängen. zu hadern. mer zehn Tage unterwegs und dann jedes zweite Wochenende vier Tage zu Hause. Im Meine innere Kraft bezog ich aus der Auch Sichheraushalten ist Flucht vor Moment ist der Arbeitsmarkt so gut, dass unverrückbaren Überzeugung, dass Gott Verantwortung. Wünschten Sie sich, man als Facharzt in Deutschland oder in Schwangerschaftsabbruch in den meis- dass mehr Christen gegen das Unrecht der Schweiz jederzeit eine Anstellung fin- ten Fällen nicht gutheissen kann, ich also der Abtreibung ihre Stimme erheben? det, wenn man örtlich flexibel ist. auf der richtigen Seite stand. Genauso sah es auch meine Frau, die meine wichtigste Ja, insbesondere von der evangelisch-luthe- Wie geht Ihre Frau mit der ganzen menschliche Stütze war. Dazu kam, dass rischen Landeskirche oder der EKD er- Situation um? ich mir zu dieser Zeit eine CD von «Open warte ich eine eindeutige Stellungnahme. Doors» anhörte, auf der über schreckli- Genauso von der Politik, insbesondere den Sie trägt meine Entscheidung voll mit und che Verfolgungen und Folterungen von Parteien mit einem C im Namen. In einer verteidigt unsere Position, ihr ist es durch Christen in islamischen Ländern berichtet Zeitung las ich mal, dass wohl etwa 40 % die zurückliegenden Ereignisse neu wichtig wurde. Ich dachte, diese armen Menschen! der Bevölkerung gegen die Fristenregelung geworden. Sie kommt aus Frankreich, wo – dagegen ist doch meine kleine Geschichte seien. Ich empfinde es als sehr verstörend, etwa doppelt so viele Schwangerschafts- unbedeutend. wenn die Teilnehmer beim «Marsch für das abbrüche vorgenommen werden wie bei Leben» in Berlin angespuckt und verhöhnt uns und wo es ein Recht auf Abtreibung Haben Sie damit nicht gehadert? Schliess- werden («Wenn Maria abgetrieben hätte, gibt. Das ist ja in Deutschland nicht so. lich hatten Sie viele Jahre auf diese Stelle gäbe es euch gar nicht») und dann noch be- Hier wird der Abbruch nur unter bestimm- hingearbeitet ... kannte Parteien zu einer Gegendemonstra- ten Voraussetzungen nicht bestraft. tion aufrufen. Das führt auch bei mir zu ei- Nein, und das steht mir auch nicht zu. Gott ner gewissen Politikverdrossenheit mit der Meine Frau und ich sehen uns jedes Wo- hat mir mein Leben und meine Rettung Befürchtung, dass es um unser Land nicht chenende entweder zu Hause oder dort, wo aus Gnade geschenkt, dafür bin ich unend- gut bestellt ist. ich arbeite, was den Trennungsschmerz et- lich dankbar. Stets sorgte er für mich und was mildert. meine Familie und holte manch heisses Ei- sen aus dem Feuer, selbst wenn ich es per- sönlich vermasselt hatte. «Ich war der Meinung, als Chef nicht etwas für nachgeordnetes Personal genehmigen zu können, ohne die Verantwortung tragen zu wollen, wofür ich aber im Zweifelsfalle dann doch hätte geradestehen müssen ... Daher habe ich diese Hintertür abgelehnt.» 19ETHOS 7| 2018

Was hat Sie in den letzten Wochen Was bereitet Ihnen Sorgen? besonders gefreut? Christus hat uns in Matthäus 24,12 vor- Dass unsere jüngste Tochter ein Kind erwar- ausgesagt, dass «in den letzten Tagen» die tet, es soll im Oktober auf die Welt kommen. Ungerechtigkeit überhandnehmen und die Liebe in vielen erkalten wird. Mich macht «Eine Mail an es traurig, dass sich das tatsächlich im- mich lautete: ‹Die mer mehr erfüllt und offenbar nicht abzu- Front des Hasses wenden ist. Das geht für mich über häss- wird Sie für immer liche Angriffe im Internet, über Mobbing unter Schülern bis hin zu Kriegen in al- verfolgen!›» ler Welt, wofür Deutschland Waffen liefert. WEN WIR LEBEN LASSEN Wir sind stolz darauf, wie inklusiv und liberal wir sind. Wenn es jedoch darum geht, behinderten Kindern den Weg ins Leben zu ermöglichen, tun wir als Gesellschaft einiges dafür, dass dies möglichst unterbleibt. JAN FLEISCHHAUER, «SPIEGEL»-REDAKTEUR Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 101 200 Anteil verheirateter Frauen ist erstaunlich hoch Kinder abgetrieben. Im Jahr zuvor waren es den Zah- len des Statistischen Bundesamts zufolge 98700. Ich habe mir die Abtreibungszahlen genauer angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Anteil verheirateter Niemand weiss, warum die Zahl der Abtreibungen – Frauen erstaunlich hoch ist. Die Mehrzahl der Frauen, die oder wie man vornehm sagt: der Schwangerschaftsabbrü- sich für eine Abtreibung entscheidet, lebt, so darf man an- che – wieder zunimmt. Es interessiert auch kaum jeman- nehmen, in einer festen Partnerschaft. Es ist also in vie- den wirklich. Abtreibung ist ein unangenehmes Thema. len Fällen nicht die Angst, nach einer Geburt allein dazu- Wir haben uns als Gesellschaft darauf verständigt, darü- stehen, die Frauen dazu veranlasst, eine Schwangerschaft ber lieber nicht zu reden. Wer abtreiben will, soll es tun zu beenden. – aber er soll die Öffentlichkeit nicht mit den Details be- helligen. Es kann viele Gründe geben, sich gegen ein Kind zu entscheiden. Vielleicht hat man schon mehrere Kinder Es gibt nicht viele Themen, die ein vergleichbares Un- und traut sich kein weiteres zu. Oder man will seine Be- behagen auslösen – und die deshalb so geeignet sind, für rufsaussichten nicht gefährden. Ich vermute, dass sich Ärger zu sorgen. Jeder Mensch, der ein Herz hat, weiss, hier auch der Einfluss der Pränataldiagnostik zeigt, die dass es falsch ist, menschliches Leben zu beenden. Wir heute zum Standard gynäkologischer Beratung gehört. beruhigen uns damit, dass in diesem Fall das Thema Ein Screening beim Frauenarzt und schon ein paar Tage rechtlich irgendwie gelöst scheint. Deshalb gilt auch je- später hält man den Befund in Händen, ob das Kind ge- der als Störenfried, der, wie der neue Gesundheitsminis- netische Auffälligkeiten zeigt. ter Jens Spahn, daran erinnert, dass Abtreibung Unrecht bleibt. Es ist schwer, an Belege zu kommen, welche Auswir- kungen diese Form des Gesundheitstests auf die Geburts- 20 ETHOS 7| 2018

Ich möchte das nicht, habe aber keinerlei für alles Notwendige sorgen. Für unsere ten uns auch auf den Lebensstrecken da- Mittel, um es zu unterbinden. Eine Mail an Gesellschaft in Deutschland wünsche ich zwischen wieder etwas wert sein, nämlich mich lautete: «Die Front des Hasses wird mir eine Rückkehr zu unseren demokrati- Hilfe zum Leben in Dankbarkeit und De- Sie für immer verfolgen!» schen Werten, zu massvoller Diskussions- mut gegenüber unserem Schöpfer. Dann kultur und zu einer Besinnung auf christ- würde sich – so glaube ich – manche Aus- Welches ist Ihr Wunsch für Sie ganz liche Werte, nicht im Sinne preussischen einandersetzung von selbst erledigen. persönlich? Für die Gesellschaft? Kadavergehorsams oder gar als Opium für das Volk, sondern z. B. im Sinne einer le- Herzlichen Dank für das Interview und Für mich persönlich hoffe ich, die von Gott bensbejahenden Einstellung gegenüber Gottes Segen für Ihr weiteres Leben – den vorgesehene Berufung zu finden und aus- Kindern und Wehrlosen. Taufe, kirchli- ER denen verheissen hat, die Ihn lieben. zufüllen, stets im Bewusstsein meiner zahl- che Hochzeit und Beerdigung sind mir zu reichen Unzulänglichkeiten. Dann wird Er wenig; Gottes Wort und Bewahrung soll- Interview: Daniela Wagner zahlen hat. Es gibt Schätzungen, wonach neun von zehn lichen Kommentare, die man in so einem Fall als Mutter Frauen, die vom Arzt hören, dass ihr Kind behindert zur zu hören bekommt. Das medizinische System ist darauf Welt kommen wird, sich für einen Abbruch entschei- angelegt, Behinderung als eine Störung zu verstehen, die den. Genau weiss man es nicht, weil weder die Zahl der man behebt, bevor der Schadensfall irreversibel ist. Kinder erhoben wird, die an Fehlbildungen leiden, noch die aufgrund einer ungünstigen Prognose eingeleiteten Ich kenne niemanden mit Downsyndrom. Aber ich Schwangerschaftsabbrüche. Man muss fast den Eindruck kann mir vorstellen, dass Menschen mit Trisomie 21 es gewinnen, dass wir es gar nicht so genau wissen wollen, sehr eigenartig finden, dass sie immer weniger werden, so schlecht ist die Datenlage. weil die Gesellschaft beschlossen hat, Trisomie 21 als ein Schicksal anzusehen, das man keinem Elternpaar zumu- Immer weniger Menschen mit Trisomie 21 ten kann. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand mit Downsyndrom von sich sagt, er wünschte, er wäre nicht Niemand würde öffentlich sagen, dass er Behinderung als geboren worden. Strafe empfindet. Manche tilgen das Wort «behindert» aus dem Sprachschatz und sprechen lieber von «unter- Das ist nicht normal, es ist zum Verzweifeln schiedlich begabt». Wir sind wahnsinnig stolz darauf, wie Man kann sich damit trösten, dass ein Fötus lediglich ein inklusiv und liberal wir eingestellt sind. Aber Zellhaufen sei, der nichts empfindet. Wer aber die Bü- wenn es darum geht, behinderten Kin- cher aufschlägt, in denen Schwangere über die Zeit bis zur dern den Weg ins Leben zu ermögli- Geburt aufgeklärt werden, bekommt einen anderen Ein- chen, tun wir als Gesellschaft alles druck. Ab der zehnten Woche kann das Baby den Kopf dafür, dass dies möglichst unter- bewegen. In der elften Woche beginnt es zu gähnen, eine bleibt. Das ist das düstere Ge- Woche später an den Fingern zu lutschen. heimnis der Abtreibungszah- len. Und bei der zwölften Woche liegt ja noch nicht die Meine Kollegin Sandra Grenze. Wenn ein Arzt bescheinigt, dass einer Mutter Schulz hat vor ein paar eine Schwangerschaft aus schweren psychischen Grün- Monaten ein Buch darüber den nicht zuzumuten sei, geht eine Abtreibung auch spä- veröffentlicht, wie es einer ter. Wer sich mit der Praxis der Spätabtreibung vertraut Frau ergeht, die sich dafür gemacht hat, kann nicht glauben, dass dies in Deutsch- entscheidet, ein Kind mit land erlaubt ist. Downsyndrom auszutra- gen. «Haben Sie sich Ich weiss keine Lösung. Aber ich würde mir wünschen, das auch gut über- wir würden 101 200 Abtreibungen pro Jahr nicht als nor- legt?», ist noch ei- mal betrachten. Tatsächlich sind sie zum Verzweifeln. v ner der freund- Spiegel online, Jan Fleischhauer, 22.03.2018 21ETHOS 7| 2018

GEKREUZTE WEGE Unzählige Menschen kreuzen während des Lebens unseren Weg. Manche hinterlassen einen flüchtigen Eindruck, manche sind für eine gewisse Zeit wichtig und wenige prägen unser Leben nachhaltig. Sie hinterlassen Spuren, Fussstapfen, in die wir treten können. Eine dieser Persönlichkeiten war für mich Arthur Ernest Wilder-Smith (geb. 1915, gest. 1995). MENSCHEN, DIE MEIN LEBEN Arhur Ernest Wilder- YVONNE SCHWENGELER Der Kontakt entstand in den Siebzigerjahren. A. E. Wilder-Smith, wis- senschaftlicher Autor unserer Verlagsgruppe «Telos», wohnte damals in der Schweiz. Viele Jugendliche, die das Evangelium hörten, waren ver- unsichert, weil sie in der Schule und auch im Religionsunterricht ge- lehrt wurden, der Schöpfungsbericht sei ein Märchen, wissenschaft- lich nicht haltbar. Zum Thema «Schöpfung oder Evolution» gab es kaum Publikationen. Wilder-Smith gehörte meines Wissens in unse- ren Landen zu den wenigen Naturwissenschaftlern, die den christli- chen Kreationismus öffentlich vertraten. Vom Atheisten zum überzeugten Christen Nach seinem Abitur, das er mit 16 Jahren abschloss (zwei Jahre früher als üblich), studierte er an der Uni Oxford Naturwissen- schaften und erhielt 1941 seinen ersten Doktor in Organischer Chemie. Von seinen damaligen Professoren mit der Evolutions- theorie geimpft, wurde er Atheist. Während dieser Zeit lernte er einen englischen General kennen, der mit ihm über den christlichen Glauben sprach. Er fühlte sich dem naturwissenschaftlich ungebildeten Mann gegenüber haushoch überlegen, kam aber doch ins Grübeln über dessen Zeugnis. In der Folge bekehrte er sich und wurde überzeugter Christ. Anschliessend betrieb er Krebsforschung in London und war später Forschungsleiter einer Schweizer Firma. An der Uni Genf hielt A. E. Wil- der-Smith von 1955–1964 Vorlesungen in Chemotherapie und Pharma- kologie und erhielt den zweiten Doktortitel. Im gleichen Jahr wurde ihm von der ETH Zürich sein dritter Doktortitel verliehen. 22 ETHOS 7| 2018

