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Ehrenamstour

Published by Mohr Events GmbH, 2020-05-06 12:35:35

Description: Ehrenamstour

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Ehrenamtstour.NRWEin Baustein zur Entwicklung einer Engagementstrategie für das Land Nordrhein-WestfalenBericht der wissenschaftlichen Begleitung für den AktionszeitraumSeptember 2018 bis August 2019Dezember 2019

2Inhalt1 Einführung 4 2Zusammenfassung 6 3 Methodik der Ehrenamtstour.NRW und ihrer Auswertung 7 3.1 Überblick zur Ehrenamtstour 7 3.2 Das Setting am Stand 7 3.3 Die Interviews: Methodik und Auswertung 9 4 Gesprächsergebnisse 11 4.1 Stationen und Personen 114.1.1 Interviewzahlen und Einflussfaktoren 114.1.2 Strukturdaten der Interviewten 11 4.2 Engagementbereiche und Organisationsformen 154.2.1 Engagementbereiche 154.2.2 Organisationsformen 184.2.3 Beteiligung Hauptamtlicher 19 4.3 Rahmenbedingungen – gute Praxis und Verbesserungspotenzial 194.3.1 Überblick 194.3.2 Zusammenarbeit im Team 234.3.3 Anerkennung 254.3.4 Unterstützung durch die eigene Organisation 334.3.4.1 Unterstützung durch die eigene Organisation 334.3.4.2 Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen 364.3.5 Zahl und Alter der Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Inklusives Engagement 404.3.6 Finanzen und Kostenerstattung 464.3.6.1 Finanzen und Fördermittel 464.3.6.2 Kostenerstattung für Ehrenamtliche 524.3.7 Lokale Engagementförderung und Kooperationen 534.3.7.1 Zusammenarbeit mit der Kommune 534.3.7.2 Engagementfördernde Einrichtungen und Vernetzung 584.3.7.3 Vereinbarkeit von Engagement und Beruf 594.3.8 Weiterbildung und Sonstiges 614.3.8.1 Weiterbildung 614.3.8.2 Sonstiges 624.3.9 Prozessgestaltung und Rahmenbedingungen 654.3.9.1 Entbürokratisierung und Vereinfachung in Rechts- und Steuerfragen 654.3.9.2 Räume, Ausstattung und Material 704.3.9.3 Digitalisierung und Engagement 70 4.4 Nicht-Engagierte 72

3INHALTSVERZEICHNIS5 Schlussfolgerungen 756 Literaturverzeichnis 807 Darstellungsverzeichnis 858 Anhang 86 8.1 Ehrenamtstour.NRW: Stationen 86 8.2 Beobachtungsblatt 91 8.3 Infrastruktureinrichtungen der Engagementförderung 92 8.4 Interviewleitfaden 938.4.1 Interviewleitfaden 2018 938.4.2 Interviewleitfaden 2019 96 8.5 Quantitative Befunde aus den Interviews 100Impressum107AbkürzungenEA EhrenamtlicheHA HauptamtlicheNRW Nordrhein-WestfalenÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr

41 EinführungDie Ehrenamtstour.NRW als Prozessbaustein zur Entwicklung einer Engagementstrategie für das Land Nordrhein-WestfalenDie Landesregierung hat 2018 einen partizipativen Prozess zur Entwicklung einer Engagementstrategie für das Land Nordrhein-Westfalen aufgesetzt. „Ziel der Landesstrategie ist es, bürgerschaftliches Engagement unter Mitwirkung aller relevanten Akteure durch verbesserte Rahmenbedingungen zu stärken, neue Engagierte zu gewinnen und gemeinsam eine solidarische und vielfältige Gesellschaft zu gestalten, an der jeder teilhaben kann. Den Engagierten vor Ort, den Kommunen, den Unternehmen, den Universitäten und den vielen freien Trägern in Nordrhein-Westfalen soll ein ermöglichender Rahmen geboten werden, um bürgerschaftliches Engagement vor Ort auf- und auszubauen und die Engagementförderung zukunftsfähig zu gestalten.