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Rosenbauer - ready Magazin 2023 (DE)

Published by Rosenbauer Group, 2021-08-04 11:43:17

Description: IM FOKUS: DIGITALISIERUNG Wie revolutioniert ein völlig vernetztes Einsatzfahrzeug die Feuerwehr? Welche digitalen Technologien erleichtern den Einsatz der Zukunft? Und braucht es dafür noch menschliche Arbeitskraft?

Keywords: Rosenbauer,Feuerwehr,Technologien,Digitalisierung

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IM FOKUS: DIGITALISIERUNGWie revolutioniert ein völlig vernetztes Einsatzfahrzeug die Feuerwehr? Welche digitalen Technologien erleichtern den Einsatz der Zukunft? Und braucht es dafür noch menschliche Arbeitskraft?Das Rosenbauer Magazin2021ARBEIT NEU DENKEN .Die Feuerwehr ist Vorbild für neue Formen der Zusammenarbeit.KÜNS TLIC HE INTELLIGENZ.Wie Maschinen laufend klüger werden und die Zusammenarbeit mit KI gelingt. € 6,50

2 | Das Rosenbauer Magazin

editorialLiebe Leserinnen, liebe Leser,wir freuen uns sehr, Ihnen ready, das neue Magazin von Rosenbauer, vorstellen zu dürfen. Die vorliegende erste Ausgabe von ready ist der Digitalisierung gewidmet. Diese durchdringt immer stärker alle Lebensbereiche und verändert sukzessive unseren Alltag. Je nach persönlichem Geschmack wird die Digitalisierung gern attributiv mit Begriff en wie Transformation oder Revolution verwendet. Klar ist, auch die Arbeitswelt der Feuerwehren wird nachhaltig eine andere werden. Die digitalisierte Feuerwehr wird eine Organisation mit zusätzlichen Fähigkeiten und neuen Möglichkeiten sein. Mit ready wagen wir einen Blick in die Zukunft der Einsatz­organisation, analysieren die Auswirkungen gesellschaftlicher Trends auf die Feuerwehr und durchleuchten die Relevanz wissenschaftlicher Erkenntnisse für den Feuerwehralltag. In Zukunft werden wir uns in jedem Heft auf ein ausgewähltes Schwerpunktthema konzentrieren und dessen Bedeutung für die Einsatzkräfte umfassend aufarbeiten. Dabei wollen wir unseren Blick über den Tellerrand hinaus richten und durch wechselnde Perspektiven Denkanstöße für eine breitere Diskussion und Bewusstseinsbildung innerhalb des Feuerwehrsektors geben.Viel Vergnügen beim Lesen wünscht IhnenTiemon Kiesenhofer, Chefredakteur Group Communication, Rosenbauer International AGEinsatz neu denken. Alle Einsatzdaten auf Knopfdruck abrufbar und damit alles im Blick: Der RT revolutioniert den Feuerwehralltag. IN KÜRZE | 3Tiemon Kiesenhofer, Chefredakteur

4 | Das Rosenbauer MagazininhaltSCHLAGLICHTEine Geschichte des E-Antriebs, Waldbrandbekämpfung und Hilfe von Kamerad Roboter.SEITE 6DIGITALE REVOLUTIONIst die Digitalisierung Fluch oder Segen? Wie profitiert die Feuerwehr von vernetzten Anwendungen und welche Konsequenzen hat das für die Stadt der Zukunft?SEITE 8–33IM FOKUS8 SMARTE STÄDTEDigitale Anwendungen und grüne Technologien machen Städte künftig lebenswerter. Die Vorreiter.SEITE 34 DIE FEUERWEHR IM ECHTZEITALTERLaufend generierte Echtzeitdaten erleichtern der Feuerwehr künftig den Einsatz. Ein Ausblick. SEITE 38 TOTAL DIGITALDer Revolutionary Technology hebt den Feuerwehreinsatz dank totaler Konnektivität auf ein neues Level. SEITE 40VERNETZUNG34

5|MIT BRIEF UND SIEGELDieter Siegel, CEO von Rosenbauer, über Digitalisierung.SEITE 66DAS ENDE DER HIERARCHIEN?Starre Strukturen haben in der neuen Arbeitswelt ausgedient. Die Feuerwehr als Vorbild für New Work.SEITE 42 INTERVIEW: „SUBTILE ENTSCHEIDUNGS- LENKER”Mit Nudging lässt sich Verhalten beein flussen. Österreichs Arbeitsminister Martin  Kocher  verrät im Interview, was es damit auf sich hat.SEITE 46NEUES ARBEITEN42CYBORGS UNTER UNSWir verschmelzen zunehmend mit der Technik, die wir verwenden. Sind wir auf dem Weg zum Maschinenmenschen?SEITE 50 FLIEGENDE AUGENVon oben sieht man besser: Drohnen sind aus dem Feuerwehralltag fast nicht mehr wegzudenken. SEITE 54TRAININGSLAGER FÜR KIMaschinen werden immer klüger – auch dank des Instituts für Machine Learning an der Universität Linz, Österreich.SEITE 56INTERVIEW: „SYNERGIE STATT SUBSTITUTION”Roboterpsychologin Martina Mara weiß, wie das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine gelingen kann.SEITE 58KOMMT DER BLACKOUT?Digitale Technologien brauchen Strom. Wie wahrscheinlich ist ein Netzausfall, und was hilft, wenn nichts mehr geht?SEITE 62MENSCH UND MASCHINE50

Das Rosenbauer Magazinas Rosenbauer Magazin6| DSCHLLIDie heißesten NeuigkeitenWUSS TEN SIE, D ASS …… die Feuerwehren in Paris, Berlin und Wien bereits Anfang des 20. Jahrhunderts auf Elektroantrieb setzten? Der E­Motor hatte für kurze Zeit gegenüber dampf­ oder benzinbetriebenen Motoren die Nase vorn. Der Grund: Vielen erschien die Vorstellung absurd, ausgerechnet mit Fahrzeugen mit hochentzündlichen Kraftstoff en zur Brandbekämpfung auszurücken. Erst ab ca. 1915 überwogen die Vorteile des Verbrennungsmotors wie Gewichtseinsparung durch den Wegfall der Batterien, höhere Reichweite und Endgeschwindigkeit. Noch 1918 befanden sich im 77 Fahrzeuge zählenden Fuhrpark der Wiener Berufsfeuerwehr 58 Elektromobile. KAMERAD R OB O TER.Wann immer es für Feuerwehrleute brenzlig wird, gibt es einen Kameraden, auf den sie zählen können: den RTE Robot. Er befördert Nutzlasten bis 650 kg und ist dank ausgeklügeltem Wechsel­system im Handumdrehen für jeden Einsatz gerüstet: mit Kameras und Sensoren zu Erkun­dungszwecken, einem Saugstellenblock zur Löschwasserversorgung, einer Tragkraftspritze samt Schlauchmaterial zum Verlegen von Relaisleitungen, einem Werferaufbau für die Brandbekämpfung sowie fi x montiertem Schäkel für Bergearbeiten. Mit seinem Raupen­fahrwerk erklimmt er selbst steile Stiegen­häuser. Ein Helfer für alle Fälle also. FEUER WEHR UNTER S TR OM.WEHR UNTER S TR OM.Der Elektromobilität gehört die Zukunft. Klar, dass Rosenbauer mittlerweile gleich zwei Fahrzeugtypen mit E­Antrieb im Programm hat: ein Logistik­ und ein Tanklöschfahrzeug (siehe Coverstory ab S.10). Das Logistik­fahrzeug wurde mit einem klassischen Feuerwehraufbau auf einem bestehenden LKW­Serienchassis von Volvo Trucks reali­siert. Dieses gibt es seit 2019 auch in einer vollelektrischen Version (Volvo FL Electric). In ihm steckt die Power von vier 600­V­Batterien mit je 50 kWh. Dabei meistert es Einsätze besonders leise: Der Elektromotor erzeugt im Leerlauf fast 40 dB weniger Lärm als ein vergleichbarer Verbrenner.SCHLDie heißesten NeuigkeitenFEUERDer Elektromobilität gehört die Zukunft. Klar, dass Rosenbauer mittlerweile gleich zwei Fahrzeugtypen mit E­Antrieb im Programm hat: ein Logistik­ und ein Tanklöschfahrzeug (siehe Coverstory ab S.10). Das Logistik­fahrzeug wurde mit einem klassischen

KURZMELDUN GEN | | 77LAGICHTIM VIR TUELLEN KL ASSENZIMMER.Im  Ernstfall muss jeder Handgriff sitzen. Den sicheren Umgang mit dem Equipment – etwa einer Drehleiter – kann man an den Rosenbauer Simulatoren üben. VR­Brille aufsetzen, zwei Joysticks zur Hand nehmen und schon kann es losgehen. Ein Operator gibt via PC die Trainingsinhalte vor und programmiert das Einsatz szena rio. Das fl immert über die 3­D­Brille, während das virtuelle Einsatz­fahrzeug mit einem Joy stick gesteuert wird – und das ohne Ressourcenverbrauch und emissionsfrei. Trainiert werden kann übrigens auch der taktische Umgang mit kommunalen Löschfahrzeugen und Flughafen löschfahrzeugen.WENN DER W ALD AL ARM SC HL Ä GT . Je früher ein Waldbrand entdeckt wird, umso größer sind die Chancen, diesen mit relativ geringem Aufwand und Ressourcenverbrauch zu löschen – vorausgesetzt, der Erstangriff kann binnen 20 Minuten erfolgen. Besonders hilfreich: Waldbrandfrüherkennungssysteme, die mittels Sensorkameras Rauch in bis zu 40 km Ent fernung detektieren. Die „Rauchzeichen“ werden dabei in Grau­stufenbilder zerlegt, Pixel für Pixel nach Kontrast, Farbe, Dynamik, Ausbreitung und Lage analysiert und bei ent­sprechenden Werten automatisch an die nächste Wald­brandzentrale bzw. die zuständige Feuerwehr­ Leitstelle übermittelt. Das klappt auch bei Smog, Bewölkung und anderen schlechten Sichtverhältnissen. ICHT

8 | Das Rosenbauer MagazinIm Einsatz. Neue Technologien verändern den Feuerwehralltag.

IM FOKUS 9|Macht Digitalisierung menschliche Arbeitskraft künftig überflüssig? SEITE 10Wie ein Fahrzeug das Feuerwehrwesen revolutioniert. SEITE 16Der Revolutionary Technology (RT) von Rosenbauer im Härtetest. SEITE 22Wie neue Technologien im Einsatz der Zukunft zusammenspielen.SEITE 2697 Städte weltweit sind Vorreiter beim Klimaschutz. SEITE 30Berlin setzt als erste Stadt auf den RT. SEITE 32DIGITALE REVOLUTION

10 | Das Rosenbauer Magazin 2010:298 2015:584 2020:1.426 2025:4.909ANZAHL DER WELT WEIT D A TENERZEUGENDEN INTERAK TIONEN PR O K OPF UND T A GDaten sind die Währung der Digitalisierung und haben unseren Alltag nachhaltig verändert – auch den der Feuerwehr. Doch wo bleibt der menschliche Faktor?m Ernstfall hat man wenige Minuten: In diesen prasselt Information um Information auf die Mann­schaft ein. Gleichzeitig müssen diese mit kühlem Kopf analysiert und miteinander in Verbindung gesetzt werden. Und in diesen Minuten muss das Einsatz­fahrzeug am schnellsten Weg durch den Stadtverkehr gesteuert werden. In dieser knapp bemessenen Zeit, in der der Adrenalinpegel der Feuerwehrleute steigt, muss eine schlagkräftige Strategie ent wickelt werden, an der Menschenleben hängen. Die wich­tigsten Tools: ein Tablet und ein Touchdisplay. Über das Tablet fl immern laufend neue Daten, die die Mannschaft mit dem nötigen Wissen über den Einsatz versorgen, die sonst über Funk durchgegeben oder mühsam mittels analoger Karten und Dokumente herausgesucht werden mussten. Informationen, wie es um die technische Ausrüstung des Fahrzeugs bestellt ist, scheinen am Touchdisplay des Wagens auf und machen den Einsatz besser planbar. Und das ist erst der Anfang, denn künftig werden noch wesentlich mehr Daten miteinbezogen werden können. Diese liefern Verkehrsleitsysteme, Sensoren, Kameras und viele weitere Tools in einer vernetzten Stadt (siehe auch „Die Feuerwehr im Echtzeitalter“ ab S. 38). Daten sind und werden immer mehr zur Grundlage eines erfolgreichen Feuerwehr einsatzes. IWILLKOMMEN IN DER NEUEN WIRKLICHKEITDatenmasse.Daten werden immer und überall gesammelt und machen Innovation möglich.