Wilder-Smith hatte diverse «Er fühlte sich dem Lehrstühle an europäischen naturwissenschaftlich und amerikanischen Uni- ungebildeten Mann gegen- versitäten inne. Stark wach- über haushoch überlegen, sender Drogenmissbrauch kam aber doch ins Grübeln unter den Truppen der NA- über dessen Zeugnis.» TO-Streitkräfte veranlasste PRÄGTEN die höheren Offiziere, Wil- der-Smith als Drogenexper- -Smih ten einzustellen. Er arbeitete von 1970 bis 1977 im Range ei- nes Drei-Sterne-Generals der NATO in Europa, entwickelte An- ti-Drogen-Programme für das Militär und hielt Vorträge, in denen er die Wir- kung von Drogen demonstrierte. Ein Gentleman durch und durch Etliche Male hielt sich A. E. Wilder-Smith in den 70er- und 80er-Jahren als Gast in unserem Haus auf. Er war ein hervorra- gender Erzähler, dem wir buchstäblich an den Lippen hingen. Wilder-Smith wuchs in England auf dem Land auf. Sein Vater stammte aus einer gut betuchten Gutsbe- sitzerfamilie und war Landwirt und Frei- maurer im höchsten Rang. Arthurs Mutter, eine gläubige Frau, war Lehrerin von Beruf. Er hatte drei Schwestern und einen Bruder. Die Spannung zuhause, verursacht durch die divergenten Auffassungen der Eltern, belastete die Kinder. Dazu kam, dass die Kirche damals eine tote Kirche war, ohne Bekenntnis, das den Buben hätte überzeu- gen können. Unvergesslich, wie A. E. beschrieb, wie er, 11-jährig, seinen um ein Jahr jünge- ren Bruder dazu anstiftete, mit ihm zu- sammen den vom Vater streng gehüteten 3-Liter-Bentley aus der Garage zu holen, um eine Spritztour zu machen! Und wie er uns vor Augen malte, in welchen Nöten er und sein Bruder sich danach befanden, ob- wohl der Vater nichts davon bemerkt hatte und kein Schaden entstanden war. Aber sie konnten ihm nicht mehr in die Au- gen sehen und gingen ihm aus dem Weg. Schliesslich peinigte die beiden das Ge- wissen so stark, dass sie mit bangem Her- zen den Ungehorsam gestanden. Statt der Reitpeitsche, die sie erwartet hatten, «be- gnadigte» sie der Papa, weil sie ihr Fehlver- halten ehrlich zugegeben hatten. 23ETHOS 7| 2018

«Wilder-Smith war im Umgang mit seiner Frau Beate. Un- telle Probleme des Neodarwinismus und auch als Drogenberater sere Kinder beobachteten mit offenen formulierte Einwände. Seine Origin-Filme Mündern, wie er seiner Liebsten am wie auch seine Bücher wurden in viele für die NATO tätig.» Tisch die besten Stücke auf den Teller Sprachen übersetzt. Etliche sind in un- legte und das Gespräch immer wieder serer «Telos»-Verlagsgruppe erschienen. Zwei- unterbrach, um zu sehen, ob sie auch alles «Herkunft und Zukunft des Menschen», fellos hatte hatte, was sie brauchte. «Naturwissenschaften kennen keine Evo- A. E. eine gute Er- Sie, eine Deutsche und Tochter eines lution» oder «Grundlage einer neuen Bio- ziehung genossen. Er war durch und durch Pfarrers, war eine gebildete Frau, die sich logie» u. a. avancierten zu Bestsellern. Sie Gentleman, ein richtiger Engländer eben. im Hintergrund hielt, ihren Mann aber tat- gaben vielen gläubigen Wissenschaftlern Aber seine Höflichkeit wirkte nie aufge- kräftig unterstützte. Die beiden hatten vier Anstoss, mit ihrer Überzeugung selbst an setzt, sondern echt, geprägt von Respekt Kinder, die – soviel ich weiss – alle Ärzte die Öffentlichkeit zu treten. Wilder-Smith jedem Menschen gegenüber. wurden. schämte sich des Evangeliums nicht und Das zeigte sich nicht nur in den Dispu- bezeugte seinen Glauben an Jesus Christus ten mit Andersdenkenden, sondern auch Ein Naturwissenschaftler und an die Irrtumslosigkeit der Bibel, auch auf der Kanzel wenn er dafür Häme erntete. Die schlichte Art seines Zeugnisses und seine Kompro- A. E. Wilder-Smith ist Verfasser von mehr misslosigkeit beeindruckten mich als junge als 70 wissenschaftlichen Publikationen Frau zutiefst. Weil er vor Gott seine Knie und über 20 Büchern zu verschiedenen beugte, konnte er vor Menschen gerade Themen. Er behandelte sowohl theoreti- stehen. sche als auch experimen- Wilder-Smith scheute keine Ausein- andersetzung. Faszinierend fand ich, wie «Die Mäuse hatten das Weite gesucht. er diese Debatten führte. Da spürte man Wer wollte es ihnen verübeln!? Sie hatten keine Verbissenheit, auch keine Aggressio- ja keine Ahnung, dass ihnen ein nen gegenüber dem Gegner, wohl aber Drogenrausch bevorstand!» klare Überzeugungen, die er mit vie- len stichhaltigen, nachvollziehba- ren Argumenten vertrat. A. E. verfügte über ein enormes Wissen auf den verschie- densten Gebieten. Mein Mann Bruno organisierte für ihn Vorträge und Podi- umsdiskussionen an Schweizer Universi- täten, Gymnasien, in Kirchen und Gemeinden. Wil- der-Smith hatte die Gabe, komplizierte Sachverhalte so he- runterzubrechen, dass sie auch ein Laie verstand. Seine Vor- träge waren locker, hu- morvoll und bestachen durch aussergewöhnliche Sachkenntnis. Es war ein- drücklich, wie mühelos er schwierige Fragen beantwortete und mit welchem Respekt er sich 24 ETHOS 7| 2018

bemühte, auch auf «dumme» Fragen so zu Segensreiche Arbeit als Autor reagieren, dass der Fragende nicht der Lä- cherlichkeit preisgegeben wurde. Als wir 1978 das wissenschaftliche Ma- Interessanterweise blieben Professo- gazin factum gründeten, konnten wir auf ren und Biologielehrer, die sich im Vorfeld abfällig über den Mann mit der Professur A. E. Wilder-Smith als Autor zählen, so- und einem dreifachen Doktortitel geäus- sert hatten, häufig seinen Vorträgen fern. weit es seine Zeit zuliess. In der Folge ga- Sie schienen Angst zu haben, sich einer öf- fentlichen Debatte zu stellen. ben wir zwei «factum»-Taschenbücher he- 50 weisse Mäuse raus, ebenfalls aus seiner Feder: «Inflation, Einer der ersten Vorträge, die ich von Wil- der Dieb im Haus» und «Ein Naturwissen- der-Smith hörte, hatte die aktuelle Dro- genepidemie zum Thema. Das westliche schaftler auf der Kanzel». Establishment fühlte sich durch das in den 68ern aufgetretene Phänomen sichtbar be- Aber ein absolutes Highlight droht. In den USA wurden jährlich Milli- onen von Dollars investiert, um der Dro- war der in factum 1983 im Ap- gensubkultur Einhalt zu gebieten. Damals hatte etwa die Hälfte der amerikanischen ril- und Maiheft veröffent- Studenten persönliche Erfahrungen mit psychedelischen Drogen, im Militär waren lichte Brief-Disput zwi- es 70 %. schen Prof. Dr. Carsten Dieser Vortrag wurde in der überfüllten Kirche unseres Dorfes gehalten. Anhand ei- Bresch (Evolutionist) ner Demonstration von Amphetamin-Wir- kungen bei Mäusen wollte Wilder-Smith und Wilder-Smith. aufzeigen, dass der gesellschaftliche Miss- brauch verbunden ist mit erhöhter Todes- Die beiden debat- Prof. Dr. A. E. Wilder-Smith erhielt die Gold- gefahr, die nicht besteht, wenn die Droge streng medizinisch und zur Einzelbehand- tierten über die medaille für den hervorragendsten Vorlesungs- lung gebraucht wird. Wilder-Smith bat meinen Mann, 50 weisse Mäuse für den Frage «Schöpfung kursus in Pharmakologie in seinem Institut der Vortrag zu organisieren. Am Vortag fuhr Bruno nach Zürich, um die Tierchen ab- oder Evolution». Universität von Illinois. Diese Auszeichnung zuholen. Sie waren in dicken Kartons mit einem Gitter an der Vorderseite unterge- Die gegentei- erhielt er in fünf hintereinander folgenden bracht. Wieder zurück, stellte er die Kar- tons in die dreigeteilte Garage des Mehr- ligen Meinun- Jahren. Das College of Nursing verlieh ihm die familienhauses, in dem wir wohnten. gen prallten auf- gleiche Auszeichnung. Bei der Übergabe dieser Als wir am andern Tag nach den Mäusen sehen wollten, waren die Kartons durch- einander, aber der Auszeichnungen kommentierten die Studenten: genagt und die Viecher hatten das Weite gesucht. Wer wollte es ihnen verübeln!? Ton zeugte von «Er erzog uns nicht nur zu Sie hatten ja keine Ahnung, dass ihnen gegenseitigem Re- ein Drogenrausch bevorstand! Wir lach- ten Tränen und suchten wie die Verrück- spekt. Ich wünschte besseren Wissenschaftlern, ten nach den Tieren, die sich in der Müll- mir, dass solch sach- sondern zu besseren tonne, zwischen Autoreifen und anderem lich ausgetragene Dis- Gerät versteckt hatten. Weisse Mäuse über- all. Das Ganze war filmreif! pute auch unter Christen Menschen.» Usus wären! Weshalb die Debatte nicht mehr weiterge- führt wurde, weiss ich nicht mehr. Wenn ich mir aber heute die Artikel zu Gemüte führe, empfinde ich die Argu- mentationen des Physikers Bresch, der ei- nen Lehrstuhl für Mikrobiologie hatte, als muss seine Schöpfung von uns Zeitlichen äusserst schwach. aus, die nicht ewig denken können, syn- 1986 debattierte Wilder-Smith zusam- chron erscheinen.» men mit dem Kreationisten und Physiker 1991 musste sich A. E. Wilder-Smith ei- Edgar Andrews gegen die Biologen Richard ner ersten Gehirnoperation unterziehen. Dawkins und John Maynard Smith über Sie verlief erfolgreich und er konnte seine die Problematik der Biogenese und griff Vortragsarbeit wieder aufnehmen. Doch die alte Thematik der Debatte von Samuel 1994 wurde eine zweite Operation notwen- Wilberforce und Thomas Henry Huxley dig. Sein Gesundheitszustand verschlech- aus dem Jahr 1860 wieder auf. terte sich, worauf er im folgenden Jahr in Lassen Sie mich den bedenkenswerten Bern verstarb. Schluss des Disputs von Wilder-Smith ver- Ich denke mit Freude und Hochach- sus Bresch zitieren: tung an diesen grossartigen Mann zurück, «Wenn ein ewiger Gott in seiner ewi- der sich von Gott gebrauchen liess und mit gen Gedanken-Matrix das Konzept einer seinem Zeugnis für die Wahrheit der Bi- Schöpfung entwarf und diese Gedanken bel vielen – nicht zuletzt mir – zum Segen dann in Materie und Zeit realisierte, dann wurde. v 25ETHOS 7| 2018

