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Rechtsreport 1 2018

Published by Bauverband M-V, 2018-01-22 02:51:17

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Bauverband Mecklenburg-Vorpommern e. V. Werderstr. 1, 19055 Schwerin Telefon: 0385 7418-0; Telefax: 0385 710778E-Mail: [email protected]; Internet: www.bauverband-mv.de

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Aus dem Inhalt: Seite1. Vergaberecht 4 41.1 Wie detailliert ist die Nichtberücksichtigung im Vorabinformationsschreiben zu 4 begründen? 5 51.2 Preis entspricht Marktverhältnissen: Aufhebung rechtswidrig! 51.3 Referenzleistung muss (nur) vergleichbar, nicht identisch sein!1.4 Abweichung der Angebote unter 10 %: Auftraggeber muss nicht aufklären! 61.5 Vergabestelle darf auch Einhaltung der Mindestlohnvorschriften prüfen!1.6 Keine Eigentumsnachweise für Nachunternehmer mehr?1.7 Fehlerhafte Kostenschätzung: Verfahrensaufhebung wirksam, aber rechtswidrig!2. Baurecht 6 72.1 Wie lange muss eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung sein? 72.2 Mängelbeseitigung zugesagt: Bauunternehmer haftet für „fremde“ Mängel!2.3 Auf allgemein bekannte Risiken muss der Auftragnehmer nicht hinweisen! 72.4 Kann eine Ausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik 8 8 vereinbart werden? 92.5 Vom Leistungsverzeichnis abgewichen: Mangel arglistig verschwiegen! 92.6 Auch eine „vorbehaltliche Schlussabnahme“ ist eine Abnahme!2.7 Einheitspreise sind keine Festpreise! 92.8 Herstellung einer mangelhaften Sache ist keine Eigentumsverletzung! 102.9 Sicherheitseinbehalt vereinbart: Keine Aufrechnung mit Forderungen aus anderen Verträgen!2.10 Wer trägt das Risiko einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik?3. Arbeitsrecht 10 113.1 Öffentliche Auftragsvergabe – Verpflichtung des Nachunternehmers zur 11 Zahlung des vergabespezifischen Mindestlohns 113.2 Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens 123.3 Außerordentliche Kündigung bei Weiterleitung betrieblicher Informationen 12 auf privaten E-Mail Account 133.4 Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Teilurlaubstagen 133.5 Außerordentliche Kündigung bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung3.6 Heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs kann fristlose Kündigung 14 rechtfertigen3.7 Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen (hier: Versetzung)3.8 Wöchentliche Ruhezeit innerhalb jedes Siebentageszeitraums3.9 Durch Arbeitgeber verhinderter bezahlter Urlaub kann unbegrenzt übertragen und angesammelt werdenDie Vervielfältigung, insbesondere das Fotokopieren, ist nicht gestattet (§§ 53, 54 UrhG) und strafbar (§ 106 UrhG). Im Fall der Zuwiderhandlung wird Strafantrag gestellt. 3

