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Deal with the conflict - GERMAN -

Published by Fundación La Salle Argentina, 2021-03-25 14:49:17

Description: Deal with the conflict - GERMAN

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Ein praktisches Büchlein für Erzieher und Erzieherinnen Interkulturelle Arbeits- und Wissensgemeinschaft

UMGANG MIT KONFLIKTEN Ein praktisches Büchlein für Erzieher und Erzieherinnen Interkulturelle Arbeits- und Wissensgemeinschaft 2019 Teilnehmende Organisationen: Apprentis d’Auteuil (Frankreich) CJD (Deutschland) Foundation La Salle (Argentinien) Haut Ecole Bruxelles Brabant (Belgien) Université St. Joseph (Libanon) Redaktionsteam: Giacomo Baldin (Apprentis d’Auteuil) François Gillet (HE2B) Gastón Luis Picone (Foundation La Salle) Andrea Solander-Gross (CJD) Amal Moukarzel (Universität Saint- Joseph Beirut) Kunst- und Grafikdesign: Sebastián Prevotel / Celeste Pesoa Mit Unterstützung von:

EINFÜHRUNG 5 1 GRUPPENKOHÄSION FÖRDERN: 7 WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 8 Empfehlungen 10 1. Eine Umgebung teilen und sich darum kümmern 12 2. Rituale 14 3. Junge Gastgeber 4. Im Gleichgewicht bleiben 16 18 Werkzeuge und Spiele 20 1. Zusammen singen und tanzen 22 2. Der interkulturelle und interspirituelle Eisberg 3. Ein Storytelling-Werkzeug : die Dreiecke 24 4.Ein interkulturelles Spiel 25 2 LEKTIONEN GELERNT 26 Empfehlungen für eine gute Organisation Den Konflikt begleiten 28 Begegnungen von Erziehern / Erziehern und Erziehern / Kindern und 30 Jugendlichen 32 Koordinationsteam-Herausforderungen 33 Veranstaltungsort und Zeitbedingungen Einfache Sprache, praktisch und nützlich 34 3 KONZEPTE UND DEFINITIONEN 35 Erzieherinnen und Erzieher 36 „Educación popular“ (Volksbildung, Bildung von unten) 37 Pädagogische Präsenz 38 Interkulturalität 39 Interspiritualität 40 Gruppenkohäsion 41 Konflikterfahrung 42 La communauté de pratiques et de savoirs (Arbeits- und Wissensge- meinschaft) 43 Die Definition der Arbeits- und Wissensgemeinschaft 44 Nomadenpädagogik



EINFÜHRUNG Diese Broschüre „Umgang mit Konflikten“ richtet sich an pädagogische Fachkräfte, Mitarbeitende in der sozialen Arbeit sowie Moderatoren und Moderatorinnen multikultureller Gruppen. Sie ist ein Ergebnis aus der ge- meinsamen Arbeit einer 30-köpfigen Gruppe von Fachkräften und jungen Menschen, die ihre Erfahrungen aus der Praxis und ihr akademisches Wis- sen miteinander verknüpft haben. In der Arbeits- und Wissensgemeinschaft „Communauté de pratiques et de savoirs interculturels“ tauschen sich Mitarbeitende von drei Akteuren in der Kinder- und Jugendhilfe sowie zwei Ausbildungsorganisationen für Sozialarbeiter miteinander aus: Apprentis d’Auteuil aus Frankreich, CJD (Christliches Jugenddorfwerk e.V.) aus Deutschland, La Salle Foundation aus Argentinien, Haut Ecole Bruxelles Brabant aus Belgien und die St. Jo- sephs Universität aus dem Libanon, mit dem Ziel, den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu fördern. In den drei Kapiteln der Broschüre finden Sie Aktivitäten, die den Zusam- menhalt und den (Wieder-) Aufbau des Dialogs in einer multikulturellen Gruppe unterstützen, sowie praktische Ratschläge und Grundlagen für die interkulturelle Arbeit. Gerne können auch Sie unserer Arbeits- und Wissensgemeinschaft „Com- munauté de pratiques et de savoirs interculturels“ beitreten. Schreiben Sie dazu an die Internationale Direktion von Apprentis d’Auteuil. Das Redaktionsteam. Giacomo Baldin (Apprentis d’Auteuil) François Gillet (HE2B) Gastón Luis Picone (Fondation La Salle) Andrea Solander Gross (CJD) 5



GRUPPENKOHÄSION FÖRDERN: 1 WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN Kollektiver Zusammenhalt und Teamgeist sind wichtige Vo- raussetzungen für erfolgreiche Gruppen-Trainings und den informativen Praxisaustausch. Sie finden hier eine Reihe von Hinweisen sowie praktische Tools, die mit einer Grup- pe von 30 Fachleuten praktisch erprobt wurden. Die be- schriebenen Aktivitäten fanden während eines fünftägigen Treffens in „Casa Joven“ statt. „Casa Joven“ gehört zu einer Bildungsorganisation in Buenos Aires (Argentinien), die jungen Menschen in Situationen sozialer Gefährdung hilft. Die international zusammengesetzte Arbeitsgruppe setzte dabei auf die hier im Folgenden vorgestellten Werkzeuge und Aktivitäten, um den Zusammenhalt in einer Gruppe auf- zubauen, aufrechtzuerhalten oder auch wiederherzustellen, wenn dies erforderlich ist. Blättern Sie ab diesem Ab- schnitt im Querformat weiter, um die Broschüre didaktisch nutzen zu können. 7