“Die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen steuerte den Strategieprozess, der unter anderem die Arbeit einer Steuerungsgruppe, einer interministeriellen Arbeitsgruppe und Veranstaltungen in den fünf Regierungsbezirken des Landes einschloss.Teil dieses breiten Beteiligungsprozesses war die Ehrenamtstour.NRW, welche im Zeitraum von September 2018 bis August 2019 die 54 Kreise und kreisfreien Städte des Landes aufsuchte, um für die Menschen ein wohnortnahes Beteiligungsangebot vorzuhalten. Gespräche und Interviews mit Passantinnen und Passanten am Stand waren darauf gerichtet, Anregungen, Hinweise und Kritik wie auch positive Erfahrungen zu Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement aufzunehmen und in den Strategieentwicklungsprozess einzuspeisen. Aufbauend auf gesicherten Wissensbeständen, unter anderem des Deutschen Freiwilligensurveys, sollte in kurzen Aussagen ein lebendiges Bild der individuellen Engagementerfahrungen und Veränderungsideen gezeichnet werden. Darüber hinaus waren auch Menschen, welche bislang noch nicht ehrenamtlich tätig gewesen sind, dazu eingeladen, Hinderungsgründe zu benennen. Die Landesregierung beabsichtigte mit der Ehrenamtstour.NRW zudem, die Aufmerksamkeit für das Ehrenamt zu stärken, Bürgerinnen und Bürger, Politik, Verwaltung und Organisationen auf lokaler Ebene zu aktivieren und ihre Wertschätzung für Ehrenamtliche auszudrücken. Über das Aktionsjahr hinweg betrachtet, hat sich die unterstützende Haltung der Mitverantwortung durch lokale Partnerinnen und Partner in der Verwaltung wie auch der Zivilgesellschaft vielerorts verstärkt. Mit zunehmender Bekanntheit wurde die Ehrenamtstour.NRW offenbar verstärkt als Chance begriffen. Dazu trug sicher die Kooperationserfahrung in anderen Elementen des Strategieprozesses bei.Es steht nun ein facettenreiches Tableau dessen zur Verfügung, was Besucherinnen und Besucher der Ehrenamtstour.NRW für wichtig halten, um freiwilliges Engagement im Land zu stärken.Nach gemeinsamer Einschätzung von Beteiligten auf lokaler und landesweiter Ebene reichte das Projekt Ehrenamtstour.NRW weit über eine bloße Datensammlung hinaus. Von ihm ging das deutliche Signal an jede Bürgerin und jeden Bürger aus, dass die Meinung gefragt und wichtig ist. Mit Engagierten zu reden anstatt über sie, wurde als Ausdruck der Anerkennung ihrer Kompetenz in eigener und die Gesellschaft gestaltender Sache verstanden. Gleichzeitig sind daraus sicher differenzierte Erwartungen an die Engagementstrategie und deren Umsetzung erwachsen.