FOKUS STRASSENEINSATZ ARCHÄOLOGIE: TIERISCHE HELFER IN BELFAST: DIE CHINESISCHE BIBEL (Israelnetz) Israelische Archäologen setzen bei der Suche nach neuen archäologischen Stät- ten auf Maulwürfe. Anstatt aufwendige Grabungen unerforschten Geländes vorzuneh- In einem Büro der Bibelgesellschaft men, wollen die Wissenschaftler systematisch die Erde von Maulwurfshügeln untersuchen. «Biblica in Europa» wurde ein Ein- zelexemplar einer chinesischen Bibel Der Einsatz der kleinen Tiere in der Archäologie ist nicht neu: Schon öfters kam es vor, gefunden. Es war wohl von einer frü- dass Maulwürfe Artefakte an die Oberfläche gewühlt haben. Doch Maulwurfshügel sol- heren Sendung übrig geblieben. Was len nicht mehr nur analysiert werden, um mehr über eine bestehende Ausgrabungsstätte jetzt? Gerade sollte ein Paket mit Bi- zu erfahren, sondern sie sollen bei der Identifizierung neuer Stätten helfen. Sie könnten beln nach Belfast geschickt werden – Spuren von bislang unentdeckten menschlichen Ansiedlungen enthalten. kurz entschlossen steckte der Mitar- beiter die Bibel mit dazu. «Wir waren Die Idee kam den Wissenschaftlern während Untersuchungen der Ausgrabungsstätte nicht sicher, ob es relevant ist und ob Tel Eton im Hügelland Schefela, südöstlich von Aschkelon. Dabei waren zahlreiche Ton- es in Shankill Chinesisch sprechende scherben in Maulwurfshügeln entdeckt worden. Auch in einem Gebiet, das zuvor bereits Menschen gibt, aber wir dachten, wir untersucht worden war – doch bei den Probegrabungen waren keine Spuren menschli- schicken es trotzdem mit», so die Lei- cher Ansiedlungen entdeckt worden. Nach den Funden in den Maulwurfshügeln führten terin von Biblica, Lindsey Holley. Wissenschaftler umfangreichere Analysen des Erdreichs durch. Sie kamen zu dem Ergeb- nis, dass sich dort tatsächlich eine menschliche Ansiedlung befunden haben musste, führ- In Belfast erreichte das Bibel- ten Ausgrabungen durch und wurden fündig. paket eine Gemeinde in Shankill Road, die dort evangelistische Strassenein- Die Identifizierung antiker Stätten ist eines der Hauptziele der archäologischen Unter- sätze organisiert. «Als einer der Mit- suchung, so die Wissenschaftler. Die Maulwurfshügel zu diesem Zweck zu nutzen, könnte arbeiter der Gemeinde die Kiste öff- im Vergleich zu Schaufeltests oder einer visuellen Untersuchung der Erdoberfläche durch nete, sah er die chinesische Bibel und Menschen viel Zeit und Kraft sparen. Auch die systematische Untersuchung der Erde, die dachte: ‹Warum in aller Welt schicken von Präriehunden, Kaninchen oder Gürteltieren aufgewühlt wurde, könne hilfreich sein. sie die mit?›» Trotzdem landete die Bibel auf einem Bibeltisch bei einem TABUBRUCH: ARABERIN UND STOLZE ISRAELIN Strasseneinsatz. (livenet) Sarah Zoabi (46) bricht ein Tabu. Sie ist Araberin, Muslimin und sie An dem Tag kam ein chinesisches liebt ihre Heimat Israel. Insgeheim würden das viele arabische Muslime im Land Paar an den Stand, das nur wenig Eng- so sehen, dies aber nicht öffentlich sagen. Mehr als eineinhalb Millionen Ara- lisch sprach. Ein Gemeindemitarbei- ber leben in Israel, was rund ein Fünftel der Einwohner ausmacht – die meisten ter reichte ihnen die chinesische Bibel. davon sind Muslime. Der Grossteil von ihnen bezeichnet sich in Umfragen als «Er berichtete hinterher, dass ihr Ge- «stolze Einwohner» und das Leben im Land als «gut» oder «sehr gut». sichtsausdruck Bände sprach. Sie wur- den von Fremden in einem fremden Zu den ersten arabisch-muslimischen Frauen, die sich ganz offen zu Israel stel- Land in ihrer eigenen Sprache ‹ange- len, zählt Sarah Zoabi. Sie sagt zum Beispiel, dass sie in diesem Land ein eman- sprochen›», erzählt Holley. «Ich liebe zipiertes, freies Leben führen könne. «In arabischen Staaten haben die Frauen es, wie Gott mit einer einzigen Bibel nicht die gleichen Rechte. Einzig in Israel haben Muslime, Christen, Drusen und solche ungewöhnlichen Situationen Juden die gleichen und vollen Rechte. Es ist das einzige freie und demokratische nutzt. Es waren nicht Tausende Bi- Land im Nahen Osten», erklärte Sarah Zoabi. Für ihre Aussagen sei sie mehrfach beln, es war eine einfache Bibel. Und angegriffen worden. Ihr Wunsch sei, dass der Hass abgelegt wird. «Ich wuchs in sie sprach zu diesem Ehepaar, aber einem Elternhaus auf, in dem die Juden nicht gehasst wurden. Ich habe das mei- auch zu mir, der erleben durfte, wie nen Kindern weitergegeben. Liebe und Frieden beginnt mit den Eltern.» Gott arbeitet.» Hass werde beispielsweise durch die Imame in den Moscheen verbreitet. «Ich Quelle: Livenet / MNN Online weiss von vielen jungen Arabern, die deshalb nicht mehr in die Moschee gehen.» Laut Sarah Zoabi sehen viele arabische Israeli das Ganze gleich wie sie. Viele hät- 26 ETHOS 3| 2018 ten ihr dies bestätigt, «sie lieben es, in Israel zu leben». In Spitälern arbeiten ara- bische und jüdische Ärzte zusammen und das Miteinander geschieht ebenso an den Universitäten und im Parlament. In Bezug zur Gleichheit für alle Bürger würden die 22 arabischen Nationen von Israel lernen können. «Israel will eine gute Beziehung mit allen haben, es streckt seine Hand aus. Gleichzeitig hat das Land aber auch das Recht, sich zu verteidigen.» Sarah Zoabi (46).

Polizeichef Jeff Glazier mit Ebony Rhodes. FARBLIEFERANT: SCHNECKE ATLANTA: POLIZIST WIRD ZUM SEGEN (Ulrich W. Sahm) Für das Jerusalemer Bibelland-Museum waren die blauen Streifen der Staatsflagge der Anlass, zum 70-jährigen Bestehen (et.) Die kranke und verarmte Mutter Ebony Rhodes des Staates der Geschichte der Farbe Blau nachzugehen. lebt mit ihren vier Kindern in ihrem Wagen, in den Strassen Atlantas. Ein eigenes Heim kann sie sich nicht Vor Jahrtausenden gab es Schmuck in blauer Farbe nur aus La- leisten. Nachts liegt sie oft wach, um sicherzustellen, pislazuli. Diese Halbedelsteine wurden in Afghanistan gefunden und dass nichts geschieht, niemand sie ausraubt. von dort nach Mesopotamien und Ägypten exportiert. Damals be- stand der Wunsch, auch Kleidung blau oder purpurn zu färben und Eines Tages im Winter erhält sie eine Busse wegen Tontöpfe blau zu bemalen. Wegen der Farbe des Himmels, wo gemäss überschrittener Parkzeit. Ihr Führerschein ist zudem dem Glauben mancher alter Völker die Götter residierten, war den abgelaufen. Der Polizistin bleibt nichts anderes übrig, Israeliten gar befohlen, Geräte und Mauern des Jerusalemer Tempels als die weinende Frau ins Gefängnis zu bringen, den mit blauen Tüchern zu bedecken. Wagen abschleppen zu lassen und die vier Kinder bei deren Tante abzuliefern. Die Farbe war so selten, dass sie wegen horrender Herstellungskos- ten zu einem Statussymbol geworden war. Jahrhundertelang war die Im Polizei-Departement von Atlanta erfährt der biblische Methode, blaue Farbe für das Färben herzustellen, in Ver- stellvertretende Polizeichef Jeff Glazier davon. Der Ge- gessenheit geraten. setzeshüter ist Christ. Das Elend der Familie lässt ihn nicht gleichgültig. Er versucht, in einem Obdachlosen- Für die modernen Forscher entstand die Herausforderung, das heim einen Raum für die fünfköpfige Familie zu orga- Geheimnis dieser Blaufärbung im Altertum zu erkunden. Es stellte nisieren. Kein leichtes Unterfangen, sind diese beson- sich heraus, dass vor 2000 Jahren die blaue Farbe aus einer winzigen ders in der Winterzeit hoffnungslos überfüllt. Glazier: Drüse der Herkuleskeule gewonnen wurde, auch Murex-Schnecke «Doch es war ein Raum frei, ich konnte es kaum glau- genannt. Die war im östlichen Mittelmeer sehr verbreitet, also vor ben.» Ebony Rhodes ist völlig überwältigt von der der Küste Phöniziens und des heutigen Israel. Fischer züchteten sie Freundlichkeit des Polizeioffiziers. «Als er mich an- in Meerwasser gefüllten Becken nahe dem Strand. Um den Grund- rief, begann ich zu weinen. Ich hatte schon lange nicht stoff für das Färben zu extrahieren, wurden die Muscheln mit den mehr bei Heimen angerufen, da uns niemand aufneh- kleinen Hörnchen entweder «gemolken» und zurück ins Wasser ge- men wollte.» worfen, oder sie wurden aufgebrochen, um den Inhalt aufzuessen. So entstand eine äusserst lukrative Industrie, zumal die Nachfrage Glazier möchte eine längerfristige Lösung suchen. nach blauer Kleidung wegen des Statussymbols vor allem im alten «In einem Heim zu bleiben ist nicht optimal. Wenn Rom sehr gross war. man mit Ebony spricht, merkt man, dass sie eine grosse Arbeitsmoral hat, aber sie ist körperlich krank. Der Extrakt aus den Murex-Schnecken wurde erst getrocknet und Da kann man nicht arbeiten und Geld verdienen. Es ist dann in winzigen Mengen mit heissem Wasser vermengt. Weitere nicht so, dass sie nicht gewollt hätte.» Chemikalien wurden dazugegeben, bis sich das Gemisch gelb ver- färbte. Hatte das Bündel die gelbe Farbe angenommen, holte man es Jetzt, rund ein Jahr später, kann Ebony wieder selbst heraus und hielt es einige Minuten in die Sonne. Dank der UV-Strah- ein Appartement bezahlen. Sie hat Arbeit in einem Re- len verfärbte es sich daraufhin in ein Lila-Blau. staurant gefunden. Zu den Leuten des Polizei-Depar- tements hat sich eine Freundschaft entwickelt. «Es ist Weil für ein einziges Gewand Tausende Murex-Schnecken gemol- meine Familie geworden, ich kann sie wegen allem an- ken oder aufgebrochen werden müssen, handelte es sich um eine äus- rufen. Die Polizei ist ein Segen.» serst lukrative Industrie, die den Römern schliesslich ein Dorn im Auge war. Im 4. Jahrhundert wurde das Tragen blauer Gewänder ver- Jeff Glazier und das Departement haben inzwi- boten und sogar unter Todesstrafe gestellt. Das hat diesem Indust- schen eine «GoFundMe»-Kampagne eingerichtet und riezweig den Garaus gemacht. Und damit ging dann auch das streng so Geld gesammelt, um der Familie auf die Beine zu gehütete Geheimnis um das komplizierte Herstellungsverfahren ver- helfen. Unlängst informierte der Polizeichef: Ebony loren. arbeitet und die Kinder lernen fleissig. Seinen Bericht schloss Glazier mit dem Bibelvers: «Wahrlich, ich sage Erst 1982 gelang es jüdischen Forschern auf der Suche nach dem euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen ge- legendären Blau der Gebetsmäntel und der heutigen Nationalflagge, ringsten Brüdern, das habt ihr mir getan» (Matth. 25,40). das antike Herstellungsverfahren mitsamt der Drüse der Herkules- keule und dem Trocknen in der Sonne zu rekonstruieren. Murex-Schnecken dienten in alter Zeit als Lieferanten für blaue Farbe. 27ETHOS 7| 2018

MEDIEN I–CHALBSION OBINNLIICNHE?HUamndgyamnganmiait–Smwaiertepihnovneera&ntCwoo.rgtuelninggsveonllkearnn. ROSWITHA WURM Beinahe jeder besitzt eines und checkt es durchschnittlich 81 500-mal pro Jahr – das erste Mal am Tag bereits kurz nach dem Aufwachen. Wir nehmen unser Smartphone überallhin mit – sogar auf die Toilette. Wer eine Kindheit, eine Ju- gend oder gar einen Teil seiner Erwachsenenzeit ohne Handy verbracht hat, fragt sich manchmal: «Was habe ich nur die ganze Zeit ohne Smartphone gemacht?» Der handgrosse Tausendsassa weckt uns morgens, legt uns jeden gewünschten Musiktitel auf; er ist unser Kalender und Notizbuch, unser Textverarbeitungs- programm, unser Taschenrechner, unser Kontaktmanager, unser Fotoapparat, unsere Videokamera, unser Bilderdepot, unsere Tageszeitung, unser Nachrich- tendienst, unser Lexikon, unser Navigator und Fahrplan und für so manchen Christen auch Bibel und Konkordanz. Am wenigsten werden – Statistiken zu- folge – Smartphones interessanterweise zum Telefonieren benutzt ... Ohne Smartphone fühlen wir uns ziemlich hilflos und unvollständig. Wer kennt nicht dieses panische Gefühl, wenn man plötzlich sein Handy nicht mehr findet! Hat man es irgendwo vergessen? Schlimmer noch, verloren? Oder ist es gar in den öffentlichen Verkehrsmitteln gestohlen worden? Wie erleichtert sind wir, wenn es dann doch plötzlich irgendwo wieder auftaucht. 28 ETHOS 7| 2018

Mit dem Smartphone wurde alles anders Kaum zu glauben, dass das erste iPhone «Wir leben tatsächlich mit einem virtuellen erst 2007 auf den Markt gebracht wurde! Paralleluniversum, welches unsere ganze Das Smartphone wird als das «einfluss- reichste Einzelgerät aller Zeiten» bezeich- Zeit beanspruchen kann.» net. Es hat unser Verhältnis zu Datenver- arbeitung und Information grundlegend verändert und wird sich wesentlich auf die nächsten Jahrzehnte auswirken. Genau darin liegt für uns die grosse He- Dies ist allerdings nur die eine Seite ausgelegt und heilbringend in ihrem und rausforderung: Auf der einen Seite ver- der Medaille. «Es gibt wohl keinen Zwei- im Leben anderer angewendet! wenden etliche ein Smartphone, die einen fel, dass unser Leben hochgradig zerstreu- Ein weiterer wichtiger Parameter ist die grösseren oder auch kleineren Teil ihres Le- ter ist, wenn wir mit Klingeln, Vibrieren, Ablenkung, die wir durch unser Smart- bens ohne dieses kleine Wundergerät auf- Piepsen und Textbotschaften bombardiert phone erfahren. Den ganzen Tag über be- gewachsen sind. Andererseits gibt es nun werden. Wir leben tatsächlich mit einem stimmt es unser Leben. Wenn wir ehrlich schon eine beachtliche Anzahl Menschen, virtuellen Paralleluniversum, welches un- sind, so sind die meisten von uns süchtig die Smartphones von Anfang an erlebt ha- sere ganze Zeit beanspruchen kann.» nach ihrem Handy. Je süchtiger wir sind, ben. Für die so genannte Smartphone-Ge- Für uns Christen gilt die biblische Devise: desto anfälliger sind wir für Angstzustände neration existieren keine Vorbilder, weil es «Meine Zeit steht in deinen Händen, Herr!» und Depressionen und desto weniger in die digitale Invasion nie vorher in der Ge- (Psalm 31,16). Wenn nun dieses handgrosse der Lage, konzentriert zu arbeiten und schichte gab. Manche Gefahren sind offen- Teil unsere Zeit dermassen in Anspruch nachts gut zu schlafen. sichtlich, andere müssen aus persönlicher nimmt, dann sollten wir uns wirklich ein- Tony Reinke führt uns vor Augen, dass Erfahrung erkannt und gelernt werden. gehend darüber Gedanken machen. digitale Ablenkungen kein Spiel sind, wie wir uns selber häufig einreden. Weil wir alle so vernetzt sind, können Hunderte von Leuten (Freunde, Familienmitglieder und Fremde) uns jeden Augenblick unterbre- «Es geht dann nicht mehr darum, ‹Jesus als chen und in unser Leben eindringen. Wenn unserem Herrn zu folgen›, sondern den Menschen, wir uns langweilen, können wir mit einem Fingerklick durch eine endlose Liste von die unseren Social-Media-Accounts folgen.» Online-Vergnügungen und -Kuriositäten scrollen. All das hat eine geistliche Dimen- sion für uns Christen. Der christliche Journalist Tony Reinke, Wichtige Parameter der sich selbst als «Early Adopter» oder «selbsternannter iPhone-Junkie» bezeich- Mit der Nutzung des Internets und des net, schreibt in seinem Buch «Wie dein Smartphones sollten wir uns die ehrlichen Smartphone dich verändert»: «Das digi- Fragen stellen: Worum geht es uns wirklich, tale Zeitalter hat eine noch nie da gewe- wenn wir im Netz surfen? Ist unser Motiv sene Macht, menschliche Intelligenz und tatsächlich, «unsere Freunde mit dem faktische Daten zu bündeln. Jeder Christ Evangelium zu erreichen»? Oder geht hat jetzt unvergleichliche Möglichkeiten, es eher um unser eige- sich online geistlich zu engagieren. Unsere nes Ansehen, um un- bekannten Prediger können durch sozi- sere Selbstdarstellung ale Netzwerke Hundertausende erreichen. im Netz? Ist die Infor- Selbst der normale Christ kann direkt zu mation, die wir uns holen, einem Publikum von zwei- bis dreihundert wirklich sinnvoll bzw. not- Facebook-Freunden reden. Das ist eine in wendig, um Gottes Wort besser der menschlichen Geschichte nie da gewe- zu verstehen? Hier hilft es, sich da- sene Reichweite.» rauf zu besinnen: Auch in Vor-Inter- net-Zeiten haben Menschen die Bibel 29ETHOS 7| 2018

