MA - KONZERT DERYA ATAKAN 18.00H Klasse Prof. Britta Schwarz Anita Keller am Flügel mit Christian Moellenhoff 11. FEB. 2021 Studiosaal der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin
MEINE MUTTERSPRACHE IST SINGEN Mein Name ist Derya Atakan. Ich war nicht verrückt geworden, Der türkische Name Derya ist persi- sondern nur fasziniert und ganz scher Herkunft und bedeutet Ozean, stürmisch-bestimmt. Der Ursprung Überfluss, Weisheit aber auch Meer. meiner Faszination lag in einer Vor- Das sagt zumindest Google. abendserie. Sie spielte im deutschen Fernsehen – der gute alte Fernseher Ich bin klassisch ausgebildete Opern- prägte unseren migrantischen Fami- sängerin und schließe nun im Febru- lienalltag maßgeblich. Die Protago- ar 2021 mein Studium an der Hoch- nistin der Serie spielte leidenschaft- schule für Musik Hanns Eisler Berlin lich Cello und litt in ihrer Ausbildung mit dem Master of Music ab. Geboren am Konservatorium stark unter dem und aufgewachsen bin ich in dem Druck und dem Scheitern von Probe- kleinen unterfränkischen Städtchen spielen. Ochsenfurt als erste Tochter einer tür- kisch-arabisch-alevitischen Gastar- Mit zwölf Jahren entdeckte ich voller beiterfamilie in dritter Generation. Glück eine Klassiker-Box der Deut- schen Grammophon bei Lidl. Eigent- Durch interessante Zufälle, aber auch lich sollte ich von dem Geld Eierlikör durch viel Eigensinn überzeugte ich für meine Mutter besorgen, doch sie meine Mutter mit zehn Jahren, hatte irgendwie vergessen, dass man dass ich Violoncello-Unterricht er- einem Kind keinen Eierlikör verkauft. halten MUSSTE. Diese war anfänglich So ist das eben mit migrantischen mehr als verhalten und stellte mir Müttern. Einfach immer etwas an- kopfschüttelnd folgende Frage: ders. „Kafayı mı yedin kızım?”, wörtlich übersetzt: Hast du deinen Kopf ge- Von da an also ergänzten Mozart, Vi- gessen meine Tochter? valdi und Bizet den Soundtrack mei- nes Lebens.
Ich bin dem Impuls gefolgt Opernsän- Meine heutige Wahlheimat Berlin- gerin zu werden, obwohl die westli- Neukölln ist ebenfalls ein wahrer che Musik ursprünglich keine Rolle in melting-pot. Jedes Mal, wenn ich die unserem Haushalt spielte. Eher liefen Sonnenallee entlang laufe und die Songs der libanesischen Ikone levantinisches Arabisch oder Tür- Fairouz rauf und runter oder alevi- kisch höre, springt mein Herz höher. tische Gesänge von Selda Bağcan Gleichzeitig wird mir bewusst, wie – in jedem Fall sehr viel Saz-Musik. fremd mir diese Welt doch ist. Ich Mein Vater liebte dieses Instrument weiß viel zu wenig über diese Spra- so sehr, dass er eine Saz in unserem chen und Kulturen. Aber tagtäglich Schrank aufbewahrte ohne sie spie- singe, fühle, arbeite und denke ich len zu können. Gerne hätte er gelernt schon in mehreren Sprachen. Ges- sie zu spielen. tern die Arie der Snegurochka aus der gleichnamigen russischen Oper von Heute weiß ich, dass meine musikali- Rimski-Korsakow, morgen Franzö- sche und künstlerische Identität wie sisch „Sanglots“ von Poulenc, und ein Mosaik ist – aber mir fehlen ein Italienisch gehört ohnehin zu mei- paar Teile. nem täglichen Brot. Sogar Polnisch prägt mit Szymanowskis Liedern Meine Familie stammt aus dem an- meinen musikalischen Alltag. Aber tiken Antiochia, der heutigen Stadt auf Türkisch oder Arabisch singen? Antakya in der türkischen Provinz Da ist sie wieder die Ahnung, dass ich Hatay unweit der syrischen Grenze. noch auf der Suche nach meinen Mo- Das multiethnische Hatay zeichnet saikteilen bin. sich durch kulturellen Reichtum und Mehrsprachigkeit aus. Dort hört man In den letzten Jahren hatte ich noch nicht nur Türkisch und Arabisch, son- nicht vollständig verstanden, was dern unter anderen auch Griechisch, Armenisch, Kurdisch und Aramäisch.