IM FOKUS 11|Ob in Einsatzorganisationen, deren Effi zienz damit deutlich erhöht wird, beim Online­Shopping oder beim Blick auf den Routenplaner, der anzeigt, wann der nächste Bus kommt: Daten bestimmen mittlerweile unseren Alltag maßgeblich mit. „Viele nutzen Anwen­dungen, die es vor wenigen Jahren noch nicht einmal gab, heute ganz selbstverständlich am Smartphone. Die Digitalisierung und damit auch die Vernetzung haben in allen Lebensbereichen Einzug gehalten“, sagt Wilfried Sihn, Geschäftsführer der österreichi­schen Fraunhofer Gesellschaft. V ORREITERJene Unternehmen, die dieses Potenzial als Erstes erkannten, beherrschen heute den Weltmarkt und haben sich seit ihren Anfängen rasant weiterentwi­ckelt: Apple, Facebook, Google und Co. Die Big Player waren auch gleichzeitig First Mover, denn sie reali­sierten früh, dass ihre Lösungen nicht nur das Leben von Milliarden Menschen erleichtern, sondern sie mit ihren Dienstleistungen auch einen riesigen Schatz anhäufen, der die Weiterentwicklung ihrer Konzerne befeuert: Daten. Sie machten dabei mustergültig vor, wie sich aus den ursprünglichen Diensten völlig neue Geschäfts­modelle generieren lassen, wenn man in der Lage ist, den gesammelten Datenschatz zu heben. Unterneh­men und Organisationen werden durch intelligente Prozesse wendiger und kennen ihre Kunden und deren Wünsche und Anforderungen besser. So entstehen neue Wertschöpfungsketten, gleichzeitig ändert sich das Arbeits­ und Konsumverhalten. Die Digitalisierung Digitale ToolsWelche Technologien zum Einsatz kommen, ist branchenspezifi sch. Allerdings hinkt die EU den USA noch immer hinterher. Quelle: Europäische Investitionsbank (2019)Internet of Things (IoT)Non-IoT2015202120253,810,113,911,611,623,221,512,734,2So viele Geräte sind weltweit schon vernetzt (in Mrd.)Quelle: IoT Analytics Research 20183-D-DruckRoboticsIoTBig Data0510 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60USA0510 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60EUSER VICESIn %In %

12 | Das Rosenbauer Magazin12hat die gesamte Gesellschaft erfasst und einen massi­ven Wandel aller Lebensbereiche in Gang gesetzt, der auch vor Einsatzorganisationen nicht haltmacht. DER S T AND DER DIN GEDiese Entwicklung zu verschlafen, können sich Unternehmen und Organisationen, die innovativ und wettbewerbsfähig bleiben wollen, nicht leisten – auch wenn es gedauert hat, bis die Auseinandersetzung damit Fahrt aufnahm und nun durch COVID­19 immer drängender wird. Denn die Pandemie entpuppt sich als regelrechter Digitalisierungsmotor. Eine repräsen­tative Studie des Beratungsunternehmens EY erhob 2019, wie österreichische Unternehmen zum Thema Digitalisierung stehen. Während digitale Technologien für das eigene Geschäftsmodell im Jahr 2018 erst für 56 Prozent der mehr als 900 befragten österreichi­schen Unternehmen eine große bis sehr große Rolle spielten, waren es ein Jahr später bereits 77 Prozent. Gleichzeitig schrumpfte der Anteil jener, für die der Einsatz neuer Technologien keine Auswirkungen hatte, von 20 auf drei Prozent. Umfassende Erhebungen über die Relevanz der Digi­talisierung für die Feuerwehr gibt es zwar noch nicht, doch ebenfalls 2019 konstatierte die Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb), die Zukunft gehöre der vernetzten Feuerwehr. Das Leit institut für die wissenschaftliche, technische und organisatorische Weiterentwicklung des Feuerwehr­wesens ist überzeugt, dass digitale Lösungen den Ein­satzalltag in Zukunft maßgeblich (mit­)bestimmen und damit zu deutlich höherer Schlagkraft führen werden.DIE FRA GE N A C H DEM NUTZENBloß: Womit beginnen? Big Data, Cloud, das Internet der Dinge, Smart City, Roboter, künstliche Intelli­genz und vieles mehr sind Schlagworte, mit denen wir täglich konfrontiert sind – und doch bleiben sie seltsam abstrakt. „Wir müssen Digitalisierung nicht vollumfänglich begreifen, um die Technologie zu nützen. Schließlich kippen wir auch nur einen Schalter, damit das Licht angeht – unabhängig davon, ob wir uns mit Elektrizität auskennen“, sagt Dirk Baecker, Soziologe und Inhaber des Lehrstuhls für Milliarden vernetzte Geräte werden 2025 aktiv sein.21,53-D-DruckRoboticsIoTBig Data0510 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60USA0510 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60EUINFRAS TR UK TURIn %In %

IM FOKUS 13|Kultur theorie und Management an der deutschen Universität Witten/Herdecke. Orestis Terzidis, Leiter des Instituts für Entrepreneurship, Technologie­management und Innovation in Karlsruhe, schlägt in dieselbe Kerbe: „Wichtig ist vor allem die Antwort auf die Frage: ‚Was nützt mir das?‘“ Erst dann erkenne man, wie die Technologien tatsächlich zielführend eingesetzt werden können. Verabschieden sollte man sich allerdings von der Vorstellung, die Digitalisierung sei ein Zustand, den man einfach so zukaufe, meint Wilfried Sihn: „Es ist der Weg, mit dem Einsatz neuer Technologien besser zu werden.“ Dabei heißt es allerdings gezielt vorzugehen, denn Anwendungen, die für ein Unter nehmen oder eine Organisation funk­tionieren, lassen sich nicht automatisch anderswo implementieren. Die gute Nachricht: Bei null muss fast niemand beginnen. Allerdings sind Unternehmen, die selbst jeden Schritt in der Produktion, im Kundenkontakt, im Supply Chain Management erfassen, zählen und messen, gegenüber Einsatzorganisationen klar im Vorteil. Sie kreieren damit selbst eine virtuelle Ent­sprechung der realen Welt in Datenform und häufen so nach und nach einen riesigen Berg von Daten an. Damit können Kundenbedürfnisse präzisiert, Schwachpunkte in der Lieferkette gefunden oder neue, vielversprechende Geschäftsfelder ausgemacht werden – wenn man die Daten zu interpretieren weiß. Feuerwehr und Co. hingegen sind zu einem Gutteil darauf angewiesen, wie stark vernetzt ihr Umfeld ist. Zwar gibt es bereits exaktes elektronisches Kartenma­terial, doch um im Einsatz tatsächlich vorausschauend handeln zu können, benötigt es Echtzeitdaten. Die Hoff nungen der Feuerwehr liegen daher auf Smart Cities (siehe auch „Total digital“, ab S. 40), wie auch das amerikanische National Institute of Standards and Technology in seiner „Research Roadmap for the Smart Fire Fighting“ festhält: „In einer zunehmend von Sensoren geprägten Welt kann man auf eine Vielzahl permanent generierter nützlicher Daten zurückgreifen.“ Diese sind während eines Einsatzes Gold wert, zumal bei entsprechender Vernetzung auch direkt in die städtische Infrastruktur eingegriff en „ Wir müssen Digitalisierung nicht vollum­fänglich begreifen, um die Technologie zu nützen.Dirk Baecker, SoziologeWilfried Sihn,Geschäftsführer von Fraunhofer Research Austria, sieht in der Digitalisierung vor allem die Möglichkeit, dank Technologien besser zu werden.werden kann, etwa wenn sich Ampeln während eines Einsatzes als grüne Welle schalten lassen. Am Ort eines Brandgeschehens hilft ein mittels Building Information System generierter digitaler Gebäude­zwilling bei der Orientierung, und Sensoren melden den Kohlenmonoxidgehalt in einzelnen Bereichen eines Brandherdes. Bei Fahrzeugunfällen alarmieren hingegen eCall­Systeme gleich selbst die Einsatzkräf­te und übermitteln dank Sensoren die wichtigsten Fakten wie GPS­Koordinaten, Anzahl der angegurteten und nicht angegurteten Personen oder ob sich der Wagen überschlagen hat. Helfer können damit die Situation bereits im Vorfeld besser einschätzen und kommen daher schon entsprechend ausgerüstet und in der richtigen Zahl an den Einsatzort. Entsprechend schneller können sie vor Ort reagieren. Wenn dann noch alle Einsatzdaten digital dokumentiert, ausge­wertet und damit nachvollziehbar werden, lassen sich zudem präzisere Prognosemodelle erstellen, um beim nächsten Mal noch gezielter zu agieren.Dennoch stehen Einsatzorganisationen – ebenso wie Unternehmen – vor der Herausforderung, diese „enormen Datenmengen zu verarbeiten, Datenbanken

14 | Das Rosenbauer Magazinaufzubauen und Algorithmen zu entwickeln, um sie in wirksamer Weise in den Einsatzalltag zu integrieren, für wichtige Entscheidungen zu nutzen und sie gezielt an die Menschen zu kommunizieren, die sie benöti­gen“, so der vfdb. Das ist leichter gesagt als getan, denn noch werden die meisten Daten ohne Ziel und Plan gesammelt. Um Muster zu erkennen oder gezielt Vorhersagen zu tref­fen, muss das Datenmaterial zunächst bereinigt und die Datenqualität erhöht werden. Erst dann kann man die Auswertung in Hinkunft Computerprogrammen überlassen. Deren größter Mehrwert ist das präzi­se Erkennen von Mustern, denn darin sind sie dem Menschen weit überlegen. Seitdem die ersten spei­cherprogrammierten Steuerungen in den 70er­Jahren Maschinen erstmals digital machten, wurden durch ständig höhere Rechenleistungen, Big Data und immer besser werdende Algorithmen aus den einst nur ausführenden Maschinen selbstlernende Systeme. Sie sind in der Lage, aus den Daten Gesetzmäßigkeiten abzuleiten und damit zunehmend selbstständig Pro­bleme zu lösen, ohne zuvor auf bestimmte Lösungs­wege programmiert worden zu sein – eine künstliche Intelligenz also. Die Anwendungsmöglichkeiten sind mannigfaltig. So kann KI als Traffi c Management System rasch und fl exibel auf Verkehrsunfälle reagie­ren und in Echtzeit Lösungsvarianten generieren. Autofahrer werden damit auto matisch auf andere Strecken umgeleitet, ohne den Weg für Einsatzkräfte zu blockieren. Wer einen Notfall meldet, spricht in Hinkunft vielleicht nicht mehr mit einem Menschen, sondern mit einem selbstlernenden Chatbot, der nicht nur erste Daten aufnimmt und mit dem Anrufer kommuniziert, sondern parallel dazu gleich die nächs­te Feuerwache alarmiert und mit Kameras ausgerüs­tete Drohnen als Vorhut zum Ein satzort schickt. Und dank sensorbestückter Schutzaus rüstung ist schon jetzt eine Echtzeit lokalisierung von Einsatzkräften möglich. Zudem können alle an einem Einsatz betei­ligten Menschen, Fahr zeuge und Maschinen fern­überwacht werden, was ihre Koordination erheblich vereinfacht. Es ist denkbar, dass ihr Zusammenspiel in Hinkunft nicht nur von KI analysiert wird, sondern diese auf Basis all dieser Daten auch gleich die Ein­satzkoordination (mit) übernehmen könnte. MA C HEN MASC HINEN UNSERE JOBS? Doch machen die intelligenten Systeme den Men­schen überfl üssig, wenn sie ihm in vielen Bereichen bereits jetzt überlegen sind? Nein, sind die Experten überzeugt. Künstliche Intelligenz sei zwar der Meister der Prognose, doch die Daten in Beziehung zuein­ander und zur Welt setzen müssen wir immer noch selbst, so das Zukunftsinstitut. Dennoch sollen und müssen wir zunehmend mit Maschinen zusammenar­beiten und mit ihnen kommunizieren, schreibt der So­ziologe Armin Nassehi in seinem viel beachteten Buch „Muster. Theorie der digitalen Gesellschaft“: „Für Millionen Arbeitsplätze entstehen weltweit durch die Digitalisierung bis 2025.97Der deutsche Soziologe Dirk Baecker ist überzeugt, dass die Digitalisierung völlig neue Jobs schaff en wird.

IM FOKUS 15|Menschen bleiben die Datenberge undurchsichtig. Wir sind auf Maschinen angewiesen, die darin verborgene Strukturen erkennen können.“ (Siehe auch „Trainings­lager für KI“, S. 56.) Digitale Transformation bedeutet auch eine technologisch vernetzte Kommunikation: zwischen Maschinen, aber auch zwischen Menschen und Maschinen. In einer sich ständig wandelnden Netzwerkgesellschaft werden damit bislang fest ver­ankerte Strukturen und Prozesse obsolet. Das betriff t alle Ebenen einer Organisation, alle Branchen und alle Lebenswelten – die gesamte Gesellschaft und den Einzelnen. Der digitale Wandel fordert neue Formen der Zusammenarbeit, des lebenslangen Lernens und ein enormes Maß an Anpassungsfähigkeit und führt neben all den verheißungsvollen Möglichkeiten nicht selten zu einem bangen Blick in die Zukunft. Denn bei jeder Veränderung drohen auch Menschen auf der Strecke zu bleiben. Problematisch wird das vor allem im Freiwilligensystem, gibt Claus Lange, Mitglied im vfdb­Präsidium und langjähriger Direktor der Feuerwehr Hannover, zu bedenken: „Wir dürfen die helfenden Menschen, die sich bei der Feuerwehr engagieren, nicht aus den Augen verlieren. Vernet­zung steht auch für ein menschliches Miteinander, das mehr als bisher von Achtung, Vertrauen und Wert­schätzung geprägt sein muss. Da unterscheidet sich die Feuerwehr 4.0 durchaus von der Industrie 4.0.“Kosten uns Maschinen also künftig Jobs, wenn nicht nur Fabriken fast ohne menschliches Zutun funkti­onieren können, Supermarkt­Kassiererinnen durch Bezahlscanner ersetzt werden, sondern auch Bots eine Einsatzleitung übernehmen könnten? Soziologe Dirk Baecker beruhigt: „Die Menschheitsgeschichte zeigt, dass mit einem solch massiven Wandel Arbeits­plätze auftauchen, an die vorher niemand gedacht hat. In der Tat sind das evolutionäre Fähigkeiten, über die ein Wirtschaftssystem verfügt.“ Nach Schätzungen des Weltwirtschaftsforums entstehen durch die Digi­talisierung bis 2025 weltweit rund 97 Millionen neue Arbeitsplätze – auch wenn sie mit einem veränder­ten Arbeitsmarkt einhergehen. Tatsächlich trage die Digitalisierung laut Baecker aber dazu bei, dass mehr Menschen sinnerfüllteren, kreativeren Tätigkeiten nachgehen können – und damit ihre Jobs als weitaus befriedigender empfi nden. Wilfried Sihn plädiert daher für hybride Systeme, in denen lähmende oder gefährliche Routine arbeiten getrost an Maschinen ausgelagert werden, um Menschen für komplexe oder kreative Prozesse freizuspielen. So können bei Brandeinsätzen künftig Löschroboter vorgeschickt werden, um die Helfer nicht unnötig zu gefährden. Die große Herausforde­rung wird sein, diese neue Art der Zusammenarbeit auch zu implementieren. Lediglich digitale Technolo­gien zur Verfügung zu stellen, funktioniere in 98 Pro­zent der Fälle nicht, sagt Stephanie Schmitt­Rüth, Leiterin des Bereichs „Human Centered Innovation“ der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS in Nürnberg. Es brauche dazu off ene Kommunikation und ein neues Mindset auf Führungs­ebene, um Mitarbeitenden Sicherheit zu geben und sie in diese Prozesse einzubeziehen: „Für diese stellt sich sonst die Frage, ob die Maschine zum Assistenten des Menschen wird oder doch eher umgekehrt. Für Ersteres sind Qualifi zierung und Bildung die Schlüsselfaktoren.“ (Siehe „Das Ende der Hierarchien?“, S. 42.) Denn so weit die Digitalisierung schon fortgeschritten ist, das Bildungssystem hinkt dem Wandel hinterher und vermittelt noch lange nicht jene Kompetenzen, die es braucht, um sich in einer datengetriebenen Welt zurechtzufi nden. Aber was Maschinen können, können wir schon lange: lebens­langes Lernen, um auch künftig in der digitalen Welt zu bestehen. Stephanie Schmitt-Rüth leitet den Bereich „Human Centered Innovation“ des Fraunhofer Instituts und sieht Qualifi ­zierung und Bildung als wesentliche Schlüsselfaktoren der Digitalisierung.

