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Reload 09.02.21

Published by jazzer1, 2021-02-08 12:50:16

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RELOAD Stipendien für freie Gruppen RE-WORK DANCE Tanztheaterproduktionen im Ausnahmezustand: Distanz als Chance

RE-WORK DANCE SEITE 2 RE-WORK DANCE Tanztheaterproduktionen im Ausnahmezustand: Distanz als Chance Methodenentwicklung für die Entstehung distanzierter Tanztheaterproduktionen. Name der Gruppe: Tanztheater Erfurt e.V. Lachsgasse 3 99084 Erfurt Teilnehmende Gruppenmitglieder: Ester Ambrosino Michael Krause Robert Przybyl Daniel Medeiros Veronica Bracaccini Tabea Wittulsky Zeitraum: 01.07.2020 - 31.12.2020 Verfasserin: Ester Ambrosino Erfurt, 09.02.2021

RE-WORK DANCE SEITE 3 INHALTSVERZEICHNIS 1. EINFÜHRUNG..............................................................................4 2. METHODENENTWICKLUNG.....................................................5 2.1 Grundvoraussetzungen.............................................................................................5 2.2 Vorgehensweise...........................................................................................................5 2.2.1 Stufe I - \"Together Alone\".....................................................................................6 2.2.2 Stufe II - \"Camaleonte\"..........................................................................................7 2.2.3 Stufe III - Simultane Improvisations-Performance.................................9 2.2.4 Stufe IV \"53 52 50 ohne Dich\"..........................................................................10 3.FAZIT...........................................................................................12

RE-WORK DANCE SEITE 4 1. EINFÜHRUNG Der Ausbruch der Coronavirus-Krankheit (COVID19), welche im März 2020 zu einer Pandemie erklärt wurde, führte zu einem Kulturstillstand. Das Tanztheater Erfurt musste sich vielen Fragen stellen. Wie kann diese Zeit als freie Gruppe überstanden und vor allem, wie kann die Arbeit nach einer solchen Krise wieder aufgenommen werden? Alles was uns am Leben hält, unsere Leidenschaft und unser täglich Brot als Künstler, wurden verboten. Von einem auf den anderen Tag konnten Proben und Vorstellungen nicht mehr stattfinden. Es schmerzen nicht nur die damit verbundenen finanziellen Einbußen, sondern auch der Verlust des Live-Erlebens im Theaterraum, ein gesellschaftlich tief verankertes Gruppenerlebnis. Gerade Tanz besticht durch seine radikale Intensität von körperlicher Nähe über die Bühne hinaus. Wie sollen wir aber verantwortungsvoll gegenüber unserem erprobten gesellschaftlichen Gefüge einerseits und kreativ ungezügelt andererseits in die Zukunft blicken? Wie kann Tanz auf Distanz existieren? Wie können bereits bestehende Produktionen weiterentwickelt werden? Wie können neue Tanztheaterstücke geschaffen werden? Dank des Stipendiums „Reload“, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes, haben wir diese Zeit des „Pandemiestopp“ als Denkpause nutzen können und unsere künstlerische Bewegungssprache in Bezug auf Nähe und Distanz hinterfragt. Als Tanzschaffende nutzen wir den körperlichen Umgang miteinander als selbstverständliches Inszenierungswerkzeug. Was aber passiert, wenn man sich dieser Gewohnheit bewusst entzieht und jegliche Interaktion miteinander auf ihre Aussage und Notwendigkeit untersucht? Durch die Möglichkeit zu experimentieren und zu vertiefen konnten wir neue Arbeitsmethoden entwickeln und erproben. Eine Welt auf Distanz muss neue Arbeitsprozesse definieren, vorhandene Ressourcen aufdecken und neue kreative Ergebnisse liefern. Unser größtes Ziel hierbei war es Emotionen nicht zu verlieren. Auch das Medium Video und die Digitalisierung spielten in diesem Prozess eine unverzichtbare Rolle. In „Showings“ vor kleinem Publikum haben wir Varianten erprobt, Gewohnheiten der Umsetzung und des Wahrnehmens radikal zu brechen. In vier verschiedenen Stufen wurden diverse Möglichkeiten alternativer Arbeitsmethoden untersucht und im Folgenden dargelegt.Wir sehen diese Pandemie als große Chance für die Zukunft weiterzudenken und die gegebene Erfahrung auf ein zukünftiges, soziales und kulturelles Miteinander zu beziehen. Wir erleben zurzeit die Mutation der Kunst, folglich müssen wir auch einen Fokus auf die eigenen Gewohnheiten legen und mit mutieren. Unsere gesamte Gesellschaft ist vor die Herausforderung gestellt sich zu verändern, damit man nicht alleine oder im schlimmsten Fall auf der Strecke bleibt. Wir sind überzeugt davon, das gerade freie Künstler die besten „Köpfe“ sind voran zu gehen und neue Lösungen zu liefern.