1. Vergaberecht1.1 Wie detailliert ist die Nichtberücksichtigung im Vorabinformationsschreiben zu begründen? 1. Die Darstellung der Ablehnungsgründe kann kurz ausfallen und sich insoweit am Vergabevermerk orientieren; sie muss jedoch inhaltlich umfassend und hinreichend aussagekräftig sein, um als Entscheidungsgrundlage bezüglich der Inanspruch- nahme von Rechtsschutz zu dienen. 2. Einem Bieter, der erst auf der letzten Wertungsstufe gescheitert ist, ist deutlich zu machen, inwieweit sein Angebot in Bezug auf die zuvor bekannt gemachte Bewertungsmatrix nicht konkurrenzfähig war. VK Berlin, Beschluss vom 03.02.2017 – VK B 2-40/16 GWB a. F. §§ 101 a, 101 b, 115 Abs. 11.2 Preis entspricht Marktverhältnissen: Aufhebung rechtswidrig! 1. Die Aufhebung eines Vergabeverfahrens (hier: Sanierung eines Hallenbads) ist rechtswidrig, wenn kein Aufhebungsgrund vorliegt. 2. Eine durch § 17 EU Abs. 1 VOB/A 2012 gedeckte Aufhebung wegen eines nicht wirtschaftlichen Ergebnisses oder wegen einer Budgetüberschreitung ist nicht gegeben, wenn der Auftraggeber den Preis nur subjektiv für überhöht hält, obwohl er den gegebenen Marktverhältnissen entspricht. 3. Voraussetzung für eine Aufhebung der Ausschreibung bei einem nicht wirtschaftlichen Ergebnis ist stets, dass der Auftraggeber die Kosten für die Ausführung der Leistung vorab ordnungsgemäß kalkuliert hat. Hierzu gehören aktuell eingeholte datierte Angebote und eine ordnungsgemäß in der Vergabeakte dokumentierte ex-ante Schätzung. VK Niedersachsen, Beschluss vom 13.03.2017 – VgK-02/2017 GWB § 160; VgV §§ 3, 8, 17 Abs. 1; VOB/A 2012 §§ 1 EU, 20 EU1.3 Referenzleistung muss (nur) vergleichbar, nicht identisch sein! 1. Referenzen müssen nicht mit dem Ausschreibungsgegenstand identisch sein. Es reicht aus, wenn sie ihm nahekommen oder ähneln und einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters für die ausgeschriebene Leistung ermöglichen. 2. Es ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden, wenn in den Vergabeunterlagen lediglich beschrieben wird, dass (1) die zu benennenden Referenzen in den letzten drei Jahren erbracht worden sein sollen, (2) diese inhaltlich (von der Aufgabenstellung her) mit den nach der Leistungsbeschreibung zu erbringenden Leistungen vergleichbar sein sollen, (3) sie ein vergleichbares Maß an Wissen und Erfahrung bedingen sollen und (4) sodann im Einzelnen näher ausgeführt wird, was der Auftraggeber mit den zu den Referenzprojekten im Einzelnen angeforderten Daten bezweckt bzw. daraus für die Eignungsprüfung abzuleiten beabsichtigt. VB Bund, Beschluss vom 30.05.2017 – VK 2-46/17 BGB §§ 133, 157; GWB § 97 Abs. 1, 6, § 122 Abs. 2, 4; VgV § 46 Abs. 1, 3 4

Hinweis: Maßgebend für die geforderte Vergleichbarkeit von Referenzprojekten und Ausschreibungsgegenstand sind die vom Auftraggeber in den Ausschreibungsunter- lagen dafür festgelegten Mindestanforderungen. Je unspezifischer diese sind, desto offener ist der Vergabewettbewerb auf der Ebene der Eignungsprüfung gestaltet. Dem entsprechend darf der Auftraggeber die einmal festgelegten Kriterien jedenfalls nach Angebotsangabe nicht mehr verschärfen.1.4 Abweichung der Angebote unter 10 %: Auftraggeber muss nicht aufklären! 1. Die Kalkulation des Bestbieters muss nicht überprüft werden, wenn sein Angebot weniger als 10 % vom nächsthöheren Angebot abweicht. 2. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Angebotspreises ist nicht auf Einzel- positionen abzustellen. 3. Wenn keine Wertungskriterien bekannt gemacht worden sind, wird der Zuschlag an das wirtschaftlichste Angebot vergeben. VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.06.2017 – 3 VK LSA 25/17 LVG-SA §§ 14, 19 Abs. 2; VOB/A § 15 Abs. 1 Hinweis: Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war hier der oft verbreitete Irrtum, dass, wenn einzelne Positionen des Angebots ungewöhnlich niedrig erscheinen, hieraus das Vorliegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises resultiere. Genau dies ist jedoch nicht der Fall. Ist der Abstand zum nächsthöheren Angebot oder zur Kostenschätzung nicht größer als 10 %, ist die Vergabestelle nicht zur weiteren Prüfung angehalten. Folglich kann sich auch kein Ausschlussgrund daraus ergeben, dass lediglich einzelne Positionen auffällig günstig angeboten wurden.1.5 Vergabestelle darf auch Einhaltung der Mindestlohnvorschriften prüfen! 1. Der öffentliche Auftraggeber hat in der Regel vom Bieter Aufklärung über den Angebotspreis zu verlangen, wenn zwischen dem (Gesamt-)Angebotspreis des Bestbieters und dem nächstplatzierten Bieter eine Preisdifferenz von mehr als 20 % besteht (sog. „Aufgreifschwelle“). 2. Entsprechend § 60 Abs. 2 Nr. 4 VgV darf die Vergabestelle auch die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB prüfen. Somit ist grundsätzlich auch die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften nach dem Mindestlohngesetz gerecht- fertigt. VK Nordbayern, Beschluss vom 07.09.2017 – 21.VK-3194-02-04 GWB §§ 128, 134, 160, 168; VgV §§ 15, 601.6 Keine Eigentumsnachweise für Nachunternehmer mehr? Bei reinen Nachunternehmern (§ 36 VgV) darf der Auftraggeber von den Bietern nur verlangen, den an diese zu überlassenden Auftragsteil und, sofern zumutbar, deren Namen anzugeben. Verpflichtungserklärungen von Nachunternehmern dürfen nicht bereits mit dem Angebot verlangt werden, sondern nur von den Bietern in der engeren Wahl. Mehr darf der Auftraggeber nur im Fall der Eignungsleihe verlangen, insbesondere Eignungsnachweise. VK Bund, Beschluss vom 28.09.2017 – VK 1-93/17 VgV §§ 36, 47, 48 5