16 | Das Rosenbauer MagazinWENN C OC KPIT UND KABINE ZUS AMMENW A C HSENIm Feuerwehrfahrzeug der Zukunft bilden Cockpit und Mannschaftsraum eine Einheit und sind in der Klasse bis 18 Tonnen nicht mehr durch eine Zwischenwand getrennt. Das bringt vor allem aus kommunikativer Sicht eine völlig neue Qualität im Einsatzalltag. Das Cockpit wird zum Kommandostand, der Mannschafts-raum zum Besprechungszimmer. Die Crew-Mitglieder sitzen um 90 Grad gedreht an den Fahrzeugseiten mit Blick nach innen sowie an der Kabi-nenrückwand mit Blick nach vorn. Alle haben eine ungehinderte Sicht auf das große, im Armaturenbrett verbaute Zen tral display, auf dem die einsatzrelevanten Informationen ver-mittelt werden. Sobald das Fahrzeug an der Einsatzstelle angekommen ist, drehen Fahrer und Beifahrer ( Maschinist oder Fahrzeugkomman-dant) nur mehr ihre Sitze nach innen, und schon ist die Konferenzsitzanord-nung perfekt. Lagebesprechungen können somit wind- und wetterge-schützt, ungestört und in ruhiger Atmosphäre durchgeführt werden. Gleichzeitig ist der Mannschaftsraum ein sicherer Rückzugsort.

IM FOKUS 17|IN DER EINSATZ­ZENTRALE DER ZUKUNFTAlles im Blick, alle Einsatzdaten stets abrufbar – die Digitalisierung revolutioniert die Feuerwehrfahrzeuge.in Notruf geht in der Leitstelle ein: In einem Bürohaus am Stadtrand ist ein Feuer ausgebrochen. Auf der Feuerwache schrillt der Alarm und die dienst­habenden Einsatzkräfte stehen in Sekundenschnelle bereit. Jeder Handgriff sitzt beim Anlegen der Ausrüs­tung. Routine für die Feuerwehrleute – doch die Luft vibriert, die Anspannung in den Einsatzfahrzeugen ist spürbar. Dennoch heißt es einen kühlen Kopf bewah­ren. Denn bereits während der Fahrt zum Einsatzort versorgt sie die Fahrzeugkommandantin mit wichtigen Informationen für den kommenden Einsatz.Wie das geht? Digitale Tools machen es möglich. Musste man sich früher ausschließlich auf das Wissen Einzelner verlassen, wenn es darum ging, die nächste Wasserentnahmestelle zu kennen, wie man am schnellsten zum Einsatzort oder in ein brennendes Objekt kommt, sind wichtige Daten, die eine bes­sere Einsatzvorbereitung ermöglichen und Einsätze beschleunigen, heute digitalisiert und jederzeit ab­rufbar. Entscheidend ist allerdings deren Qualität: Das Alarmgebiet wurde systematisch aufgearbeitet, Wasserkarten erstellt, Anfahrtsrouten dokumen­tiert, Gebäudepläne beschafft und Angriffswege festgelegt – ein entscheidender Schritt in Richtung Feuerwehr 4.0.E„ Digitale Tools ermöglichen bessere Einsatz­vorbereitung und beschleunigen Einsätze.

18 | Das Rosenbauer MagazinD A TEN A UF KN OPFDR UC KNoch bevor die Mannschaft in das Fahrzeug springt, um Richtung Einsatzort zu brettern, hat der Einsatz­leitrechner die Alarmdaten auf das Tablet der Kommandantin übertragen. Alle notwendigen Infor­mationen sind hier abrufbar: Wo befindet sich die Ein­satzstelle? Was ist passiert? Sind Personen verletzt? Ein Knopfdruck und das Navigationssystem zeigt ihr den schnellsten Anfahrtsweg, ein weiterer und sie ist über die Verkehrslage entlang der Route informiert. Sie schaltet das Fahrzeug auf Einsatzfahrt und ruft über den Touchscreen die anderen Einheiten, die von der Leitstelle mit alarmiert wurden, auf. Die Kommandantin behält somit nicht nur den Über­blick über ihren eigenen Löschzug. Die Übersichts­karte zeigt ihr an, wie viele und welche Fahrzeuge unterwegs sind, wo sich diese gerade befinden und wann sie an der Einsatzstelle eintreffen werden. Doch „ Alle notwendigen Einsatzdaten sind schon bei der Abfahrt am Tablet der Kommandantin abrufbar.Vernetzt. Wesentliche Infor­mationen über Ressourcen und beteiligte Einheiten hat die Mannschaft stets im Blick.VERNETZTE FEUER WEHRAlle Fäden eines Feuerwehr einsatzes laufen in Zukunft im Feuerwehrfahrzeug zusammen. Es baut sein eigenes, abgesi-chertes WLAN auf und vernetzt die beteiligten Mannschaften und Fahrzeuge über mobile Endgeräte. Über das Tablet erfolgt die Beschaffung der für den Einsatz benötigten Informationen und die Kommunikation mit den anderen Einheiten. Der Funkverkehr wird dadurch deutlich entlastet. Direkt aus dem Fahrzeug kann auf Verkehrs- und Gebäu-deleitzentralen, auf Datenbanken (Gefahr-stoffregister, Kfz-Ret-tungskarten) oder von den Feuerwehren im Vorfeld erstellte Dokumente (Wasser-karten, Anfahrtswege im Alarmgebiet) zuge-griffen werden.

IM FOKUS 19| Lagebesprechung.Die neue Sitzan­ordnung erleichtert die Einsatzplanung. Alle Daten sind sofort abrufbar.SOFT W ARE FÜR DEN EINS A TZEinsatzmanagementsysteme stellen alle relevanten Daten für den Feuerwehreinsatz zur Ver-fügung. Diese Daten werden auf einem zentralen Server verwaltet, von der Software mit Fortdauer des Einsatzes automatisch zu einem immer genaueren Lagebild verdichtet und synchronisiert auf alle Endgeräte verteilt. Anhand der Datenlage können Löschangriffe und Rettungsaktionen zielgerich-tet geplant und rasch ausgeführt werden. Darüber hinaus lassen sich die Daten dazu verwenden, Prognosemodelle für ähnliche Ein-satzlagen zu erstellen. Zu diesem Zweck werden sie beispielsweise mit Brand- und Einsatzstatistiken, Bewohner-, Infrastruktur- und Wetterdaten verknüpft, um die Ausbreitung eines Brandes oder die Evakuierung von Gebäuden (Personenstromanalysen) zu simulieren.wie ist es um die Ressourcen an Bord bestellt? Ein Klick auf die einzelnen Fahrzeugsymbole reicht, und die Füllstände von Wasser­, Schaummittel­ und Treib­stofftanks sowie die Ladezustände von Batterien und Akkus werden angezeigt. Über die Sitzplatzerkennung in Verbindung mit einer mit RFID­Chips ausgestatte­ten Schutzausrüstung lässt sich in Zukunft sogar die Anzahl und Ausbildung der Insassen abrufen. Damit hat sie alle Informationen über die Schlagkraft ihrer Truppe beisammen.WISSEN , W AS S A C HE IS TEinsatztaktik ist alles, denn sie entscheidet darüber, wie rasch ein Brand gelöscht werden kann. Um keine wertvolle Minute verstreichen zu lassen, verschafft sich die Kommandantin noch auf der Fahrt einen ersten Überblick über die Einsatzstelle. Sie erstellt direkt am Bildschirm eine Lagekarte und nutzt dazu die Geoinformationsdaten aus dem Netz sowie die im Einsatzmanagementsystem hinterlegten Objekt­ und Umgebungsdaten. So sieht sie auf einen Blick, wo sich die Hydranten und Einspeisestellen befinden, die Fahrzeuge aufgestellt werden können und die Fluchtwege im Gebäude verlaufen. Eine deutliche Erleichterung gegenüber der Einsatzplanung im ana logen Zeitalter. Der Feuerwehralltag der Zukunft profitiert maßgeb­lich von jenen Sensoren, die heute in Smart Buil­dings eingesetzt werden und laufend Gebäudedaten erheben. Denn schon während der Anfahrt hat die Kommandantin über ihr Einsatzmanagementsystem direkten Zugriff auf die Gebäude leittechnik und sieht auf dem Bildschirm, wo die Brandmelder ausgelöst haben und welche stationären Löscheinrichtungen

20 | Das Rosenbauer Magazinautomatisch angeschaltet wurden. Sogar die Lösch­leistung und Effi zienz der Sprinkleranlage kann sie Raum für Raum abrufen. Rauchmelder zeigen ihr an, wohin sich der Rauch ausbreitet, die CO­Warner, wo die Sauerstoff konzentration bereits kritisch ist. Windsensoren, die normalerweise die Jalousien steu­ern, geben zudem die Windrichtung an und damit auch, welche benachbarten Gebäude durch den Brand möglicherweise gefährdet sind und geschützt werden müssen. Von oben sieht man besser, darum spielt die Luft­perspektive bei der Erstellung der Einsatztaktik eine immer wichtigere Rolle. Schon heute verwenden Feuerwehren zu diesem Zweck nicht nur Luft­ und Satellitenbilder, sondern greifen über das Internet auf Kameras im öff entlichen Raum bzw. Überwa­chungskameras zu. Auch Drohnen werden immer häufi ger zur Lageerkundung eingesetzt und in Zu­kunft wohl zur Standardausrüstung der Feuerwehren gehören. Sie können vorausgeschickt werden, um Bilder von einer Einsatzstelle an die Fahrzeuge zu schicken, während diese noch auf der Anfahrt sind.T AK TIK IS T ALLESAnhand der Daten, die vom Einsatzmanagementsys­tem im Hintergrund geordnet und priorisiert werden, kann die Kommandantin bereits ihre Einsatztaktik skizzieren und die Mannschaft instruieren. Am Einsatz ort erfolgt die erste Lagebesprechung. Ge­meinsam mit der Mannschaft beugt sie sich über die interaktive Lagekarte. Dort leuchten die Daten aus dem Gebäude leitsystem auf und am Touchscreen DIGIT ALE EINS A TZDOKUMENT A TION Fahrzeugmanagementsysteme zeichnen alle Vorgänge im Feuer-wehrfahrzeug der Zukunft auf. Dazu gehören unter anderem Telemetriedaten (gefahrene Kilometer, Motordrehzahl etc.), Füllstands daten, exakte Positions- und Streckendaten, aber auch Betriebsdaten und Arbeitspara-meter von Löschsystemen und technischen Geräten. Sie stehen unmittelbar im Ein-satz zur Verfügung und werden darüber hinaus für den Wieder-abruf gespeichert. So entsteht für jedes Fahrzeug ein durchgängi-ges Logbuch über alle Einsätze, das zum Führen eines elektroni-schen Fahrtenbuchs bzw. für ein komplettes Flottenmanagement genutzt werden kann.Konnektivität. Im Feuerwehrfahr­zeug der Zukunft laufen alle Fäden zusammen.

IM FOKUS 21|Dokumentation. Sämtliche Einsatzdaten werden gespeichert und helfen den Feuer­wehren, künftig noch fokussierter zu handeln.markiert sie die Brandherde, Räume, in denen sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch Personen aufhalten, und zeichnet die Angriffs­, Rettungs­ und Fluchtwege ein. Weiters setzt sie Icons bei der Gebäudeleitzentrale und an den Anschlussstellen der Steigleitungen und zeigt zur besseren Veranschau­lichung der Einsatzlage einige Kamerabilder. Da dies gleichzeitig auf die Bildschirme in den anderen Fahrzeugen übertragen wird, gehen alle beteiligten Feuerwehrleute mit dem gleichen Wissensstand in den Einsatz. Schnell erteilt die Kommandantin noch wichtige Arbeitsanweisungen und Gefahrenhinweise und schickt ihre Mannschaften los. „ Drohnen werden künftig zur Standardaus­rüstung der Feuerwehren gehören.Neue Perspek-tiven. Luftbilder liefern im Einsatz wertvolle Zusatz­informationen.

22 | Das Rosenbauer Magazin„ Unsere Prototypen sind fahrende  Mess labore.Mohamed Eldin, Testfahrer und EntwicklungsingenieurGeländegängig. Egal auf welchem Untergrund – auf den RT ist Verlass.