EMPFEHLUNGEN 1 Eine Umgebung teilen und sich darum kümmern Bereits die Situation sich einen Ort bzw. eine Auch jeder Raum ist eine Art „Werkzeug“ und Umgebung zu teilen, bedeutet für die einzel- hat eine pädagogische Funktion. Daher ist es nen Gruppenmitglieder Verantwortung zu über- so wichtig, für eine gute Umgebung der jungen nehmen. So haben alltägliche Aktivitäten wie die Menschen zu sorgen, einen Raum gegebenen- Essenszubereitung, das Geschirrspülen oder all- falls zu verändern und zu verbessern. Ob es sich gemeine Reinigungsarbeiten auch Auswirkun- dabei nun um Innen- oder Außenräume handelt, gen auf den Gruppenzusammenhalt. Diese ge- ob es große oder kleine Räume, religiöse Orte meinsamen Aktivitäten schaffen Zusammenhalt oder bestimmte Symbole sind – diese Elemen- und ermöglichen Verbindungen zwischen den te haben einen großen Einfluss und machen den Mitgliedern, auch wenn sie nicht dieselbe Spra- Unterschied in der Bildung aus. che sprechen. In „Casa Joven“ wurden in diesem Um Mitglieder einer Gruppe dafür zu gewinnen, Zusammenhang auch erste Kontakte zu den Ju- sich um ihre Räume und Umgebung zu küm- gendlichen des Hilfezentrums geknüpft. mern, können sie z.B. durch ein Spiel oder Quiz für In „Casa Joven“ werden für die Jugendlichen täglich Tätigkeiten wie Tische abräumen, Geschirrspülen verschiedene Workshops angeboten: Holzverarbei- oder das Säubern des Speiseraums ausgewählt tung, Elektro, Backen und Hauswirtschaft. Bei den werden. Wichtig ist dabei, dass sich jeder an die- Aktivitäten werden die jungen Menschen von päd- sen Hauptaufgaben beteiligt. Zum Pflegen, Ver- agogischen Fachkräften angeleitet und unterstützt. schönern und Dekorieren anderer Räume können „Jeder Moment bietet eine Bildungschance“ sagt auch kleinere Gruppen nach Wahl und Interesse der Educación Popular*-Ansatz. gebildet werden. WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 8

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EMPFEHLUNGEN 2 Rituale Rituale können für den guten Zusammenhalt in Die Rituale können zu Beginn gemeinsam mit einer Gruppe sehr wichtig sein. den Mitgliedern der Gruppe diskutiert (interkul- turell verhandelt) und festgelegt werden. Eine Beispiele: oder mehrere Personen können die Verantwor- tung übernehmen, an die Einhaltung der Ritua- eine festgelegte Art um „Hallo“ zu sagen und le zu erinnern. den Tag gemeinsam zu beginnen, mit einer Form der Begrüßung, die auch von neuen Gruppen-Mitgliedern und Ausländern ange- nommen wird Mahlzeiten erst nach einem kurzen Moment des Innehaltens (z.B. einem abwechselnd von verschiedenen Gruppenmitgliedern gespro- chenen Schlüsselsatz) gemeinsam beginnen eine gute Regel, um die Handynutzung wäh- rend der Mahlzeiten zu vermeiden: wer sein Handy nutzt, muss Geschirr spülen (diese Re- gelung funktioniert sehr gut, wenn sich alle zu ihrer Einhaltung verpflichten) WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 10

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EMPFEHLUNGEN 3 Junge Gastgeber Wenn Ihre Einrichtung Besucher von außerhalb empfängt – laden Sie ihre Jugendlichen ein, selbst initiativ zu sein. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, selbst den Ort zu präsentieren, an dem sie woh- nen, lernen oder arbeiten. Beziehen Sie die jun- gen Menschen vertrauensvoll mit in die Planung ein und geben Sie ihnen auch Raum, um selbst- ständig z.B. Feierlichkeiten, Workshops, Vorträge oder Diskussionsrunden zu organisieren. WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 12

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EMPFEHLUNGEN 4 Im Gleichgewicht bleiben Bei der Gruppenarbeit ist es wichtig, ein Gleich- Diese Dimensionen sollen während eines Mee- gewicht zwischen drei Dimensionen zu halten, tings berücksichtigt und allen Gruppenmitglie- wie z.B. dern erklärt werden. die Gruppe in die Lage zu versetzen (durch Er- klärung, Verhandlung, Motivation), gemeinsa- me Ziele zu finden das Gleichgewicht zwischen dem Individuum und der dynamischen Gruppe herzustellen Aktivitäten zum informellen und entspannten Lernen zu fördern WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 14

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WERKZEUGE UND SPIELE 1 Zusammen singen und tanzen Singen und Tanzen, der persönliche und körperli- Diese spielerischen und lustigen Momente bie- che Ausdruck in einer Gruppe, sind gute Werkzeu- ten sich beispielsweise während oder nach dem ge für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Gemein- Abendessen an. Ebenso können solche Aktivitä- sam zu tanzen, zu singen und zu musizieren trägt ten während oder nach einer Diskussionsrunde dazu bei, eine positive Verbindung zwischen Men- oder einer Gruppenarbeit vorgeschlagen werden. schen verschiedener Kulturen, Religionen oder Sie dienen dazu Geist und Körper zu beruhigen Altersgruppen herzustellen. Es fördert Empathie oder auch zu erfrischen. Wenn eine Gruppe aus und Zusammenhalt. Dies gilt insbesondere auch Menschen verschiedener Herkunft und Religio- für Zeiten, in denen beispielsweise ein Konflikt zu nen besteht, gilt es auch Platz für den „Unter- Spannungen zwischen Menschen geführt hat. schied“ zu lassen. So kann beispielsweise eine Gruppe von Menschen aus demselben Land für Gemeinsam singen und tanzen, in der Gruppe die Organisation einer Aktivität verantwortlich einen Kreis bilden und Kopf-, Schulter- oder Rü- sein. Auf diese Weise lernen die Gruppenmit- ckenmassagen miteinander austauschen – das glieder nach und nach auch verschiedene Spiele, verbindet und dient dem Zusammengehörig- Lieder und Tänze aus anderen Kulturen kennen. keitsgefühl. Durch die Verbindung mit Anderen über den Körper fühlen sich Menschen auf einer zweiten Ebene verbunden und spüren dieselben Dinge gemeinsam. Dies ist eine Grundvorausset- zung für das Zusammenleben. WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 16