Hinweis: Die Vergabekammer vollzieht den Wortlaut des Gesetzes. In der Tat fehlt eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für die Prüfung der Eignung von Nachunternehmern durch Auftraggeber. Einstweilen ist Auftraggebern daher zu raten, bei der Forderung von Eignungsnachweisen für Nachunternehmer zurückhaltend zu sein und die weitere Rechtsprechung zu beobachten. Mit dieser Entscheidung der VK Bund ist ein Paradigmenwechsel verbunden. Bisher gab es keine Zweifel daran, dass Nachunternehmer die Eignungsanforderungen in demselben Maße (ggf. beschränkt auf ihren Leistungsanteil) erfüllen müssen, wie der Bieter (so noch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2011 – Verg 60/11).1.7 Fehlerhafte Kostenschätzung: Verfahrensaufhebung wirksam, aber rechtswidrig! 1. Der öffentliche Auftraggeber kann ein Vergabeverfahren aufheben, wenn ein sachlicher Grund hierfür vorliegt. Ein sachlicher Grund wird u. a. angenommen, wenn der öffentliche Auftraggeber aus haushaltsmäßigen Gründen auf die konkret ausgeschriebene Beschaffung verzichten muss, weil er entweder keine Mittel mehr in der benötigten Höhe zur Verfügung hat oder ihm die Beschaffung schlicht zu teuer ist. 2. Einer wirksamen Aufhebung steht nicht entgegen, dass der öffentliche Auftrag- geber den Aufhebungsgrund selbst durch eine fehlerhafte Kostenschätzung herbeigeführt hat und deshalb seine Erwartungen bezüglich der Vergabeerlöse enttäuscht wurden. 3. Die Kostenschätzung ist zutreffend durchgeführt, wenn die Vergabestelle oder ein von ihr beauftragter Dritter Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis erwarten lassen. 4. Eine sanktionslose Aufhebung des Vergabeverfahrens kommt bei fehlerhafter Kostenschätzung nicht in Betracht, vielmehr haftet der öffentliche Auftraggeber den Bietern auf Schadensersatz. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.10.2017 – 1 VK 41/17 VgV §§ 3, 63 Abs. 1 Hinweis: Der Fall zeigt, dass öffentliche Auftraggeber gut beraten sind, Kosten- ermittlungen mit angemessener Sorgfalt vorzunehmen. Ansonsten drohen bei Aufhebung von Vergabeverfahren Schadensersatzklagen der Bieter, die insbesondere die Angebotserstellung umfassen können.2. Baurecht2.1 Wie lange muss eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung sein? Die Frist zur Nacherfüllung muss angemessen sein. Angemessen ist die Frist, wenn der Unternehmer die Mängel unter größten Anstrengungen fristgemäß beseitigen könnte. Maßgeblich sind hierbei sämtliche Umstände des Einzelfalls. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2016 – 21 U 180/15 BGB § 281 Abs. 1, §§ 633, 634, 636 Hinweis: Die Entscheidung folgt den anerkannten Grundsätzen zur Angemessenheit einer Nachbesserungsfrist. Abstrakte Maßstäbe oder (Mindest-)Fristen existieren insoweit nicht. Wie kurz die angemessene Nachfrist zur Mängelbeseitigung sein darf, ist daher immer eine Frage des Einzelfalls. Gleichwohl ist eine zu knapp bemessene Nachfrist nicht unwirksam, sondern setzt automatisch eine angemessene Frist in Gang. 6