IM FOKUS 23|„ Auf den Prüfständen erfolgt das Finetuning. Clemens Stangl, Testfahrer und EntwicklungsingenieurDas neue elektrische Feuerwehrfahrzeug von Rosenbauer muss beweisen, dass es dem Feuerwehreinsatz gewachsen ist. HÄRTETEST FÜR DEN RTnapp 20 Minuten dauert eine Runde, zwei werden am Stück gefahren. Danach wird das Fahr­zeug einer Sichtprüfung unterzogen, die Messdaten werden ausgelesen und dokumentiert. Mindestens 100 solcher Testzyklen absolviert der neue Revoluti­onary Technology (RT), um seine Fahreigenschaften in den verschiedensten Belastungssituationen unter Beweis zu stellen. Gefahren wird auf einer abgesperr­ten Teststrecke mit zwei Kilometer langer Asphaltpiste und sieben Kilometern unbefestigter Geländestrecke. Perfekt für die Erprobung von Feuerwehrfahrzeugen.DEFINIER TE L AS T WEC HSEL A UF DEM HINDERNISP AR C OURSDie Asphaltpiste macht den Anfang. Alexander Pohn beschleunigt den RT und nimmt den Fuß vom Gas. Sofort macht sich die Rekuperation über die Elektro­motoren bemerkbar, das Fahrzeug wird sanft abge­bremst und rollt langsam aus. „So elegant bewegen sich Feuerwehrfahrzeuge normalerweise nicht, da merkt man das völlig andere Antriebskonzept“, zeigt sich Testfahrer Pohn begeistert. Weitere definierte Manöver wie Kreisfahrten mit konstanter Geschwin­digkeit, rasche Spurwechsel und diverse Bremstests folgen. Über Sensoren werden die verschiedenen Messgrößen wie Beschleunigung, Lenkradwinkel, Bremsdrücke, Raddrehzahlen usw. erfasst. Aus­gelesen werden sie über den CAN­Bus. Aber auch die subjektiven Eindrücke der Test­Crew fließen in die Beurteilung des Fahrverhaltens ein und tragen zusammen mit den Messdaten zur Ab stimmung des  Fahrzeugs bei.Nach der befestigten Strecke geht es ins Gelände. Der RT biegt in einen von Bäumen und Sträuchern gesäumten Feldweg. Er hält eine konstante Geschwin­digkeit von 30 km/h, „mehr ist für unsere Zwecke nicht erforderlich. Wir fahren ja keine Rallye, sondern einen Dauerbelastungstest, mit dem ein Produkt­lebenszyklus von 15 bis 20 Jahren simuliert werden soll“, so Alexander Pohn. Nach einer 180°­Kurve mündet der Feldweg in eine Schlammstrecke, auf der der RT seine Fahrstabilität und Spurtreue unter Beweis stellen muss. „Wir haben permanenten All­radantrieb“, blickt Kopilot Mohamed Eldin kurz von seinem Laptop auf, „das macht im Gelände schon einen Unterschied.“K

24 | Das Rosenbauer MagazinEin Feuerwehrfahrzeug darf auch bei schnelleren Kurvenfahrten nicht kippen. Die geforderte Seiten stabilität muss mit dem Rollover-Test nachgewiesen werden. Dabei wird das Fahrzeug auf eine Bühne gestellt, gesichert und die Bühne anschließend gekippt. Eingebaute Waagen messen dabei das Gewicht, welches die Räder je nach Kippwinkel noch auf den Boden bringen.R OLL O VER - TES TEine Reihe von Funktions- und Sicherheitsüber-prüfungen wird in externen, akkreditierten Prüf-labors durchgeführt. Das gilt beispielsweise für Seilwinden und Kräne, die in Feuerwehrfahrzeuge verbaut werden, aber auch für die Überprüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit und Störsicherheit, über die sie verfügen müssen.IM EMV -L AB ORZahlreiche Assistenzsysteme sorgen für ein hohes Maß an Sicherheit auf der Einsatzfahrt der Zukunft. ESP, Rollover-Warnung, Force-Feedback im Fahrersitz sowie elektronische Außenspiegel mit spürbar vergrößertem Sichtfeld zur Beseitigung des toten Winkels unterstützen den Fahrer. Kurven-licht verbessert das Erkennen von Passanten beim Ab biegen, eine integrierte Heckkamera ermöglicht volle Sicht nach hinten.SIC HER UNTER WEGSAls Nächstes folgt ein Steilhang mit einer Steigung von 40 Prozent. Wo vorher durch die Windschutz­scheibe noch der Fahrweg und die Bäume zu sehen waren, ist jetzt nichts als blauer Himmel. Alexander Pohn bleibt mitten im Hang stehen, schaltet in den ersten Gang und gibt Gas. Der RT fährt ohne Zu­rückrutschen oder durchdrehende Räder weg. „Wir bringen auch in solchen Steigungen oder auf moras­tigem Untergrund die volle Kraft auf die Straße“, so der erfahrene Testpilot. Und sein Kollege Mohamed Eldin ergänzt: „Das Drehmoment des RT ist gewaltig. Unsere Messungen haben ergeben, dass wir kurzzeitig bis zu 50.000 Nm auf allen vier Rädern erreichen.“W ASSERL ÖC HER, SC HO TTER GR UBEN UND R ÜTTELPIS TENAlexander Pohn biegt links ab und in den härtesten Teil der Strecke ein. Zuerst geht es über eine Rüttel­piste, dann über 300 bis 400 mm hohe Hindernisse und zuletzt durch mit Wasser gefüllte Schottergruben. „Wir können die Bodenfreiheit dank des luftgefe­derten Fahrwerks an den Untergrund anpassen.“ Er drückt einen Knopf am Armaturenbrett und der RT wird merklich angehoben. „Auf der Straße fahren wir mit normaler Fahrzeughöhe, im Gelände erhöhen wir die Bodenfreiheit auf 350 mm, und im Watmodus, beispielsweise zum Durchfahren überfluteter Straßen, sind es 470 mm“, erklärt Pohn.Anschließend fährt er eine rund zwei Kilometer lange Naturverwindungsstrecke entlang. Auf diesem Teil­stück wird nicht nur das Fahrwerk, sondern auch der Aufbau überprüft, ob alle Schraub­ und Nietverbindun­gen halten, ob Einbauten ausreichend gut befestigt sind und ob Teile, die erstmalig in einem Feuerwehr­fahrzeug dieser Art verbaut wurden, der Belastung standhalten.Der letzte Fahrabschnitt führt in einem langgezoge­nen Bogen wieder auf die Asphaltpiste und über eine Schlechtwegstrecke mit Schwellen und Schlaglöchern zurück zur Inspektionszone. Es folgt die zweite Runde und die abschließende Sichtprüfung: Ein paar Kratzer im Lack, Erde in den Radkästen und ein unleserlich gewordenes Nummernschild, mehr hat der RT nicht abbekommen und wird daher sofort wieder auf die Reise geschickt.T A USENDE TES TKIL OMETER A UF DER S TRASSEAuf der Teststrecke muss sich jeder neue Feuerwehr­fahrzeugtyp beweisen, den Rosenbauer auf den Markt bringt, doch für den RT sind zusätzlich noch Tausende

IM FOKUS 25|Teststrecke. Im niederösterreichischen St. Valentin wird der RT unter allen er denklichen Fahr­bedingungen auf Herz und Nieren geprüft. Erst dann darf er auf die Straße.Testkilometer auf der Straße Pflicht. Der Grund: Im Gegensatz zu herkömmlichen Fahrzeugen ist er nicht auf einem bereits getesteten Lkw­Chassis aufgebaut, sondern vom Antriebsstrang über das Fahrgestell bis zur Aufbauarchitektur eine komplette Neuentwick­lung. „Wir fahren auf Landstraßen, Autobahnen und im urbanen Raum“, sagt Clemens Stangl, „um hier wie dort seine Agilität und Wendigkeit zu prüfen.“Was den Vortrieb betrifft, braucht der RT nicht einmal den Vergleich mit einem 1.500 PS starken Flughafenlöschfahrzeug zu scheuen. Seine beiden Elektromotoren erzeugen eine Antriebsleistung von bis zu 360 kW (490 PS) und beschleunigen das bis zu 18 t schwere Fahrzeug binnen kürzester Zeit auf eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Der niedrige Schwerpunkt, der sich durch die im Kernrohrrahmen verbaute Traktionsbatterie ergibt, verleiht ihm eine hervorragende Straßenlage und Kurvenstabilität. Die eigens entwickelte Einzelradaufhängung tut das Ihre dazu, dass man mit dem RT nahezu vibrationsfrei unterwegs ist und sich ein für Feuerwehrfahrzeuge nie gekannter Fahrkomfort einstellt. Zudem erlaubt sie einen im Vergleich zu herkömmlichen Allrad­Fahr­zeugen deutlich größeren Lenkeinschlag. „Wir haben mit Vorderradlenkung einen Wendekreis von 15,0 m und kommen mit Allradlenkung sogar auf 12,5 m“, so Clemens Stangl. Die zuschaltbare Hinterachslenkung macht das Rangieren noch leichter. Vorder­ und Hinterräder können in die gleiche Richtung ausgelenkt und der RT kann im sogenannten Hundegang diagonal bewegt werden. Dank seiner kompakten Abmes­sungen von 7,30 x 2,35 m bei einem Radstand von 3.800 mm fährt sich der RT eher wie ein Wohnmobil als ein Lkw.„Fahrdynamik, Agilität, Wendigkeit, Fahrkomfort – alles, was den RT auszeichnet und zu einem beson­deren Fahrzeug macht, bringt taktische Vorteile im Einsatz und vor allem mehr Sicherheit für die Insassen auf der Einsatzfahrt“, fasst Clemens Stangl zusammen und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Und vor allem macht es Spaß, mit so einem Fahrzeug unter­wegs zu sein.“„ Wir testen mit voller Beladung und Dummys auf den Sitzen.Alexander Pohn, Testfahrer und Entwicklungsingenieur

26 | Das Rosenbauer MagazinErgonomisch. Der RT kommt ganz ohne Aufstiegsklappen aus und kann vom Boden aus be­ und entladen werden.

IM FOKUS 27|Am Boden. Pneumatische Absenkung ermöglicht komfortables Aussteigen – auch im Laufschritt.Die Technik wird anwenderfreundlicher, die Fahrzeuge werden ergonomischer, die Bediensysteme intuitiver. Feuerwehrfahrzeuge werden in Zukunft nicht mehr nur von Spezialisten sicher und fehlerfrei bedient werden können.EINFACH SICHERERin Tastendruck der Kommandantin am Cockpit­ Display reicht, und der Revolutionary Technology (RT) wechselt vom Anfahrts­ in den Einsatzmodus. Statt aktiver Sondersignale, Front­ und Heckblitzer, Rund­umkennleuchte am Dach und Sirene werden nun auto­matisch jene Funktionen aktiviert, die man an Ort und Stelle braucht: die Warnblinkan lage, Umfeld­ und Ge­räteraumbeleuchtung und die Verkehrsleiteinrichtung im Heck. Gleichzeitig fährt der Lichtmast aus, die Leuchten gehen in Betrieb und die im Fahrzeug ver­bauten Steckdosen werden mit Strom versorgt. Noch bevor die Mannschaft aus dem Auto springt, senkt sich das Fahrwerk auf Bedienniveau ab, die Rollläden, die die Geräteräume verschließen, fahren hoch. Schon greifen sich die Feuerwehrleute ihre Ausrüstung und sind bereit für den Einsatz. Und das sind nur einige der neuen Funktionen, die den RT von anderen Feuerwehrfahrzeugen unterschei­den, ihn benutzerfreundlicher machen und mit neuen Technologien dazu beitragen, dass bei Einsätzen künftig noch schneller agiert werden kann. Dazu ge­hört auch, dass die einzelnen Funktionen nunmehr zu logischen Clustern zusammengefasst und mit einem Tastendruck (One­Touch­Operation) bedient werden können. Beim RT sind vier bereits vorprogrammiert: „Einsatzfahrt“ aktiviert die optischen und akusti­schen Warneinrichtungen und verriegelt die Rollläden, „Einsatz“ macht das Fahrzeug einsatzfertig, eine weitere Taste startet unmittelbar danach Wasser­ oder Schaumeinsatz. Dafür öffnet sich die Tankklappe, die Pumpe läuft mit voreingestelltem Pumpendruck an, das Schaumzumischsystem wird mit definierten Parametern zugeschaltet. Nach dem Einsatz reicht ein Tastendruck, und der RT ist bereit für die Rückfahrt.E

28 | Das Rosenbauer Magazin260Millimeter beträgt die komfortable Einstiegshöhe.Selbsterklärend. Simpel, aber effektiv. Der RT punktet mit ähnlichen Bedienelementen wie ein Smartphone.EIN IC ON S T A TT VIELER KN ÖPFEDas ist der Einsatzalltag der Zukunft – und der RT nimmt ihn vorweg. Buchstäblich alle Funktionen des Feuerwehrfahrzeugs werden digital gesteuert. Die Bedienung erfolgt in der Regel über Touchscreens. Dabei ähnelt die Bedienoberfläche zusehends der von Smartphones, und auch die Benutzerführung gleicht sich an. Icons, also kleine, selbsterklärende Bild symbole, dienen als Schaltflächen, Steuerungs­elemente wie Knöpfe, Schalter oder Schiebereg­ler sind grafisch ausgeführt. Auch die typischen Smartphone­Gesten werden übernommen: Kurzes Antippen, um eine Funktion zu aktivieren, Wischen zum Weiterblättern, Ziehen mit zwei Fingern, um Ele­mente vergrößern, verkleinern oder drehen zu können.Die verständliche, weil aus dem Alltag gewohn­te Bedienumgebung und der logische Aufbau des Bediensystems führen den Benutzer schnell, sicher und intuitiv richtig durchs Menü. Fehlbedienungen werden vermieden, weil kritische Funktionen mit System­Rückmeldungen hinterlegt sind, die sicher­heitshalber noch einmal nachfragen, bevor ein Steu­erungsbefehl ausgeführt wird. Auch das kennt man aus dem Alltag: Der Bankomat fragt nach, ob eine Transaktion wirklich getätigt, der PC, ob die Datei tatsächlich gelöscht werden soll.TEC HNIK, DIE DEM MENSC HEN ENT GEGENK OMMTDas Feuerwehrfahrzeug der Zukunft ist aus der Funktion heraus gedacht, die Fahrzeugarchitektur kein Kompromiss mehr zwischen Fahrwerk und Aufbau, sondern ergonomisch nach den Bedürfnis­sen der Einsatzmannschaften gestaltet. Schon beim Einsteigen in den RT wird dies deutlich: Weil sich das gesamte Fahrzeug auf knapp über Bodenniveau

IM FOKUS 29|Schweres Gerät. Auch der Einsatz roboter wird künftig fixer Bestandteil der digitalen Ausrüs­tung sein.Intuitiv. Per Touchscreen werden sämtliche Funktio­nen des RT gesteuert.absenken lässt, kann der Mannschaftsraum ohne Auf­stiege oder Treppen sicher und komfortabel betreten und verlassen werden. Selbst im Laufschritt. In der Kabine sorgt eine Stehhöhe von 1,90 m dafür, dass man sich aufrecht bewegen kann, die Sitze bieten ausreichend Kopffreiheit, um sich beim Aufstehen nicht an der Decke zu stoßen.Auch die Entnahme der in den Geräteräumen ge­halterten Ausrüstung wird einfacher. Weil der RT elektrisch angetrieben wird und keinen mechanischen Antriebsstrang mehr besitzt, ist seine Bauhöhe relativ niedrig. In Verbindung mit der pneumatischen Absen­kung kann er daher vom Boden aus bedient werden. Auftrittsklappen werden obsolet und sind nicht einmal mehr für Ausrüstung, die ganz oben in den Geräte­räumen gehaltert ist, notwendig. Gerade bei längeren Einsätzen und für die Mitglieder von Berufsfeuer­wehren bringt das eine spürbare Erleichterung. Denn wer täglich mehrmals ausrücken und dabei wiederholt Armaturen und Geräte aus den Fahrzeugen wuchten und wieder verstauen muss, spürt jede zusätzliche Belastung. Bei der Entnahme aus den Geräteräumen muss es schnell gehen, daher ist die gehalterte Ausrüstung großteils mittels Spannfedern und Einfingerverrie­gelungen gesichert. Weil man im Eifer des Gefechts aber schnell einmal danebengreift und sich dabei auch verletzen kann, sind alle bedien­ und begreifba­ren Elemente – auch die Griffstangen und Haltegriffe im Mannschaftsraum – in der Signalfarbe Orange markiert. Für besonders schwere Geräte wie Trag­kraftspritzen, Stromerzeuger oder Tauchpumpen­Sets gibt es manuelle bzw. elektrische Gerätemanipulier­systeme mit Absenkvorrichtungen. Dasselbe gilt für Heckaufstiege und Dachboxen, außerdem ist das Dach aufgrund der ebenen Fläche und durchgängigen Absturzsicherung gefahrlos begehbar.Das Feuerwehrfahrzeug der Zukunft ist – beinahe wie ein Smartphone – weitgehend selbsterklärend. Auto­matisierte Technik und eine Steuerung, die Schritt für Schritt durch den Prozess führt, sorgen dafür, dass Bedienfehler der Vergangenheit angehören. So kann Feuerwehrtechnik auch von engagierten Laien und Hilfskräften sicher und richtig bedient werden.