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WERKZEUGE 2 Der interkulturelle und interspirituelle Eisberg UND SPIELE Das Werkzeug „interkultureller und interspiritueller Eis- dagogische Fachkräfte diesen Austausch lernen. Nur so berg“ kann zum Zeichnen und Beschreiben der eigenen können sie junge Menschen dabei unterstützen, die eige- Kultur, Religion oder Spiritualität verwendet werden. Die ne Spiritualität zu entdecken. Gruppe der interkulturellen Wissensgemeinschaft hat Zu beachten: dieses Werkzeug in Buenos Aires ausprobiert und damit den Mitgliedern ermöglicht, über ihre eigene spirituelle ein persönlicher und introspektiver Dialog ist sehr Welt zu sprechen und diese mit der Welt Anderer zu ver- wichtig, um die beiden Teile des Eisbergs entwickeln binden. Wichtig war hierbei, genügend Zeit für den Aus- zu können tausch über die entsprechenden „Eisberge“ einzuplanen. Der interkulturelle und interspirituelle Eisberg besteht wichtig ist auch, dass der unsichtbare Teil des Eisbergs aus zwei Teilen: (Werte usw.) mit dem sichtbaren Teil (Verhalten, Aktio- nen usw.) übereinstimmt dem sichtbaren Teil, in dem steht, was von anderen gesehen werden kann, die Kultur, Religion und Spi- wenn jemand nicht religiös ist, kann man auch über ritualität Spiritualität sprechen dem unsichtbaren Teil unter Wasser, den ande- Spiritualität kann auf verschiedene Weise ausgedrückt re nicht sehen können, wie Werte, Gedanken und werden (Handlungen, Werte, Liebe) Überzeugungen Religion kann Gläubigen helfen, Sicherheit und Identi- uwJdemeednreddsIeenGnnhreZuaipgwltpeeneiihneerrnmgeirrEtugiEpslipbiesedebnrhegrgagzeteubziaeeldhruessnttt,eMalduleiisenncu.shtiDecenhna.nZüabeciethr, tät zu finden. Die Herausforderung besteht darin, eine Beziehung zu einem anderen Menschen aufbauen zu Bei dieser Aufgabe stellt sich meist heraus, dass es nicht können, ohne ihn verändern oder bekehren zu wollen. einfach ist, über eigene Werte und Spiritualität zu spre- chen. Auch die in Buenos Aires versammelten Fachleute Das Werkzeug interkultureller und interspiritueller Eisberg waren darin nicht sehr geübt. Hier ist es wichtig, dass pä- ist sehr nützlich, um Jugendliche in diesen oben genann- ten Belangen zu unterstützen. Das Zeichnen und Schrei- ben und das anschließende Erklären helfen, einen sehr persönlichen Teil von sich auszudrücken. Es bildet einen Ausgangspunkt für ein echtes interkulturelles Verständnis. WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 18

19 Das Werkzeug interkultu- reller und interspiritueller Eisberg ist sehr nützlich, um Jugendliche in diesen oben genannten Belan- gen zu unterstützen. Das Zeichnen und Schreiben und das anschließende Erklären helfen, einen sehr persönlichen Teil von sich auszudrücken. Es bil- det einen Ausgangspunkt für ein echtes interkultu- relles Verständnis.

WERKZEUGE UND SPIELE 3 Ein Storytelling-Werkzeug : die Dreiecke Dieses Werkzeug kann während eines Seminars Jeder nimmt die Lösungsvorschläge aus der mehrmals in verschieden zusammengesetzten Dreiecksdiskussion mit und macht sich Notizen „Dreiecken“ organisiert werden. Ein Dreieck be- dazu. steht dabei aus drei Personen, die über eine Auf- gabe sprechen, die sie zuvor einzeln vorbereitet Im Anschluss werden Schlüsselaussagen zu- haben. sammengefasst. Anschließend erzählt das nächste Gruppenmitglied seine/ihre „Story“. Es Die einzelnen Schritte der Methode: folgt die gleiche Vorgehensweise wie vorher. Jedes Gruppenmitglied bereitet sich kurz dar- Dieses Format des praktischen Austausches ent- aufvor, eine „Story“ zu einemThema zu erzählen. wickelt sich rasch weiter. Es fördert das Einfüh- Ein Thema könnte z.B. lauten „Schwierigkeiten lungsvermögen und die gegenseitige Unterstüt- und Erfolge bei der Arbeit mit interkulturellen zung. Gleichzeitig führt diese Vorgehensweise zu Herausforderungen“. einem Mehr an Wissen und einem gesteigerten Bewusstsein über mögliche Herausforderungen Das Gruppenmitglied präsentiert seine/ihre in der praktischen Arbeit. Geschichte im Dreieck und berichtet, wie eine Herausforderung gemeistert werden konnte (oder vielleicht auch ungelöst blieb). WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 20

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WERKZEUGE UND SPIELE 4 Ein interkulturelles Spiel Um die individuellen Eigenschaften eines Je- Eine Person findet keinen freien Stuhl mehr und den zu betonen und gleichzeitig das Gefühl der muss in der Mitte bleiben. Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu entwickeln, bietet sich das interkulturelle Spiel „Ich bin der/ Diese Person beginnt erneut mit den Worten: die Einzige…an“. „Ich bin der/die Einzige…die eine gute Pizza machen kann“ Die Gruppenmitglieder stellen sich in einem Kreis auf, jeder hat einen Stuhl hinter sich. Fahren Sie mit dieser Übung wie gewünscht fort Ein Gruppenmitglied entfernt seinen/ihren Diese Übung gibt den Menschen das Gefühl ein- Stuhl und geht in die Mitte. zigartig und doch zugleich Teil einer Gruppe zu sein. Sie stärkt das Selbstwertgefühl und hilft Die Person in der Mitte sagt (beispielsweise): mehr über einen anderen Menschen zu erfahren. „Ich bin der/die Einzige…die schwarze Haut hat“ Sie ist daher besonders für Gruppen geeignet, in denen sich die Menschen noch nicht näher Jede Person, der diese Aussage gefällt, steht kennen. auf und rennt schnell zu einem anderen freien Stuhl. WERKZEUGE, SPIELE UND EMPFEHLUNGEN 22