Wird aber vor Ablauf der objektiv angemessenen Nachfrist eine Ersatzvornahme ausgelöst, sind deren Kosten in aller Regel nicht erstattungsfähig.2.2 Mängelbeseitigung zugesagt: Bauunternehmer haftet für „fremde“ Mängel! 1. Ein am Bauvertrag zunächst nicht beteiligtes Bauunternehmen kann zur Mängelbeseitigung verpflichtet sein, wenn es nachträglich die vertraglichen Verpflichtungen des Auftragnehmers übernommen hat bzw. diesen beigetreten ist. 2. Der Schuldbeitritt ist der Bürgschaft verwandt. Ob die Parteien Schuldbeitritt oder Bürgschaft vereinbaren wollten, ist durch Auslegung zu ermitteln. 3. Ein Schuldbeitritt ist anzunehmen, wenn die Parteien eine selbständige Verpflichtung eingehen wollten. Dabei kann das eigene wirtschaftliche Interesse des Beitretenden (hier: des Bauunternehmers) an der Erfüllung der Hauptverpflichtung (hier: der Mängelbeseitigung durch den Auftragnehmer) Indiz für einen Schuldbeitritt sein. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.07.2016 – 2 U 181/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen) BGB § 311 Abs. 1, §§ 633, 634 Nr. 4, § 636 Hinweis: Nicht selten betreiben Bauunternehmer ihr Geschäft über mehrere rechtlich selbständige Gesellschaften. Dann kann es schnell zur Mitverpflichtung kommen, wenn man den falschen Briefkopf oder das falsche E-Mail-Konto verwendet (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).2.3 Auf allgemein bekannte Risiken muss der Auftragnehmer nicht hinweisen! 1. Die Grenzen der an den Auftragnehmer zu stellenden Anforderungen an seine Prüfungs- und Hinweispflicht richten sich nach dem Einzelfall mit seinen Besonderheiten. Hinweise sind umso weniger geboten, wie der Auftragnehmer darauf vertrauen darf, dass entsprechendes Wissen auf Seiten des Auftraggebers vorausgesetzt werden kann. 2. Der Auftraggeber, der ein nach allgemeinen Kenntnissen in Fachkreisen bestehendes Risiko durch die gewählte Konstruktion in Kauf nimmt (hier: Anbindung verschiedener Materialien ohne Fugenbildung im Bereich von sonnenbedingter Hitzeeinwirkung), kann nicht erwarten, von den bauausführenden Unternehmern einen Bedenkenhinweis zu erhalten. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 20.07.2015 – 6 U 7/14 BGH, Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZR 198/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB § 254; VOB/B § 4 Nr. 3, § 13 Nr. 1, 3 Hinweis: Das OLG greift in seiner Entscheidung die Gedanken anderer OLG auf: Je kompetenter der Auftraggeber, desto geringer die Anforderungen an die Prüf- und Hinweispflicht des Auftragnehmers. Es fügt dem eine weitere Facette hinzu: Auf Grundwissen muss man nicht hinweisen!2.4 Kann eine Ausführung entgegen den anerkannten Regeln der Technik vereinbart werden? 1. Besteht die Funktion einer Werkleistung darin, dass das Risiko bestimmter Gefahren abgewehrt werden soll, ist das Werk bereits dann mangelhaft, wenn das Risiko des Gefahreintritts besteht. 2. Die Werkvertragsparteien können zwar auch eine Konstruktion bzw. Bauaus- führung vereinbaren, die von den allgemein anerkannten Regeln der Technik 7

abweicht bzw. deren Mindeststandard nicht zu gewährleisten hat. Ohne eine entsprechende Aufklärung kommt indes die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Zustimmung des Auftraggebers, dass der Auftragnehmer seine Werkleistung abweichend von den allgemein anerkannten Regeln der Technik erbringt, in aller Regel nicht in Betracht. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.06.2017 – 22 U 14/17 BGB §§ 633, 641 Hinweis: Ein Unternehmer oder auch ein Planer, der von den anerkannten Regeln der Technik (negativ) abweichen will, muss seinen Auftraggeber hierauf deutlich hinweisen und ihn über die Folgen aufklären (vgl. auch OLG München, Urteil vom 26.02.2013 - 9 U 1553/12 Bau). An diese Aufklärung sind hohe Anforderungen zu stellen, weshalb von einem Unterschreiten der allgemein anerkannten Regeln der Technik nur abgeraten werden kann.2.5 Vom Leistungsverzeichnis abgewichen: Mangel arglistig verschwiegen! Die zweijährige Verjährungsfrist des § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B gilt nicht, wenn ein augenfälliger Leistungsmangel vom Werkunternehmer arglistig verschwiegen wurde. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2016 – 21 U 145/13 BGH, Beschluss vom 21.06.2017 – VII ZR 160/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 195, 199, 212, 634 a Abs. 1 Nr. 2; VOB/B § 13 Nr. 4, 7 Hinweis: Bei eigenmächtiger Abweichung von der Baubeschreibung durch den Werkunternehmer handelt dieser arglistig. Die Durchbrechung der Verjährung zu Ungunsten des Werkunternehmers ist die Folge. Gleichwohl handelt es sich dabei um einen Ausnahmefall, den Auftraggeber selbst bei gravierenden Mängeln keinesfalls zum Anlass nehmen sollten, sich auf eine Durchbrechung der Verjährung zu ihren Ungunsten zu verlassen.2.6 Auch eine „vorbehaltliche Schlussabnahme“ ist eine Abnahme! 1. Auch bei einer als „vorbehaltlichen Schlussabnahme“ bezeichneten Abnahme kann es sich um eine rechtsgeschäftliche Abnahme i. S. von § 640 BGB, § 12 VOB/B handeln. 2. Macht der Auftraggeber in Kenntnis der Schlussabnahme durch seinen hierzu nicht bevollmächtigten Mitarbeiter Zurückbehaltungsrechte wegen im Abnahmeprotokoll aufgeführter Mängel geltend, kann dies nur so verstanden werden, dass damit die Abnahme als solche nicht mehr in Frage gestellt wird. 3. Die Abnahme ist eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Auftraggebers. Eine übereinstimmende Erklärung beider Bauvertragsparteien ist für die Abnahme nicht erforderlich. Auch soweit sich die Bauvertragsparteien nicht über noch vorhandene Mängel einig sind, kann eine Abnahme durch den Auftraggeber erfolgen. OLG Naumburg, Urteil vom 25.09.2014 – 9 U 139/10 BGH, Beschluss vom 05.07.2017 – VII ZR 257/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB § 640; VOB/B § 12 Hinweis: In der Praxis wird die Unterzeichnung eines Abnahmeprotokolls vom Auftragnehmer bisweilen mit der Begründung verweigert, dass er die vom Auftraggeber in das Protokoll aufgenommenen Mängel nicht als vertragswidrige Leistung ansieht und 8