«Ablenkungen sind kein Phänomen des digitalen Zeitalters. Es gab sie seit jeher in der Menschheitsgeschichte.» Verschobene Lebensausrichtung Das nichtige Vergängliche raubt uns das kein Mittagstisch, an dem nicht irgend- Unvergängliche. Das gilt auch für unser jemand in sein Handy starrt oder lächelnd, In Christus sind unsere unruhigen Seelen Smartphone. Es sucht unsere ungeteilte fragend, genervt mit anderen kommuni- zur Ruhe gekommen. Eigentlich. Nimmt Aufmerksamkeit. Diese gebührt allerdings ziert – jedoch nur nicht mit den Anwe- allerdings irgendetwas so viel Zeit und Gott und seinem Wort. Wir können jedoch senden. «Rede nur weiter», sagen wir zu Raum in unserem Leben in Anspruch nicht zwei Herren dienen (Matthäus 6,24). unserem Gegenüber, während wir weiter- wie unser Smartphone, dann stehen Jesus tippen, «ich höre ohnehin, was du sagst.» und sein Wort nicht mehr im Fokus un- In all dem ist es wichtig, uns zu fra- Wir glauben allzu leichtfertig der Lüge, seres Lebens. Es geht dann nicht mehr da- gen: Warum suchen wir Ablenkung? Wo- dass wir zwei Dinge gleichzeitig tun kön- rum, «Jesus als unserem Herrn zu folgen», vor laufen wir davon und wovor haben nen. In Wirklichkeit sind wir mit unseren sondern den Menschen, die unseren Soci- wir Angst? Wenn wir es als Christen ver- Gedanken weder bei der real anwesenden al-Media-Accounts folgen. Letztlich stellen säumen, Ablenkungen weise in den Griff noch bei der virtuellen Person. Abgese- wir uns selber in den Mittelpunkt unseres zu bekommen, werden wir unsere Priori- hen davon ist solch ein Verhalten unseren Lebens. Es wird wieder egozentrisch statt täten aus dem Blick verlieren und verges- Mitmenschen gegenüber schlichtweg un- christozentrisch. sen, wie man als Christ mit Jesus und sei- freundlich. Mit unserer Smartphone-Liebe nem Wort lebt. kränken wir unser Gegenüber mit Nicht- Ablenkungen sind kein Phänomen des beachtung. Wir vermitteln dem anderen: digitalen Zeitalters. Es gab sie seit jeher in Die Multitasking-Lüge «Du bist nicht so wichtig wie die Person, der Menschheitsgeschichte. Deswegen er- die mir gerade eine Nachricht schreibt, zählt Jesus seinen Jüngern das Gleichnis Wohin man auch blickt, sieht man Men- oder wie die Fussballergebnisse vom vom Sämann. Es könnte auch als Gleichnis schen, mit Smartphone zwischen Ohr und Liveticker.» Wenn wir auch unterwegs der Ablenkungen bezeichnet werden. Sor- Schulter geklemmt, Kinder- oder Ein- ständig mit unserem Smartphone beschäf- gen, Reichtum, Vergnügungen – allem, was kaufswagen schieben, Kisten schleppen, tigt sind, übersehen wir Menschen, die un- wir mehr Ehre geben als Jesus, «erstickt» Autos lenken, kochen, bügeln ... Jeder von sere Hilfe benötigen. Gottes Wort in unserem Leben und macht uns hat ähnliche Szenarios bereits selber uns taub dafür, was Gott von uns möchte. inszeniert. Kein Restaurantbesuch oder 30 ETHOS 7| 2018

Oft wird die Verwendung des Smart- zu prüfen. Wir brauchen Weisheit, um das Hilfreich empfinde ich auch gere- phones gerade von Christen damit be- Richtige für uns auszuwählen. Reinke rät, gelte Zeiten, an denen ich meine Mails gründet, dass man damit so gut Zeit sparen sich bei der Auswahl von Wichtigem und und Whatsapp-Nachrichten checke. Bei könne. Durch die schriftliche Kommuni- Unwichtigem an den biblischen Grundsatz den Mahlzeiten haben wir die Smartpho- kation über SMS, Facebook oder Whatsapp zu halten: «Fürchte Gott und halte seine Ge- nes ebenso vom Tisch verbannt. Beim könne man effektiver mit anderen Termine bote!» (Pred. 12,13). Wichtiger als der Zu- Hauskreis sollten wir dies auch erbitten vereinbaren und Gebetsanliegen austau- gang zur Information, wichtiger als Promi- – schliesslich gibt es statt des Worldwide- schen. Auf der anderen Seite entstehen aber nenz in den Social Media ist Gottesfurcht webs ja auch die gute alte Konkordanz, die durch die schriftliche Kommunikation und Gehorsam. wir aus dem Regal holen könnten. Ob wir viele Missverständnisse. Und die Frage ist noch so flink im Suchen der nach dem Al- auch: Nütze ich die scheinbar gewonnene Zum Thema Smartphone gibt es zwei phabet geordneten Begriffe sind? Ein Ver- Zeit wirklich gut und gottgewollt? Ausser- Möglichkeiten: Man kann es aufgeben oder such wäre es wert. dem werden unsere Beziehungen durch lernen, richtig damit umzugehen. Meist diese Art der Kommunikation sehr einsei- ist das Zweite die wahrscheinlichere, aber Ein verantwortungsvoller Umgang mit tig. Es ist doch einfach schöner, wenn man manchmal auch schwierigere Version. dem Smartphone? Ist das möglich? Ja, aber anderen tatsächlich gegenübersitzt und mit es braucht einen festen Willen. Den Wil- ihnen Gemeinschaft pflegt. Andererseits Handy-Fasten und das bewusste Weg- len, in allem Gottes Gebote zu erfüllen. Das bleibt man durch das Internet auch leich- legen des kleinen lebensbestimmenden Ge- kann mitunter auch bedeuten, das Handy ter mit anderen Christen rund um die Erd- räts sind aktive Handlungen, die gar nicht für einen längeren Zeitraum wegzulegen kugel verbunden. so einfach sind. Allerdings bringen sie gros- oder aber auch, es zu nehmen, um Kon- sen Segen. takt zu den Menschen aufzunehmen, die Dies zeigt, dass Smartphones an sich uns gerade am dringendsten benötigen. So nicht schlecht oder verwerflich sind. Wie In einem Selbstversuch habe ich vor vereinen sich in dem kleinen Gerät, das die viele andere Dinge ist es grundsätzlich neu- Wochen begonnen, abends ab einem be- Welt schon längst in grossem Masse beein- tral. Entscheidend ist und bleibt mein Um- stimmten Zeitpunkt nicht mehr auf das flusst, Segen und Fluch – je nachdem, wo- gang damit. Und dieser ist wie so vieles im Smartphone zu reagieren – ausser, wenn rauf das Herz des Smartphonebesitzers ge- Leben eines Christen eine Herzenssache. ein wichtiger Anruf von Familienmitglie- richtet ist. v dern kommt. Alleine dieser erste Schritt hat eine unendliche Entspannung gebracht. «Mit unserer Smartphone-Liebe kränken wir Roswitha Wurm, Jg. 1966, ver- unser Gegenüber mit Nichtbeachtung.» heiratet, drei Kinder, Lerntrainerin spez. für Legasthenie und Dys- kalkulie, Autorin. Tipps im Umgang mit dem Smartphone Wir stehen einer Fülle an qualitativ hoch- wertigen, erbaulichen und kostenfreien On- line-Inhalten gegenüber. Dies erfordert eine noch nie in der Geschichte der Mensch- heit da gewesene Lesekompetenz, die ent- deckt: Worum geht es auf dieser Seite? Was möchte sie mir sagen? Wie kann sie mein Glaubensleben positiv beeinflussen? Ein Buch ist in sich abgeschlossen, Online-In- halte erweitern sich jede Sekunde. Unsere Schwierigkeit liegt auch darin, dass wir gar nicht genügend Lebenszeit haben, um all diese Inhalte aufmerksam

FREI – JESUS GEFUNDEN die endzeitlichen Irrlehrer auch in den Matteo, 11 Kirchen, quer durch alle Denominationen, Ich war 15 Jahre bei den Zeugen Jehovas ignoriert. Der zentrale Fehler liegt darin, Wir sitzen am Tisch und mein und möchte Ihnen mitteilen, dass auch das dass sich die Kirche um eines Scheinfrie- Mann sagt zu mir: «Wenn du Lesen Ihrer Zeitschriften einen Teil dazu dens willen der Welt anbiedert. Jakobus 4, 4 auch noch einen Kaffee trinkst, beigetragen hat, Jesus zu finden und frei sagt aber: Wer der Welt Freund sein will, dann trinke ich auch einen.» Darauf von Religion und Organisation zu wer- der wird Gottes Feind sein. Matteo: «Seid ihr wie Ruth? Die sagte den. Den Schritt hin zu Christus muss je- zu Naomi: ‹Wo du hingehst; da will ich der selbst tun, aber Menschen wie Sie und Gottes Handeln an den «Friedenspro- auch hingehen; dein Volk ist mein Volk Ihre Artikel tragen dazu bei. Dafür herzli- pheten» wird in Hesekiel 13 beschrieben. und dein Gott ist mein Gott!› Nachah- chen Dank! Der postmoderne Pluralismus «Es gibt mer!» keine Wahrheit, alles ist Wahrheit» schafft Melanie M., Deutschland die Grundlage für die in der Bibel ange- Deborah Mutzner kündigte globale Ratlosigkeit, Orientie- STRATEGIEN ENTLARVEN – rungslosigkeit und Hilflosigkeit. Dieses Die neue Weltordnung (NWO) bzw. die AUCH WENN ES UNBEQUEM weltweite Chaos wiederum schafft die Vo- Herrschaft des Feindes Gottes verspricht WIRD raussetzung für das erfolgreiche Auftreten Frieden, Freude und Wohlergehen, führt des Antichristen. Wir stellen zunehmend aber in eine gottlose, globale, zentralistisch zu: «Suppenküche Einheitsprogramm», 5/18 fest, wie in diesem Multikulturalismus Je- regierte Diktatur. Viel zu viele Christen fal- Der Autor hat leider völlig recht mit seinen sus Christus als die Wahrheit immer mehr len auf diesen Trick und auf diese Lüge he- Darlegungen. Im Prinzip werden, einmal an den Rand gedrängt und eher als lästig rein. Viel zu viele Christen setzen sich mit mehr, die Warnungen aus der Bibel über empfunden wird. aller Kraft ein für die Rettung des Plane- ten Erde, für das Klima, für die Tiere und © Dietmar Noelle Auflösung auf Seite 64. die Pflanzen und vergessen dabei, dass es im Evangelium allein um die Menschen geht. Ohne Veränderung des Herzens, ohne Umkehr zu Gott bleiben alle diese Anstrengungen erfolglos. Vielleicht hilft es, die schleichenden, aber letztlich tödli- chen Ablenkungsmanöver und Strategien des Fürsten dieser Welt dezidierter zu ent- larven und aufzudecken, um der schlafen- den Christenheit die Augen zu öffnen. Die Liebe Gottes will, dass allen Men- schen geholfen wird, dass sie zur Erkennt- nis der Wahrheit kommen! (1. Tim. 2,4) Das heisst für uns, ihnen auch die Wahr- heit zu sagen und nicht dem «Frieden» zu- liebe bloss lieb und nett zu sein. Die Liebe Gottes ist eine Kraft, nicht ein Gefühl! Wir machen uns damit zwar unbeliebt und werden zu unbequemen Störenfrie- den, aber wenn damit Menschen herausge- rettet werden, lohnt es sich schon. Schliess- lich haben wir die Zusage Gottes, dass er mit uns geht und bei uns bleibt (Matth. 28,20 und Joh. 16,32).René Wenger, CH-Buchs Leserbriefe widerspiegeln nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion. Kürzungen behalten wir uns vor. Wir beachten alle Leserzuschriften, auch wenn wir nicht alle abdrucken oder beantworten können. Die ethos-Redaktion 32 ETHOS 7| 2018

Ich lese factum, weil die Zeitschrift informativ, horizonterweiternd und glaubens- stärkend ist. Ivanka Dirks, Bäckerin factum informiert auf anspruchsvollem Niveau, aber mit verständlicher Sprache über das aktuelle Zeitgeschehen und präsentiert Wissenswertes aus Gesellschaft, Politik, Glaube, Medien und Wissenschaft. factum ist das christ- liche Magazin zum besseren Verständnis unserer Zeit. Telefonisch oder per E-Mail direkt bestellen unter 0041 (0)71 727 21 20 / [email protected] / www.factum-magazin.ch Verlangen Sie völlig unverbindlich ein kostenloses Probeheft der aktuellen Ausgabe oder laden Sie sich auf www.factum-magazin.ch Ihre gratis Leseprobe herunter.