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S LEOÇNS APPRISES Ç S AR S LESSONS LECCIONES N ISE SSO LESSO O N LEARN P T R APRENDIDAS LLLEEAECPASCRRSIONEONNNT SDESIDAS LECCIONES LE GLEEKLTERIONNTEN 2LEARNTN A LE CN P P LE CIONESDIDAS T N A S E S R Ç S N ISE O P LESSONS S LE R ÇN S A P ISE LEAARLPENAJGERodCurositTtesoospErCrehe(Cn.nLJ:I:NDFiGb.,Oa.GDPnieliolcDeunoNtt)ns,(HcGeha.I(lFBuaEoatDnulEddnc)iSdnoalA(eAtiopBnpSrurLexaenSltliesasldleB’A,rAuatrbegaueninlt,,tFiBnreiaelnngk)i,ereALni.)cMAuhEn)oduPkACanrdzReCrel a(UISEnoiOvlaenNrsdiNetér-SDt. EISDASO P LE R A P 24

gVuotrebOerregitaunnisgaetniofnür eine 1 Von Beginn der Session an festlegen, welche Sprache verwendet wird. 2 Bieten Sie den Teilnehmenden an, in eine z.B. Englisch oder Spanisch sprechende Gruppe oder in eine Grup- pe mit Übersetzer zu wechseln. 3 Wichtig für den vortragenden Sprecher: Regelmäßige Sprechpausen einlegen, um eine korrekte Überset- zung zu ermöglichen. Es ist hier sinnvoll, einen „Zeit- nehmer“ zu benennen. 4 Auch in Gruppendiskussionen: Machen Sie regelmä- ßig Sprechpausen, um die Übersetzung zu erleich- tern. Manchmal benötigen Teilnehmende auch nähere In- 5 formationen in ihrer Muttersprache, um dem Verlauf einer schwierigen Diskussion präzise folgen zu kön- nen. 6 Nutzen Sie vorhandene Ressourcen: Verschiedene Personen verfügen über besondere Sprachkompe- tenzen und sind in der Lage, individuelle Übersetzun- gen zu machen. 7 Um Überlastungen Einzelner zu vermeiden: Verteilen Sie die Verantwortung für die Übersetzungen auf so viele Schultern wie möglich. GELERNTE LEKTIONEN 25

Den Konflikt begleiten Ein Konflikt ist oft Konflikte sind Teil der Realität. Dies gilt es eben- nicht zu vermeiden. so zu bedenken, wie das im gegebenen Fall auch Wir haben gelernt, dafür die Verantwortung übernommen werden dass es keinen muss. Während unseres Trainings in Argentinien „Weltuntergang“ mussten auch wir uns mit einem Konflikt ausei- bedeutet, wenn er nandersetzen. Dieser wurde durch das Wohn- auftaucht. umfeld ausgelöst. Anstelle von der geplanten Man muss lernen, Unterbringung in Einzelzimmern stellte sich vor mit dem Konflikt Ort heraus, dass die Teilnehmenden sich paar- umzugehen und mit weise die Zimmer teilen mussten. Die Badezim- ihm zu leben. mer schienen nicht geputzt zu sein und es gab Durch die gemach- Insekten an Decken und Wänden. ten Erfahrungen wird man auch im Die meisten Teilnehmenden versuchten sich Hinblick auf die nach und nach an die Situation anzupassen und eigene Bildung und brachten zunächst die Zimmer etwas in Ordnung. Weiterentwicklung Nach der ersten Nacht entschieden jedoch zwei bereichert. Teilnehmenden nicht weiter in der Unterkunft 26 GELERNTE LEKTIONEN übernachten zu wollen, sondern buchten Zimmer in einem Hotel in der eine Autostunde entfernten Innenstadt von Buenos Aires. Sie hatten jedoch weiterhin die Absicht, an dem Training teilzuneh- men und dazu jeden Tag anzureisen. Diese Situation verursachte einen Konflikt. Unser Training mit dem Thema Gruppenkohäsion bezog naturgemäß die Dimension des Zusammenle- bens mit ein. Mit „Zusammenleben“ war auch das Leben in einem gemeinsamen Raum gemeint. Ein Konflikt schafft Verwirrung in einer Gruppe und ist ein allgegenwärtiges Thema. Wir haben daraus gelernt, dass Konflikte oft nicht zu vermeiden sind.

Es bedeutet keinen „Weltuntergang“, wenn er auf- Innerhalb einer taucht. Man muss lernen, mit dem Konflikt umzuge- Gruppe sind hen und mit ihm zu leben. Letztlich wird man durch Konflikte oft nicht die gemachten Erfahrungen auch im Hinblick auf die zu vermeiden. Es eigene Bildung und Weiterentwicklung bereichert. ist im Konfliktfall wichtig, für die Konflikte innerhalb einer Gruppe sind oft unver- Gruppe da zu sein. meidlich. Es ist dann wichtig, für die Gruppe da zu Konflikte mit sein. Ein Konflikt mit Energiepotenzial kann sich Energiepotenzial letztendlich auch als positiv für die Entwicklung der können sich Gruppe erweisen. letztendlich als positiv für die In unserem Konflikt bestand das „Füreinander da Entwicklung der sein“ in der Aufrechterhaltung der Kommunikation Gruppe erweisen. mit den beiden Konfliktparteien. Um den Konflikt besser thematisieren zu können, haben wir innerhalb der Gruppe für jede der beiden Personen einen „Vertreter“ des jeweiligen Stand- punktes benannt. So konnten wir während der Tage den Konflikt nach und nach lösen. GELERNTE LEKTIONEN 27