5Über diesen BerichtDie Ehrenamtstour.NRW ermöglichte einen Einblick in Umfang und Vielfalt des freiwilligen Engagements im Land Nordrhein-Westfalen.Der vorliegende Bericht der wissenschaftlichen Begleitung betrachtet Äußerungen Engagierter zu den Bedingungen ihrer Tätigkeit und zu der Frage, was sie als gute Praxis erlebten und welchen Verbesserungsbedarf sie sahen. Dies wird ergänzt durch die Perspektive Hauptamtlicher, die direkt mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiteten, wie auch nicht-engagierter Personen. Um die Ergebnisse in den Prozess der Strategieentwicklung einzuspeisen, bietet der Bericht Deutungen zu ausgewählten Befunden an und liefert Aussagen zu Themen, welche auch in anderen Prozessbausteinen diskutiert wurden. Schließlich enthält er Schlussfolgerungen zum weiteren Vorgehen sowie zur Gestaltung von Rahmenbedingungen für Akteure in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Die Gespräche während der Ehrenamtstour.NRW trugen nicht den Charakter einer wissenschaftlichen, sondern eher den einer Straßenbefragung. Die Ergebnisse sind weder repräsentativ noch durchgängig zwischen den Stationen vergleichbar. Gleichwohl folgt die Auswertung soweit möglich wissenschaftlichen Ansprüchen.Der vorliegende Bericht ist als Arbeitspapier angelegt, das auf eine theoriebasierte fachpolitische Kontextualisierung weitgehend verzichtet, da diese an anderen Stellen des Mehrebenenprozesses geleistet wird. Das begriffliche Repertoire wird pragmatisch und meist ohne die Differenzierungen entsprechend der deutschen Engagementtradition – vom Ehrenamt über freiwilliges Engagement bis zu bürgerschaftlichem Engagement, dargestellt unter anderem von Paul-Stefan Roß (2018: 670 672) – verwendet. Zugrunde gelegt wurde die Begriffsbestimmung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags von bürgerschaftlichem Engagement als • „freiwillig, • nicht auf materiellen Gewinn gerichtet, • gemeinwohlorientiert, • öffentlich bzw. findet im öffentlichen Raum statt und • […] in der Regel gemeinschaftlich/kooperativ ausgeübt“ (Enquete-Kommission 2002: 86).Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner stellten die Rahmenbedingungen und erlebte Praxis meist aus ihrem individuellen Kenntnisstand, der persönlichen Perspektive und subjektiven Wahrnehmung dar. Die sachliche Richtigkeit der Äußerungen in den Interviews, auch der in diesem Bericht zitierten, wurde nicht überprüft. Diese Unschärfe erscheint insofern vertretbar, als die Ehrenamtstour.NRW individuelle Engagementerfahrungen und Veränderungsideen erfragt hat. Zu den Schlussfolgerungen daraus könnte gegebenenfalls auch zählen, über ausgewählte Sachverhalte (erneut) zu informieren.Qualitative Aussagen und Zitate aus den Interviews werden Personen nicht namentlich zugeordnet. Zahlenangaben erfolgen ohne Kommastelle, nach kaufmännischer Regel gerundet.Im Bericht werden die Begriffe „Befragung“, „Gespräche“ und „Interviews“ in der Regel synonym verwendet, wenngleich am Aktionsstand auch informelle Randgespräche geführt wurden, die nicht in die Auswertung eingingen.Zitate werden im Bericht durch Anführungszeichen gekennzeichnet und soweit bekannt durch Angaben zur Person (Ehrenamt/Hauptamt, Geschlecht, Engagementbereich) ergänzt. Äußerungen im ungefähren Wortlaut werden in der Regel mit Spiegelstrichen aufgelistet.