RE-WORK DANCE SEITE 5 2. METHODENENTWICKLUNG Der aktive Teil dieses Stipendiums wurde in vier Stufen unterteilt, um verschiedene Ansätze zu hinterfragen und alternative Ideen zu verfolgen. Der Ausfall mehrerer Aufführungen und die mit der Pandemie einhergehenden Einschränkungen bezüglich Mindestabstand und Distanz gaben den Anstoß, gemeinsam mit einer Choreografin, drei Tänzern, einem Musiker und einem Videoproduzenten neue Möglichkeiten zu erarbeiten. Das Hauptziel ist es, Gruppen der darstellenden Kunst Lösungen anzubieten, die Arbeit fortzusetzen, bestehende Produktionen zu überarbeiten und neue Produktionen zu schaffen.Unsere Künstlergruppe hat bereits beim ersten Treffen intensiv darüber diskutiert, wie mit dieser gegebenen Distanz weiter gearbeitet und diese neu gestaltet werden kann. Es wird in den folgenden Stufen belegt, welche Bewegungen und Musik die fehlenden Emotionen ersetzen. Die Berührungslosigkeit führte zu viel Verlustangst, aber auch zu viel Neugierde. 2.1 GRUNDVORRAUSSETZUNGEN Die Erforschung der verschiedenen Methode in der Ferne setzt voraus, dass alle Mitwirkenden über einen Computer, ein Smartphone oder Videokamera und einen Internetzugang verfügen. Diese elementaren Voraussetzungen dienen einer schnellen Kommunikation und dem Übertragen der Ergebnisse überregional. Des Weiteren ist die Möglichkeit der Nutzung eines Tanzsaals am Wohnort der jeweiligen Tänzer unumgänglich. In den warmen Sommermonaten kann als Alternative eine Freifläche im Außenbereich genutzt werden. Einzeltänzer benötigen einen Platz von mindestens 6m x 6m Grundfläche. Der Videoproduzent, mit dem Know-How zu Videoschnittsoftware und den technischen Grundvoraussetzungen zur Nutzung dieser, ist für die Bereitstellung und das Zusammenfügen der Arbeiten verantwortlich und somit essentiell. Um die Videoclips zu sammeln und für alle Teilnehmenden zugänglich zu machen wird ein Netzwerk- oder Cloudspeicher benötigt. Stufe I Stufe II Stufe III Stufe IV September Oktober Juli, November, Augsut Dezember