mich umtreibt. Das war eine Form des Ausbruchs, Meine Berufswahl Opernsängerin Protests und ein Weg eine Sprach- und die bewusste Entscheidung dar- losigkeit und Perspektivlosigkeit zu stellende Künstlerin zu werden, war überwinden. Ich konnte meine Stim- jedoch immer befeuert von einem me für mich nutzen, um große Fragen Gefühl der Rebellion, eine Art des im Spannungsverhältnis zwischen Protests. Ich hörte nicht Deutschrap, Identität, Migration und Emanzipa- keinen HipHop, war keine Punkerin, tion zu klären. Ich habe mir meine traf keine Freunde um Reggae-hö- Stimme zu eigen gemacht und ver- rend Cannabis-Zigaretten zu konsu- stehen können, dass sie mir gehört. mieren. Dass sie laut ist, leise sein kann und Nein, ich hörte klassische Opernwer- vor allem eine Geschichte erzählen ke, schloss mich in meinem Zimmer möchte. ein, inszenierte Adeles Arie „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ in meinem Jugendzimmer für mich selbst. „Die Stimme nicht zu verlieren oder sie überhaupt erst zu gewinnen, sie gegen Widerstände als genuine eigene Stimme zu entwickeln und in eine größere Gruppe einzubringen, all diese Nuancen der Stimmbildung werden nicht nur als Bestandteil der Emanzipationsbemühungen des Subjekts the- matisch, sie gehören auch zum Kern der performativen Selbstpräsentation als Sänger oder Sängerin.“ Die besondere Bedeutung der Stimmmetaphorik für den Diskurs des Dokumentarfilms unter- sucht Bill Nichols in „The Voice of Documentary“, in Film Quarterly 36.3 (1983)
„Jage die Ängste fort Und die Angst vor den Ängsten. Für die paar Jahre Wird wohl alles noch reichen. Das Brot im Kasten Und der Anzug im Schrank. Sage nicht mein. Es ist dir alles geliehen. Lebe auf Zeit und sieh, Wie wenig du brauchst. Richte dich ein. Und halte den Koffer bereit. Es ist wahr, was sie sagen: Was kommen muss, kommt. Geh dem Leid nicht entgegen. Und ist es da, Sieh ihm still ins Gesicht. Es ist vergänglich wie Glück. Erwarte nichts. Und hüte besorgt dein Geheimnis. Auch der Bruder verrät, Geht es um dich oder ihn. Den eignen Schatten nimm Zum Weggefährten. Feg deine Stube wohl. Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn. Flicke heiter den Zaun Und auch die Glocke am Tor. Die Wunde in dir halte wach Unter dem Dach im Einstwei- len. Zerreiß deine Pläne. Sei klug Und halte dich an Wunder. Sie sind lang schon verzeichnet Im großen Plan. Jage die Ängste fort Und die Angst vor den Ängsten.“ in Mascha Kaléko: Sei klug und halte dich an Wunder – Gedanken über das Leben Es gab einige Perioden meines Studi- ums, in denen ich oftmals um meine Stimme gebangt hatte, ich fürchte- te mich überhaupt vor dem Singen, dem ersten Ton, dem Atmen. Ich fürchtete mich vor allem und jedem. Ich hatte - diversen Umständen und äußeren Einflüssen geschuldet- ver- lernt mir selbst zu vertrauen. Dabei diente mir doch einst das Sin- gen dazu, um die Angst und die Sor- gen zu vertreiben. Ich verdanke Britta Schwarz, Anita Keller und Carola Nossek ein stabiles technisches Handrüstzeug, das es mir ermöglicht hat, mich auf meine Ins- tinkte zurückzubesinnen. DANKE für Eure Geduld, Euer Vertrauen, Eure Kraft und Euren Esprit!
Die ausgewählten Stücke vereinen durch ihre Diversität unterschied- lichste Perspektiven auf das Thema Abschied und Identität. Johann Sebastian Bach 1 (1685-1750) Matthäuspassion, BWV 244 Aus Liebe will mein Heiland sterben Aus Liebe will mein Heiland sterben, Von einer Sünde weiß er nichts, Daß das ewige Verderben und die Strafe des Gerichts Nicht auf meiner Seele bliebe.