mehr Menschen zieht es in die urbanen Ballungs­räume. Mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung leben in Städten – Tendenz steigend. Um den Auswirkungen des Klimawandels gegenzusteuern, braucht es daher gemeinsame nachhaltige Maß­nahmen: den Einsatz von erneuerbarer Energie, mehr Grün in den Städten, Ressourcenschonung und vieles mehr. Es seien die Städte, in denen der Kampf ums Klima weitestgehend gewonnen oder verloren wird, bekräftigt UNO­Generalsekretär António Guterres. 2005 schlossen sich weltweit 18 Mega städte zusammen, um gemeinsam Initiati­ven gegen den Klimawandel und für eine gesündere und nachhaltigere Zukunft zu setzen. Mittlerweile ist die Zahl der C40­Städte auf 97 angewachsen. Gemeinsam sind sie bestrebt, die ambitionierten Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 umzusetzen. Das langfristige Ziel: den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf 1,5 °C zu begrenzen, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde.97 Städte weltweit gehören zum C40-Städtenetzwerk. Sie eint ihre Vorbildfunktion in puncto Klimaschutz.VORBILD­LICHmmer heißere Sommer, sintflutartige Regen­fälle, steigender Meeresspiegel: Fast 80 Prozent der 520 größten Städte der Welt wird der Klima­wandel mit voller Wucht treffen. Für Europas Städte rechnen Forscher der ETH Zürich bis 2050 mit einem Temperaturanstieg von durchschnittlich vier Grad im Sommer und fünf Grad im Winter.Hauptverursacher sind die Städte selbst, sind sie doch für rund die Hälfte der globalen Treib haus gasemissionen verantwortlich, und auch ihre Infrastruktur verbraucht etwa 70 Prozent der weltweiten Energie. Kein Wunder, denn immer IMENSC HEN PR OFITIEREN WELT WEIT V ON DEN C40-MASSN AHMEN .MILLIONEN700WELT WEIT .C40­STÄDTE97 Das Rosenbauer Magazin30 | DIE MASSN AHMEN: VERKEHR 17 C40-Städte haben Fahrzeuge mit hohem CO -Ausstoß aus den Innenstädten 2 verbannt, 2010 waren es erst sechs. PLASTIKMÜLL Schon 18 C40-Städte haben nicht recycelbare Plastikflaschen aus ihren Städten verbannt. MOBILITÄT Waren 2010 nicht einmal 100 Busse mit Elektroantrieb in C40-Städten unterwegs, sind es heute mehr als 66.000. Besonders umweltfreundlich ist man mit Mieträdern unterwegs, die vor zehn Jahren gerade einmal 21 Städte anboten. Heute gibt es in 82 Städten Radleihstationen.

HERA USFORDER UN G DER  MILLIONENS T ÄD TEErforderliche Reduktion von CO ­Emissionen, 2um den Pariser Klimavertrag zu erfüllen0 %–40 %–60 %–80 %–20 %–100 %IndustrieGebäudeTransportEnergiegewinnungQuelle: Newclimate.org–30 %–40 %–45 %–90 %ER W AR TEN , D ASS IHR CO - A USS T OSS AB 2021 SINKEN 2WIRD. 2010 VERPFLIC HTETEN SIC H NUR FÜNF S T ÄD TE D AZU , IHRE GE-S AMTE ELEK TRIZIT Ä T BIS 2030 A US ERNEUERB ARER ENER GIE ZU BEZIEHEN , HEUTE SIND ES BEREIT S 24.C40­STÄDTE53DER C40-S T ÄD TE SIND BEREIT S DIREK T V ON DEN  A US WIRKUN GEN DES KLIMA W ANDEL S BETR OFFEN ODER  SPÜREN ERS TE EFFEK TE.PROZENT97CO WILL MAN GEMEINS AM 2BIS 2030 EINSP AREN . D AS ENT SPRIC HT DEN EMISSIONEN V ON 600  MILLIONEN A UT OS.GIGATONNEN3IM FOKUS | 31

32 | Das Rosenbauer MagazinEs kommt nicht von ungefähr, dass die ersten elektrisch betriebenen Feuerwehrfahrzeuge in Städten unterwegs sein werden, die sich der C40 Cities Climate Leadership Group angeschlossen haben.KONSEQUENT ELEKTRISCHmsterdam, Berlin, Dubai, Los Angeles, Portland, Vancouver, das alles sind C40­Städte und ihre Feuer­wehren Innovationspartner bei der Entwicklung des RT. Sie testen das elektrisch angetriebene kommunale Löschfahrzeug über mehrere Monate, um herauszufin­den, ob es sich im Alltag einer städtischen Feuerwehr bewährt. Ihre dabei gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Serienentwicklung und ­produktion ein. Ihr ge­meinsames Ziel: Auch mit Feuerwehrfahrzeugen einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und weniger CO 2zu produzieren. Die meisten sehen sich dabei in einer AIm Einsatz.Der RT zeigt bereits in Berlin, was er kann.

IM FOKUS 33|Vorbildfunktion und wollen, wenn die Tests erfolgreich verlaufen, ihre Fahrzeugflotten in den nächsten Jahren Schritt für Schritt auf Elektro antrieb umstellen.MOBILES KRAFT WERK UND N O T S TR OMA GGREG A TWar es bisher in aller Regel ein Dieselmotor, der ein Feuerwehrfahrzeug angetrieben hat, sind es beim RT bis zu zwei Hochvolt­Batteriespeicher mit jeweils rund 50 kWh Kapazität. Das Energiekonzept erlaubt es, damit einen Großteil aller urbanen Einsätze elektrisch abzuarbeiten. Insbesondere für technische Einsätze stellen die Hochvoltspeicher ausreichend Energie zur Verfügung. Sie speisen nicht nur den Fahrantrieb, sondern liefern auch den Strom für die verschiedenen Verbraucher an der Einsatzstelle, von den Ladegeräten über die Elektrowerkzeuge bis hin zu den Beleuchtungseinrichtungen. Sogar kurze Brand­einsätze sind vollelektrisch durchführbar, denn auch die Pumpe wird elektrisch angetrieben. Dabei arbeitet das „Kraftwerk RT“ nahezu geräuschlos und emittiert keine Luftschadstoffe.Für längere Einsätze hat der RT einen Range Extender an Bord, der aus einem Sechszylinder­Dieselmotor und einem Stromgenerator besteht. So wird der RT letztlich zum autarken Energielieferanten und sorgt als Notstromaggregat für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung der Einsatzstelle, sollten die öffent­lichen Stromnetze ausfallen. Wird bei einem Einsatz mehr Energie verbraucht, als in den Akkus gespei­chert ist, lädt sie der Range Extender automatisch wieder auf. Auch in diesem Fall ist der RT leiser und emittiert weniger Abgase als ein klassisches Feuer­wehrfahrzeug, weil es sich dabei nicht um einen Lkw­, sondern um einen ökoeffizienten Pkw­Dieselmotor handelt.PR OJEK T : R T BERLINDie Berliner Feuerwehr ist einer der strategischen Partner bei der Entwicklung des RT und die erste Einsatzorganisation der Welt, die mit dem Fahrzeug in den Regelbetrieb geht. Das Fahrzeug wird auf drei stark frequentierten Feuerwachen im Stadt­zentrum stationiert und als elektrisches Lösch­ und Hilfeleistungsfahrzeug (eLHF) eingesetzt. Die LHF fungieren als Erstangriffsfahrzeuge, werden im Jahr über 30.000 Mal alarmiert und im Einsatz extrem beansprucht. Genau richtig für die Erprobung eines komplett neuen Fahrzeugkonzepts. Ziel des Projekts „eLHF“ ist es, den Regeleinsatz­dienst zu mehr als 80 Prozent elektrisch zu bestreiten und damit die Schadstoff­ und Lärmbelastung in den Feuerwachen, auf den Einsatzfahrten und an den Einsatzstellen deutlich zu reduzieren. Allein beim Kohlendioxidausstoß rechnet die Berliner Feuerwehr mit einer jährlichen Einsparung von fast 15 Tonnen im Vergleich zu einem konventionell dieselbetriebe­nen LHF. „Als Hauptstadtfeuerwehr sind wir auf dem Gebiet des elektrifizierten Feuerwehrfahrzeugs in Deutschland Vorreiter, denn Mitarbeiter­ und Um­weltschutz spielen für uns eine große Rolle“, sagt Landesbranddirektor Karsten Homrighausen. Von der Idee und der Planung bis zum heutigen Tag sind rund zwei Jahre vergangen. Schließlich müsse das eLHF im Einsatz vollkommen verlässlich sein und alle Anforde­rungen wie seine nicht elektrischen Pendants erfüllen, so Homrighausen: „Das neue Fahrzeug wird wie je­des andere LHF die täglichen Einsätze abarbeiten – nur sauberer und leiser.“„ Mehr als 80 % unserer Einsätze könnten wir elektrisch bestreiten.Landesbranddirektor Karsten Homrighausen, Leiter der Berliner Feuerwehr

34 | Das Rosenbauer MagazinSmart Cities. Weltweit wachsen Ballungszentren immer schneller und damit auch die Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Um diese zu meistern, setzen Städte auf Digitalisierung und grüne Technologien. Ein Überblick über die Vorreiter.CLEVER UND SMART erkehr, Luftverschmutzung, Ressourcen­verbrauch – das sind nur einige der Probleme, die Städte weltweit beschäftigen. Schon heute lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in den urba­nen Ballungszentren; bis 2050 werden es mehr als 70 Prozent sein. Überlastung ist da vorpro­grammiert, rechtzeitiges Handeln notwendig. Kein Wunder also, dass Metropolen sich längst schon digitale Technologien zunutze machen, um um weltfreundlicher zu werden: Doch einzelne Maßnahmen bringen wenig. Gefragt sind integrierte Konzepte mit aufeinander abgestimmten Maß­nahmen. Klar, dass am Reißbrett entworfene und neu aus dem Boden gestampfte Städte wie New Songdo City in Süd korea (siehe Seite 37) hier im Vorteil sind. Aber auch in gewachsenen Städten lassen sich die Technolo gien implementieren. Laut „Smart­City­Index“ der Unternehmensberatung Roland Berger stieg die Zahl der Städte mit klarer Smart­ City­Strategie zwischen 2017 und 2019 von 87 auf 153. Die darin bislang erfolgreichsten Städte sind in Europa und Ostasien zu Hause.VVER W ALTUN G/S T AD TREGIER UN G Digitale öff entliche Verwaltung Digitale Partizipation E-Services für BürgerGESUNDHEIT Telemedizin Gesundheits-informationssysteme Ambient Assisted Living (Assistenzsysteme z. B. für Senioren)BILDUN G Bildungsplattformen Digitale Lernformate Digitale Kompetenzen

VERNETZUN G 35|BÜR GER IM FOKUSBeste Lebensqualität bei größtmöglicher Ressourcen­schonung – damit ist Österreichs Bundeshauptstadt schon jetzt ziemlich erfolgreich, wie der wiederholte erste Platz im Smart­City­Ranking beweist. Wien ist eine der wenigen Städte, die auf eine eigene zentrale Smart City Agency setzen, die technische Kompe­tenzen bündelt. Von zu vielen Sensoren will man hier nichts wissen. Stattdessen setzt man als eine der ersten Metropolen weltweit auf öff entlich zugängliche Daten: Jeder kann Geo­, Verkehrs­ und Umweltdaten sowie Statistiken und Budgets abrufen und verwerten. Die daraus resultierenden Ergebnisse können sich sehen lassen. So sind via App alle Abfahrtszeiten im öff entlichen Verkehr in Echtzeit abrufbar, ist das Nummernziehen am Amt passé und können Services je nach Lebenslage online erledigt werden. Weitere Schwerpunkte setzt man bei Klima und Verkehr. Erste smarte Ampeln erkennen, wann sich Fußgänger nä­hern, und reagieren entsprechend. Künftig sollen die Ampelanlagen untereinander kommunizieren, um etwa unvorhersehbare Staus schneller aufzulösen.UMWELT - UND ENER GIEBEREIC H Smarte Energiesysteme Smartes Wassermanagement Smarte Abfallwirtschaft Wien. Hohe Lebensqualität und Ressourcen­schonung sind die Grundpfeiler der Wiener Smart­ City­Strategie. GEB Ä UDE Smartes Facility Management Intelligente Haustechnik (Smart Homes) Smartes Planungs- und BaumanagementMOBILIT Ä T Intelligente Verkehrs-managementsysteme Smart Services für den  öff entlichen  Verkehr Smarte LogistikQuelle: Smart City Strategy Index (Roland Berger, 2019).