RE-WORK DANCE SEITE 6 2.2 VORGEHENSWEISE In den ersten beiden Monaten Juli und August wurde ein neues Tanztheaterstück aus dem Repertoire bestehender Produktionen geschaffen. Diese erste Stufe beschäftigte sich mit dem Organisieren der Grundvoraussetzungen und dem Herantasten an die Arbeit auf Distanz. Der Monat September wurde für die zweite Stufe genutzt ein neues Stück zu konzipieren und in kurzer Zeit, noch im selben Monat, auf die Bühne vor kleinem Publikum zu bringen. In Stufe drei wurde eine andere Idee untersucht, welche sich ausschließlich auf improvisierte Bewegungen und Musik konzentrierte und auch in einer kurzen Arbeitszeit, nur dem Monat Oktober, umgesetzt und vor Publikum gezeigt werden konnte. Für die vierte Stufe wurden die Ergebnisse der vorhergehenden Erarbeitungen ausgewertet und ein neues abendfüllendes Stück entwickelt, welches als Videoperformance zur Verfügung steht und jederzeit ohne Probenaufwand auch vor Publikum gezeigt werden kann. Hierfür wurden die Monate November und Dezember genutzt. 2.2.1 STUFE I - \"TOGETHER ALONE\" Die ersten Überlegungen wurden zwischen der Choreografin und dem Videoproduzenten getroffen. Es wurde analysiert welche Methoden und Möglichkeiten bestehen, einen Probenraum zu schaffen in dem sich 5 ein Tänzer aufhält, aber eine permanente Kommunikation zum restlichen Team stattfindet. Die Chance ein Repertoirestück im Freien vor einem kleinen Publikum zu zeigen, gab den Impuls Proben auf Distanz durchzuführen. Die Arbeit der Choreografin und des Videokünstlers bestand darin, von einem Originalvideo einer bestehenden Tanztheaterproduktion auszugehen und diese neu zu erarbeiten. Alle Bewegungen in Kontakt zwischen den Tänzern wurden zunächst im Video extrahiert und Bewegungen einzelner Tänzer neu zusammengeschnitten. Es wurden nur die Bewegungen genutzt, die die Kontinuität eines Anfangs oder eines Endes der Bewegung ohne Kontakt bildeten. Durch diese Zusammenschnitte entstanden neue Bewegungen, welche an die Tänzer gesendet wurden. Jeder von ihnen studierte und verinnerlichte die neuen Bewegungsabläufe für sich, zeichnete die durchgeführten Proben auf und sendete diese an die Choreografin zurück.Jedes Solo das so entstand wurde im nächsten Schritt vom Videoproduzenten, unter Regie der Choreografin, zu einem Gesamtvideo zusammengefügt, sodass eine Art Video-Partitur entstand.

RE-WORK DANCE SEITE 7 Auf Grundlage dieses Gesamtvideos war es für jeden einzelnen Tänzer möglich, die vollständige Reihenfolge einzustudieren. Inspiriert durch die Arbeit eines Orchesters, indem jeder einzelne Musiker eine Musikpartitur liest um zu wissen wann sein Einsatz erfolgt, sollten die Tänzer auf diese Art das neue Tanztheaterstück lesen können. Dieses Video wurde zugleich dem Musikproduzenten zur Verfügung gestellt, der wie die Tänzer anhand der Videopartitur die Musik anfertigte und eine digitale Gesamtversion zur Verfügung stellte. Auf diese Art und Weise wurde ein Video-Tanztheaterstück entwickelt, welches für jeden Tänzer online zum Proben und Einstudieren zur Verfügung gestellt wurde. Zum Zeitpunkt der Aufführung konnte ohne eine physische Begegnung der Akteure die Bühne betreten und das Stück „Together- Alone“ gezeigt werden. 2.2.2 STUFE II - \"CAMALEONTE\" In der zweiten Stufe konzentrierte sich die Choreografin zunächst darauf, ein neues Stück zum Thema „Lockdown“ zu kreieren. Es wurden Fragen zu Isolation, Langeweile und Unerträglichkeit zwischen zwei gefangenen Menschen gestellt. Diese Themen und deren Bedeutungen wurden zunächst in Bewegungsabläufen improvisiert und somit in einer neuen Form dargestellt. Im nächsten Schritt wurden sie mit Synonymen, Gedichten, Gedanken und erlebten Situationen schriftlich ausformuliert. Wie in der ersten Stufe wurden alle Zwischenergebnisse in Videos festgehalten und an einen weiteren mitwirkenden Darsteller gesendet. Den gleichen Prozess hat dieser durchgeführt, sich allerdings ausschließlich auf die Stimme fokussiert. Die Themen waren die gleichen und so entstand eine Videokommunikation aus der Texte resultierten die ins fertige Stück integriert wurden. Das Ergebnis waren zwei unterschiedliche Charaktere und Personen, welche sich in einem abgesperrten Raum befanden. Ein Mann und eine Frau getrennt und verbunden durch die gleichen Thematiken mit einem choreografisch inszenierten Objekt, einem Sofa. Dieses Sofa war dreigeteilt und diente durch seine Wandelbarkeit der Visualisierung von Veränderungen in Bewegung, Stimme und Emotion (siehe Skizzen Seite 8). Zeitpunkt, Art und Weise und Ort der Nutzung des Sofas wurden im digitalen Austausch per Video, E-Mail oder SMS festgelegt. Durch diese Art der distanzierten Arbeit ergaben sich zwei sehr verschiedene Charaktere und eine Art Spiel der Akteure bei dem einer der beiden schließlich die Bedeutung einer Mutation entdeckt. Wie auch in der ersten Phase wurde die Musik zum Stück anhand des Videomaterials erarbeitet und den Akteuren zur Vorbereitung per Video bereitgestellt. Das Stück mit dem Titel „Camaleonte“ wurde am 17.09.2020 vor circa 40 Zuschauern uraufgeführt.