uBnedgeEgnruzinegheenrnv/oKninEdrezrienhuenrnd/JuEgrezniedhliecrhnen Wir haben im Rahmen unserer Arbeits- und Wis- sensgemeinschaft die Möglichkeit mit Pädagogen aus verschiedenen Ländern zusammen zu arbeiten und uns über unsere Erfahrungen auszutauschen. Die Präsenz und das Engagement der argentini- schen Kollegen während der Meetings, des Trai- nings und dem Arbeiten in der Gruppe waren sehr beeindruckend. Mit den Pädagogen aus Frankreich, Deutschland, dem Libanon sowie Belgien und Ar- gentinien gab es bereichernde Diskussionen über die vielfältigen Arbeitsweisen. Am Ort unseres Tref- fens gab es viele Möglichkeiten, mit den Jugendli- chen in Kontakt zu kommen. Die jungen Menschen von Casa Joven zeigten sich uns gegenüber interes- siert, kommunikativ und herzlich. So umarmten sie uns beispielsweise bereits bei unserer Ankunft. Wir hatten regelmäßig Gelegenheit, mit ihnen die Mahl- zeiten einzunehmen und ihren Alltag zu teilen. Mit den Pädagogen aus Frankreich, Deutschland, dem Libanon, Belgien und Argentinien gab es bereichernde Diskussionen über die verschiedenen Arbeitsmethoden und die Philosophie, die dahinter steckt. 28 GELERNTE LEKTIONEN

Darüber hinaus hatten wir mit den Jugendlichen verschiedene Gespräche über Hobbies, Freunde, ihre Aktivitäten in Casa Joven, Beziehungen zwi- schen ihnen, ihren Musikgeschmack…und haben gemeinsam mit ihnen an den Workshop-Angebo- ten teilgenommen (Tischlerei, Bäckerei, Gartenar- beiten etc.). Das bot auch einigen Teilnehmenden eine gute Gelegenheit, besser zu verstehen, was hier im Wesentlichen unter „Sozialpädagogik“ ver- standen wird, auch hinsichtlich der „Educatión po- pular“-Philosophie. GELERNTE LEKTIONEN 29

HdaesraKuosofrodridneartuinongesn-Tfeüarm Die Erfahrung Die fünf Koordinatoren (aus jedem Land einer) hat- zeigte uns, dass es ten sich im Vorfeld in Skype-Meetings auf das Trai- für die Arbeit sehr ning vorbereitet. Das Trainingsprogramm war gut inspirierend sein vorbereitet. Im Vorfeld wurde den Teilnehmenden kann, wenn man das Programm mit zusätzlichen Hausaufgaben zu- sie nach draußen gesendet. Jeder war aufgerufen, zwei kurze Storys verlagert (wenn das aus dem pädagogischen Arbeitsalltag vorzube- Wetter es erlaubt). reiten, eine im Themenfeld „Zusammenhalt in der Ebenso lernten wir Gruppe“, eine im Thema „interspiritueller Dialog“. es zu schätzen, vor Arbeitsbeginn in Im Verlauf des Trainings wurde versucht, die Ar- einem Moment der beitsbelastung in der Gruppe der Koordinatoren Stille innezuhalten. gleichmäßig zu verteilen. Es hatte sich herausge- stellt, dass sich einer der Koordinatoren zu viel auf die Schultern geladen hatte. Nach zwei Tagen kor- rigierte das Koordinationsteam dieses Ungleich- gewicht und organisierte die Arbeitsbelastung neu. Ein weiterer Fehler war, dass es am Vorabend des ersten Trainingstages keine Besprechung der Ko- ordinatoren gegeben hatte. Dies sollte unbedingt der Fall sein, um letzte Absprachen für den Verlauf des ersten Programmtags treffen zu können. Legen Sie für eine Trainingswoche fest, wann und wie oft sich das Koordinationsteam zu Bespre- chungen trifft. Wie schon gesagt, ist es sehr wich- tig, das Programm gegebenenfalls täglich an neue Bedingungen anzupassen. Die interspirituelle Erfahrung des fünftägigen Zu- sammenlebens hat uns gezeigt, dass geistige Ar- beit durch die Verlagerung nach draußen sehr in- 30 GELERNTE LEKTIONEN

spiriert werden kann (wenn das Wetter es zulässt). Gemeinsames Singen Ebenso lernten wir es schätzen, vor Arbeitsbeginn oder Tanzen ist so- in einem Moment der Stille innezuhalten. wohl eine sehr gute Gelegenheit, eine Die Teilnehmenden wurden eingeladen in diesem bessere Verbindung Moment über ein bestimmtes Arbeitsthema nach- zu sich selbst und zudenken und sich ein paar Notizen zu machen. der eigenen Spiritu- Nach wenigen Minuten in „inspirierender Stille“ fin- alität zu erlangen gen die Teilnehmenden an miteinander zu reden als auch die Ver- und zu arbeiten. bundenheit und das Gemeinschaftsgefühl Diese Übung erlaubt es jedem, sich zunächst mit in der Gruppe zu er- seiner eigenen inneren Welt zu verbinden, bevor er leben. sich mit anderen darüber austauscht. Auch das gemeinsame Singen und Tanzen ist eine sehr gute Gelegenheit, um eine bessere Verbin- dung zu sich selbst und der eigenen Spiritualität aufzunehmen. Gleichzeitig unterstützt es das Ge- meinschaftsgefühl innerhalb einer Gruppe. H-H-H- Head, Heart, Hand: Kopf, Herz und Hand sind eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit an und über Spiritualität. In der Storytelling-Übung gab es interessante Gespräche, bei der jeder Teil- nehmende zunächst eine Geschichte über seine eigene interspirituelle Erfahrung erzählte. Gleich- zeitig waren dies sehr gute Gelegenheiten, sich mit spirituellen Ansichten und Emotionen anderer Menschen zu verbinden, zu lernen und Empathie zu entwickeln. Wir haben viel gelernt! GELERNTE LEKTIONEN 31