Der Sonnengott Jarilo hat Snegurochka, die Tochter von Väterchen Frost und der Frühlings- fee zum Tode durch Schmelzen verurteilt. Das Urteil werde vollstreckt, sobald Snegurotschka sich einem irdischen Menschen in Liebe hingebe. Nur wenn sie den Sommer in Unschuld ver- bringe, könne Schneeflöckchen den nächsten Winter erleben. Nichtsahnend von der Gefahr, in der sie durch die ihr unbekannte Liebe schwebt, verdreht ihr der junge Schafhirt Lel den Kopf. Besonders der wunderbare Gesang Lels, mit dem er ein Wettsingen zum Sommeranfang gewinnt, verzaubert Snegurochka. Letztendlich findet das Schneeflöckchen Snegurochka die Liebe im Kaufmann Misgir und kann sich nicht gegen ihr Schicksal wehren. Gerade noch kann sie sich bei ihrer Mutter für die Liebe bedanken, da ist es jedoch um sie geschehen, sie schmilzt. Nikolai Andrejewitsch 2 Rimski-Korsakow (1844-1908) Snegurochka Wenn im kalten Winter du zurückkehrst in deine Waldesein- „S podruzhkami po jagodu hoditj“, samkeit, Arie der Snegurochka Im Halbdunkel werde ich dich trösten, Erster Aufzug ein Lied zum Spiel des Schneesturms werde ich anstimmen, Mit den Freundinnen Beeren sam- ein fröhliches werde ich anstimmen: meln, Ihrem fröhlichen Ruf antworten: Von Lel werde ich es abnehmen und Reigentanz führen, Lel nachsprechen geschwind lernen. gleichtun mit den Mädchen den Ref- rain der Frühlingslieder: Ach, Vater! Deiner lieben Snegurochka, macht das Leben ohne Lieder keine Freude. Lass mich gehen, Vater!
Clara Schumann (1819-1896) op. 13 Sie liebten sich beide Ich stand in dunklen Träumen Text von Heinrich Heine (1797-1856) Sie liebten sich beide 4 Sie liebten sich beide, doch keiner Wollt es dem andern gestehn; Sie sahen sich an so feindlich, Ich stand in dunklen Träumen Und wollten vor Liebe vergehn. Ich stand in dunkeln Träumen Sie trennten sich endlich und sahn Und starrte ihr Bildnis an, sich Nur noch zuweilen im Traum; Sie waren längst gestorben, Und das geliebte Antlitz Heimlich zu leben begann. Und wußten es selber kaum. Um ihre Lippen zog sich 3 Ein Lächeln wunderbar, Und wie von Wehmutstränen Erglänzte ihr Augenpaar. Auch meine Tränen flossen Mir von den Wangen herab - Und ach, ich kann es nicht glauben, Daß ich dich verloren hab!
In der Oper Porgy and Bess leben die Protagonist*innen in einem klischeehaft gezeichneten afroamerikanischen Milieu der Armut, Diskriminierung und der fehlenden Bildungschancen. Rezeptionsgeschichtlich trug Gershwins Oper zwar zu einer Emanzipation oder Sichtbarkeit afroamerikanischer Künstler*innen auf der Opernbühne bei. Zwingenderweise führt diese Sichtbarkeit aber auch zu Reflexionen über Ungerechtigkeit, Rassismus und kultureller An- eignung. Ich frage mich, wo die Authentizität und Glaubwürdigkeit für die Rolle Bess liegt in einem Spannungsverhältnis zwischen performativer (Selbst-) Präsentation, zwischen der Flüchig- keit ihrer Rolle und der prägenden Kraft einer Lebenswelt. Eine Lebenswelt der Marginalisierung, der Perspektivlosigkeit, die zusätzlich von einem in- ternalisierten Minderwertigkeitsgefühls geprägt wird. Es ist aber auch eine Lebenswelt voller Gesang und Wiegenlieder. In meinen Augen ermöglicht der kathartische Moment des Singens in der Form des tiefsten Ausdruck des Menschseins eine Emanzipation, wenn auch nur für einen kleinen Moment.. vgl. Christof Decker, Die Freiheit der Musik in „Die andere Szene“ - Theaterarbeit 5 und Theaterproben im Dokumentarfilm, Theater der Zeit, Recherchen 91 George Gershwin (1898-1937) Porgy and Bess Libretto: Ira Gershwin (1896-1983) und Edwin DuBose Heyward (1885-1940) Summertime One of these mornin‘s, you‘re gonna Arie der Clara rise up singin‘ Summertime and the livin‘ is easy Then you‘ll spread your wings and Fish are jumpin‘ and the cotton is high you‘ll take to the sky Your daddy‘s rich and your ma is good lookin‘ But ‚til that mornin‘, there is nothin‘ can harm you So hush, little baby, baby, don‘t you cry With daddy and mommy standing by.