er auch den Vertragsstrafenvorbehalt nicht akzeptieren kann. Mit der Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls sind jedoch für den Auftragnehmer keine negativen Rechtsfolgen verbunden, weil darin kein Anerkenntnis der Vorbehalte des Auftrag- gebers liegt, sondern lediglich die Erklärung, dass er den Inhalt des Abnahmeprotokolls zur Kenntnis genommen hat (so auch BGH, Urteil vom 25.09.1986 – VII ZR 276/84).2.7 Einheitspreise sind keine Festpreise! Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Einheitspreis- Bauvertrags enthaltene Klausel „Die dem Angebot des Auftragnehmers zu Grunde liegenden Preise sind grundsätzlich Festpreise und bleiben für die gesamte Vertragsdauer verbindlich.“ benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist daher unwirksam. BGH, Urteil vom 20.07.2017 – VII ZR 259/16 BGB § 306 Abs. 2, § 307 Abs. 1, 2, § 313; VOB/B § 2 Abs. 32.8 Herstellung einer mangelhaften Sache ist keine Eigentumsverletzung! Die Herstellung einer mangelhaften Sache stellt keine Eigentumsverletzung dar, sondern führt nur zu einem allgemeinen Vermögensschaden, soweit sich der Schaden auf den Mangelunwert begrenzt, also Stoffgleichheit vorliegt. Dem Eigentümer eines Gebäudes stehen deshalb keine deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche aus einer mangelhaften Ausführung der Dachabdichtung bei Errichtung des Gebäudes zu. OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.09.2017 – 13 U 87/17 BGB §§ 249, 280, 823 Hinweis: Weil der Besteller nie eine mangelfreie Sache hatte, wird sein Integritäts- interesse insoweit nicht beeinträchtigt. Der eingetretene Schaden ist allein auf enttäuschte Vertragserwartung zurückzuführen. Dem entsprechend stehen dem Eigentümer (wie dem Besitzer) des Gebäudes keine deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüche aus einer mangelhaften Ausführung zu.2.9 Sicherheitseinbehalt vereinbart: Keine Aufrechnung mit Forderungen aus anderen Verträgen! Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags, dass ein Betrag von 5 % der Netto- Schlussabrechnungssumme zur Sicherung einbehalten werden darf, der Unternehmer diesen Einbehalt durch eine Bankbürgschaft ablösen kann und weiter: „Diese Sicherheit – gleich ob als Einbehalt oder als Bürgschaft – dient in dem Zeitraum von der Abnahme bis zum Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche dazu, die Rechte des AG bei Mängeln (§ 634 BGB) (inklusive Aufwendungsersatz und Kostenvorschuss bei Selbstvornahme), jedwede Schadensersatzansprüche des Auftraggebers (insbesondere gemäß der §§ 280 ff. BGB) und die Ansprüche des Auftraggebers auf Erstattung von Überzahlungen aus diesem Vertrag (auch hinsichtlich geänderter und zusätzlicher Leistungen) abzusichern.“, ist der Besteller jedenfalls während des vereinbarten Sicherungszeitraums nicht berechtigt, nachdem er den Betrag einbe- halten hat, gegen diesen Restwerklohnanspruch mit einer Forderung aus einem anderen Vertrag aufzurechnen. BGH, Urteil vom 14.09.2017 – VII ZR 3/17 9