RE-WORK DANCE SEITE 8

RE-WORK DANCE SEITE 9 2.2.3 STUFE III - SILMUTANTE IMPROVISATIONS-PERFORMANCE Die Untersuchung in dieser Stufe befasste sich mit der gleichzeitig stattfindenden Improvisation von Musik und Tanz als Theaterperformance. Bei der ersten Vorstellung befanden sich zwei Tänzer in zwei abgetrennten Zimmern auf einer Bühne. Das Bühnenbild stellte diverse Wohnräume, auf einer Größe von circa 25m², dar und zeigte die Enge und Beschränktheit von Isolation und Quarantäne auf. Tänzer benötigen für die Ausführung ihrer Übungen ein Mindestmaß an Platz. Somit wurde vor Publikum mit improvisierten Bewegungsabläufen auf begrenztem Raum experimentiert. Sobald ein Zimmer beleuchtet wurde startete der Tänzer seinen eigenen Tanz. Die Musik wurde im Vorhinein vom beteiligten Musiker bereitgestellt, sodass die Choreografin eine Auswahl zur Verfügung hatte. Sie wurde durch die Choreografin während der Vorstellung ebenso improvisiert gestartet und orientierte sich an der Geschwindigkeit und der Art der Bewegungen. Sinnliche, taktvolle und melodische Musik wurde im Wechsel an die Performance angepasst und diente zum einen als energetische Inspiration für die Tänzer und zum anderen zur Untermalung des Tanzes für die Zuschauenden. Ein ähnliches Experiment wurde im Rahmen des Tanzabends „getanztes Inter-VIEW“ durchgeführt. Es wurden 30 Personen eingeladen, einem Tänzer und einer Tänzerin Fragen zu stellen, welche nonverbal durch Bewegungen beantwortet wurden. Weder die Tänzer noch das Publikum oder die Choreografin konnten sich auf diesen Abend vorbereiten. Auch hier wurde ausschließlich improvisiert, zum einen durch die Tänzer, zum anderen durch die Musikabfolge. Auch hier gaben erst die Bewegungen die Inspiration zur Auswahl der Musiktitel durch die Choreografin.