Hugo Wolf Die Spröde (1860-1903) An dem reinsten Frühlingsmorgen Text von Ging die Schäferin und sang, Johann Wolfgang von Goethe Jung und schön und ohne Sorgen, (1749-1832) Daß es durch die Felder klang, So la la! le ralla! Die Bekehrte Thyrsis bot ihr für ein Mäulchen Zwei, drei Schäfchen gleich am Ort, Bei dem Glanz der Abendröte Schalkhaft blickte sie ein Weilchen; Ging ich still den Wald entlang, Doch sie sang und lachte fort, Damon saß und blies die Flöte, So la la! le ralla! Daß es von den Felsen klang, Und ein andrer bot ihr Bänder, So la la! Und der dritte bot sein Herz; Und er zog mich zu sich nieder, Doch sie trieb mit Herz und Bändern Küßte mich so hold, so süß. So wie mit den Lämmern Scherz, Und ich sagte: „Blase wieder!“ Nur la la! le ralla! Und der gute Junge blies, So la la! 7 Meine Ruh’ ist nun verloren, Meine Freude floh davon, Und ich hör’ vor meinen Ohren Immer nur den alten Ton, So la la, le ralla! 6
Der eigentlich vorbildliche und brave Soldat Don José, der durch die fatale Leidenschaft zu einer Fabriksarbeiterin, der ungezähmten Zigeunerin Carmen, auf die schiefe Bahn gerät, von der Geliebten aber zugunsten des Toreros Escamillo verlassen wird, ersticht sie in einem Anfall von Eifersucht. José aufzugeben und ihn den Fängen Carmens überlassen, das kommt für seine Ju- gendfreundin Micaëla nicht in Frage: Mutig wagt sie sich im dritten Akt in jenes unwegsame Gebirgsgelände, in dem die Schmuggler sich verschanzt haben, zu denen José mittlerweile ge- hört, um ihm mitzuteilen, dass seine Mutter im Sterben liege. In ihrer Arie «Je dis que rien ne m’épouvante» betet sie um Gottes Beistand bei diesem gefährlichen Unterfangen. Sie überwindet sich selbst, ihre Angst und ihre Eifersucht in Form des Gebets. Sie überwindet aber auch ihre Verpflichtungen an ihr gewohntes, braves Selbst mit ihrer eigenen Stimme und überrascht sich damit selbst. Georges Bizet (1838-1875) Carmen Libretto von Henri Meilhac (1831- 1897) und Ludovic Halévy (1834-1908) C‘est des contrebandiers...Je dis que Das ist die gewöhnliche Zuflucht der rien ne m‘épouvante Schmuggler Arie der Micaela er ist hier; ich werde ihn sehen Und die Pflicht, die mir seine Mutter Dritter Akt, Nr. 22 auferlegt hat werde ich ohne zu zittern erfüllen C’est des contrebandiers le refuge or- dinaire. Ich sprach, dass ich furchtlos mich Il est ici; je le verrai! fühle, Et le devoir que m’imposa sa mere ich sagte, ach, dass ich für mich ein- Sans trembler je l’accomplirai stehe aber vergebens spiele ich die Tapfere, Je dis que rien ne m’épouvante, im Grunde meines Herzens sterbe ich Je dis, hélas! que je réponds de moi; vor Schrecken . . Mais j’ai beau faire la vaillante… Au fond du coeur je meurs d’effroi!