BGB §§ 133, 157, 387, 631 Abs. 1 Hinweis: Der BGH hat eine in der OLG-Rechtsprechung lange strittige Frage nunmehr geklärt. Das einschränkende „jedenfalls“ im Leitsatz dürfte im Hinblick auf die Begründung des Urteils so zu verstehen sein, dass sich durch das Urteil an der Möglichkeit des Auftraggebers, bis zum Zeitpunkt des Einbehaltens eines Teils des Werklohns gegen den gesamten Werklohnanspruch auch mit Forderungen aus anderen Verträgen aufzurechnen, nichts ändert.2.10 Wer trägt das Risiko einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik? 1. Der Auftragnehmer schuldet gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B 2006 grundsätzlich die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Dies gilt auch bei einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme. 2. In einem solchen Fall hat der Auftragnehmer den Auftraggeber regelmäßig über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauaus- führung zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. 3. Besteht der Auftraggeber daraufhin auf die Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik mit der Folge, dass ein aufwändigeres Verfahren zur Herstellung erforderlich wird, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Mehrvergütung aus § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B 2006 zu. BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65/14 BGB §§ 133, 157, 242; VOB/B 2006 § 1 Nr. 3, 4, § 2 Nr. 5, 6, § 4 Nr. 3, § 13 Nr. 1, 3 Hinweis: Wird die Leistung lediglich funktional beschrieben, trägt – anders als im vorliegenden Fall – allein der Auftragnehmer das finanzielle Risiko einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme (so auch OLG Nürnberg, Urteil vom 23.09.2010 – 13 U 194/08).3. Arbeitsrecht3.1 Öffentliche Auftragsvergabe – Verpflichtung des Nachunternehmers zur Zahlung des vergabespezifischen Mindestlohns Hat sich ein Nachunternehmer gegenüber einem Auftragnehmer im Zusammenhang mit einer öffentlichen Auftragsvergabe zur Zahlung des vergabespezifischen Mindestlohns verpflichtet, kann ein Arbeitnehmer seine Forderung auf diesen Mindestlohn unmittelbar auf den Rahmenvertrag stützen. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.01.2017 – 10 Sa 1425/16 VergabeG BB 2016, §§ 3, 5 BGB §§ 328, 611 Hinweis: In Mecklenburg-Vorpommern ist die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohns in Höhe von 9,54 Euro (brutto) geplant. Aktuell findet im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Anhörung der Verbände statt. 10

3.2 Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, ist er darlegungs- und beweispflichtig für den Zugang der Kündigungserklärung. Ist das Gericht nach Beweiserhebung nicht zweifelsfrei vom Zugang der Kündigungserklärung überzeugt, gereicht dieses dem Arbeitgeber insofern zum Nachteil, als dass er den ihm obliegenden Beweis nicht führen konnte. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.05.2017 – 5 Sa 257/16 BGB §§ 174 Satz 1, 177, 362 Abs. 1, 615, 623 Hinweis: In der betrieblichen Praxis ist der Idealfall der Zustellung des Kündigungs- schreibens die persönliche Übergabe an den Arbeitnehmer. Zu dieser Übergabe sollte ein Zeuge hinzugezogen werden.3.3 Außerordentliche Kündigung bei Weiterleitung betrieblicher Informationen auf privaten E-Mail Account 1. Die Weiterleitung von Mails mit betrieblichen Informationen auf einen privaten E-Mail Account zur Vorbereitung einer Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber stellt eine schwerwiegende Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten dar (im Anschluss an BAG vom 08.05.2014 – 2 AZR 249/13). 2. Sendet ein Arbeitnehmer, der nach durchgeführten Vertragsverhandlungen unmittelbar vor Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Konkurrenten steht, in ungewöhnlichem Umfang Mails mit betrieblichen Informationen an sein privates E-Mail Account, so kann die damit einhergehende unmittelbare Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers in der Interessenabwägung bei der außerordentlichen Kündigung zugunsten des Arbeitgebers wirken. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.05.2017 – 7 Sa 38/17 BGB § 6263.4 Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Teilurlaubstagen Es bleibt unentschieden, ob Arbeitnehmer Anspruch auf Erholungsurlaub an halben Tagen haben. BAG, Urteil vom 27.06.2017 – 9 AZR 120/16 BGB §§ 133, 157; ZPO §§ 253, 726, 894 Hinweis: Nach der Entscheidung des 9. Senats des BAG bleibt ungeklärt, ob Arbeit- nehmer Anspruch auf halbe Urlaubstage haben. Wird dies in der betrieblichen Praxis jedoch seit Jahren so praktiziert, kann der Arbeitgeber schon alleine wegen § 242 BGB gehindert sein, die langjährige Praxis der Urlaubsgewährung zu ändern. Dass die Gewährung von Teilen von Urlaubstagen grundsätzlich möglich ist, ergibt sich aus dem Urteil des BAG vom 26.01.1989 (8 AZR 730/87). In dieser Entscheidung wurde die gegenteilige Auffassung aus dem Urteil vom 28.11.1968 (5 AZR 133/68) ausdrücklich aufgegeben. Ob auf die Erteilung von Teilurlaubstagen allerdings ein Rechtsanspruch – vor allem wegen des Teilungsverbotes in § 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG – bestehen kann, ist höchst richterlich bisher nicht abschließend geklärt, denn im Urteil vom 26.01.1989 (8 AZR 730/87) hat sich das BAG nicht ausdrücklich zur Frage eines Anspruchs auf 11