Ort und Zeitbedingungen Am Trainingsort Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Veranstaltungs- sollen sich die ort von wichtiger Bedeutung für das Training ist. Teilnehmenden wohl und sicher fühlen. An diesem Ort müssen sich die Teilnehmenden Ist dies nicht wohl und sicher fühlen. Ist dies nicht der Fall, der Fall, weil die weil die Bedingungen vor Ort nicht den Erwar- Bedingungen nicht tungen der Teilnehmenden entsprechen, diese den Erwartungen beispielsweise ihr Zimmer oder das angebotene der Teilnehmenden Essen oder die Umgebung nicht mögen, ist es entsprechen, sie wichtig, sie auf der Suche nach einer geeigneten ihre Zimmer, die Lösung zu begleiten. Umgebung oder das Essen nicht mögen, Auch die zeitliche Planung von Beginn des ersten sollte man sie auf Trainingstages an ist sehr wichtig. Die Teilnehmen- der Suche nach einer den brauchen einen klaren Überblick über den passenden Lösung geplanten Trainingsverlauf, insbesondere wenn begleiten. die Planung täglich an die aktuelle Situation ange- passt werden muss. Unsere Lösung des Problems bestand darin, jeden Morgen ein Plakat mit dem Tages-Zeitplan auszuhängen und vor dem Arbeits- beginn ein kurzes Briefing mit der Gruppe zu hal- ten. Diese kurze Sitzung nutzten wir auch dazu, die Einbettung des Tagesprogramms in die Planung der gesamten Trainingswoche zu verdeutlichen. Dieses Vorgehen empfanden die Teilnehmenden als hilfreich, da sie somit die gelernten Inhalte des Vortages mit den geplanten Lerninhalten des ak- tuellen Tages verknüpfen konnten. Gleichzeitig bot sich so auch die Gelegenheit, täglich wieder an die Ziele des Trainings erinnern zu können, nämlich Interkulturalität durch den Zusammenhalt in der Gruppe, Interspiritualität und „Educación popular“ weiterzuentwickeln. 32 GELERNTE LEKTIONEN

Einfache und nützliche Sprache Die beiden offiziellen Sprachen unserer Arbeits- gruppe waren Englisch und Spanisch. Bei Prä- sentationen und Diskussionsrunden wurde stän- dig übersetzt, vom Englischen ins Spanische und umgekehrt. Um damit nicht zu viel Zeit und Energie zu ver- schwenden, war es wichtig, konkrete Mittel ein- zusetzen, mit dem Zweck sich einfach und für die ganze Gruppe verständlich ausdrücken zu können. So erleichterte der Gebrauch von Wör- tern aus dem Alltags-Wortschatz das Verständ- nis. Wenn sich die Diskussion um eher abstrakte Konzepte, wie z.B. Interkulturalität drehte, wur- den diese mit einfachen Worten erklärt. Unter Interkulturalität war somit auch eine Situation zu verstehen, in der Menschen aus verschiede- nen Kulturen aufeinandertreffen, miteinander interagieren und in einer Arbeitsgruppe ein Deut- scher, ein Belgier und ein Franzose miteinander diskutieren. Schlüsselwörter sind ein gutes Transportmittel für einen Ideenaustausch. Einfache Begriffe wie Kopf, Herz und Hand erklären beispielsweise sehr gut die Komplexität menschlicher Kommu- nikation. Diese Begriffe können auch direkt am Körper angedeutet und spielerisch von allen Teil- nehmenden erfahren werden. GELERNTE LEKTIONEN 33

KONZEPTE UND 3 DEFINITIONEN Autoren: F. Gillet (Haute Ecole Bruxelles Brabant, Belgien) und G- Picone (Fondation La Salle, Argentinien), G.Baldin (Apprentis d’Auteuil, Frankreich) Editoren: A. Solander-Gross (CJD, Deutschland), A. Moukarzel (Université St. Josephs, Libanon) 34

Erzieherinnen und Erzieher Gute Erzieher und Wenn man die feinen Fäden des Vertrauens be- Erzieherinnen trachtet, die zwischen ihnen gewebt sind, so kann bewahren die ihnen man die pädagogische Beziehung als eine Art anvertrauten jungen Verknüpfung der Generationen definieren. Jeder Menschen nicht und jede wird diese im Laufe des eigenen Le- vor dem Auf und Ab bens-Abenteuers zu nutzen wissen. Einer guten des Lebens, sondern pädagogischen Fachkraft wird es ein Anliegen statten sie mit den sein, die Jugendlichen mit der Welt in Kontakt zu richtigen Werkzeugen bringen. Die jungen Menschen sollen nicht vor aus, um es zu dem Auf und Ab des Lebens bewahrt, sondern meistern. vielmehr mit den richtigen Werkzeugen ausge- stattet werden, um es zu meistern. Es sind nicht die Titel, das Studium oder die Rollen, die einen Erzieher oder eine Erzieherin ausmachen. Funda- mental ist allein die pädagogische Beziehung. KONZEPTE UND DEFINITIONEN 35

„(EVodlukcsabcilidóunnpgo,pBuilladru“ng von unten) Eine Bildung, die Die Bildung des Volkes laut der „Educación po- junge Menschen pular“ ist eine Bildung, die sich der Konflikte und als mit Rechten Widersprüche des realen Lebens annimmt. Sie ausgestattete nimmt sich auch der Vielfalt des Lebens an und Individuen sieht und stellt Ungleichheit in Frage. Sie ist eine Bildung, glaubt, dass Wissen die junge Menschen als mit Rechten ausgestat- gemeinsam aufgebaut tete Individuen sieht und glaubt, dass Wissen ge- werden kann. meinsam aufgebaut werden kann. Eine Bildung, die die Realität aus der Perspektive der Unter- privilegierten betrachtet und nach sozialer Ge- rechtigkeit sucht. Die „Bildung von unten“ weigert sich Schicksale als vorgegeben anzusehen. Sie ist politische Bildung und steht für den Aufbau einer Welt für ein menschenwürdigeres Leben. 36 KONZEPTE UND DEFINITIONEN