Seule en ce lieu sauvage Allein an diesem wilden Ort, Toute seule j’ai peur, ganz allein habe ich Angst, Mais j’ai tort d’avoir peur. aber zu Unrecht habe ich Angst. Vous me donnerez du courage; Ihr werdet mir Mut geben, Vous me protégerez, Seigneur! Ihr werdet mich schützen, Herr . . . Je vais voir de près cette femme, Ich werde diese Frau aus der Nähe se- Dont les artifices maudits hen, Ont fini par faire un infâme deren verwünschte Ränke De celui que j’aimais jadis! schliesslich einen Ehrlosen aus dem Elle est dangereuse… elle est belle! gemacht haben, den ich einst liebte; Mais je ne veux pas avoir peur! sie ist gefährlich, sie ist schön, Non, non, je ne veux pas avoir peur! aber ich will keine Furcht haben. Nein, ich will keine Furcht haben! Je parlerai haut devant elle… ah! Ich werde laut und deutlich vor ihr Seigneur, vous me protégerez. sprechen. Protégez-moi! Ô Seigneur! Ach Herr ... Ihr werdet mich beschüt- Donnez-moi du courage! zen. Ah! Ich sprach, dass ich furchtlos mich fühle Beschützt mich, o Herr! Gebt mir Mut! Beschützt mich, o Herr! Beschützt mich, Herr! 8
Francis Poulenc 9 (1899-1963) Banalités FP 107 Hotel Mein Zimmer hat die Form eines Kä- Texte von Guillaume Apollinaire figs, (1880-1918) Die Sonne breitet ihren Arm aus durch das Fenster. Hôtel Aber ich bin es, die rauchen will, Ma chambre a la forme d‘une cage, um Luftschlösser zu bauen, Le soleil passe son bras mit dem Feuer des Tages zünde ich Par la fenêtre. sie an Mais moi qui veux fumer meine Zigarette. Pour faire des mirages, Ich will nicht arbeiten, J‘allume au feu du jour ich will rauchen. Ma cigarette. Je ne veux pas travailler, Je veux fumer.
Sanglots Est mort d’amour ou c’est tout com- Notre amour est réglé par les calmes me étoiles Est mort d’amour et le voici Ainsi vont toutes choses, Or nous savons qu’en nous beaucoup Arrachez donc le vôtre aussi d’hommes respirent Et rien ne sera libre jusqu’à la fin des Qui vinrent de très loin et sont un sous temps nos fronts Laissons tout aux morts C’est la chanson des rêveurs Et cachons nos sanglots Qui s’étaient arraché le coeur Et le portaient dans la main droite 10 Souviens-t’en cher orgueil de tous ces souvenirs Des marins qui chantaient comme des conquérants Des gouffres de Thulé des tendres ci- eux d’Ophir Des malades maudits de ceux qui fu- ient leur ombre Et du retour joyeux des heureux émigrants De ce coeur il coulait du sang Et le rêveur allait pensant A sa blessure délicate Tu ne briseras pas la chaîne de ces causes Et douloureuse et nous disait Qui sont les effets d’autres causes Mon pauvre coeur mon coeur brisé Pareil au coeur de tous les hommes Voici voici nos mains que la vie fit esclaves
Schluchzer Hier, hier, unsere Hände, die das Le- Unsere Liebe wird von den stillen ben zu Sklaven gemacht hat. Sternen gelenkt. Ist vor Liebe gestorben, so scheint es. Wir wissen dass in uns viele Menschen Ist vor Liebe gestorben, und hier ist es. atmen, So gehen alle Dinge. die von sehr weit kamen und vereint Reißt euch auch eures heraus. sind unter unseren Stirnen. Und nichts wird frei sein, bis ans Ende Das ist das Lied der Träumer, der Zeit. denen das Herz herausgerissen wur- de, und die es in der rechten Hand Überlassen wir alles den Toten und hielten. verstecken unsere Schluchzer! Denke, lieber Stolz, an all deine Erin- nerungen. An die Matrosen, die sangen wie Er- oberer, die Schluchten von Thule, den zarten Himmel von Ophir, die verfluchten Kranken, die, die vor ihren Schatten flohen, und an die freudige Rückkehr der glücklichen Auswanderer. Aus diesem Herz floss Blut. Und der Träumer dachte an seine er- lesene Wunde. Du zerreißt die Kette dieser Gründe nicht. Und schmerzhaft sagte er uns, was die Auswirkungen der anderen Gründe sind. Mein armes Herz, mein gebrochenes Herz, wie das Herz aller Menschen...