62 ZusammenfassungVon September 2018 bis August 2019 wurden während der Ehrenamtstour.NRW 1247 Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern in 86 Kommunen des Landes Nordrhein-Westfalen geführt. Darin berichteten sie über Engagementerfahrungen oder erklärten, warum sie sich nicht (mehr) engagierten. Die zentralen Befunde werden hier zusammengefasst dargestellt. Sie beziehen sich auf die befragten Personen und können aufgrund der nicht repräsentativen Stichprobe nicht verallgemeinert werden.1. Die Engagierten brachten ganz überwiegend ihre Freude am Ehrenamt zum Ausdruck. Im Mittelpunkt standen dabei die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun, die Hilfe für andere und die Mitgestaltung am Ort. Die gute Zusammenarbeit im Team wurde besonders oft hervorgehoben und bildet offenbar, ebenso wie das Erleben von Wirksamkeit, einen wichtigen Haltefaktor.2. Als drängendes Thema von Engagierten erwiesen sich Fragen der Anerkennung. Anerkennung wird offenbar oft und aufmerksam wahrgenommen, noch häufiger jedoch vermisst. Die Wünsche Ehrenamtlicher richteten sich insbesondere auf zwei Dimensionen: Zum einen ging es ihnen um mehr gesellschaftliche Anerkennung durch Politik, Verwaltung sowie Mitbürgerinnen und Mitbürger. Zum anderen wurde mehr materielle Anerkennung angeregt. Dazu zählen unter anderem Steuervorteile, Vergünstigungen im ÖPNV oder Rentenpunkte.3. Ehrenamtliche wiesen vielfach auf ihren Bedarf an Ansprechpersonen hin, die ihnen in vielen praktischen Dingen des Vereinsalltags Auskunft, Orientierung und Unterstützung bieten können. Kontaktstellen am Ort oder auch Onlinehilfen sollten leicht erreichbar sein.4. Häufig brachten Engagierte zum Ausdruck, dass sie mehr und teilweise auch jüngere Ehrenamtliche in ihrem Verein oder Projekt benötigen. In noch stärkerem Maße traf dies für die Besetzung von Vorstandsposten zu. 5. Ehrenamtliche regten unkomplizierte, flexible Förderinstrumente an, die ihre konkrete lokale Situation berücksichtigen. Haupt- und Ehrenamtlichen in engagementfördernden Einrichtungen war eine Sockelfinanzierung ein besonderes Anliegen. Die Erstattung von Kosten, die Engagierten im Ehrenamt entstehen, war vielen aus sozialer Sicht wie auch als Ausdruck von Wertschätzung wichtig.6. Die Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen wurde von beiden Seiten insgesamt sehr positiv eingeschätzt. Verbesserungsbedarf sahen Ehrenamtliche in zwei Richtungen. Einerseits wünschten sich ausschließlich ehrenamtlich arbeitende Vereine ein Mindestmaß an hauptamtlicher Unterstützung. Andererseits gab es einzelne Hinweise darauf, dass die Verankerung und Koordination von Ehrenamt in größeren Einrichtungen verbessert werden könnten.7. Als sehr zeitaufwendig erlebten viele Befragte die juristischen Vorgaben sowie Steuer- und Verwaltungsvorschriften. Sie drückten ihren Wunsch aus, bürokratische Anforderungen für Ehrenamtsorganisationen zu reduzieren.8. Ehrenamtliche und Nicht-Engagierte wünschten sich Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Engagement, Beruf und Familie. Potenzial sahen sie dafür auf Seiten der Organisationen, der Gesetzgebung und der Arbeitgeber.9. Ehrenamtliche und Hauptamtliche regten an, die Zugangsbarrieren zum Engagement zu senken. Dies bezog sich unter anderem auf Menschen mit Behinderung, Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte, Kinder und Jugendliche oder Engagementinteressierte mit familiären Verpflichtungen.