Teilurlaubstage positioniert. Das LAG Düsseldorf (Urteil vom 25.07.2007– 12 Sa 944/07) hält einen Anspruch auf Teilurlaubstage für ausgeschlossen, während das LAG Hannover (Urteil vom 23.04.2009 – 7 Sa 1655/08) einen solchen für zulässig hält. Das LAG Hamburg (Urteil vom 21.09.2015 – 8 Sa 46/14) hat sich im vorliegenden Fall der Auffassung angeschlossen, dass Urlaubsansprüche grundsätzlich auch in Form halber Urlaubstage verlangt und erfüllt werden können.3.5 Außerordentliche Kündigung bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeits- bescheinigung 1. Das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit kann einen „wichtigen Grund an sich\" im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer unter Vorlage eines Attests der Arbeit fernbleibt und sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt (Anschluss an BAG, Urteil vom 26.08.1993 – 2 AZR 154/93). 2. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Ihr kommt ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt (Anschluss an BAG, Urteil vom 26.10.2016 – 5 AZR 167/16). 3. Im Hinblick auf das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit müssen angesichts des hohen Beweiswertes einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zumindest begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser ärztlichen Bescheinigung aufgezeigt werden, um den Beweiswert der Bescheinigung zu erschüttern (Anschluss an BAG, Urteil vom 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13). LAG Köln, Urteil vom 07.07.2017 – 4 Sa 936/16 BGB § 626; ZPO § 138; EntgFG § 5; BDSG 1990 § 32; SGB V § 275 Hinweis: Voraussetzung für eine erfolgreiche Erschütterung der Beweiswirkung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist eine umfassende gerichtsfeste Dokumentation der bestehenden Verdachtsmomente. Hierbei ist insbesondere der Grundsatz der Erforderlichkeit bei der Wahl der Aufklärungsmittel zu beachten, um die Gefahr einer datenschutzwidrigen Maßnahme und eines hieraus resultierenden Sachvortrags bzw. Beweisverwertungsverbots (hierzu BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 597/16) zu vermeiden.3.6 Heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs kann fristlose Kündigung rechtfertigen Nimmt ein Arbeitnehmer heimlich mit seinem Smartphone ein zwischen Vorgesetzten, Betriebsrat und ihm geführtes Personalgespräch auf, kann eine fristlose Kündigung wirksam sein. LAG Hessen, Urteil vom 23.08.2017 – 6 Sa 137/17 BGB § 626 Hinweis: Bei jeder fristlosen Kündigung sind die Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers im Einzelfall zu prüfen. Trotz der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers von 25 Jahren überwogen nach Auffassung des Gerichts die Interessen des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hätte darauf hinweisen müssen, dass die Aufnahme- funktion auf seinem Smartphone aktiviert war; die Heimlichkeit sei nicht zu 12