Wenn du Türkin bist, riecht es dann auch so nach Weißkohl bei euch zuhause. Sagt er scherzhaft und sieht mich an mit diesem Blick. Ich glaube, er denkt wirklich er würde einen Witz machen. Wie meinst du das. Entrüstet und fassungslos Na, bei uns, wo ich herkomme gabs nicht so viele Türken und irgendwie ist das bei uns so ein Spruch, dass es bei denen immer so nach Weißkohl riecht. Ich liebe heiße Sommertage und deswegen schlage ich enthusiastisch vor, gemeinsam an den See zu fahren. Du schlägst deinen Kopf gegen die Wand. Auslöser ist ein wunderschön heißer Sommertag. Wir verbringen den Tag in deiner dunklen Einzimmerwohnung du auf dem Bett, schlägst mit den Beinen und deinem Kopf gegen die Wand
ich neben dir muss lachen vor Überforderung und alles nur, weil du nicht an den See willst. Aber du kannst eben nicht anders und willst es mir unbedingt recht machen. Und statt über deinen inneren Konflikt zu reden schlägst du deinen Kopf gegen die Wand ich weiß noch, die Strandmatte aus Bast, die ich voller Vorfreude mitgenommen habe. Liegt einsam und verlassen auf dem Flurboden. Du redest mit mir, als wäre ich ein kleines, debiles Kind im Körper einer jungen, erwachsenen Frau. Heute denke ich: Ich mag, wie meine Haut riecht. Ich mag, wie die Haut meiner Mutter riecht. Ich bin stolz auf den Geruch der Haut meiner Vormütter er ist in keinster Weise mit dem Geruch von Weißkohl zu vergleichen. Heute weiß ich: Die Würde meiner Haut ist unantastbar.
Auch Pamina ist einer Welt mit festen, vorgefertigten Strukturen ausgeliefert. Geprägt durch das strenge Matriarchat und die Vision der Königin der Nach scheint ihr Lebensweg vorgezeich- net oder vorherbestimmt. Die Lesart ihres Charakters ist mir oftmals zu brav, zu unschuldig, nicht aufbegehrend genug. Pamina ist hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und dem Gefühl der Schuld, der Verantwortung, der Tradition und der (Nicht-) Identifikation mit ihrer ersten Be- zugsperson, ihrer narzisstischen Mutter. Doch Pamina soll ihre eigene Stimme entwickeln. Wolfgang Amadeus Mozart 11 (1756-1791) Die Zauberflöte KV 620 Libretto von Emanuel Schikaneder (1751-1812) Ach, ich fühl‘s Arie der Pamina Ach, ich fühl‘s, es ist verschwunden, ewig hin der Liebe Glück. Nimmer kommt ihr, Wonnestunden, meinem Herzen mehr zurück! Sieh, Tamino , diese Tränen fließen, Trauter, dir allein; fühlst du nicht der Liebe Sehnen, so wird Ruh‘ im Tode sein.
George Gershwin (1898-1937) 12 Porgy and Bess BESS: Libretto: Ira Gershwin (1896-1983) Porgy, I‘s yo‘ woman now, und Edwin DuBose Heyward I is, I is! (1885-1940) An‘ I ain‘t never goin‘ nowhere ‚less you shares de fun. Bess, you is my woman now Dere‘s no wrinkle on my brow, Duett von Porgy und Bess Nohow, But I ain‘t goin‘! You hear me sayin‘, PORGY: If you ain‘ goin‘, wid you I‘m stayin‘! Bess, you is my woman now, Porgy, I‘s yo‘ woman now! you is, you is! I‘s yours forever - An‘ you mus‘ laugh an‘ sing an‘ dance Mornin‘ time an‘ evenin‘ time an‘ for two instead of one. summer time an‘ winter time. Want no wrinkle on yo‘ brow, Nohow, Because de sorrow of de past is all done done Oh, Bess, my Bess!