73 Methodik der Ehrenamtstour.NRW und ihrer Auswertung3.1 Überblick zur EhrenamtstourDie Ehrenamtstour.NRW führte mindestens zweimal in alle 54 Kreise und kreisfreien Städte des Landes. An einem Aktionsstand wurden Kurzinterviews mit Passantinnen und Passanten geführt. Im Zeitraum von September 2018 bis August 2019 absolvierte die Ehrenamtstour.NRW 1110 Stationen in 86 Kommunen mit einer Aufenthaltszeit von jeweils drei bis sechs Stunden (Anhang 8.1: Ehrenamtstour.NRW: Stationen).Die Station mit der kleinsten Bevölkerungszahl war Schieder Schwalenberg (Kreis Lippe) mit einer Einwohnerschaft von rund 8.500 Menschen, die größte die Stadt Köln mit über einer Million. Der Zuordnung nach ländlichem und städtischem Raum liegt die Gebietskulisse im NRW-Programm Ländlicher Raum 2014–2020 zugrunde (Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen 2019). Aktionstage waren bis auf zwei Sonntage und einen Mittwoch (Landtag Nordrhein-Westfalen) die Freitage und Samstage. Es wurden 1247 Interviews an vielfältigen Orten geführt, oft in Fußgängerzonen, auf Wochenmärkten oder Stadtfesten. Auch Sportstätten, Hochschulen sowie Kultur-, Freizeit- und Begegnungseinrichtungen waren dabei.3.2 Das Setting am StandStandbesetzungDer Stand wurde durch ein geschultes Aktionsteam von drei Studierenden betreut, die jeweils zu zweit im Einsatz waren. Nur sie führten die Interviews. Die Abteilung Sport und Ehrenamt der Staatskanzlei war jeweils durch eine Person vertreten. Sie begleitete die Stationen, beantwortete Fragen von Standbesucherinnen und -besuchern und unterstützte bei Bedarf das Aktionsteam. An ausgewählten Stationen war zudem die wissenschaftliche Begleitung zugegen.Darstellung 1: AktionsstandDarstellung 2: Haltepunkte1 Zwei Perioden: 07.09.–24.11.2018, 01.03.–31.08.2019 (einschließlich sechswöchiger Sommerpause)

8AktionselementeDas Standkonzept umfasste neben den Interviews weitere Elemente, deren Funktion zunächst darin be-stand, Neugier bei Passantinnen und Passanten zu wecken, sie zum Thema hinzuführen und eine belebte, kommunikationsfördernde Atmosphäre zu schaffen. Eine Litfaßsäule und Pinnwände fungierten als Blick-fang und boten Platz für Antworten auf einleitende Fragen: „Wünschen Sie sich für Ihr Engagement mehr Unterstützung?“ und „Ihre Anre-gungen und Hinweise: Was möchten Sie uns mitteilen?“ Standgäste vermerkten dort beispielsweise „Inklusion fördern im Ehrenamt“ oder „Ermäßigung für Bus und Bahn“.Im Verlauf der Tour ist daraus – ergän-zend zu den Interviews – eine Samm-lung von über 220 dokumentierten Äu-ßerungen entstanden, die als Rahmung der Interviews einen zusätzlichen Erklä-rungswert entfalten und einige zusätz-liche Akzente setzen.In zahlreichen Äußerungen drückten Engagierte aus, dass ihnen ihr Tun Spaß macht oder sie sich über die daraus erwachsenden Wirkungen freuen. Sie ergänzten die Sätze: „Ich engagiere mich, weil …“ und „Ich engagiere mich, wenn …“ zum Beispiel so: „… ich Spaß daran habe!“ „… ich gerne helfe, und was dann zurückkommt, ist viel mehr, als man mit Geld bezahlen könnte. Ein nettes Gespräch, ein Danke, und meine helfende Hand im Eingang des Krankenhauses wird gebraucht. Ich mache es gerne!!!“ „… ich mich freue, wenn es einem anderen guttut.“Dies korrespondiert ebenso mit den Ergebnissen des Vierten Freiwilligensurveys (Simonson et al. 2017a: 38) wie der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten: „… weil ich mit meinem Engagement in der Stadt etwas bewegen will.“ „… ich mich für ein besseres Miteinander hier einsetzen möchte!“Die freie Antwortmöglichkeit an der Pinnwand verweist jedoch auch auf Motive und traditionell anmutende Werte wie die Sorge um andere Menschen , den Wunsch zu helfen und das Empfinden von Mitleid und ethischer Verpflichtung. „… weil es Menschen gibt, die niemanden haben!“ und „… weil ältere Mitbürger Unterstützung brauchen“ stehen dafür beispielhaft. Dies sei hier erwähnt, um die Vielfalt von Funktionen anzudeuten, die das Engagement für Ehrenamtliche erfüllen kann. Ob ein Engagement diese Funktionser-wartungen erfüllt, mag mitunter für die individuelle Engagementbiografie ähnlich bedeutsam sein wie eher „technische“ Rahmenbedingungen.Darstellung 3: LitfaßsäuleDarstellung 4: Pinnwand/Tafel