Pädagogische Präsenz Die Pädagogische Es sind heutzutage effektive Hilfen erforderlich, Präsenz, eine Theorie, damit Jugendliche die Hindernisse überwinden die sich mit Zielen können, die ihrer vollen Entwicklung und Ent- und Mitteln zur faltung im Weg stehen. Das Konzept der Päda- Zielerreichung be- gogischen Präsenz, welches sich mit Zielen und schäftigt, bietet mit Mitteln des pädagogischen Handelns befasst, ihren theoretischen bietet hier einen Weg für das emanzipatorische Instrumenten und Paradigma. Pädagogische Präsenz verbindet die konkreten Vorschlä- Theorie mit praktischem Handeln. Die grundsätz- gen für Aktivitäten liche Ausrichtung besteht darin, am Verhalten in der Praxis einen von Jugendlichen in Schwierigkeiten das Positive gangbaren Weg. zu erkennen und ihnen keinen negativen Stempel aufzudrücken oder sie anhand ihrer Defizite zu kategorisieren. Weder Gesetze noch Methoden, Techniken oder politische Instrumente können den Elan und die Unmittelbarkeit einer offenen und konstruktiven, präsenten pädagogischen Fachkraft ersetzen. KONZEPTE UND DEFINITIONEN 37

Interkulturalität Ist es nicht besser, Seit jeher fühlen sich Menschen von anderen Kul- Interkulturalität turen herausgefordert. Die Reaktionen bewegen als eine gegenseitige sich dabei zwischen zwei Extremen: einerseits die Herausforderung zu Beseitigung aller kulturellen Unterschiede (religiös, betrachten, die sich sprachlich, moralisch usw.) und andererseits ein Re- in jeder Dimension lativismus, der besagt, dass es nicht möglich ist, ein des Lebens zeigt? Um kulturelles Modell oder einen kulturellen Brauch zu zu erfahren, dass sie bewerten oder einem anderen vorzuziehen. uns ermöglicht, ein freieres und erfülltes Bei näherer Betrachtung konkreter Beispiele ist Leben zu leben, in jedoch festzustellen, dass es sich bei beiden Ex- dem wir uns voll ent- tremen um eine gewisse Form von Gewalt han- falten können? delt. Entweder durch die strikte Auferlegung von Pflichten oder durch einen Relativismus, der kon- servativ inakzeptable Verhaltensmuster beibehält. Ausgehend vom Paradigma der Menschenrechte versucht man eine gemeinsame Schwelle zu fin- den, ab der Unterschiede angegangen und ange- sprochen werden können. Diese Schwelle wird je- doch von westlichen Institutionen und Konzepten oft weit überschritten. So stellen wir uns die Frage: Ist dies die einzige Möglichkeit in Beziehung zuei- nander zu treten? Ist es nicht besser, Interkultur- alität als wechselseitige Herausforderung zu be- trachten? Eine Herausforderung auf allen Seiten, bei der wir alle Menschen und Gemeinschaften als von ihren Überzeugungen, Traditionen und Bräuchen durchzogen betrachten und wir uns nun mit den unterschiedlichen Dimensionen des Lebens (Gesundheit, Politik, Wirtschaft, Sexualität, Ernährung usw.) befassen? So können wir viele Optionen kennenlernen, ein freieres und erfülltes Leben voller Entfaltungsmöglichkeiten zu leben. 38 KONZEPTE UND DEFINITIONEN

Interspiritualität Jede Spiritualität Ein wesentlicher Aspekt spiritueller Erfahrung ist steht in einem die Glaubens- und Meinungsfreiheit. Aber gleich- Kontext, hat zeitig steht auch jede Spiritualität in einem Kon- Möglichkeiten text und hat daher ihre eigenen Möglichkeiten und Begrenzungen und Begrenzungen. Die reflexive Auseinander- aufgrund ihrer setzung mit anderen Geisteshaltungen und der eigenen Geschichte. Vielfalt, die in jedem Menschen innewohnt, wür- de es ermöglichen, verschiedene Aspekte von Spiritualität umfassender zu betrachten. Kommu- nikative, ästhetische, psychologische und ethi- sche Aspekte können in Bezug auf verschiedene Formen von Spiritualität auch als Ausgangspunkt dienen, um reflexiver, kritischer, freier und folg- lich auch verantwortungsbewusster zur eigenen (Glaubens-) Herkunft zurückzukehren. Das aktuelle Bewusstsein für globale Probleme wie Gewalt, Ungleichheit und die Zerstörung von Ökosystemen wirkt sich auch auf kulturelle und spirituelle Traditionen aus. Hier ergibt sich ein (selbst-) kritisches Potenzial, mit dem alternative Lösungsansätze entwickelt und den Ursprüngen dieser Probleme begegnet werden kann. KONZEPTE UND DEFINITIONEN 39

Gruppenkohäsion Gruppenkohäsion ist ein dynamischer Prozess, der sich in der Tendenz der Gruppe widerspie- gelt, zusammenzubleiben und gemeinsam be- stimmte Ziele zu verfolgen und/oder das emo- tionale Bedürfnis der Gruppenmitglieder nach Zugehörigkeit befriedigt. Aus der Gruppenkohä- sion folgt der Teamgeist, der die einzelnen Mit- glieder individuelle Bedürfnisse zugunsten eines Gruppenbedürfnisses zurückstellen lässt. 40 KONZEPTE UND DEFINITIONEN