PORGY: BESS: Mornin‘ time an‘ evenin‘ time an‘ Mornin‘ time an‘ evenin‘ time an‘ summer time an‘ winter time. summer time an‘ winter time. Bess, you got yo‘ man. Bess, you is my woman now and fo- BESS: rever. Oh, my Porgy, my man, Porgy. Dis life is jes‘ begun, Bess, we two is one BESS: Now an‘ forever. From dis minute I‘m tellin‘ you, I keep Oh, bess, don‘t min‘ dose women. dis vow: Porgy, I‘s yo‘ woman now. You got yo‘ Porgy. I knows you means it, I seen it in yo‘ eyes, Bess. We‘ll go swingin‘ Through de years a-singin‘. PORGY: Mornin‘ time an‘ evenin‘ time an‘ summer time an‘ winter time. PORGY: My bess, my Bess. PORGY: From dis minute I‘m tellin‘ you, I keep dis vow: Oh, my Bessie, we‘s happy now. We is one now. I‘s yours forever -‘
„Mit den Metamorphosen, zu Deutsch ‚Verwandlungen‘, hat Publius Ovidius Naso ein Werk geschaffen, das – unterteilt in fünfzehn Bücher – mit rund 250 Sagen aus der griechischen und römischen Mythologie die Frage nach der Entstehung der Welt zu beantworten sucht. Charak- teristisch für die einzelnen Geschichtenist der Gedanke der Verwandlung eines Menschen oder niederen Gottes in ein Tier, eine Pflanze oder ein Sternbild. So berichtet Ovid beispielsweise, wie nach dem Trojanischen Krieg der Held Aeneas aus dem zerstörten Troja aufbricht. Eingeschoben in die Erzählungen über Aeneas’ Schicksal finden sich einzelne Episoden über Scylla, ein Männer mordendes Ungeheuer. Diesem enthüllt eine Nymphe, Galathea, ihr Leid und lässt die Ereignisse, die zum Tod des Geliebten führten, mit großer Unmittelbarkeit lebendig werden. Galathea muss sich der Nachstellungen des Zyklopen Polyphem erwehren, denn ihr Herz schlägt allein für den Hirten Acis. Ein Spiel aus Liebe, Abneigung und Eifersucht entwickelt sich, bis Polyphem Galatheas Zurückweisungen nicht mehr erträgt und sein natürliches, barba- risches Naturell wieder hervorbricht. Vorerst aber erinnert der Riese, wenn er sich für die Auser- wählte herausputzt, an den unglücklich in sich selbst verliebten Narcissus. Während Polyphem seine Angebetete umwirbt, vollzieht sich in seinem Inneren eine erste, versteckte Verwandlung – vom verliebten Freier zum vor Zorn rasenden Ungeheuer. Als er wenig später auf das Liebespaar trifft, tötet er Acis, indem er einen Felsbrocken auf ihn wirft. An dieser Stelle findet die eigentliche Metamorphose statt: Acis’ Blut verwandelt sich in das Wasser eines Flusses. Ein junger Mann mit Schilfrohr um die Hörner steht im neu entstan- denen Fluss. Der Flussgott Acis ist erschaffen. Die Liebesbeziehung zwischen Acis und Galathea erinnert stark an romantisch-verträumte Hir- tendichtung. Während Polyphem und Galathea bereits Eingang in Werke früherer Schriftsteller gefunden hatten, führte Ovid die Gestalt des Acis völlig neu ein. So erstand ein Rivale für den liebestollen Polyphem, freilich ohne dem Zyklopen den zentralen Platz im Geschehen strittig zu machen.“ in Birgit Karoh, „Lebenslang. Händels Beschäftigung mit dem „Acis und Galathea“-Stoff“ Universität Mozarteum Salzburg
13 Georg Friedrich Händel Schon entweicht meine Seele (1685-1759) Aci, Galatea e Polifemo HWV 72 mit meinem Blut, mein Herz schlägt langsam. Verso già l‘alma col sangue Arie des Aci Schon schwindet und vergeht mein Leben, Verso già l’alma col sangue, lento palpita il mio cor. Beute erbarmungsloser Grausam- keit. Già la vita manca e langue per trofeo d’empio rigor
Nachwort Ich bin weder verrückt, noch habe ich meinen Kopf gegessen. Ich bin klassisch ausgebildete Sängerin, die den Einsatz ihrer Stimme als Selbstermächtigung versteht. Mit meiner Stimme ist meine Auseinandersetzung mit persönlichen Prozessen tief verwoben. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe und den ersten Ton singe, verhandle ich immer auch einen Balan- ceakt zwischen Tradition und Moderne, Ritual und Spiritualität, Wut und Trauer, Scham und Sprachlo- sigkeit, Stolz und Versöhnung, Rollenbild und An- näherung. Das ist meine ganz eigene Sprache, um mir meine eigene Welt anzueignen. Mit meinem Suchen habe ich das Ziel verfolgt, eine eigene Stimme und musikalische Sprache zu finden, der Doktrin des makellosen Schöngesangs zu entkommen und ein Gleichgewicht herstellen zu können.
Ein Gleichgewicht zwischen der exzellenten Opern- sängerin und dem Suchen nach Verwurzelung. Zwischen der Beurteilung eines Kunstwerks aus ei- ner entfernten Vergangenheit und einem Versuch den Rollen die Würde zu verleihen, die sie verdient haben. Sie aus der heutigen Perspektive lebendig werden zu lassen und verteidigen zu können... Das Suchen wird nicht aufhören.