KOMMT, LASST UNS ANBETEN UND UNS BEUGEN, LASST UNS NIEDERFALLEN VOR DEM HERRN, UNSEREM SCHÖPFER. PSALM 95,6 34 ETHOS 1| 2018

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FILM AUF EINEN BLICK Bewegendes Porträt einer Familie, die sich neu erfinden muss.  Stärken: authentische Darsteller, besonders Laia Artigas als Frida und Paula Robles als Anna  Genre: Drama  Kinostart: CH/DE: 26.7.2018 SUMMER 1993 Cousinen, plötzlich Schwestern: Frida (Laia Artigas), rechts, mit Anna (Paula Robles). Bemerkenswertes Spielfilmdebüt der jungen Regisseurin Carla Simón. Fest drückt die sechsjährige Frida (Laia Artigas) ihre sucht nach Liebe und Anerkennung. Die Adoptiveltern ge- Puppe an sich und blickt traurig aus dem Auto. Nach dem Tod ihrer Eltern muss sie ihre Heimatstadt Barcelona ben ihr Bestes, kommen jedoch schnell an ihre Grenzen. und die Grosseltern verlassen, um von nun an bei ihrer Tante, dem Onkel und der kleinen Cousine auf dem Land Sie schaffen es nicht, das Herz des Mädchens zu erreichen. zu wohnen – ein gewaltiger Kulturschock für sie! Denn al- les hier ist fremd und ungewohnt. Am meisten aber plagt Frida verschliesst sich immer mehr, reagiert bockig, ist un- sie das Heimweh nach der geliebten Mama. Sie hat so viele Fragen und niemand will sie beantworten ... fähig, über ihre wahren Gefühle zu sprechen. Es gehört wohl zu einer der traumatischsten Erfahrun- Lange bleiben ihre drängendsten Fragen über die To- gen eines Kindes, die Eltern verlieren zu müssen. In ihrem autobiografischen Film verarbeitet die junge spanische desumstände der Mutter ungeklärt. Die Erwachsenen Regisseurin Carla Simón dieses einschneidende Erlebnis aus ihrer Kindheit und gewährt intime Einblicke in die ei- weichen aus, alle scheinen sich zu schämen. Was man als gene Familiengeschichte. Zuschauer früh ahnt, erfährt Frida erst gegen Ende des Dabei ist «Summer 1993» (Fridas Sommer) nicht eine Geschichte im eigentlichen Sinn, sondern fängt viel- Films: Ihre Mutter, auch der Vater, litten an Aids. Da es da- mehr einzelne kleine Momente in Fridas neuem Leben ein. Folglich geht dem Film eine gewisse Spannung ab, mals in den 1990er-Jahren noch keine Medikamente gab, was durch meist lange Einstellungen und wenige Dialoge noch verstärkt wird. Das tut ihm aber keinen Abbruch, im brachte diese Krankheit auch in Europa Leid über Tau- Gegenteil! Besonders überzeugen die Protagonistin und die nicht minder bezaubernde Anna (Paula Robles), die sende Familien. 30 % der infizierten Mütter gaben das Vi- sich derart natürlich und unbekümmert geben, als wür- den sie ganz einfach sich selber spielen. rus an ihre Kinder weiter. So wissen die Adoptiveltern erst Mit ihrem Erstling zeichnet Carla Simón das Bild einer nicht, ob Frida davon befallen ist. Nun versteht man auch Familie, deren Beziehungsstruktur sich von einem Tag auf den anderen verändert. Plötzlich wird ein Onkel zum Va- die Angst vor einer Ansteckung, die im Film latent spür- ter, eine Tante zur Mutter und eine Cousine zur Schwes- ter. Welche Konflikte das mit sich bringt, schildert «Sum- bar ist. Das mag wohl auch der Grund dafür sein, dass je- mer 1993» berührend und einfühlsam. Wie jedes andere Kind in einer Familie kämpft auch Frida um ihren Platz, der nähere Körperkontakt mit Frida vermieden wird. Da- bei hätte sie sich nichts sehnlicher gewünscht! Dies und andere für sie verwirrende Begebenheiten – die ständi- gen Bluttests, die Panik wegen einer Schürfwunde an ih- rem Knie – verstärken die Einsamkeit des Mädchens und das Gefühl, abgelehnt zu werden. Selbst das allabendliche Pflichtgebet bringt keine Er- leichterung. Entgegen dem, was ihr beigebracht wurde, kann Frida weder mit der Verstorbenen sprechen noch wird diese das Kleid, welches das Mädchen bei einer Ma- rien-Statue deponiert hat, je abholen. Religion ist toter Glaube. Das muss auch Frida schmerzlich erfahren. Das Ende des Films überrascht, lässt aber Hoffnung aufkeimen, dass sie endlich in ihrer neuen Familie ange- kommen ist. v Isabelle Kobe 36 ETHOS 7| 2018

ZEITZEICHEN EUROPA: PROJEKT «NETZTEUFEL»: EVANGELISCHE KIRCHE LEBENSSCHUTZ IN GEFAHR VERUNGLIMPFT UNBEQUEME MEINUNGEN (et.) Der Schutz des menschlichen Lebens ist (idea) Die Evangelische Akademie zu Berlin will gegen «Hate Speech (Hass- in Europa in wachsender Gefahr. Diese An- reden) im Namen des christlichen Glaubens» im Internet vorgehen. Zu die- sicht äusserte der Generalsekretär des ka- sem Zweck hat sie das Projekt «Netzteufel» gestartet. Es läuft seit Oktober tholischen Rates der Europäischen Bischofs- 2017. Am 16. Mai wurden erste Zwischenergebnisse vorgestellt. Zunächst sei konferenzen, Duarte da Cunha (St. Gallen/ die Herkunft von «toxischen Narrativen» (giftigen Redeweisen) im Internet Schweiz). In Ländern, in denen Abtreibungen analysiert worden. Ausgangspunkt seien hasserfüllte E-Mails an zwei evange- straffrei gestellt würden, beginne auch eine lische Bischöfe gewesen. Darüber hinaus seien nun Beiträge und Kommen- Diskussion über die Legalisierung der Sterbe- tare auf den Facebook-Seiten der Evangelischen Nachrichtenagentur «idea» hilfe, sagte der aus Portugal stammende Theo- (Wetzlar), des katholischen Onlinemagazins «kath.net» sowie der Bundesver- loge. Das zeige die Erfahrung. «Sie werden se- einigung der «Christen in der AfD» untersucht worden. Zentrales Argumenta- hen, es wird auch in Irland passieren», so da tionsmuster der untersuchten Beiträge sei: «Wir werden bedroht – die Endzeit Cunha. Dort hatte bei einem Referendum am naht!», so Projektleiter Timo Versemann. Die fünf häufigsten Behauptungen 25. Mai eine Mehrheit von 66,4 Prozent der seien: «Der Islam bedroht uns», «Homosexualität bedroht Gottes Ordnung», Wähler für eine Lockerung des Abtreibungs- «Flüchtlinge unterwandern das Sozialsystem», «Der Genderwahnsinn ist reine verbots gestimmt. Der Anlass für da Cunhas Ideologie» und «Wir leben in einer Meinungsdiktatur». Die Argumentations- Äusserung war eine Entscheidung des portu- muster offenbarten «tief verankerte menschenfeindliche Einstellungen und giesischen Parlaments. Die Abgeordneten hat- diskriminierende Positionen im Namen des christlichen Glaubens», erklärte ten am 29. Mai nur noch mit einer knappen Versemann. Das Projekt solle Christen ermutigen, «dem Hass etwas entgegen- Mehrheit (115 zu 110 Stimmen bei vier Ent- zusetzen und im Netz eine digitale demokratische Kultur zu stärken». haltungen) das Vorhaben der sozialistischen Regierung abgelehnt, aktive Sterbehilfe und Kritik an dem Projekt äusserte der Leiter des Kulturressorts beim Monats- assistierten Selbstmord zu legalisieren. Der magazin «Cicero», Alexander Kissler (Berlin). Die untersuchten Facebook-Sei- Abstimmung war eine heftige öffentliche De- ten seien willkürlich ausgewählt. Die Projektverantwortlichen bezeichneten batte vorausgegangen. In Portugal sind Ab- Internetnutzer als «Netzteufel», die sich nur «des Kardinalverbrechens der treibungen seit 2007 in den ersten zehn Wo- freien Meinungsäusserung schuldig gemacht» hätten. Mit dem Projekt solle chen der Schwangerschaft erlaubt. «das Netz mit dem Segen der Evangelischen Kirche und dank evangelischer Kirchensteuermittel auf links gescheitelt werden». So werde Kritik an der Isla- «GERMANY’S NEXT misierung Deutschlands pauschal als «Rassismus» verunglimpft. Der Schrift- TOPMODEL»: steller Klaus-Rüdiger Mai (Zossen/Brandenburg) erklärte auf Facebook, die WOLLEN GOTTES BEISTAND Evangelische Akademie zu Berlin sei «in ihrem Bestreben, Glauben durch Gesinnung zu ersetzen, nun im tiefsten Obskurantismus, im Dunkelmän- (et.) In «Germany’s Next Topmodel» auf Pro- ner- und Dunkelfrauentum angekommen». Sie habe «das Recht auf die Be- Sieben bat die Kandidatin Toni Dreher-Ade- zeichnung Akademie verspielt und gehört abgeschafft». Die EKD fördert das nuga (Mitglied der freikirchlichen inter- Projekt mit bis zu 20 000 Euro, erklärte Versemann auf Anfrage von «idea». nationalen «Body of Christ Church» [Leib Christi-Gemeinde] in Stuttgart) vor der Ent- NEGATIVREKORD: EINHEIMISCHE GARTENVÖGEL scheidung im Halbfinale gemeinsam mit den verbliebenen Konkurrentinnen um Gottes (NABU) In diesem Jahr wurden in Deutschland so wenige Gartenvögel Beistand. «Da wir jetzt die letzten fünf sind wie noch nie zuvor beobachtet. Vor allem bei eigentlich häufigen wie Am- und es wirklich auf die Endgerade zugeht, seln, Meisen, Elstern, Grünfinken oder dem Star gab es neue Negativ- würde ich noch mal gerne mit euch allen be- rekorde, wie die Naturschutzorganisation «NABU» berichtet. Auffällig ten», kündigte die 18-Jährige an. Alle falteten dabei: Betroffen sind vor allem die Vogelarten, die ihre Jungen mit Insek- die Hände, während sie sprach: «Herr, ich bete ten füttern. Bei ihnen haben sich die erfreulich guten Zahlen des Vorjahres für Gesundheit, für Freude, für Selbstbewusst- buchstäblich als Eintagsfliege erwiesen: Sie sind wieder sein und dass wir jeden da draussen überzeu- so schlecht wie in den Jahren davor und entsprechen gen werden und Heidi die Entscheidung rich- nur noch 60 Prozent der Ausgangsbestände im Jahr tig schwer machen, Herr. Amen.» 2006. Die Ursache dafür liegt offenbar im massiven Insektenschwund. 37ETHOS 7| 2018

MANN UND SEXUELLE REINHEIT CLAUDIUS SCHILLINGER MÄNNER – OPFER EINER SEXUALISIERTEN GESELLSCHAFT? «Raus aus der Opfermentalität!» 38 ETHOS 7| 2018

Unsanft wurde ich von einem Bekannten während fer verstehen. Das hat bereits Adam mit Eva so gemacht: eines Liedes des Jugendchores aus meinen Gedan- Statt mannhaft der Sünde zu widerstehen, biss er in die ken gerissen: «Sag mal, siehst du auch die wunderhüb- dargebotene Frucht und warf Gott dann vor, sie habe ihn sche Sängerin ganz vorne in der Mitte der ersten Reihe? dazu verführt, die Frucht vom verbotenen Baum zu essen. Wie kann man nur so einen kurzen Rock und ein so en- ges T-Shirt tragen? Unmöglich, wie sich die Frauen heute Bevor ich mich bei Gott darüber beklage, dass mir die so aufreizend und provozierend kleiden! Wieso nehmen Kleidung einer Frau zur Anfechtung wird, will ich daran die auf uns Männer keine Rücksicht, und warum verfüh- arbeiten, meine Gedankenwelt «sauber» zu halten. Ich ren sie uns so zu unreinen Gedanken?» will mich jeden Tag neu dafür entscheiden, mich bewusst von Bildern fernzuhalten, die mir nicht guttun. Klar, Por- Mein Bekannter neben mir war sichtlich zornig. Und nos schauen wir alle nicht an – wir klicken uns höchs- obwohl auch ich fand, dass sich die Sängerin zu aufrei- tens durch Bilderstrecken im Internet, die die Wahl der zend angezogen hatte – es ärgerte mich dennoch, dass er «Miss Hinterschwarzwald» im züchtigen Dirndlrock zei- sich als männliches Opfer sah, das den Reizen dieser schö- gen. Ehrlich? Und was heisst hier «nur»? nen Frau anscheinend hilflos ausgesetzt war. Mir kam spontan eine Frage in den Sinn: «Sag mal, würde Jesus alle Die Versuchung am Strand Sendungen, die du im Fernsehen anschaust, alle Bilder in den Zeitschriften, die du liest, auch mit dir anschauen?» Vor vielen Jahren hatte ich als junger Mann das grosse Privileg, auf einer Freizeit mit einem der damals bekann- Mein Sitznachbar wurde knallrot. «Ähm, nein», antwor- testen Evangelisten Deutschlands zusammenarbeiten zu tete er verlegen. «Solltest du nicht vielmehr an deiner inne- können. An einem heissen Sommernachmittag lagen wir ren Gedankenwelt arbeiten, bevor du dich wieder darüber am Strand, während wenige Meter neben uns eine bild- empörst, wie sich eine Frau kleidet?» Mit dieser Nachfrage hübsche, halb bekleidete junge Frau mit ihrem Freund beendete ich das kurze Gespräch – und versuchte, mich Federball spielte. Sie sah einfach umwerfend aus, und ich wieder auf den Gottesdienst zu konzentrieren. konnte nur schwer meinen Blick von ihr abwenden und mich auf mein Buch konzentrieren. Der erste und der zweite Blick Ich überlegte ernsthaft, mich ins Hotelzimmer zurück- Dieses Erlebnis, das ich noch vor dem Zeitalter des In- zuziehen, schaffte es aber dann, mich auf die Seite zu dre- ternets hatte, fällt mir immer wieder ein, wenn ich Män- hen und mich in mein Buch zu vertiefen. Plötzlich tippte ner darüber klagen höre, dass wir in einer zunehmend mich der Evangelist auf die Schulter und fragte mich: sexualisierten Umwelt leben, dass sich Frauen in Werbe- «Claudius, kannst du mit mir beten? Die junge Frau ne- anzeigen, in Filmen und Fernsehsendungen sowie im In- ben uns ficht mich voll an.» ternet immer freizügiger präsentieren. Auch ich finde, dass sich viele Frauen immer freizügiger kleiden. Mich Ich blickte ihn verdutzt an: Da bittet ein bekannter ärgert, wenn mir im Gottesdienst Frauen begegnen, de- Theologe, der seit Jahrzehnten glücklich verheiratet und ren Stringtanga sichtbar aus der Hose ragt oder deren Vater von inzwischen erwachsenen Kindern ist, mich als Spitzen-BH sich deutlich unter dem knallengen T-Shirt jungen, unverheirateten «Spund» um Gebetsunterstüt- oder der Bluse abzeichnet. Und doch: Für den ersten Blick zung! Ich war zunächst sprachlos – und dann beteten wir kann ich nichts, für den zweiten schon! zusammen. Wie bei Adam und Eva Mir wurde dieser Evangelist zu einem Vorbild: Er war sich seiner Gefährdung bewusst, stand dazu und scheute Es stimmt mich nachdenklich, wenn Männer die Sexu- sich nicht, andere um Unterstützung zu bitten. Was für alisierung der Gesellschaft und die immer aufreizendere ein Vorbild, was für eine Grösse! Ich will lernen, meine Bekleidung der Frauen beklagen – sich aber dann als Op- Grenzen zu akzeptieren – und mich daran freuen, dass Gott mich mit meiner Sexualität so geschaffen hat. v KAMPF UM REINHEIT: SIEGREICH KÄMPFEN In den Jahrzehnten meines Dienstes als Pastor habe ich die Erfahrung gemacht, dass jede Glaubensgemein- schaft nur so stark ist wie der Glaube ihrer Männer – ihrem Einsatz, auf den Wegen und im Willen Gottes zu gehen und zu leben. Kein Mann kann ein guter Leiter sein, wenn er in seinem Leben keine sexuelle Reinheit praktiziert. «Darum wollen wir uns von allem reinhalten, was Körper und Geist beschmutzt, und in Ehrfurcht vor Gott die Heiligung verwirklichen» (2. Kor. 7,1; NeÜ). 39ETHOS 7| 2018