9Als Attraktion des Stands erwiesen sich die Plexiglasröhren, in die ein Ball ein-geworfen werden konnte. Auf die Frage „Haben Sie dieses Jahr schon Aufga-ben ehrenamtlich erledigt?“ waren so die Antworten möglich: „Nein, ist jetzt nichts für mich“, „Mach ich vielleicht noch“ oder „Ja“. Damit bot sich für die Aktionskräfte ein niedrigschwelliger Ein-stieg in das Gespräch.3.3 Die Interviews: Methodik und AuswertungInterviewführungAlle Personen, die spontan oder nach Ansprache am Stand bereit dazu waren, wurden interviewt. Bei Ka-pazitätsengpässen halfen die Anwesenden aus der Staatskanzlei gegebenenfalls, Wartezeit zu überbrü-cken. Den Interviews gingen am Stand kurze Gespräche über das Engagement, den Zweck des Interviews, Gesprächsbereitschaft und Datenschutzaspekte voraus. Die Teamenden nahmen bei Einverständnis der Befragten die Interviews elektroakustisch auf. Die Dauer betrug meist drei bis fünf Minuten, in Ausnahme-fällen mehr als zehn Minuten.Grundlage bildete ein Interviewleitfaden (Anhang 8.4). Nach den Angaben zur Person und beginnend mit der Frage zum Engagementbereich erhielt das Interview einen qualitativen Charakter. Den Befragten wur-den offene Fragen gestellt. Die Antworten wurden bei der Transkription Kategorien zugeordnet. Bei den Kernfragen nach aktuellen und gewünschten Rahmenbedingungen (Fragen 11 und 12) diente der Frage-bogen ausschließlich als Leitfaden. Ankreuzungen erfolgten während des Interviews nicht. Reihenfolge und Formulierung von Fragen sollten situationsentsprechend angepasst und ergänzt werden, was die An-forderungen an das Aktionsteam erhöhte. Der Fragebogen enthielt auch einen Pfad für das Gespräch mit Nicht-Engagierten. Mit Beginn der Frühjahrsperiode kam ein weiterer Pfad für Hauptamtliche hinzu, die direkt mit Ehrenamtlichen arbeiten. Bis dahin waren sie lediglich markiert und im Weiteren gegebenenfalls als ehrenamtlich Engagierte befragt worden.Die Gäste am Stand zeigten eine hohe Bereitschaft zum Interview. Als Motiv darf der Wunsch, vom Erleb-ten zu berichten, ebenso angenommen werden wie das Interesse, bei der Strategieentwicklung zu helfen, sich aktiv einzubringen und Gehör für die eigenen Anliegen zu finden. Häufig enthielten die Antworten kei-ne nähere Konkretisierung. Die Aktionskräfte waren angehalten, nachzufragen, ohne die Interviewten zu bedrängen und die Möglichkeiten dieses Settings zu überdehnen.Darstellung 5: Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen,Armin Laschet, am Aktionsstand in Leverkusen

10Da das Aktionsteam – entsprechend dem Standkonzept – nicht aktiv auf Personen außerhalb des Aktions-raums zuging, überrascht es nicht, dass den insgesamt 1031 Gesprächen mit Engagierten nur 216 mit Nicht-Engagierten gegenüberstanden (Anhang 8.5: Frage 4). Der Umfang und der Detaillierungsgrad der Aussagen bieten eher wenige tragfähige Hinweise, wie Nicht-Engagierte für ein Ehrenamt gewonnen wer-den könnten. Mit Blick auf die Niedrigschwelligkeit der Ehrenamtstour.NRW unter den Bedingungen eines eventuell empfundenen Drucks zu sozial erwünschtem Verhalten