36 |WÜS TENSONNE AL S ENER GIESPENDERINIn den Vereinigten Arabischen Emiraten entsteht seit 2008 die ökologische Reißbrettstadt Masdar. Sie soll künftig Platz für 50.000 Einwohner bieten und dabei um 75 Prozent weniger Energie verbrauchen als vergleichbare Städte auf der Arabischen Halbinsel. Während sich in der nahen Hauptstadt Abu Dhabi be­vorzugt Wolkenkratzer in den Himmel schrauben, sind Gebäude in Masdar auf fünf Stockwerke begrenzt. Diese stehen eng beieinander, sodass die um 45 Grad nach außen versetzten Balkone die Gassen mit großen Schattenflächen überspannen. Zentral gelegene Wind­türme sorgen für zusätzliche Kühlung. Maßnahmen wie diese sollen den Energieverbrauch durch Klima­anlagen drastisch senken. Schon jetzt ist Masdar um rund 10 Grad Celsius kühler als Abu Dhabi. Der Energiebedarf soll zur Gänze aus Solar­ und Wind­kraftwerken rund um die Stadt gedeckt werden, für die Wasserversorgung sorgt eine solarbetriebene Entsalzungsanlage. Fahrzeuge mit Verbrennungsmoto­ren sollen ganz aus der Stadt verbannt werden, dafür soll aber ein Verkehrssystem auf drei Ebenen rasches Vorankommen garantieren. Waren­ und Gütertrans­port finden sich mit dem Personenverkehr auf unters­ter Ebene. Für Letzteren sind führerlose E­Gondeln auf magnetischen Schienen vorgesehen, die sich individuell an Haltestellen bestellen lassen. Radfahrer und Fußgänger teilen sich die mittlere Ebene, und auf der dritten Ebene ist eine Hochbahn geplant. Bis 2030 wird in Masdar noch gebaut. Dann soll die Stadt in Sachen Nachhaltigkeit ein weltweites Vorbild sein: ohne CO ­Emissionen, ohne Autos und Abfall.2SMAR TE SP ANIER Von der EU als Smart­City­Modellstadt auserkoren, registrieren im spanischen Santander 12.500 Sensoren alles, was sich in der Innenstadt so tut. Ermittelt werden unter anderem Füllstände der Müllcontainer, die Anzahl der freien Parkplätze oder der Passanten auf den Straßen. Die Stadtverwaltung generiert so Daten über Energiever­brauch und CO ­Emissionen, bestimmt die Reihenfolge, 2in der die Entsorgungsfahrzeuge Müllcontainer ansteuern oder den Wasserverbrauch der Rasensprenger im Park. Das spart Zeit und Kosten. Den Beginn machten 2010 im Asphalt eingelassene Sensoren, die Alarm schlugen, sobald die Anzeichen auf Stau standen. Ausweichrouten werden in der SmartSantander­App ebenso angezeigt wie verfügbare Parkplätze. Das reduziert den Verkehr und verbessert die Luftqualität. Auch Taxis, Busse und Einsatzfahrzeuge sind mit Sensoren ausgestattet, die ständig ihren Standort durchgeben und Messwerte wie Wetterinfos, Luftqualität, Lärmbelastung, Verkehrsdichte oder Lichtverhältnisse ins System übertragen. Und auch die Bürger sind eingebunden: Schäden an der Infrastruk­tur wie Schlaglöcher oder defekte Straßenbeleuchtung können mittels Foto über eine App an die zuständigen Stellen gemeldet werden und gehen gleichzeitig auch an die politisch Verantwortlichen.New Songdo. Vernetzung macht auch vor Privatwohnun­gen nicht halt. Das „Internet of Every thing“ ist hier das Maß aller Dinge.Santander. Unzählige Senso­ren sorgen dafür, dass der Alltag in der nordspani­schen Stadt noch reibungs loser abläuft.

VERNETZUN G 37|NETZ DER N A C HHALTIGKEITSeit 2003 wächst New Songdo City in Südkorea auf eigens aufgeschüttetem Land aus dem Meer. 260.000 Menschen sollen hier künftig leben, derzeit sind es rund 150.000. Ressourcenschonung wird großgeschrieben: Es gibt Regenwasserspeicher, Ab­wasser wird auf bereitet und die Gebäude sind für besonders nachhaltige Bauweise zertifiziert. Klar, dass man auf erneuerbare Energie mittels Photovoltaik und Solar energie setzt. Die entsprechenden Paneele sind auf den Fassaden und Dächern der Hochhäuser angebracht. Die Müllent sorgung funktioniert dank eines Rohrleitungssystems automatisch. An speziellen Stationen wird der Abfall eingeworfen und direkt in die Recyclinganlagen transportiert. In Songdo wird das Prinzip des „ Internet of Everything“ gelebt. Nicht nur wird die ganze Stadt per Kameras überwacht, die vor allem den Verkehrsfluss messen und Ampelschaltungen dem Verkehrsaufkommen anpassen, sondern auch die Gebäude werden präventiv gescannt, um etwa Feuer zu entdecken, Straßenbeleuchtung wird nur dann einge­schaltet, wenn sie benötigt wird. Die Vernetzung macht auch vor Wohnungen nicht halt: Sensoren reagieren auf die Anwesenheit von Menschen und passen etwa die Heizungstem peraturen an. J AP ANISC HE SPEIC HERS T AD TUltrasmart vernetzt solle Japan werden, so der ehemalige Premierminister Shinzo Abe im Jahr 2017. In der Fujisawa Sustainable Smart Town unweit der Hauptstadt Tokio ist es bereits so weit. Die Siedlung mit 3.000 Einwohnern wurde vom Elektronikkonzern Panasonic als Musterstadt für smarte Technologien aus dem Boden gestampft. Das Ziel: den Kohlendioxid­Ausstoß um 70 Prozent, den Was­ser­ und Stromverbrauch um jeweils 30 Prozent zu redu­zieren. Dafür produzieren die Häuser der Bewohner ihren Strom selbst, ebenso die öffentlichen Gebäude. Sie sind mit Brennstoffzellen und Lithium­Ionen­Akkus ausgestat­tet, die Energie für drei Tage speichern können. In einer Region, in der mitunter Taifune und Erdbeben wüten, äußerst praktisch: Privathaushalte haben im Notfall Strom für Licht und Kommunikation. Überschüssige Energie wird ins Stromnetz eingespeist. Gemanagt wird das alles zentral. Der tägliche Strom­ und Wasserverbrauch aller Haushalte wird ebenso dokumentiert. Hier sind vor allem E­Bikes und Elektroautos unterwegs; Carsharing ist gang und gäbe. Orten die Laternen Bewegung auf den Straßen, passen sie ihre Helligkeit entsprechend an. Auch wenn Fujisawa wie eine „Gated Community“ anmutet: Zäune gibt es keine. Die Elektronik schützt vor jedem anzuneh­menden Unheil.Masdar. Die Reißbrett­stadt setzt auf erneuer­bare Energien und kluge Gebäudeplanung.Fujisawa Sustainable Smart Town.Egal ob Taifun oder Erdbeben: Fujisawa ist dank smarter Technologien für alle Eventualitäten gerüstet.

38 | Das Rosenbauer MagazinEchtzeitdaten. Virtuelle Informationen, die millionenfach in Smart Cities generiert werden, sind für Feuerwehren besonders wertvoll. Erste Hilfe wird so noch effi zienter, Schäden werden minimiert.ameras, Sensoren und Messsysteme an jeder Ecke: Sie liefern in der vernetzten Smart City per­manent Informationen, etwa Echtzeitdaten von digitalen Verkehrsleitsystemen. Das erleichtert Feuer­wehren künftig den Einsatz. Einsatzleitrechner, die mit diesen Informationen gefüttert werden, er mitteln den schnellsten Weg zum Einsatzort und senden die Route automatisch zusammen mit weiteren Navigationsda­ten und Verkehrsinformationen an die ausrückenden Fahrzeuge. Und das ist erst der Anfang: Können Leit rechner gar direkt auf die Verkehrsleitsysteme zugreifen, bahnen sie Einsatzfahrzeugen bereits aus der Ferne den Weg, indem sie entlang der Anfahrts­routen Ampeln und Geschwindigkeitsanzeiger umstellen, Tunneleinfahrten sperren oder temporäre Fahrstreifen öff nen.Die Feuerwehrfahrzeuge wiederum werden in Echtzeit mit den anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren. Basis dafür ist die heute schon in Ansätzen verfüg ­bare Car2Car­Technologie. So können sie die vor ihnen fahrenden Autos über die Onboard­Systeme anweisen, eine Rettungsgasse zu bilden, und Ent­warnung geben, sobald das letzte Einsatzfahrzeug passiert hat. Blaulicht und Folgetonhorn sind nicht mehr nötig, eine Lärmquelle weniger in der Stadt der Zukunft. Auch die Absicherung des Unfallorts und die Steuerung des Verkehrs rund um die Einsatzstelle übernehmen die Einsatzfahrzeuge selbstständig. Sie informieren die herannahenden Verkehrsteilneh­mer, welche Fahrstreifen gesperrt sind, mit welcher Geschwindigkeit sich der Verkehr an der Einsatzstelle vorbeibewegt, wie lange der Einsatz noch dauern wird und über welche Route man am besten ausweicht.GEF AHRL OS EVAKUIERENAuch Smart Buildings werden wesentlichen Anteil an der Brandbekämpfung haben. Das vernetzte Echt­zeitmodell der Gebäude zeigt Feuerwehren nicht nur an, wo ein Brand ausgebrochen ist und wohin sich Feuer und Rauch ausbreiten, sondern auch, welche Gebäudeinfrastruktur noch funktioniert und in den Einsatz miteinbezogen werden kann. Sind Beleuch­tungs­ und Belüftungseinrichtungen ausgefallen, ist ein Fahrstuhl noch benutzbar, und welche Türen und Fenster wurden automatisch geschlossen? Lassen sich diese zur Brandrauchentlüftung wieder öff nen? Zudem werden Infrarot­ und Bewegungssensoren detaillierte Informationen darüber liefern, wo und wie viele Menschen sich noch im Gebäude aufhalten. Das alles dient der Fluchtwegplanung, die bereits abge­schlossen sein wird, noch bevor das erste Fahrzeug am Einsatzort angekommen ist. Die Evakuierung der Menschen kann sofort beginnen. Die Einsatzleitung nimmt über die zentrale Lautsprecheranlage Kontakt mit ihnen auf, erklärt die Situation, beruhigt und lotst sie über verschiedene Routen ins Freie. Auf KSENSORS Y S TEM FÜR U-B AHN- ANL A GEN Die Stadt Berlin erforscht mit der Berliner Feuer-wehr, wie gut sich sensorbasierte Meldesysteme in U-Bahn-Anlagen für das Notfallmanagement bei Großschadensereignissen eignen. Die Sensoren sollen frühzeitig Daten über akute Gefahren in-folge von Bränden, Explosionen oder dem Austritt gefährlicher Stoff e liefern und anzeigen, welche Bereiche eines Bahnhofs in welcher Ausdehnung betroff en sind.DIE FEUERWEHRIM ECHTZEITALTER

VERNETZUN G 39|D AS SMAR TPHONE AL S N O TF ALL ASSIS TENTNicht nur die Stadt der Zukunft ist voller Sensoren – auch jedes Smartphone liefert ständig entsprechende Informationen, die im Notfall gezielt genutzt werden können und im Notfallmanagement einer Smart City eine wichtige Rolle spielen werden. Zum Beispiel bei der Erdbebenfrühwarnung. So haben Wissenschaftler der University of California, Berkeley, eine App entwickelt, die über den Beschleunigungssensor unterschiedliche Schockwellen erkennt und die Daten zusam-men mit dem über GPS ermittelten Standort an einen Server schickt. Der Algorithmus fi ltert dabei jene Vibrationen heraus, die bei einem Erdbeben (ab Stärke 5 auf der Rich-terskala) entstehen. Je mehr Menschen die App auf ihren Smartphones installiert haben, umso präziser können Erdbeben räumlich und zeitlich erfasst werden. Nachdem die schadensträchtigsten Wellen in der Regel mit einer Verzögerung von wenigen Sekunden bis einer Minute auftreten, können Einsatz-organisationen das Zeitfenster nutzen, indem sie etwa Züge und Fahrstühle stoppen oder Tunnel und Brücken sperren. Außerdem werden die Smartphone-User per Push-Nach-richt gewarnt und mit Sicherheitshinweisen versorgt.THE EDGEThe Edge ist ein 40.000 Quadratmeter großes Bürogebäude in Amsterdam, in dem rund 28.000 Sensoren verbaut sind. Sie messen unter anderem Luftfeuchtigkeit, Helligkeit und Tempe-raturen und regeln diese Komfortparameter je nach Anzahl der Personen in einem Raum. Statt fester Büroplätze gibt es im Gebäude off ene Arbeitslandschaften, in denen sich jeder einen Arbeitsplatz suchen kann. Wo sich ein freier Platz befi ndet, erfährt man über eine Smartphone-App.ihre Smartphones schickt sie den jeweils passenden Ausschnitt des digitalen Gebäudeplans – markierte Fluchtwege inklusive. Im Gegenzug melden diese die Positionsdaten der Flüchtenden (Tracking) zurück. Das erleichtert der Feuerwehr den Überblick.Immer mehr Gebäude werden in Zukunft digital geplant sein und als virtuelle Modelle zur Verfügung stehen. Diese „Building Information Systems“ ermögli­chen es Einsatzleitern künftig, sich rein virtuell durch Gebäude zu bewegen. Per Datenbrillen „ begleiten“ sie ihre Mannschaften dennoch auf Schritt und Tritt, geben Orientierungshilfe, warnen vor Gefahren und lotsen sie über die sichersten Angriff swege. Die Atemschutztrupps tragen dabei Schutzhelme mit einem Head­up­Display. Selbst in verrauchter Umge­bung und bei völliger Dunkelheit sehen sie, wo ein Gang hinführt, wo er endet, wo genau sich Türen und Fenster befi nden. Gleichzeitig erkennt die in den Helm integrierte Wärmebildkamera die Temperaturvertei­lung in Gängen und Räumen, aber auch die Hitze­entwicklung hinter einer verschlossenen Tür. Sen­soren in den Schutzanzügen ermitteln dabei laufend Gesundheitsparameter wie Temperatur, Herzschlag und Atmung. Die Daten werden verschlüsselt und in Echtzeit an die Einsatzleitung gesendet, so können die Vitaldaten der Helfer fernüberwacht werden.DIE RIC HTIGEN SC HL ÜSSE ZIEHENEchtzeitdaten werden zu einer der Schlüsseltechno­logien im Feuerwehralltag der Zukunft. Die Vor­aussetzungen dafür werden mit immer mehr netz­werkfähigen Geräten (Internet of Things), höheren Rechnerleistungen und der 5G­Mobilfunkgeneration gerade geschaff en. Die große Herausforderung für die Feuerwehren wird sein, die Daten aus den unterschiedlichsten Quellen so aufzubereiten und zu priorisieren, dass die richtigen Schlüsse daraus ge­zogen werden können. Dazu bedarf es eigener Cloud­ Lösungen, mobiler WLANs an der Einsatzstelle sowie intelligenter Einsatzmanagementsysteme, über die nicht nur einsatzrelevante Informationen laufen, son­dern die gesamte Einsatzkommunikation abge wickelt werden kann.