FRAU UND SCHÖNSEIN HEILIGKEIT UND ATTRAKTIVITÄT – passt das zusammen? NICOLA VOLLKOMMER delnden Persönlichkeit. Auch von ihren cke und Körpersprache, die vermitteln: christlichen Werten. Von einem «gewissen «Ich bin umsonst zu haben». Die Frau, die Das renommierte Männer-Lifestyle- Etwas», das jenseits von Alter, Körpermas- im Leben ankommen und bewundert wer- Magazin «FHM» veröffentlicht jedes sen, Designerattrappen und sexueller Be- den will, bekommt all das auf billige Tour. Jahr anhand von Leserstimmen eine Liste gehrlichkeit zu finden ist. Charakter, Aus- Sie muss sich nicht mehr in der Schule an- der «100 sexiest women in the world». Die strahlung: Begriffe, auf die man in einer strengen, nicht mehr an ihrem Charakter Frau, die im Jahr 2015 Platz 73 dieser Liste Männerzeitschrift eher selten stösst. arbeiten, Verantwortung für ihr Umfeld belegte – einen Posten hinter der schönen übernehmen oder ihre Talente fördern. Sie Schauspielerin Angelina Jolie – machte Mit dem Look punkten braucht nur ihre Reize optimal in Szene zu Schlagzeilen. Sie war kein Super-Model, setzen und stundenlang den «Look» vor keine teuer gestylte Schauspielerin. Im Zeitalter der sogenannten weiblichen dem Spiegel zu kreieren, mit dem sie heute Emanzipation wird der Wert der Frau wie punkten will. Und wenn sie Glück hat, ver- Sie war die prominente Fernseh-Köchin nie zuvor auf ihre körperlichen Reize re- dient sie damit eine Menge Geld. Über die Mary Berry, gerade 80 Jahre alt geworden, duziert. Welch groteske Ironie einer per- Langzeitfolgen von so einem Lebensstil bekannt für ihre Backrezepte, Küchenfern- versen Ideologie! Straffe Haut, kurze, wird eisern geschwiegen. sehen und häuslich-praktische Hauskittel. hautenge Röcke, üppige Kurven, ein De- Die Medien- und Modewelt stand Kopf signer-Body, volle bemalte Lippen, Stilet- Schuss nach hinten und war gezwungen, gängige Vorstellungen to-Hacken, glotzende Männeraugen: Das über weibliche Schönheit zu hinterfragen. soll die Befreiung der Frau sein? Bühne Mit bestem Wissen und Gewissen versu- Es war vom Funkeln in Mary Berrys Augen frei für Deutschlands Topmodels und die chen Christen seit Jahrhunderten, der Ver- die Rede, von ihrem Humor, ihrer spru- Schönheitsideale, die sie vermarkten. Bli- marktung des weiblichen Körpers etwas HILFREICHE STRATEGIE UM SEXUELLE REINHEIT Jeder Buchstabe des Wortes PURE (= engl. rein) kann für eine Strategie stehen: P «P» = Prepare: Bereite dich auf geistliche Angriffe vor Niemand ist gegen sexuelle Versuchungen immun (1. Kor. 10,12). Aber die gute Nachricht ist: Wenn wir uns andauernd – Tag für Tag, Stunde für Stunde, Augenblick für Augenblick – mit der Gegenwart und Kraft Gottes «bewaffnen», werden wir Sieger über die Sünde, und nicht ihre Opfer. Sei wachsam. Bleib nüchtern. Bereite dich für diesen Kampf in deinem Leben vor. Und vertraue deinem liebenden Vater, dass er dir hilft, vor dem Zugriff der Versuchung zu fliehen. U «U» = Undo: Löse alle Verbindungen, die dich in irgendeiner Weise beschmutzen und zerstören Sexuelle Unreinheit zu bekennen ist hart. Es bedingt Ehrlichkeit. Doch die Freiheit, die daraus entsteht, ist mit nichts zu verglei- chen. Wer Versagen zugibt, dem gehört die Freiheit. 1. Johannes 1,9: «Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.» Verabschiede dich vom Flirten und schütze dich selbst vor schädlichen Einflüssen (installiere z. B. Internet-Filter). Wir müssen unser Leben von allen Verbindungen trennen, die uns in der Gefangenschaft der Sünde und damit im Schmerz festhalten. 40 ETHOS 7| 2018

entgegenzusetzen und Kleiderordnungen Rebekka, Rahel, Esther, Abigail, die Lieb- dern der verborgene Mensch des Herzens im zu etablieren, die den weiblichen Blick auf haberin im Hohelied – diese Damen wer- unvergänglichen Schmuck des sanften und innere Werte umlenken und den männli- den alle anerkennend als ausserordentlich stillen Geistes, der vor Gott sehr köstlich ist» chen Blick vor unnötigen Verführungen attraktive Frauen beschrieben. (1. Petr. 3,3–4, vgl. auch 1. Tim. 2,9). bewahren. In meinem Mädcheninternat wurden unsere Rocklänge täglich kont- Schönheit – nicht abgewertet, Diese Worte stehen in keinem Wider- rolliert, die Haare züchtig nach hinten ge- aber umdefiniert spruch zum natürlichen Wunsch einer bunden und das Hemd bis nach oben zu- Frau, attraktiv zu sein. Petrus meint ledig- geknöpft. Und das, obwohl kein Mann weit Aber wie ist es mit Petrus’ Empfehlung: lich, dass eine christliche Frau ihren Wert und breit zu sehen war. «Euer Schmuck sei nicht der äusserliche nicht an ihrem äusseren Erscheinen definie- durch Flechten der Haare und Umhängen ren soll. Unsere Frisur, unser Schmuck, un- Unsere Internatsregeln erwiesen sich von Gold oder Anziehen von Kleidern, son- sere Kleidung sind nicht das, was uns wirk- leider oft als Schuss nach hinten. Nach wo- chenlangen Kontrollen, ob sich jedes Stück «Sobald der Blick auf mich selber gerichtet Mädchenkörper auch wirklich erotikfrei ist – ‹Wie wirke ich, wie komme ich an?›–, zeigte, wurden die Ferien immer mit ei- nem schamlosen, jubelnden Abwurf der er- ist der Glanz weg. Und oft auch stickenden Zwangsjacken eingeleitet. der Geschmack für einen guten Stil.» Je unansehnlicher, desto heiliger? lich schön macht. Wirklich schön macht das, was aus unserem Inneren strahlt, ein Da ich als Kind nichts lieber tat, als in die «sanfter und stiller Geist»: eine Seele, die in feinen alten Klamotten meiner hübschen sich ruht, mit Gott im Reinen ist, nicht auf Oma zu schlüpfen und Prinzessin zu spie- sich selber fixiert, «der verborgene Mensch len, war ich zutiefst erleichtert, als meine des Herzens, unvergänglich» (1. Petr. 3,4). Mutter mir erklärte, dass die Bibel an kei- Sarah, die Frau Abrahams, die Petrus als ner Stelle christlichen Frauen verordnet, Vorbild erwähnt, hat vermutlich aus die- Mauerblümchen zu sein nach dem Motto, sem Grund, und nicht wegen ihrer üppi- je unansehnlicher, desto heiliger. Wer von uns Frauen will nicht hübsch sein, Kom- plimente bekommen? Daran ändert un- ser Christsein nichts. Auch sexuelle An- ziehungskraft war Gottes Idee, nicht die Erfindung der Männermagazine. Sarah, R «R» = Remember: Bedenke vor deinen Handlungen die Konsequenzen Sexuelle Sünde sieht auf den ersten Blick verlockend aus, aber dahinter lauert ein Monster. Die Bibel nennt es Sünde gegen deine eigene Seele. Sexuelle Unmoral löst einen Krieg aus, in deinem Denken, in deinem Körper, in deinen Beziehungen, in deinem Zeug- nis als Christ, und ja, auch in deiner eigenen Seele. Das macht den Kampf so schwer. Aber Jesus ebnet den Weg zu dieser vollkommenen Heiligkeit, wenn wir ihn von ganzem Herzen darin suchen. E «E» = Engage: Engagiere dich in positiven geistlichen Aktivitäten Niemals werden wir den Kampf gegen sexuelle Versuchungen gewinnen, indem wir uns aufs «Neinsagen» beschränken: Nein zu diesem, Nein zu jenem. Es ist entscheidend, zu richtigen Dingen «Ja» zu sagen: Ja zur Heiligkeit, Ja zur Reinheit, Ja zur Gerechtig- keit, Ja zur Treue, Ja zu Gottes Gegenwart, Seiner Macht und dem Frieden in Ihm. Ein «Ja» ist, den Glauben zu stärken, indem wir Gottes Wort auf unsere Herzen schreiben, unsere Gedanken davon korrigieren und rei- nigen lassen. Philipper 4,8 sagt, dass wir die Kontrolle haben über das, was wir denken, und dass wir uns für hilfreiche, gesunde Gedanken entscheiden können. «Ansonsten denkt über das nach, meine Geschwister, was wahr, was anständig und gerecht ist! Richtet eure Gedanken auf das Reine, das Liebenswerte und Bewundernswürdige; auf alles, was Auszeichnung und Lob verdient» (NeÜ). Um unsere Gedanken zu reinigen, müssen sie sich mit dem beschäftigen, was Gott ehrt. Dann sag Ja zu einem Rechenschafts-Partner, wenn du mit sexueller Sünde zu kämpfen hast, zu jemandem, der schon reifer im Glauben ist, dich ermutigt, auf dem Weg der Heiligung weiterzugehen, dich wo nötig ermahnt und für und mit dir betet. 41ETHOS 7| 2018