in der Öffentlichkeit kann es hingegen auch als Erfolg gelesen werden, dass sich doch 216 Nicht(mehr)-Engagierte beteiligt haben. Datenerfassung und AuswertungDie Datenerfassung und Auswertung erfolgte in Anlehnung an die Grundsätze der qualitativen Inhaltsana-lyse nach Mayring (Mayring 2000).Die Aussagen wurden weitgehend als strukturierende Inhaltsanalyse transkribiert, das heißt, in teilstan-dardisierter Form in einer Exceltabelle dokumentiert.Als Kernfragen bezeichnet die wissenschaftliche Begleitung folgende: Frage 9 (Nicht-Engagierte) Unter welchen Bedingungen könnten Sie sich denn vorstellen, sich (wieder) zu engagieren? Frage 11 (Engagierte) Wenn Sie einmal an die Bedingungen für Ihr Engagement denken, was funktioniert denn gut? Frage 12 (Engagierte) Wodurch könnte Ihnen wohl das Engagement noch erleichtert werden? Zu Frage 11 konnten die Äußerungen Interviewter meist ein bis zwei Antwortkategorien (Anhang 8.5: Frage 11) zugeordnet werden, bei Frage 12 waren es häufig zwei bis vier, gelegentlich mehr.Die Ergebnisse der Ehrenamtstour.NRW sind als teilweise deutliche Signale zu verstehen, was Ehrenamt-liche in Nordrhein-Westfalen erfreut und in welche Richtungen Wünsche und Forderungen nach Verände-rung gehen. Mit Blick auf die Merkmale der Stichprobe können sie allerdings nicht als repräsentativ gelten (siehe dazu 4.1 Stationen und Personen).Auch für exemplarische Verallgemeinerungen sind die Inter-viewergebnisse nicht geeignet. Gleichwohl sollten bereichs- und ortsübergreifend geäußerte Anregun-gen und Kritiken ebenso als Marker für die Strategieentwicklung verstanden werden wie überraschende Einzelmeinungen. Den Möglichkeiten der Kurzinterviews gemäß werden weitere qualifizierende Schritte erforderlich sein, um Kritik gegebenenfalls in operationalisierte Handlungsoptionen zu übersetzen. Seine Originalität gewinnt das Datenmaterial durch die Unmittelbarkeit der individuellen und teilweise sehr le-benspraktischen Aussagen, die Stimmungen in einem insgesamt gut erforschten Kontext zum Ausdruck bringen.

11Prozessbegleitende Beratung und QualitätssicherungAktionskräfteDas Gelingen der Ehrenamtstour.NRW basierte auf dem gut koordinierten Zusammenspiel einer Vielzahl von Beteiligten in der Vorbereitung und Durchführung. Kompetenzen und Auftreten der Aktionskräfte (Teamenden) entschieden in besonderem Maße über den Ertrag der jeweiligen Station. Sie wurden von der wissenschaftlichen Begleitung geschult. Ein schriftliches Briefing vor den jeweiligen Stationen sowie Feedback und Coaching ergänzten die enge Betreuung.4 Gesprächsergebnisse4.1 Stationen und Personen4.1.1 Interviewzahlen und EinflussfaktorenDurchschnittlich wurden pro Haltepunkt und halbem Tag elf Interviews geführt. Anhand der Beobach-tungsblätter (Anhang 8.2), ausgefüllt vom Aktionsteam, waren Jahreszeit und Wetter dafür als wichtigste Einflussfaktoren auszumachen. Auch der Platzierung des Stands und der Tageszeit konnte ein Einfluss auf die Frequentierung des Areals und damit des Stands zugeschrieben werden. Zudem schienen die lokale Vernetzung und die Kommunikation des Termins in die Zivilgesellschaft einen Effekt bezüglich Anzahl und Motivation der Gäste auszuüben.Mit Blick auf die Interviewzahlen ist zu berücksichtigen, dass die kreisfreien Städte zweimal besucht wur-den. In Klein- und Mittelstädten dagegen war die Aktionszeit in der Regel auf drei Stunden beschränkt. Die räumlich differenzierte Darstellung des Berichts folgt der Unterscheidung nach städtischen und länd-lichen Regionen gemäß