40 | Das Rosenbauer MagazinALARMIERUNGECALL-SYSTEM im Fahrzeug, Notrufsäule FEUERWEHR-EINSATZ ZENTRALE(Monitore, Telefone, Funkgeräte, Mikrofone, Tastatur etc.)SMARTPHONE MIT ALARM-DATEN, Funkmelde-Status, Einsatzliste (Objektdaten und -name)Der Feuerwehreinsatz der Zukunft ist voll vernetzt. Die Einsatzkräfte haben Zugriff auf alle relevanten Daten über verfügbare Ressourcen, Ausrüstung, Verkehr und Einsatzstelle.TOTAL DIGITALCAR2CAR-KOMMUNIKATIONGPS-DATENPOSITIONEN der alarmierten FahrzeugeGRÜNE WELLE, Steuerung von AmpelnWETTERDATENGEFAHRSTOFF- DATEN! HYDRANTENPLANOb schwerer Unfall oder Brand: Intelligente Notrufsysteme alarmieren automatisch die Feuerwehr­Einsatzzentrale. Die Einsatzkräfte erhalten die ent sprechenden Alarmdaten direkt auf das Smartphone – egal, wo sie gerade sind. Sie wissen bereits im Vorfeld genau, welcher Einsatz sie erwartet.

VERNETZUN G 41|ANFAHRTINTERNET- ZUGANG UND WLAN- KNOTENAUGMENTED REALITYRFIDRFID-TAGS (Indoor-Navigation, Vitaldatenüberwachung u. v. m.) DROHNENROBOTER-FAHRZEUG ELEKTRO-MOBILITÄTCONNECTED HUBRESSOURCEN IN DEN FAHRZEUGEN (Füllstände Löschmitteltanks, Kraftstoff tanks u. v. m.)EINSATZSchon auf der Anfahrt sind sämtliche Umgebungsdaten des Einsatzortes am Tablet abrufbar. Per GPS werden die Einsatzfahrzeuge automatisch über die kürzeste und am wenigsten befahrene Route zum Einsatzort gelotst. Damit es noch schneller geht, wird automatisch eine „grüne Welle“ ausgelöst.Dank WLAN kann man auf alle einsatzrelevanten Daten zugreifen. Gebäudedaten, Lagebilder und Drohnen­Luftbilder sind so jederzeit abrufbar. Sie sind die Basis für einen erfolgreichen Einsatz. Die gefährlichsten Arbeiten am Einsatzort übernehmen künftig Roboterfahrzeuge. Doch auch die Mannschaft ist gut gerüstet: Augmented Reality und RFID­Chips sorgen für einen möglichst sicheren Einsatz.SENSORDATENwie Temperatur, Brandmelder u. v. m.LAGEBILD: Karten aus Luftperspektive, Fotos und Videos SMART-CITY-DatenEINSATZLEITER-TABLET

42 | Das Rosenbauer MagazinDie Digitalisierung verändert auch die Arbeitswelt nachhaltig. New Work bricht überkommene Strukturen auf, wandelt das Verständnis von Hierarchie und fordert, Arbeit völlig neu zu denken. Lernen lässt sich das von der Feuerwehr.DAS ENDE DER HIERARCHIEN? nterwerfen Sie sich nicht der Arbeit, sondern suchen Sie sich eine Tätigkeit, die Sie wirklich er­füllt!“, lautet die Empfehlung von Frithjof Bergmann. Der österreichisch­amerikanische Philosoph erteilt diesen Ratschlag seit mehr als 40 Jahren unbe­irrt nicht nur jenen, die nach einem Sinn in ihrem beruflichen Tun suchen, sondern vor allem auch der überwältigenden Zahl an Unternehmen, die starre Strukturen, Präsenzkultur und Hierarchien immer noch als Schlüssel zum Erfolg sehen. Als er 1984 sein Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“ herausbrachte, galt Bergmann als Idealist und wurde für seinen Ansatz be­lächelt. Heute, in Zeiten eines massiven strukturellen Wandels, sind die Ansichten des 90­Jährigen gefragt wie nie. Denn Digitalisierung, Globalisierung und die Entwicklung künstlicher Intelligenz eröffnen einen völlig neuen Blick auf die Ausführung und Organisa­tion von Arbeit.Werte wie Wissen, Selbstständigkeit, Flexibilität, Ent­faltung und Handlungsfreiheit stehen bei Bergmann im Fokus. Tugenden also, die es in einer immer dyna­mischeren Arbeitswelt braucht. Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind durch die Digitalisierung gefordert, sich ständig zu verändern, dazuzulernen und sich, ihre Produkte und Dienstleistungen sukzessive weiterzu­entwickeln: Dokumente werden in der Cloud geteilt, kommuniziert wird auf vielen unterschiedlichen Kanä­len, Teams aus verschiedenen Abteilungen finden sich für Projektarbeiten dynamisch zusammen und gehen wieder auseinander, Maschinen in der Fertigung melden zwischendurch den Produktionsgrad. Alles ist vernetzt, alles passiert gleichzeitig, alles muss im Blick behalten werden – und das immer schneller. Gleichzeitig dominiert die Unsicherheit: Tagtäglich hat man sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, die Welt wird komplexer. Besteht man darin als Mitarbei­ter, als Unternehmen? ES BLEIBT KEIN S TEIN A UF DEM ANDERENDen Überblick im Chaos zu behalten, Strategien zu finden, die ans Ziel führen, vernetzt zu agieren und dabei gleichzeitig im Denken und Handeln so flexibel wie möglich zu bleiben – so lautet das Erfolgsrezept Kathrin Kösterbeobachtet als Trans­formationsexpertin einen Wertewandel in Unternehmen und berät sie bei der Umsetzung von New Work.„U

NEUES ARBEITEN 43|für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Und es erfordert, Zusammenarbeit völlig neu zu denken. Doch was für viele Unternehmen Neuland ist, ist für einige Berufsgruppen seit jeher Alltag: in kritischen, hochkomplexen Situationen möglichst rasch und er­folgreich zu agieren und das in einem Umfeld, in dem täglich aufs Neue mit Unerwartbarem umgegangen werden muss. Fluglotsen und Piloten, Notfallmediziner und Einsatzorganisationen wie die Feuerwehr haben darin Routine. Fehlerkultur, die Abneigung gegen Ver­einfachung, die Priorisierung der operativen Tätigkei­ten, Flexibilität und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern sind Eckpfeiler der Einsatzorganisation, fasst es Andreas Gattinger, Lehrender an der Feuer­wehr­ und Rettungsdienstschule der Berufsfeuerwehr München, zusammen.Sie agieren seit jeher in einer „VUCA“­Welt. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem US­Militär und beschreibt die schwer zu überblickende multilaterale Welt nach Ende des Kalten Krieges. Er hat sich zu einem Akronym der modernen Arbeitswelt entwi­ckelt und kennzeichnet jene Rahmenbedingungen, die diese heute prägen: Unbeständigkeit (volatility), Unsicherheit (uncertainty), Komplexität (complexity) und Mehrdeutigkeit (ambiguity). Um darauf entspre­chend zu reagieren, braucht es ein neues Verständnis von Arbeit – vonseiten der Führungskräfte und der Mitarbeiter. Spätestens die COVID­19­Pandemie hat auch vielen Unternehmen klargemacht, dass sie ihre bestehenden Strukturen verändern müssen, um neue Formen der Zusammenarbeit zu finden, wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben. Veränderungen sind auf vielen Ebenen nötig – nicht nur in Hinblick auf technische Strukturen und Kompetenzen. Denn „Collaboration Tools“, die mobiles Arbeiten ermöglichen, soziale Medien, die Input von außen liefern, Projektmanage­mentlösungen und Finanzsoftware sind nur einige Facetten, die Kooperation auf ein neues Level heben Mitarbeiterzufriedenheit+10 bis 20 %Produktivität+5 bis 20 %Arbeitszeit+10 bis 15 %und zu einer digitalen, zeit­ und ortsunabhängigen Arbeitsgestaltung führen. Entscheidend sei es aber, Prozesse und Kulturen der Zusammenarbeit auf „ digitalen Kurs“ zu bringen, wie die deutsche Ber­telsmann Stiftung zur Zukunft der Arbeit schreibt. Unternehmen ähneln damit in ihrer Organisation nicht mehr einer Pyramide, sondern einem sich ständig verändernden Netzwerk. Damit das funktioniert, muss auch abseits der technischen Möglichkeiten an einigen Schrauben im Unternehmen gedreht werden, um Ideen und Innovation zu ermöglichen. „Wir befin­den uns mitten in einem Wertewandel. Unternehmen fragen sich, wie sie sich agiler aufstellen können, Mitarbeiter wollen einen Sinn in ihrem Tun erkennen. Messbarer ErfolgDie New World of Work lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen, doch die Investitionen lohnen sich.Quelle: IMC FH Krems und Technische Universität Wien

44 | Das Rosenbauer MagazinDie Frage, die sich viele stellen, ist, wie sich das in einer bestehenden Unternehmensstruktur umsetzen lässt. Denn Standardlösungen gibt es nicht“, sagt Kathrin Köster, die als Transformationsexpertin an der Executive Academy der Wirtschaftsuniversität Wien Firmen auf die Sprünge hilft. Entscheidend seien allerdings Struktur, Strategie und Kultur eines Unternehmens. Traditionell denkende Organisationen müssen die Voraussetzungen schaffen, die tatsächlich fit für New Work machen. FREIHEIT UND S TR UK TUR Dass gerade die Feuerwehr als Vorbild taugt, mag überraschen. Sie wird schließlich eher mit straffer Hierarchie und strammen Befehlsketten assoziiert als mit Flexibilität und eigenverantwortlichem Handeln. Doch in vielen Situationen sei Hierarchie nicht per se antiquiert, sagt Michael Bartz, Experte für New World of Work und Digital Business Transformation an der IMC FH Krems: „Einerseits ist sie den gesetzlichen Haftungsstrukturen von Unternehmen geschuldet. Andererseits braucht es auch in einer volatilen Arbeitswelt klar definierte Entscheidungsprozesse, die für alle Beteiligten nachvollziehbar sind. Hier kann man viel von Einsatzorganisationen lernen.“ Denn für jeden erdenklichen Ernstfall haben diese bereits einen Plan in der Schublade, gleichzeitig gewährt die fixe Struktur Helfern genügend Autonomie und Flexibilität, um in jeder Situation adäquat zu reagieren. Pläne und Strategien stärken die Entscheidungsfreiheit dezen­traler Teams vor Ort und machen diese erst agil.Das Gleiche gilt auch für Unternehmen. Doch gerade traditionellen und lange erfolgreichen Firmen fehlt es an klaren Zielen, die über jene hinausgehen, die sie längst erreicht haben. Sich auf diesen Lorbeeren aus­zuruhen, kann dazu führen, den Anschluss zu verpas­sen. Kathrin Köster empfiehlt daher, sich auf die DNA des Unternehmens zu besinnen. „Wie viel besser kann ich werden und wie auf dem bestehenden Potenzial aufbauen? Wohin wollen wir in Zukunft gehen? Das sind Fragen, über die es sich nachzudenken lohnt“, so die Transformationsexpertin. Diese Besinnung auf die eigenen Werte, die transparent und für alle nachvoll­ziehbar kommuniziert werden, sorgt außerdem dafür, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker mit dem Unternehmen identifizieren, einen Sinn in ihrem Tun erkennen und den Wandel mit tragen. EXPER TEN S T A TT C HEFSWer das erreichen will, muss seinen Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern allerdings auch Autonomie und Entscheidungsfreiheit zugestehen. Auch wenn Füh­rungskräfte nun bangen, Verantwortung abzugeben: Sind klare Ziele formuliert, gibt es einen Rahmen, in dem alle selbstverantwortlich im Sinne des Unterneh­mens agieren können. Umso wichtiger wird das in der Facilitykosten–15 bis 30 %–Krankenstand–20 bis 30 %–Mitarbeiterfluktuation–30 bis 50 %–

NEUES ARBEITEN 45|Projektzusammenarbeit. Hier finden sich schon lange nicht mehr nur Mitarbeitende aus dem gleichen Be­reich zusammen, sondern es wird abteilungsübergrei­fend, mitunter auch über Unternehmensgrenzen hin­weg kooperiert und Teammitglieder wechseln mit den Aufgaben, was zu einer zunehmenden Komplexität der Zusammenarbeit führt. Eine klare Rollenverteilung ist dabei ebenso entscheidend wie das Übernehmen von Verantwortung – nicht nur durch die Führungskräfte. Die Feuerwehr hat das zum Prinzip erhoben. Denn jeder Trupp kennt im Einsatz seine Aufgaben genau, agiert aber selbstverantwortlich und selbstorgani­siert und damit mit höherer Schlagkraft. Dass ein Trupp je nach Fähigkeiten seiner Mitglieder immer wieder neu zusammengesetzt wird und man damit bei jedem Einsatz dazulernt, entspricht ganz der Maxime des New Work. Um das auch in Unternehmen zu erreichen, müssen sich Führungskräfte davon verabschieden, jeden Arbeitsschritt kontrollieren zu wollen, und stattdessen auf die Rückmeldun­gen der Teams vertrauen. Diese neue Freiheit und Vertrauenskultur ermöglicht den Angestellten, neue, unkonventionellere Ansätze zur Problemlösung zu finden und sich gleichzeitig wertgeschätzt zu füh­len. Etwas, das in vielen Unternehmen immer noch zu kurz kommt, beobachtet Axel Koch, Autor des Buches „Change mich am Arsch“: „Der Dialog auf Augenhöhe ist wesentlich für eine Veränderung. Wer davor Angst hat, bleibt nur ein Statist.“ Dazu gehört auch die entsprechende Feedback­Kultur, wie sie bei der Feuerwehr gang und gäbe ist. Schließlich ermöglicht nur der ständige Austausch des Gruppen­führers mit den Trupps ein laufendes Anpassen der Einsatzmaßnahmen.V ONEIN ANDER LERNENDabei ist eine der wichtigsten Aufgaben von Führungskräften in der neuen Welt des Arbeitens, ihre Mitarbeiter zum Handeln zu befähigen und ihre Talente einzubringen. Damit wandelt sich die Ar­beitswelt endgültig von der Lohnarbeit hin zu einem Modell, das auf Wissens­ und Schöpfungsarbeit beruht, indem man gemeinsam durch Erfahrung lernt. Nicht umsonst pflegt die Feuerwehr nach einem jeden Einsatz die Manöverkritik. Das konstruktive Reflek­tieren darüber, was gut und was weniger gut lief, fließt in Zukunft in praktische Übungen ein, um gemeinsam besser zu werden. Klare Ziele vor Augen zu haben, auf die man ge­meinsam hinarbeitet, ist wichtigstes Prinzip des New Work, und damit stellt sich auch die Frage nach dem Sinn der jeweiligen Arbeit. „Hier liefert die Feuerwehr natürlich eine Steilvorlage. Doch auch Unternehmen müssen sich wieder darauf besinnen, warum sie tun, was sie tun“, sagt Köster. Wissen Mitarbeiter nicht, wofür es sich lohnt zu arbeiten, weil sie mit Aufgaben eingedeckt sind, die ebenso gut automatisiert werden könnten, geht der innere Antrieb verloren. Ein hohes Gehalt, das mitunter als „Schmerzensgeld“ wahrgenommen wird, und der damit einhergehende Status reichen daher schon lange nicht mehr aus, um einen Job oder Arbeitgeber attraktiv zu machen. Vor allem jüngere Fachkräfte sind nicht mehr bereit, ihr Leben komplett der Arbeit unterzuordnen. Und immer mehr Unternehmen sehen sich daher unter Zugzwang, eine neue Arbeitskultur auszuprobieren. Wer sich als Unternehmen dieser Entwicklung verschließt, dem gehen Produktivität und Innovationskraft verloren, die auch mit Digitalisie­rung und Automatisierung nicht wettgemacht werden können. Denn eines haben Old Economy und New World of Work gemeinsam: Gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben unverzichtbar.Michael Bartzerkennt als New­Work­Experte an der österreichi­schen IMC FH Krems auch Vorteile in Hierarchien, wenn Entscheidungs­prozesse nachvoll­ziehbar bleiben.Axel Koch,Autor des Buchs „Change mich am Arsch“, plädiert für einen Dialog auf Augenhöhe, um Veränderungen anzustoßen.