gen Kurven, auch im Alter von 90 Blicke «Und dein Ruhm erscholl unter den Völ- lywood-Göttinnen in ihren Posen auf den auf sich gezogen (1. Mose 12,11–13). Hier kern deiner Schönheit wegen, die vollkom- roten Teppichen, wie auch deren grässliche war eine «unvergängliche» Schönheit, die men war durch den Schmuck, den ich dir Kleider, sind ein Paradebeispiel. Selbst- nicht auf Biegen und Brechen mit Botox, angelegt hatte, spricht Gott der Herr» (Hes. inszenierung, teuer erkauft, fad und leer: Faceliftings und teuren Cremes faltenfrei 16,14). Nicht aus sich selber heraus ist die Inbegriffe von verzweifelten Frauen, die zu gepflegt sein musste. Jesus fragt seine Zu- Frau schön, sondern der Glanz ihres Got- jedem Preis auffallen wollen. Heidi Klum hörer in seiner berühmtesten Predigt: «Wa- tes macht sie schön. Wahre Schönheit ist kann ihre jungen Mode-Lakaien noch so rum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut Schönheit, die sich vom liebenden Blick viel anbrüllen: «Strahlt endlich was aus!», die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: Gottes her auf unserem Gesicht wider- und es wird nicht funktionieren. Ausstrah- Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.» spiegelt. Schönheit wird in der Bibel nicht lung geschieht nicht auf Kommando als Vielleicht mit einem Wink an die Frauen abgewertet, sie wird umdefiniert und da- Teil meines Marktwertes. Ich strahle, wenn fügt er mit Nachdruck hinzu: «... ich sage durch aufgewertet. ich auf den blicke, der grösser, herrlicher, euch, dass auch Salomo in aller seiner Herr- wichtiger ist als ich. Ich strahle, wenn ich lichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine Wie kann das biblische Schönheits- mich selber verliere und Christus gewinne. von ihnen» (Matth. 6,28–29). ideal praktisch aussehen, wenn ich Ich strahle, sobald ich aufhöre, im Dienst als Frau morgens vor dem Spiegel des eigenen Images strahlen zu wollen. In einem der bewegendsten Metaphern stehe? Denn «trügerisch ist Anmut und nichtig die der Bibel greift der Prophet Hesekiel den Schönheit; eine Frau aber, die den Herrn gleichen Gedanken auf und vergleicht das Zunächst ist mein inneres Motiv entschei- fürchtet, die soll man rühmen» (Spr. 31,30). Volk Gottes mit einer Frau, die von ihrem dend, nicht wie viel oder wie wenig nacktes göttlichen Liebhaber umworben wird: Fleisch ich zur Schau stelle. Das Geschöpf Mit Christus als Mittelpunkt meines Le- spiegelt den Schöpfer wider. Meine wich- bens will ich die Blicke der anderen auf Je- tigste Schönheitskur ist meine tägliche Bi- sus lenken, nicht auf mich. Menschen, die bellese und Gebetszeit. Sobald der Blick mir begegnen, sollen nicht mich bewun- auf mich selber gerichtet ist – «Wie wirke dern, sondern umso eifriger – aufgrund ich, wie komme ich an?» –, ist der Glanz meines Einflusses – den Menschen zuge- weg. Und oft auch der Geschmack für ei- tan sein, die ihnen anvertraut und auf ihre nen guten Stil. Mode wird zum Selbst- Bewunderung angewiesen sind. Zu diesem Zweck ist ein tiefer Ausschnitt, eine ver- zweck, zum Diener des Narzissmus. führerische Körpersprache oder ein Bade- Die Gesichtsausdrücke der Hol- «Innere, von Christus geschenkte Anmut äussert sich in äusserer Anmut. Deshalb – und nicht, um mich selber in Szene zu setzen – möchte ich angenehm und hübsch aussehen.» Entscheide dich, allein den Herrn Jesus in deinem Leben grosszumachen. Wenn du dich ihm völlig hingibst, um jeden Tag für Jesus zu le- ben, wirst du erfahren, dass Er Ordnung in dein Chaos bringt. Strecke du dich nach Jesus aus, und er wird deine Gedanken, dein Herz, deine Einstellungen, deine Handlungen, deine Wünsche, dein tiefstes Verlangen, deine Gewohnheiten und deine Sünde reinigen. Deine «Liebe zu dieser Sünde» wird immer mehr von einer unersättlichen Liebe zu Christus ersetzt. Du möchtest nichts tun, das die Beziehung zu Jesus trübt. Dort, wo früher die Sünde ihre ganze Herrschaft ausgeübt hat, wird dich nun die Sehnsucht nach Reinheit bestimmen. Epheser 5,3–5 hängt die Messlatte für unser Leben als Gottes Kinder hoch: «Unzucht aber und alle Unreinheit oder Habsucht soll nicht einmal bei euch erwähnt werden, wie es Heiligen geziemt; auch nicht Schändlichkeit und albernes Geschwätz oder Witzeleien, die sich nicht gehören, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger (der ein Götzendiener ist), ein Erbteil hat im Reich des Christus und Gottes.» 42 ETHOS 7| 2018

«Die Schönheit einer Frau liegt ter mit schleppenden Füssen, hängenden matinnen im Dienst. Botschafterinnen Got- nicht in ihren Kleidern, in ihrer Schultern, schlecht passenden Kleidern tes auf dieser Erde. Vornehm und schick, Figur oder der Art, wie sie das und ungepflegten Haaren durch die Welt aber immer auf den prominenten Besu- Haar trägt. Die Schönheit einer tingeln. Wir sind Botschafterinnen Got- cher gerichtet, der im Mittelpunkt unseres Frau strahlt aus ihren Augen, tes, Töchter des Königs, wir stellen etwas Lebens steht und unser Chef im Dienst ist. denn die sind die Tür zu ihrem dar und sollen repräsentativ aussehen, mit Auf Ihn, und nicht auf uns, soll die Bewun- Herzen, zu dem Ort, wo die aufrechtem Gang, erhobenem Haupt und derung unserer Umgebung gerichtet sein. v Liebe wohnt. Wahre weibliche strahlenden Augen. Schönheit spiegelt sich in ihrer Nicola Vollkommer, Jg. 1959, Seele wider, in der Fürsorge, Unser Auftreten wirkt angenehm, wenn verheiratet, vier Kinder, Lehrerin die sie liebevoll anbietet, in unsere Kleidung dem jeweiligen Umfeld und Autorin, Hobbys: Klavierspielen der Leidenschaft, die sie zeigt. angepasst ist. Logisch, ich kleide mich an- und Singen, lebt in Reutlingen. Diese Schönheit wächst mit ders, wenn ich einen Gottesdienst besuche, den Jahren.» als wenn ich einen Einkaufsbummel ma- «Mit Christus als che oder am Strand sitze. Und wiederum Mittelpunkt meines Audrey Hepburn (1929–1993), anders, wenn ich auf der Bühne stehe und Lebens will ich die Schauspielerin meine Zuhörer gezwungen sind, mich eine Blicke der anderen Stunde lang anzuschauen und mir zuzu- anzug, der mehr Fleisch offenbart, als er hören. Ich bemühe mich darum, die Klei- auf Jesus lenken, zudeckt, nicht gerade dienlich. Wenn die derordnung zu berücksichtigen, die in der nicht auf Furcht des Herrn im Spiel ist, können wir Umgebung gilt, in der ich mich gerade be- mich.» hübsch sein, ohne die Botschaft «Ich will finde. Mein Aussehen soll nicht von dem begehrt werden» zu signalisieren. Lieber: ablenken, was ich sagen möchte. Wir sol- «Ich schätze es, als nette Frau wahrgenom- len uns ausserdem unserem Alter entspre- men zu werden, aber geh du heim und chend kleiden. Es wirkt befremdlich, wenn begehre deine eigene Frau, oder träume ältere Frauen versuchen, jünger auszuse- von der Frau, die der Herr dir schenken hen, als sie sind. Oft erreichen sie dadurch möchte». genau das Gegenteil. Innere, von Christus geschenkte Anmut Meine Tochter arbeitet als Diplomatin äussert sich in äusserer Anmut. Deshalb – für das Auswärtige Amt. Es gehört zu ihrer und nicht, um mich selber in Szene zu set- Aufgabe, besuchende Staatsoberhäupter zen – möchte ich angenehm und hübsch und Prominenz aus der Politik zu begleiten aussehen. Mein Leib ist ein Tempel des und zu versorgen, wenn sie das Land besu- Heiligen Geistes und soll gut gepflegt wer- chen, in dem sie gerade stationiert ist. Eine den (1. Kor. 6,19). Es ist keine gute Wer- ungeschriebene Kleiderregel für die Da- bung für Gottes Häuser, wenn seine Töch- men im Dienst lautet: vornehm und schick, aber nicht auffällig. Ja nicht die Aufmerk- samkeit der Presse vom prominenten Besu- cher ablenken. Dieser muss zu jeder Zeit im Mittelpunkt stehen. Auch wir christlichen Frauen sind Diplo- Vollkommene Heiligkeit soll unser Leben prägen. Der Autor Randy Alcorn hat die sexuelle Sünde einmal mit einem eindrücklichen Bild beschrieben: «Ein Rammbock kann tausend Mal gegen das Tor einer Festung stossen. Es scheint überhaupt keinen Effekt zu haben. Doch irgendwann wird er es durchschlagen und die Tür zerbricht. Genauso ist sexuelle Sünde das angehäufte Produkt kleiner Gedanken, denen wir nachgeben, und win- ziger Versprechen oder Kompromisse, deren unmittelbare Konsequenzen zu diesem Zeitpunkt gar nicht erkennbar sind. Ein einzelner Gedanke ist das Material, aus dem wir unseren Charakter und unsere Lebensgeschichte weben.» Es ist von grösster Wichtigkeit, kluge Verwalter jedes Gedankens, dem wir nachhängen, zu sein, jeder Entscheidung, die wir treffen, jeder Handlung – damit wir es nicht riskieren, dass die Tore unseres Lebens aufgebrochen werden. Quelle: Dr. Jack Graham, Pastor (Plano/Texas, USA), Übersetzung: Frank Schönbach 43ETHOS 7| 2018

SCHÖPFERHANDWERK FREMD- GESTEUERT – über Mechanismen, wie Parasiten auf Kosten anderer Tiere (Wirtstiere) leben, ihnen ihren Willen aufzwingen und sie gar in den Tod treiben. Je grösser der Einblick, den die Forschung in die Lebensweise von Parasiten gewinnt, desto mehr Mechanismen werden entdeckt, mit denen sie das Verhalten ihrer Wirtsorganismen durch die Manipulation des Gehirns in ihrem Sinn beeinflussen. ALEXANDER VOM STEIN mortale:rituale Der Graureiher harpuniert Ein Bandwurm (Schistocephalus solidus) zwingt den Ruderfusskrebs (Copepoda) und verspeist mit Vorliebe förmlich, seine Deckung zu verlassen und ins offene Wasser zu schwimmen, um Fische. Wenn die Beute sich dort von einem Stichling (Gasterosteus aculeatus) verschlungen zu werden, den allzu leicht schnappen lässt, er kurz darauf an die Wasseroberfläche schwimmen und auffällig herumplant- riskiert er allerdings, sich ei- schen lässt. Für Graureiher (Ardea cinerea) oder andere fischende Vögel ist das nen Bandwurm einzufangen. die Botschaft: «Hier zapple ich, ich kann nicht anders – jetzt friss mich schon!» So gelangt der Parasit in den Magen seines Endwirtes. Aus dem Regenwald sind verschiedene Parasiten bekannt, die Ameisen oder Raupen in bun- ten Farben leuchten und an auffälligen Plätzen herumtanzen las- sen, um dadurch ebenfalls in einem Vogelmagen zu landen. Der Saitenwurm (Spinochordodes tellinii) lebt in Heuschrecken, die er irgendwann ins Wasser springen lässt, wo sie ertrinken, während er diese Um- gebung braucht, um auszuschlüpfen, einen Partner zu finden und sich fortzupflanzen.

schaben:vergraben Ampulex compressa, die bezaubernde Juwelwespe, kommt so elegant und Ein beeindruckendes Schauspiel liefert das Brutverhalten zierlich daher, dass man nicht glauben der wunderschön gefärbten Juwelwespe (Ampulex com- kann, es mit einer so gerissenen Ent- pressa), die ihrem Nachwuchs in mütterlicher Fürsorge führerin zu tun zu haben, die willen- ein riesiges Proviantpaket mit auf den Weg gibt. Zu diesem lose Opfer in unterirdische Verliese Zweck überfällt sie eine Amerikanische Grossschabe (Pe- einsperrt. riplaneta americana), die doppelt so gross und mehr als viermal so schwer ist wie sie selbst. Sie könnte diese Beute «Was sie anschliessend dort niemals wegtransportieren – was aber auch gar nicht nö- einspritzt, ist ein komplexer tig ist, denn sie macht sie sich auf raffinierte Weise zum Cocktail aus Neurotoxinen, willenlosen Sklaven: Zunächst platziert sie einen Stich in der die Schabe völlig einen Nervenknoten im Brustbereich, injiziert eine kleine umprogrammiert.» Menge Gift und lähmt damit die Vorderbeine der Schabe für einige Minuten. Nun kann sie, da keine Gegenwehr mehr zu erwarten ist, in Ruhe den Kopf fixieren und mit chirurgischer Präzision den langen und flexiblen Stachel tief in einen bestimmten Bereich des Schabenhirns ein- führen, in dem unter anderem der Fluchtreflex angesie- delt ist. Was sie anschliessend dort einspritzt, ist ein kom- plexer Cocktail aus Neurotoxinen, der die Schabe völlig umprogrammiert. Als Erstes verspürt sie den Drang, sich ausgiebig zu putzen, wobei sie eventuell anhaftende Pilz- sporen oder bakterielle Verunreinigungen abstreift. Da- nach verliert sie ihren natürlichen Bewegungsdrang, also jede Motivation, selbsttätig irgendwohin zu laufen. Die Wespe kann sich jetzt einfach einen ihrer Fühler greifen und sie wie ein zahmes Pferd umherführen. Sie steuert eine vorbereitete Bruthöhle an, «parkt» die Schabe dort und heftet ihr ein einzelnes Ei unter den Bauch. Schliess- lich mauert sie den Eingang des Geleges zur Tarnung mit kleinen Steinen zu, während die Schabe wie angewur- zelt auf ihrem «Parkplatz» stehenbleibt. Nach drei Tagen schlüpft eine kleine Wespenlarve aus dem Ei und macht sich daran, ihren «Proviant» auszuschlachten. Dabei er- staunt ihr planmässiges Vorgehen: Zuerst schlürft sie nur ein wenig Körperflüssigkeit, nach einigen Tagen bohrt sie sich in die Schabe hinein und frisst dort zunächst Mus- kulatur und Fettreserven. Erst ganz zuletzt fällt sie über die lebenswichtigen Organe her und führt damit den Tod ihres Wirtes herbei. Nach acht Tagen ist der Körper voll- ständig ausgehöhlt und die Larve umspinnt sich im In- nern mit einem weichen Kokon, den sie einen Monat spä- ter als erwachsene Wespe verlässt – um irgendwann selbst zum «Schabenflüsterer» zu werden. 45ETHOS 7| 2018