Konflikterfahrung Ziel und Zweck von Beziehungen sind die menschliche Anpassung an sich verändernde Lebensbedingungen. Beziehungen sind zugleich von vielfältigen Konflikten durchwoben: kognitive Konflikte, Beziehungskonflikte, religiöse Konflik- te, soziale Konflikte, emotionale Konflikte… Durch die Auflösung dieser Konflikte entwickeln sich gleichzeitig auch die Beziehungen weiter. Wenn man Beziehung als ein Gewebe von Kon- flikten betrachtet, impliziert dies, sie zugleich als einen „Raum“ des Selbstbewusstseins und der Selbsttransformation als auch des Inter-Bewusst- seins und der Inter-Transformation zu betrachten. Durch die methodische und bewusste Auflösung von Konflikten gehen aus diesem „Raum“ alle Ak- teure transformiert hervor. Wenn man Beziehung als ein Gewebe von Konflikten betrachtet, impliziert dies, sie als einen Raum des Selbstbewusstseins und der Selbsttransformation, des Inter- Bewusstseins und der Inter-Transformation zu betrachten, aus dem alle Akteure verändert hervorgehen. KONZEPTE UND DEFINITIONEN 41

La communauté de pratiques et de savoirs (Arbeits- und Wissensgemeinschaft) Fachleute aus der Die Arbeits- und Wissensgemeinschaft ist eine ganzen Welt tauschen demokratische, integrative, transformative, parti- sich in der Praxis zipative, dialogische, sich selbst herausfordernde über Positionen und ständig wandelnde, lehrende und lernende und Ansätze in der Gemeinschaft. Fachleute aus der ganzen Welt interkulturellen und tauschen sich in der Praxis über Haltungen und interspirituellen Ansätze in der interkulturellen und interspirituel- pädagogischen Arbeit len Bildungsarbeit aus. Die Organisationen und aus. Verbände, aus denen sich die Arbeits- und Wis- sensgemeinschaft zusammensetzt, sind über- zeugt, dass diese Arbeit auf internationaler Ebe- ne in den kommenden Jahren eine Bereicherung und Unterstützung für die am stärksten gefähr- deten Kinder und Jugendliche sein wird. Mittel- und langfristig besteht die Herausforde- rung für die Arbeits- und Wissensgemeinschaft darin, neues Wissen (theoretisch und praktisch) für die Beziehungsarbeit in der Kinder- und Ju- gendhilfe zu generieren und es über die Grenzen hinweg zu verbreiten. 42 KONZEPTE UND DEFINITIONEN

Die Definition der Arbeits- und Wissensgemeinschaft Ein Erzieher/Eine Die Definition der Arbeits- und Wissensgemein- Erzieherin glaubt schaft (La communauté de pratiques et de savoirs), an die Jugend, zeigt was es bedeutet ein Erzieher/eine Erzieherin zu sein. Wege und Werte für eine bessere Ein Erzieher/eine Erzieherin ist sich darüber be- Lebensqualität auf wusst, warum und wie jede seiner/ihrer Hand- und entwickelt die lungen mit denjenigen verbunden sind, die Be- Haltung vom „ich“ dürfnisse haben, und dass sie dabei stets von zum „wir“. Bescheidenheit und Ambition begleitet werden. Die Pädagogen hören zu und fällen kein Urteil, sie lassen die Jugendlichen selbst entscheiden und begleiten sie auf deren Weg, wo immer diese hin- müssen oder was sie sein müssen. Ein Erzieher/ eine Erzieherin glaubt an die Jugend und bietet jungen Menschen die Möglichkeit, selbst zu wäh- len und ihren Platz zu finden. Er/sie zeigt Wege und Werte für eine bessere Lebensqualität auf und entwickelt die Haltung vom „ich“ zum „wir“. Bildung – das bedeutet sich zu verändern. Es ist ein politischer Akt des gesellschaftlichen Wandels. KONZEPTE UND DEFINITIONEN 43

Nomadenpädagogik (siehe Nomadenlehrerfahrung in Limerlé-Belgien, 2008) In einer Schule der Nomadenpädagogik wird niemand als für die Schule ungeeignet oder schulunfähig betrachtet. Man geht viel- mehr davon aus, dass jeder einen Beitrag zur Konstruktion seiner Schule leisten muss, um sich in dieser heimisch zu fühlen. Für Schüler, die in den traditionellen Schulen Schwierigkeiten haben, stellt die Nomadenschule eine echte Alternative dar. Sie befindet sich in ständiger Reflektion, nichts ist festgelegt, alles befindet sich gleichzeitig im Auf-, Ab- und Wiederaufbau. Das Projekt der Nomadenpädagogik steht auf 3 wesentlichen Pfeilern: Ein wirkungsvolles und radikales Prinzip: Lehrende und Schü- ler entscheiden gleichermaßen über die Ausrichtung und die Organisation der Schule. Alle Mitglieder der Einrichtung sind an der Gestaltung des schulischen Alltags beteiligt. Dies betrifft beispielsweise auch die praktische Umsetzung traditioneller Schulfächer. Schüler und Lehrende setzen vielfältige pädagogische Möglich- keiten um, die zum Wissenserwerb auf beiden Seiten führen. Was dazu führt, dass man nach diesem Prinzip an allen Ecken und Enden Demokratie lernt. In dieser Laborschule teilen sich Lehrer und Schüler die „Macht“. Alle sind aufgerufen, sich an der Schule zu beteiligen: ganz gleich ob es Personen aus der Verwaltung, dem Reinigungs- oder Küchenbereich oder aus anderen Abteilungen sind. Ge- meinsame und für alle offenen Zusammenkünfte bilden die Ba- sis: im Herzen des Projekts ist die Demokratie. Die Nomadenpädagogik respektiert den Rhythmus, die Kompe- tenzen und die Bedürfnisse der Schüler. Nicht ist im Vorhinein festgelegt. Ganz gleich, ob es sich um Unterrichtseinheiten wie „ex cathedra“, Werkstätten, gelenkte Aktivitäten und traditionel- le Fächer (Mathematik, Naturwissenschaften, Geografie) han- delt, alles ist miteinander vermischt. 44 KONZEPTE UND DEFINITIONEN


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