RE-WORK DANCE SEITE 10 2.2.3 STUFE IV - \"53 52 50 OHNE DICH\" Es entstand ein Stück in dem die in den vorangegangenen Stufen erprobten Methoden der digitalen Erarbeitung verwendet wurden. Jede Nummer des titelgebenden Wortspiels „53 52 50 ohne Dich“ steht für einen Tänzer. Statt mit Namen wurden die Tänzer nur noch mit ihren zugewiesenen Nummern angesprochen, während „ohne Dich“ für die Choreografin steht. Die Aufgabe der Tänzer war zunächst, dass jeder seine Nummer durch Bewegungen schreiben sollte. Es wurden somit für die einzelnen Zahlen Bewegungen ermittelt, die sowohl als 53 als auch 5 und 3 getanzt werden konnten. Dabei lag jeder Zahl eine bestimmte Bewegungsqualität und Bedeutung inne. Die Nummer 53 hatte die Bedeutung süchtig, die 52 feminin – sinnlich und die 50 sollte sich feminin, maskulin und neutral darstellen. In Eigenarbeit mussten sich die Tänzer die Bewegungen erarbeiten und per Video aufzeichnen. Zusätzliche bekamen die Akteure die Aufgabe die Worte Panik, Angst, Nachdenklichkeit, Freude, Akzeptanz und neues Bewusstsein zu tanzen. Während der Bewegungen sollte die Nummer 53 stumm bleiben, wohingegen die Nummer 52 ihre Bewegungen stimmlich mit den Worten Home und Change untermalen sollte. Auch die Nummer 50 sollte ihre Stimme verwenden. Die Herausforderung bestand darin ihre Stimme mechanisch klingen zu lassen, ähnlich der Stimme eines Computers beziehungsweise der von Apples Siri-Software. Alle so entstandenen Videos wurden durch den Videoproduzenten in Absprache mit der Choreografin zusammengesetzt. Zusätzlich versendetes Bewegungsmaterial ergänzte die entstandene Choreografie. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Tänzer nicht im gleichen Raum bewegten und ihre individuellen 7 Bewegungsausführungen nicht kannten, entstand ein neues Bewegungsvokabular.

RE-WORK DANCE SEITE 11 Das gesamte Videomaterial wurde an den Musiker gesendet, der für jede Nummer ein anderes Instrument verwendete. Der Nummer 53 wurden Metallinstrumente, der Nummer 52 Schlagwerke und der Nummer 50 Holzinstrumente zugewiesen. Da der Musiker bei der Vorstellung live spielt, weiß der Tänzer anhand der verwendeten Instrumente zu welchem Zeitpunkt sein Einsatz erfolgt. Es muss somit kein fester Ablauf verinnerlicht werden. Ein weiteres unterstützendes Element zur Performance ist das Lichtdesign. Die Bühne ist zunächst ein schwarzer „leerer“ Raum, allerdings hat jeder Tänzer einen fest eingegrenzten ausgeleuchteten Tanzbereich, der ein oder ausgeschaltet werden kann. Somit verschwindet der Akteur im Dunkeln und ist nicht sichtbar, wenn das Licht ausgeschaltet ist. Diese einzelnen Bereiche unterstreichen außerdem künstlerisch die vorhandene Distanz und den Respekt, Abstand zu seinem Nächsten einzuhalten. Wenn alle Tanzbereiche beleuchtet sind, ist dies das Zeichen, die gemeinsamen Bewegungen der Choreografin zu tanzen. Weiterhin gibt es für jeden Akteur der sich aus dem ursprünglichen Tanzbereich heraus bewegt einen Verfolger. Sobald ein Verfolger zum Einsatz kommt, ist dies ein Signal an die anderen Tänzer sich auch zu bewegen um den Abstand zu wahren. Es ist ein Stück entstanden, welches choreografisch durch Musik- und Lichtanweisungen bestimmt wird. Ein gemeinsames Proben in einem Raum ist somit nicht notwendig.