Die Pianistin Anita Keller studierte Im Jahre 2000 unterrichtete sie als an der Leipziger Musikhochschule Gastdozentin an der Universität von „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ bei Boulder in Colorado (USA). Darüber Prof. Günther Kootz im Hauptfach hinaus war sie Solistin des Eröf- Klavier. Seit 1985 ist sie als Korrepeti- fungskonzertes und Jurorin beim 1. torin an der Hochschule für Musik Internationalen Zdenek-Fibich-Melo- „Hanns Eisler“ Berlin tätig. 1985 und dramwettbewerb in Prag. 1989 erhielt sie als Klavierbegleiterin jeweils einen Sonderpreis beim Ebenfalls 2000 begann ihre Mitarbeit Wettbewerb Junger Opernsänger als Korrepetitorin in der Privatakade- und trat überdies mehrfach als Be- mie für Gesang- und Sprecherziehung gleiterin beim Internationalen Jo- von Herrn KS. Prof. Peter Tschaplik. hann-Sebastian-Bach-Wettbewerb Damit verbunden ist die Begleitung sowie beim Internationalen Ro- seiner jährlich stattfindenden Meis- bert-Schumann-Wettbewerb erfolg- terkurse in Spremberg, Jelenia Gora reich in Erscheinung. (Hirschberg) und Krzyzowa (Kreisau) in Polen. Künstlerische Höhepunkte waren neben Konzerten in Deutschland, Tschechien, Polen, Spanien, Israel, Japan, Mexico, der Islamischen Re- publik Iran sowie Haiti die Begleitung junger Sänger bei Meisterkursen von Frau Prof. Elisabeth Schwarzkopf, Herrn Prof. Dietrich Fischer-Dieskau und Herr Prof. Aribert Reimann. Einen besonderen Namen erwarb sich Anita Keller als Liedbegleiterin bei verschiedenen Rundfunk- (WDR Köln, NDR Hamburg) und CD-Aufnah- men (Fa. Naxos)
Der in Deutschland geborene amerikanische Bariton Christian Moellenhoff (1994, Trier) ist regelmä- ßiger Teilnehmer an Opernprodukti- onen in Deutschland. Zu den aufgeführten und einstudier- ten Rollen und Konzertrepertoire gehören Leporello in „Don Giovanni“ (Austin, TX, USA 2012), der Vater in „Hänsel und Gretel“ (Austin, 2012), Don Giovanni in „Don Giovanni“ (Aus- tin, 2013), Gianni Schicchi in „Gianni Schicchi“ (Austin, 2013), Aeneas in „Dido and Aeneas“ (Berlin, 2018), Dancaïre in „Carmen“ (Berlin, 2019), Frank in „Die Fledermaus“ (Berlin, 2020), und Dandini in „Cenerentola“ (Berlin, 2020). Er studiert momentan an der Hoch- schule für Musik Hanns Eisler in Berlin im Masterprogramm und zu seinen Lehrern zählen Christine Schäfer und Ralf Lukas.
Derya Atakan singt seitdem sie Ersten Gesangsunterricht erhält sie denken kann auf Initiative einer aufmerksamen Dame. und lebt gerne aus dem Koffer. Die Dame ist der festen Überzeu Sie spricht 5 Sprachen. gung, dass Deryas Talent, das sie auf Firmenjubiläen und in grauen Turn Ihre Lieblingsfarbe ist gelb hallen darbietet, gefördert werden muss. und sie erzählt gerne ausführlich ver- winkelte Ges chichten. Daraufhin wird sie zum Glück als Jungstudentin an der HfM Würzburg Gerne wäre sie professionell in japa- in die Klasse von Prof. Cheryl Studer nischem Schwertkampf aufgen ommen. und Poledance, ist jedoch etwas zu Danach kommt das Abitur in Latein ungeschickt dafür. und Musik. Dann ein einjähriger Auf- enthalt in Hamburg. Sie mag gerne Mascha Kaleko. Danach Aufnahme an der HfM Hanns Eisler Berlin. Ihr Vorbild ist Josephine Baker. Lange Suche nach der Antwort auf die Frage: Wie geht das eigentlich? „Das Singen mit der Stütze, dieses mit dem Kör- per singen?“
Mit der Unterstützung von Prof. Brit- Moment, was bedeutet das eigent- ta Schwarz, Anita Keller, Prof. Carola lich genau? Nossek und Prof. Julia Varady kommt sie der Antwort nach und nach auf „Bretter, die die Welt bedeuten?“ die Spur. Welche Welt? Nunja und nach Corona steht sie dann auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
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