Mit kleinen Anreizen soll Nudging unser Verhalten verändern, ganz ohne Appelle oder Verbote. Wie kann Nudging im Katastrophenfall helfen, welche Rolle spielt Big Data beim digitalen Nudging – und an welchen Nudging-Experimenten nehmen wir täglich teil? Der österreichische Arbeitsminister Martin Kocher weiß als Experte für Verhaltensökonomie, wie sich Entscheidungen beeinfl ussen lassen.KRITIKER SPREC HEN V ON MANIPUL A TION , BEFÜR W OR TER V OM S TUPSER FÜR DEN GUTEN ZWEC K. W AS VERS TEHEN SIE UNTER EINEM NUDGE? Viele Faktoren, die unsere Entscheidung beeinfl ussen, kann man bewusst so gestalten, dass die Entschei­dung verbessert wird – zum Beispiel im eigenen, ge gebenenfalls auch im öff entlichen Interesse. Natürlich kann man die Entscheidungsarchitektur auch so gestalten, dass man Menschen manipuliert und dazu bringt, etwas zu tun, das sie sonst nicht tun würden. Das kennt jeder, zum Beispiel aus dem Marketing oder Online­Handel. Neutral formuliert ist ein Nudge die bewusste Gestaltung einer Entschei­dungsarchitektur. Nudging ist ein Teilbereich der Verhaltensökonomie.DIE PL AS TIKFLIEGE IM PISSOIR IS T SELBS TERKL ÄREND. WIE FUNK TIONIER T ONLINE-NUDGIN G?Online kann man Entscheidungen zum Beispiel durch das Erzeugen von Zeitdruck oder einer Verknappung interviewziemlich gut beeinfl ussen – man kennt das etwa von Hotel­Buchungswebsites. Im Social­Media­Bereich funktioniert vor allem die soziale Bestärkung sehr gut: Hier wird dem User und Empfänger das Gefühl vermit­telt, dass er mit einer gewissen Handlung – nämlich der vom Absender gewünschten ­ zur großen Mehrheit gehört. Das führt dazu, dass viele Leute bereit sind, ebenfalls wie diese große Mehrheit zu agieren. WEL C HE R OLLE SPIELT BIG D A T A BEIM DIGIT ALEN NUDGIN G?Keine besonders wichtige. Nudging ist eine Ansammlung von Ideen, die es zum Teil in der Verhal­tenspsychologie schon sehr lange gibt. Diese Ideen werden neu aufbereitet und um neue Erkenntnisse erweitert. Dazu braucht man gar nicht so viele Daten. Nützlich sind Daten beim Nudging vor allem, um zu untersuchen, ob und wie gewisse Interventionen funktionieren. Das machen sehr viele Online­ und App­ Anbieter, sie sehen dadurch sehr genau, was am besten funktioniert. Wenn wir Websites besuchen oder Apps nutzen, sind wir alle täglich Teil von großen und kleinen Experimenten.WEL C HEN EXPERIMENTEN SIND WIR IM WEB A USGESETZT?Google macht das zum Beispiel permanent über die Platzierung von Suchergebnissen, da geht es um die sogenannte Klicks­Parade: Wie oft man, abhängig von deren Gestaltung und Platzierung, auf gewisse Such­ergebnisse und Werbungen klickt. Auch Metadaten, wie lange man etwa auf einer Website bleibt oder ge­wisse Banner anklickt, werden vielfach aufgezeichnet und analysiert. Fluggesellschaften führen sehr SUBTILEENTSCHEIDUNGS­LENKER46 | Das Rosenbauer Magazin

häufi g Experimente über die Preisgestaltung durch, Buchungswebsites experimentieren mit der Darstel­lung von verfügbaren Zimmern oder Angeboten. So versucht man, die User zu Handlungen zu bringen, die im Interesse des jeweiligen Anbieters sind – und gleichzeitig das Nudging zu verbessern.WIEWEIT WERDEN V ORHANDENE D A TEN V ON USERN GENUTZT?Amazon macht das intensiv, wobei diese „Empfehlun­gen“, die auf Algorithmen und großen Datenmengen über User­Interessen beruhen, für mich eher klas­sisches Marketing sind. Aufgrund der wachsenden Verfügbarkeit großer Datenmengen ist dieses System jedenfalls sehr zukunftsträchtig. WEL C HE R OLLE SPIELEN USER - D A TEN , DIE Z.B. VIA GPS ODER SENSOREN GEW ONNEN WERDEN?Werden diese Daten genutzt, um mit Nachrich­ten wie „Beweg dich mehr“ oder „Iss weniger“ das User­ Verhalten in eine gewünschte Richtung NEUES ARBEITEN 47|Martin Kocher weiß genau, welche Faktoren unsere Entscheidungen beeinfl ussen – und wie man diese nützen kann.„ Digitales Nudging ist genau auf den Empfänger zugeschnitten.

48 | Das Rosenbauer Magazin Entscheidungsunterstützungen sehr hilfreich sein. Derartige Nudges sind allerdings schwer zu erstel­len, weil solche Situationen allgemein schwer zu simulieren sind. W AS SIND WEITERE BESONDERE HERA USFORDER UN GEN FÜR KRISEN- NUDGES?Es geht in Katastrophen­ oder Krisensituationen auch darum, die richtigen Bilder von Gefahrenwahrschein­lichkeiten zu vermitteln, ohne Panik zu verbreiten. Wir Menschen tun uns generell schwer mit Wahrschein­lichkeits­ und Gefahreneinschätzung. Das richtige Maß zu fi nden und damit auch in Katastrophen­ oder Krisensitua tionen die entsprechenden Handlungen zu erreichen, ist eine Herausforderung. WEL C HE NUDGES K OMMEN GENERELL GUT AN? Das untersuchen wir gerade in einem Forschungs­projekt. Erinnerungen, Spielerisches und Wettbewerbs aspekte mögen die meisten Probanden. W AS IS T WIRKUN GSMÄ C HTIGER: „ AN AL OGES NUDGIN G“, WIE DIE GR ÜNEN FUSSSPUREN , DIE ZUM MIS TKÜBEL FÜHREN , ODER BIG-D A T A -GETRIEBENES, DIGIT ALES NUDGIN G? Analoges Nudging ist nach wie vor sehr wirkungs­mächtig, da es sehr tangibel ist. Allerdings erreicht analoges Nudging nur jene Leute, die vor Ort sind. Big­Data­getriebenes digitales Nudging kann mit relativ geringen Kosten sehr breit ausgerollt werden – dafür diff undiert es dann und ist nicht mehr ganz so wirkungsmächtig. DIGIT AL KANN MAN INDIVIDU ELLER NUDGEN? Ja. Im Analogen muss ich „one size fi ts all“ machen. Aus der Wissenschaft wissen wir aber noch recht zu beeinfl ussen, ist das sehr eff ektives Nudging. Wettbewerbe, Erinnerungen, Dokumentation – all das sind Aspekte von Entscheidungsarchitektur, die Menschen dazu bringen, sich in gewisser Weise zu verhalten. WEL C HE R OLLE SPIELT NUDGIN G BEI DER C OR ON A - BEKÄMPFUN G?Da gibt es viele Beispiele, von den Händewasch­ Plakaten bis zum Babyelefanten, der ein nettes Framing fürs Abstandhalten ist. Informationen über die Kapazitäten öff entlicher Orte, ähnlich den Bäder­ampeln im Sommer, wären technisch leicht machbar und würden vielen das Leben erleichtern. WIE K ÖNNEN NUDGES IM KA T AS TR OPHENF ALL HELFEN? In einer schwierigen Entscheidungssituation, wo man enormen Stress und wenig Zeit hat und vielen Informationen ausgesetzt ist, können „ Nudging ist die bewusste Gestaltung einer Entscheidungs­ Architektur.Martin Kocher ist seit Januar österreichi-scher Bundesmi nister für Arbeit. Davor war er wissenschaft licher Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) und Professor für Verhaltensökono-mie an der Universität Wien. Er leitete zudem das 2018 gegründete Kompetenzzentrum Insight Austria, das die Bürger mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Verhaltensökonomie anstupsen und damit u.a. die öff entliche Verwaltung effi zienter machen will.ZURPERSON

NEUES ARBEITEN 49| SO FUNK TIONIEREN NUDGESDATEN-INCENTIVEHervorgehobene Daten können als Anreize wirken. Zum Beispiel die digitale Darstellung von aktuellen Verbrauchs-daten während einer Autofahrt: Farben wie Grün bzw. Rot für „sparsam“ bzw. „verbrauchsintensiv“ motivieren Lenker zu ökologischem Fahrstil. STANDARDS SETZENSind gewisse Optionen in einem System als Standards bzw. Defaults etabliert, beeinfl usst das Handlungen. So kann durch das Setzen eines Defaults auf „Trinkgeld geben“ bei Bezahl-Apps die Bereitschaft, Trinkgeld zu geben, erhöht werden. „Beidseitig drucken“ als Standard-Voreinstellung reduziert den Papierverbrauch. Ein viel diskutiertes Bei-spiel betriff t Organspenden: Ist vorab ein Spenderausweis auszufüllen, gibt es bedeutend weniger Organspender als in Ländern mit Widerspruchslösung – zu diesen zählt auch  Österreich. FEEDBACK GEBENRückmeldungen zum aktuellen Verhalten können dieses beeinfl ussen. Beispiel: elektronische Verkehrsschilder, die abhängig von der Geschwindigkeit einen lachenden grünen oder einen traurigen roten Smiley zeigen. ZEITDRUCK!Durch das Erzeugen von Zeitdruck oder Angaben zu schrumpfenden Vorräten können Entscheidungen ziemlich eff ektiv beeinfl usst werden. Kennt man unter anderem von Hotel-Buchungswebsites. MACH ES WIE DIE ANDEREN!Die meisten Menschen orientieren sich gerne an der Mehr-heit. Das erklärt auch den Erfolg einer Nudging-Maßnahme der britischen Steuerbehörden: Die Information, dass über 90 % der Bürger ihre Steuerschulden rechtzeitig beglei-chen, motivierte viele säumige Zahler, das Gleiche zu tun. WETTBEWERBS-FAKTORWer fährt die E-Autos der Firmenfl otte am ökologischsten? Kann ich meine gestrige Jogging-Bestzeit toppen? Daten- basierte Challenges kommen, z.B. in Fitness-Apps, gut bei Usern an. Auch Erinnerungen (z.B. „Zeit für 20 Liegestütze“), fallweise in Verbindung mit Daten wie etwa dem Puls, sind für viele User willkommene Nudging-„Anstupser“. ANALOGE KLASSIKERGrüne Fußspuren weisen im Park den Weg zum Mistkübel, Plastik-Fliegen oder kleine Fußballtore fördern im Pissoir die Zielgenauigkeit. Nudges sind auch in der analogen Welt allgegenwärtig. Weitere Beispiele: Stufen, die einladender als der Aufzug platziert sind, Salat, der in der Kantine pro-minenter als der üppige Schweinsbraten angeboten wird. wenig über individuelle Persönlichkeitseigen­schaften und die daraus abzuleitende Empfänglich­keit für individuelle, digitale Nudging­Maßnahmen. Auch wenn ich viele Daten über eine Person habe, lässt sich nur selten verlässlich sagen, worauf diese Person wirklich reagiert. Das ist auch gut so. Dadurch gibt es Grenzen der Manipulation, über die man nicht so bald drüberkommen wird. DIE MÖGLIC HKEITEN SIND ABER SC HON SEHR GR OSS UND NEHMEN WEITER ZU , A UC H DUR C H KÜNS TLIC HE INTELLIGENZ ... Ja. Es gibt aber gesetzliche und moralische Grenzen, vor allem bei öff entlichen Anwendungen: Da ist klar, dass sie nur verwendet werden sollten, wenn es im Interesse des Betroff enen ist. W AS S A GEN SIE JEMANDEM, DER MEINT : IC H WILL MIC H NIC HT BEEINFL USSEN L ASSEN?Man wird durch jede Entscheidungsarchitektur beeinfl usst. Die Frage ist nur, ob diese Entschei­dungsarchitektur bewusst so gestaltet wurde oder unbewusst. Und durch Gebote und Verbote wird man nicht viel stärker beeinfl usst.

50 | Das Rosenbauer MagazinCyborgs. Der Mensch als Maschine galt lange als bedrohliches Szenario. Nun wandelt sich das Bild.DIE MENSC H-MASC HINEDer  Begriff  Cyborg  leitet  sich von der Verschmelzung der Wörter „cybernetic organism“ ab. Cyborg be-zeichnet technisch verän-derte Lebewesen. Darunter fallen streng ge nommen auch Menschen mit Herz-schrittmachern oder Pro-thesen. Dennoch ist von einem Cyborg erst die Rede, wenn seine Fähigkeiten dank technischer Erweiterungen deutlich über menschliche Fähigkeiten hinausgehen.


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