RE-WORK DANCE SEITE 12 Skizze Tanzbereiche und Bewegungen \"53 52 50 ohne Dich\"

RE-WORK DANCE SEITE 13 RE-WORK DANCE SEITE 1 3. FAZIT Diese vier ganz unterschiedlichen Arbeitsweisen und Methoden zeigen deutlich, dass es möglich ist auch während eines Lockdowns neue Tanztheaterstücke zu kreieren und diese vor Publikum zu zeigen. Die den Menschen verordnete Isolation mindert die Qualität der künstlerischen Arbeit nicht. Im Gegenteil: Uns gab sie die Möglichkeit eines Perspektivwechsels. Dank der Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes in Form dieses Stipendiums ist es gelungen Strategien zu entwickeln die das künstlerische Arbeiten auf Distanz nicht nur ermöglichen, sondern auch Projekte außerhalb des Lockdowns nachhaltig optimieren. Unter Anwendung der Stufe 1 ist es möglich einen Tänzer beliebig auszutauschen und neu in die Gruppe zu integrieren, da lediglich die Partitur gelesen und einstudiert werden muss. Was dann auf der Bühne während der Vorstellung passiert ist für jeden Darsteller neu und wirkt belebend für das gesamte Stück. In Stufe 2, aus welchem das Bühnenstück „Camaleonte“ entstand, überraschte vor allem die Divergenz von dem durch physische Entfernung beeinflussten Erarbeitungsprozess zum einen und dem durch starke emotionale Nähe geprägten Endergebnis zum anderen. Das Zusammenspiel zwischen Text und Körperbewegungen funktionierte sehr gut. Es stellte sich heraus, dass die größte Herausforderung darin besteht ein komplexes Bühnenbild ebenso wie Stimme und Bewegung in seine Elemente zerlegen und zur Aufführung variabel wieder zusammenfügen zu können. Ein improvisiertes Arbeiten, wie in Stufe 3, setzt ein hohes Vertrauen der Beteiligten voraus und ist nur für Gruppen tauglich, die schon mehrere gemeinsame Erfahrungen auf der Bühne gesammelt haben. Diese Art der Intimität entsteht bei kleinen Ensembles eher als bei größeren Gruppen. In Stufe 4 konnten wir feststellen, dass die Erarbeitung von neuen Bewegungen in der Künstlergruppe möglich ist und sich bühnentauglich umsetzen lässt. Bedauerlicherweise konnte das Stück, auf Grund der erneuten Schließungen der Theater ab November, nicht vor Publikum gezeigt werden. llerdings ist das Ergebnis ein Tanztheaterstück, welches den aktuellen Sicherheits- und Infektionsschutzmaßnahmen entspricht, keine gemeinsame Probenzeit benötigt und somit jederzeit aufgeführt werden kann.

RE-WORK DANCE SEITE 14 Aus den Fragen von Nähe und Distanz, von real und irreal, entwickeln sich neue künstlerische Bewegungssprachen und es lässt sich eine Art Baukastensystem nutzen, welches als Grundlage für Neuproduktionen Anwendung findet. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die tänzerische Arbeit nicht gestoppt werden muss, sondern auch unter neuen Bedingungen stattfinden kann, sofern einige wenige Grund- voraussetzungen erfüllt sind. Unumgänglich sind die Arbeit und der Umgang mit den neuen Medien. Eine neue Rolle in der darstellenden Kunst nimmt ein Videoproduzent ein, beziehungsweise das Wissen in der Verwendung von Videoschnittsoftware. Dies setzt Investitionen voraus um den Schritt in die Welt des digitalen Arbeitens zu wagen. Die Chance mittels Digitalität auf Distanz zu arbeiten birgt vielfältige Möglichkeiten,. angefangen beim schnellen und unmittelbaren Austausch zwischen den Akteuren, bis hin zur Archivierung des Materials. Unsere Auffassung von \"Nähe\" wird sich zukünftig grundlegend ändern. Es ist nicht zuletzt ein gesellschaftlicher Auftrag an Künstler und Kulturakteure die neue Distanz zu beobachten, zu reflektieren, und neue Perspektiven aufzuzeigen. Interview mit Ester Ambrosino, Link: https://youtu.be/8JQpQ_rpV5M


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