rechtfertigen. Zudem sei das Arbeitsverhältnis schon durch eine E-Mail beeinträchtigt gewesen, mit der Kollegen als „Low Performer“ und „faule Mistkäfer“ beleidigt worden waren. Gegen die Entscheidung ist Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG unter dem Akten- zeichen 2 AZN 981/17 eingelegt.3.7 Unverbindlichkeit unbilliger Weisungen (hier: Versetzung) Ein Arbeitnehmer ist nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig- an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt (unbillige Weisung). BAG, Urteil vom 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 BGB §§ 305 ff., 315, 612 a; GewO § 106; ZPO §256 Abs. 2 Hinweis: Ausweislich des Arbeitsvertrages war der Arbeitgeber berechtigt, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuzuweisen (konkret von Dortmund nach Berlin). Der Arbeitnehmer nahm die Arbeit dort nicht auf. Nach zwei Abmahnungen sprach der Arbeitgeber die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Hiergegen wandte sich der Arbeitnehmer mit Erfolg in der ersten wie auch in der zweiten Instanz. Die zugelassene Revision ist beim BAG anhängig (2 AZR 329/16). Parallel dazu klagte der Arbeitnehmer auf Feststellung, dass die Weisung unbillig wäre und verlangte den angefallenen Verzugslohn. Auch insoweit gaben ihm das Arbeits- gericht und das Landesarbeitsgericht Recht. Das BAG hat in der nun zitierten Entscheidung die Revision des Arbeitgebers zurückgewiesen. Der Senat vertritt die Auffassung, dass ein Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht zu folgen braucht. Damit weicht der 10. Senat von der Rechtsprechung des 5. Senats (zuletzt im Urteil vom 22.02.2012 – 5 AZR 249/11) ab. Auf Anfrage nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG teilte der 5. Senat mit, dass er an seiner Rechtsprechung nicht mehr festhalte (BAG, Beschluss vom 14.09.2017 – 5 AS 7/17).3.8 Wöchentliche Ruhezeit innerhalb jedes Siebentageszeitraums Die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer muss nicht notwendigerweise am 7. Tag nach sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen eingehalten werden. Sie kann vielmehr an einem beliebigen Tag innerhalb jedes Siebentagezeitraums gewährt werden. EuGH, Urteil vom 09.11.2017 – C-306/16 AEUV Art. 267; EGRL 88/2003 Art. 3; Art. 5 Abs. 1, Art. 16 b, Art. 17 Abs. 4 Hinweis: Nach der Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) hat jeder Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum Anspruch auf kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden. Der EuGH hat klargestellt, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die wöchentliche Mindestruhezeit spätestens am 7. Tag gewährt wird. Erforderlich sei lediglich, dass innerhalb jedes Siebentagezeitraums die Mindestruhezeit eingehalten wird. 13

3.9 Durch Arbeitgeber verhinderter bezahlter Urlaub kann unbegrenzt übertragen und angesammelt werden Versetzt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht in die Lage, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, kann ein Arbeitnehmer nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt übertragen und ansammeln. EuGH, Urteil vom 29.11.2017 – C-214/16 EGRL 88/2003 Art. 7 Hinweis: Von dieser EuGH-Rechtsprechung sind gewerbliche Arbeitnehmer aufgrund von § 8 Ziffer 7 BRTV, der eine Ausschlussfrist zum Ablauf des Kalenderjahres, das auf das Jahr der Entstehung des Anspruchs folgt, vorsieht, nicht betroffen. Die Wirksamkeit solcher tariflichen Ausschlussklauseln hat der EuGH ausdrücklich anerkannt (Urteil vom 22.11.2011 – C-214/10). In der vorliegenden Entscheidung weist der EuGH auch ausdrücklich darauf hin, dass seine Rechtsprechung zur begrenzten Übertragung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub bei Arbeitnehmern, die diesen krankheitsbedingt nicht nehmen konnten (EuGH, Urteil vom 22.11.2011 – C-214/10: 15 Monate), weiter fort gilt. 14

§ Rechtsvertretung §§ Rechtsberatung §§ Rechtsetzung §Ihr Ansprechpartner: RA Dr. iur. Jörn-Christoph Jansen Tel.: 0385 7418-115 Fax: 0385 7418-180 E-Mail: [email protected] vertreten Sie: gerichtlich und außergerichtlich im Arbeits- und Sozialrecht sowie in Schwerbehindertenangelegenheiten vor dem Verwaltungsgericht Es entstehen für Sie keine Prozess- und Anwaltskosten! außergerichtlich auf anderen Rechtsgebieten nach Einzelfallentscheidung bei der Vermittlung von Fachanwälten auf dem Gebiet des öffentlichen Vergaberechts (VOB/A-Vergabe) gegenüber den Vergabeprüfstellen bei der Rechtsverfolgung von SchwarzarbeitRechtsberatungWir beraten unsere Mitglieder in folgenden Angelegenheiten: Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht, insbesondere auch zum Betriebsverfassungsrecht Zivilrecht im Allgemeinen und privates und öffentliches Baurecht im Besonderen Handwerks- und Gewerberecht WettbewerbsrechtZusätzlich beraten wir: zum Vergaberecht zum Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht zum Handels- und Gesellschaftsrecht zur Durchführung von BEM-Verfahren (Betriebliches Eingliederungsmanagement)RechtsetzungIm Auftrag unserer Mitglieder bringen wir uns in die Schaffung gesetzlicher Normen und Entscheidungen ein. machen wir Forderungen gegenüber Ministerien des Bundes und des Landes sowie gegenüber Kommunen geltend. 15


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