Wie Studien an Kreuzspinnen ver:netzt unter dem Einfluss von Coffein zeigen, ist es keine Die Juwelwespe ist kein Einzelfall, noch erstaunlicher ist die Kunst, den perfekten Plan Taktik der Schlupfwespe Hymenoepimecis argyraphaga aus zu stören und Chaos zu Costa Rica, deren Weibchen eine Radnetzspinne (Leucauge verursachen. Eine ganz argyra) parasitiert. Zunächst erscheint alles sehr unspekta- andere Sache ist es aller- kulär: Nachdem die Spinne durch einen Stich in eine belie- dings,eine neue, sinnvolle bige Stelle kurzzeitig gelähmt wird, befestigt die Wespe ein Ei Struktur zu generieren, wie an einer versteckten Falte ihres Hinterleibes. Kurze Zeit später es die Neurotoxine tun, die kommt sie wieder zu sich und führt ihr Spinnenprogramm aus, die Radnetzspinne (Leucauge als wäre nichts gewesen: Radnetz bauen, Beute einsammeln, Radnetz argyra) fremdsteuern. Für den reparieren und so weiter. Erst nach zwei Wochen zeigen sich die verhee- grossen weissen Kokon der renden Folgen des Überfalls: Der blinde Passagier ist mittlerweile aus Schlupfwespe (Hymenoepi- dem versteckten Ei geschlüpft, hat sich in den Leib seiner Wirtin hin- mecis argyraphaga) könnte eingebohrt und ihr ein Psychopharmakon verabreicht, das es in sich hat. es kaum eine geeignetere Sobald es seine Wirkung entfaltet, wird das komplexe Konstruktions- Trägervorrichtung geben. programm zum Netzbau in einem bestimmten Schritt unterbrochen. Die Spinne beginnt wie gehabt mit dem Ausspannen einer Seilbrücke «Die fremdge- sowie einiger Rahmenfäden und auch das Einziehen der ersten Speichen steuerte Sonder- verläuft wie immer. Doch dann scheint sie sich plötzlich nicht mehr zu konstruktion erinnern, wie es weitergeht. Sie verliert, im wahrsten Sinne des Wortes, dagegen ist den Faden. Bevor sie die Fangspirale anlegt, bricht sie ab – um wieder hervorragend von vorn zu beginnen. Unzählige Male wiederholt sich der Ablauf bis zu auf die Bedürf- diesem Punkt, und statt eines perfekt symmetrischen Radnetzes entsteht nisse des dort eine, von mehreren starken Strängen gehaltene, dreidimensionale Struk- eingezogenen tur – eher Nest als Netz. Die Spinne baut ein Objekt, das sich von allem, ‹Netz-Piraten› was sie bisher konstruiert hat, deutlich unterscheidet. Sobald sie damit zugeschnitten.» fertig ist, wird sie von ihrer unheimlichen Herrscherin im Innern durch eine Giftinjektion getötet und verspeist. Nach dieser Stärkung wächst 46 ETHOS 7| 2018 die Wespenlarve zu ihrer vollen Grösse heran und umspinnt sich mit ei- nem Kokon, der in der Mitte des Spezialnetzes aufgehängt ist. Ein nor- males Radnetz wäre nicht stabil genug, den schweren Kokon zu tragen, und würde auf längere Sicht ausserdem durch Regen, Wind, Staub und eingewehte Pflanzenteile völlig zerfleddern. Die fremdgesteuerte Son- derkonstruktion dagegen ist hervorragend auf die Bedürfnisse des dort eingezoge- nen «Netz-Piraten» zugeschnitten. Das Refugium schützt den Ko- kon vor Ameisen, von de- nen es zwar auf dem Bo- den des Regenwaldes wimmelt, die aber niemals freiwillig in einem Spinnennetz vorbeischauen. Perfektes Netz.

psycho:trojaner Quelle: Gekürzter Auszug aus dem Buch So mancher beginnt sich «Schöpfer Hand:Werk», nun nervös zu fragen, ob Parasi- Alexander vom Stein, ten möglicherweise auch das mensch- Daniel Verlag, 2018, liche Verhalten in ihrem Sinn manipu- mit freundlicher lieren können. Der tschechische Biologe Genehmigung. Jaroslav Flegr vertritt die These, dass www.daniel-verlag.de der Erreger der Toxoplasmose (Toxo- plasma gondii), von dem in Deutsch- ÜBER:WIND:ER land rund 60 Prozent der Bevölkerung schon einmal befallen waren, nachweis- Gut, dass die gekaperten Tiere nicht über ihr trauriges Schicksal bare Auswirkungen auf die Charakter- nachdenken können. Wie furchtbar ist es, festzustellen, dass man eigenschaften hat: Frauen würden un- «fremdgesteuert» ist und sich nicht dagegen wehren kann. ter seiner Regie intelligenter, offener und warmherziger, Männer verhielten «Denn nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das sich dagegen dümmer, eifersüchtiger Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich und rebellischer. Einige Studien bele- nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die gen den Zusammenhang zwischen To- in mir wohnende Sünde» (Römer 7,19–20). xoplasmose und dem Risiko, an Schizo- phrenie, Alzheimer oder Parkinson zu In dem Vers beschreibt Paulus die Qual eines Menschen, der erkranken oder einen Verkehrsunfall zu entdeckt, dass er von der in ihm wohnenden Sünde zu seinem verursachen. Der amerikanische Parasi- eigenen Schaden getrieben wird. Zum Glück bleibt er nicht dabei tologe Kevin Lafferty führt sogar Men- stehen, sondern darf erleben: «Denn das Gesetz des Geistes des talitätsunterschiede zwischen Ethnien Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht von dem Gesetz auf unterschiedliche Infektionsraten der Sünde und des Todes!» (Römer 8,2). Die Herrschaft der Sünde zurück. Das mag vielleicht momentan kann überwunden werden, wir müssen nicht länger Marionetten noch ziemlich verrückt klingen, doch es sein, sondern finden in Jesus einen neuen Herrn, der gute Pläne sieht so aus, als ob aus dieser Ecke der mit uns hat. Wissenschaft noch spannende Neuig- keiten zu erwarten sind. 47ETHOS 7| 2018

INTERVIEW/JUGEND MEIN PAPA – EIN ECHTES VORBILD! Timo Weber. Bibellesen – eine lästige Pflicht? Nein, ein Vorrecht! Timo Weber, verheiratet, 30, Polizist in Lu- Vater beim Lesen. Als ich acht Jahre alt war, nicht. Ich machte mir selbst meine Gedan- xemburg: fragte ich ihn: «Papa, was machst du da?» ken dazu. Ich durfte in einer gläubigen Familie auf- – «Ich lese jeden Tag in der Bibel und so wachsen. Durch das Vorbild meines Vaters komme ich in einem Jahr durch das ganze Eigentlich ist der Feind ja dagegen und begann ich mit acht Jahren, die Bibel jedes Wort Gottes.» – «Darf ich das auch ma- Kämpfe im Glaubensleben eine Tatsache. Jahr einmal von vorne bis hinten durchzu- chen?», fragte ich weiter. «Ja natürlich, hier Hat dich alles interessiert? Trieben dich lesen. hast du einen Bibellese-Plan. Sei dir aber bestimmte Fragen an? Oder deine Eltern? bewusst, am Anfang wirst du vieles nicht Mit acht Jahren? War das eine verstehen, aber es wird mit der Zeit kom- Nee, ich hatte nicht immer Lust. Ganz sel- Kinderbibel? men ... du wirst Zusammenhänge erken- ten habe ich an einem Tag nicht gelesen. nen ... und keine Angst, auch ich verstehe Auch interessierte mich nicht immer alles. Timo Weber: Nein. Eine ganz normale noch heute nicht alles.» Doch je älter ich wurde, desto mehr Zu- Lutherbibel mit altdeutschen Wörtern. Ich sammenhänge erschlossen sich mir, wie mag es bis heute, Gottes Wort einfach so zu Jeden Morgen, wenn der Wecker klin- mein Vater es gesagt hatte. So wurden Bü- lesen, ohne irgendeinen Kommentar, und gelte, machte ich sofort das Licht an und cher wie 3. Mose oder die Chronikbücher all meine Fragen mit der Bibel selbst zu be- las ein Kapitel aus dem Neuen Testament. mit den Namenslisten wirklich interessant antworten. Abends im Bett las ich zum Abschluss des und lehrreich. Nebenbei, ohne es zu mer- Tages noch im Alten Testament. Das war ken, lerne ich durch das Bibellesen echt Und du hast wirklich alle Bücher gelesen, oft ein Kampf, weil ich müde war, aber ich viele Bibelstellen auswendig oder ich weiss auch die schwer verständlichen prophe- wollte es. Diese Routine, morgens sofort einfach, in welchem Kapitel oder Buch sie tischen Bücher? Gab es eine erwachsene das Licht einzuschalten und zu lesen, hat stehen. Person, die dir dabei half? sich so bei mir eingebrannt. Es ist für mich total normal, egal, wie müde ich bin. Wie erlebtest du deine Schulzeit? Bekehrt Am besten erkläre ich dir die ganze Ge- hast du dich ja erst später ... Haben dich schichte: Meine Eltern haben mich «im Hast du deine Eltern gefragt, wenn du Fragen bezüglich «Schöpfung», «Wer Glauben» erzogen. Immer ging ich mit etwas nicht verstanden hast? ist der Mensch?», «Was ist der Sinn des zur Kirche und war an den biblischen Ge- Lebens?», «Was kommt nach dem Tod?» ... schichten interessiert. Mein Vater sass je- Ehrlich gesagt, redete ich zwar viel mit mei- angetrieben zu lesen? den Tag um sechs Uhr in seinem Büro und nen Eltern – vor allem mit meinem Vater – las die Bibel. Jeden Tag! Wenn ich morgens über die Bibel und den Glauben oder mitt- Eigentlich glaubte ich von klein auf an die aufstand, sah ich als Erstes immer meinen lerweile über Predigten, Theologiestudium Existenz Gottes und zweifelte nie daran. usw., aber über meine tägliche Bibellese 48 ETHOS 7| 2018

«Mein Vater sass jeden Tag um sechs Uhr in seinem Büro und las die Bibel. Jeden Tag!» Dass ich ein Sünder bin und Jesus brau- len. Lies sie durch. Dann lies, was du in Kannst du dazu noch etwas mehr sagen? che, war mir schon als Jugendlicher klar. der Schule gelernt hast. Und anschliessend Doch mit 16 Jahren lernten wir die Evo- nochmals die Bibel. Und dann entscheide Vielleicht noch eine Anekdote aus der Zeit lutionstheorie in der Schule. Da stellte ich dich, was du für richtig erachtest.» in der Polizeischule. Wie gesagt bekehrte mir die Frage: «Wie kann es sein, dass du ich mich mit 16 und mit 19 Jahren liess ich jetzt acht Jahre hintereinander in der Bibel Das tat ich. Ich kam zu dem Schluss, mich als überzeugter Christ taufen. Doch den Schöpfungsbericht gelesen hast, und dass die Evolutionstheorie nicht bewiesen Jesus war noch nicht in allen Bereichen hier in der Schule lehren sie dich genau das und wissenschaftlich sehr fragwürdig ist. meines Lebens die Nummer 1. Ich wollte Gegenteil?» Ab diesem Moment glaubte ich bewusst an im Sport erfolgreich sein und investierte die Schöpfung Gottes und begriff: Nun ge- sehr viel in den Triathlonsport. Das hat mir Ich ging damit zu meinem Vater. Er hört mein Leben Gott. sehr viel bedeutet. hatte, als ehemaliger Wissenschaftler, die- sen Kampf zwischen Schöpfung und Evo- Ich erzählte damals auch meiner Biolo- Als ich mit 22 Jahren in die Poli- lution auch erlebt. Seine Antwort war sehr gie-Lehrerin von meinen Entdeckungen. zeischule eintrat, fragte mich genau zu weise: «Timo, hier hast du ein paar wis- Sie hat nur darüber gelacht, aber ich blieb dem Zeitpunkt ein Ältester unserer Ge- senschaftliche Bücher, welche die Evoluti- dabei. Die Bibel ist Gottes Wort und ich meinde, ob ich nicht anfangen wolle zu onstheorie wissenschaftlich in Frage stel- glaube ihr in allen Dingen. Bis heute habe predigen. ich es nicht bereut. Timo Weber mit seiner Frau. «Wie kann es sein, dass du jetzt acht Jahre hinter- einander in der Bibel den Schöpfungsbericht gelesen hast, und hier in der Schule lehren sie dich genau das Gegenteil?» 49ETHOS 7| 2018

Timo Weber im Polizeidienst. «Je älter ich wurde, desto mehr Zusammenhänge erschlossen sich mir.» Also begann ich damit. Nach einem Jahr das echte Leben. Der Zimmernachbar ist die Bibel von klein auf gelesen zu haben. stellte ich jedoch fest, dass ich nicht mehr übrigens trotzdem mein Freund geblie- Ich kann es jedem nur anraten. seriös für den Triathlonsport trainiert ben ... hatte, weil ich durch den Predigtdienst und In Josua 1,8 steht, dass wer die Bibel je- die Vorbereitungen kaum mehr Zeit dazu Ich weiss nicht, wie du das in deinem Um- den Tag liest, Erfolg haben wird auf allen fand. Gott zeigte mir ganz praktisch, dass feld erlebst, aber ich kenne kein solches seinen Wegen. Nun, das stimmt: Gottes es viel wichtiger und erfüllender ist, zuerst Kind, wie du es warst. Du schon? Wort hat mir bisher alle Fragen meines Le- nach seinem Reich zu trachten. bens beantwortet. Ob es solche Kinder gibt? Keine Ahnung. An diesem besagten Tag in der Poli- Es ist auch nicht mein Verdienst, sondern Was heisst für dich «Erfolg haben auf allen zeischule kam abends mein Zimmernach- das Vorbild meines Vaters und Gottes Füh- Wegen»? bar und fragte, ob ich mit Freunden zum rung, dass ich das bis heute tue. Ich sehe es Playstationspielen komme. Ich lehnte ab, nicht als Leistung an, sondern als Vorrecht, Darunter verstehe ich, dass Gott unser Le- weil ich meine Predigt vorbereiten musste. ben sichtbar segnet, wenn man sich an die «Timo, es nervt mich total, dass du mittler- Timo Weber weile nur noch deine Bibel liest und Pre- mit seiner «Ich sehe es nicht als digten vorbereitest. Ich gehe jetzt Playsta- Frau. Leistung an, sondern tionspielen, und wenn du in fünf Minuten als Vorrecht, die Bibel nicht da bist, sind wir keine Freunde mehr.» von klein auf gelesen Dann knallte er die Zimmertür hinter sich zu haben.» zu. Ich war in dem Moment total durchei- nander. Da fiel mir ein Gedicht ein: «Wa- rum greif ich so oft nach dir – du altes Buch in meinen Händen? Was hast du, was es in den Bänden um dich her nicht gibt? Auf je- der Seite zeigst du mir die Grenzen meines Lebens ehrlich und zeigst, wie dennoch un- aufhörlich Gott mich liebt.» Es stammt von Manfred Siebald. Ich weinte kurz, dankte Gott und ent- schied mich, sitzen zu bleiben und wei- ter die Predigt vorzubereiten. Gottes Wort bleibt und ist wahr und man findet darin 50 ETHOS 7| 2018


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