der oben genannten Gebietskulisse in Nordrhein-Westfalen (Ministerium für Hei-mat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen 2019). Die Eingangshypothese lautete, dass die Mobilisierung in Kleinstädten aufgrund engmaschiger lokaler Netzwerke und der räumlichen Nähe hoch sei. Man kennt sich, Personen aus der Lokalpolitik und dem Stadtmarketing kommen vorbei. Auf den Mobilisierungsgrad der lokalen Bevölkerung traf dies bei der Eh-renamtstour.NRW offenbar zu, denn in absoluten Zahlen und um den Faktor Zeit bereinigt lassen sich keine Unterschiede bezüglich der absoluten Interviewzahlen im städtischen und im ländlichen Raum fest-stellen.Mittels Desk-Research wurde festgestellt, dass in 76 der besuchten 86 Kommunen engagementfördern-de Infrastrukturen vorhanden bzw. erreichbar sind. Ein Zusammenhang mit der Zahl geführter Interviews konnte nicht identifiziert werden.4.1.2 Strukturdaten der InterviewtenDie Zahl der mit der Ehrenamtstour.NRW erreichten Personen ist größer als die der geführten Interviews. Einige Menschen teilten nur per Balleinwurf mit, dass sie sich engagiert haben. An manchen Interviews beteiligten sich zwei Personen gemeinsam. Darüber hinaus trug der Aktionsstand auch im Hinblick auf Passantinnen und Passanten, die ihn nicht besuchten, zu einer größeren Sichtbarkeit des Themas bei. Jedoch steht der somit induzierte Aufmerksamkeitszuwachs hier nicht im Fokus. Die folgende Darstellung des erreichten Bevölkerungsausschnitts beschränkt sich somit auf die interviewten Personen.

12Von den insgesamt 1247 Interviews wurden 665 im städtischen und 582 im ländlichen Raum ge-führt (Anhang 8.5).Planung der StationenDie Planung der Stationen (Anhang 8.1) war seitens der Staatskanzlei darauf ausgerichtet, mit Personen unterschiedlicher soziodemografischer Merkmale, verschiedener Engagementformen, Herkunft und Lebenssituationen ins Gespräch zu kommen. Gleichwohl ist, wie oben bereits dargestellt, eine Repräsentativität der Befragten und damit der Gesprächsergebnisse nicht gegeben. Die wissenschaftliche Begleitung betrachtet vor diesem Hintergrund die Ehrenamtstour.NRW als eigenständigen Beitrag zur Erforschung dessen, was sich Ehrenamtliche wünschen und was ihnen das Engagement erleichtert. Sie gab Aufschluss über Stimmungslagen zum bürgerschaftlichen Engagement auf lokaler Ebene aus unterschiedlichen Perspektiven. Das Verständnis für bereits bekannte, repräsentative Daten gewinnt durch die praxisbasierten individuellen Äußerungen von Passantinnen und Passanten an Anschaulichkeit und Substanz. Dem wird im vorliegenden Abschlussbericht durch ausgewählte Vergleiche mit den Befunden des Länderberichts Nordrhein-Westfalen zum Freiwilligensurvey 2014 Rechnung getragen.Darstellung 6: Interviews nach Raumkategorie, eigene BerechnungMit 658 Personen waren 53 % der Befragten weib-lich. 585 männliche Personen nahmen an den Inter-views teil. Das entspricht 47 %. Eine Person ord-nete sich der Kategorie „divers“ zu (Darstellung 7). Aufgrund des geringen Anteils von 0,08 % an der Stichprobe wird sie bei den quantitativen Auswer-tungen im Folgenden nicht separat ausgewiesen. Im Rahmen der qualitativen Darstellung von Aussagen Nicht-Engagierter dagegen wird ihre Antwort aufge-führt (Kapitel 4.4).Die geschlechtsspezifische Beteiligung zeichnete sich im ländlichen wie im städtischen Raum durch einen größeren Anteil Frauen aus. Ihr Vorsprung liegt im ländlichen Raum mit 54 % noch etwas höher als im städtischen (52 %) (Anhang 8.5: Frage 1).Darstellung 7: Befragte nach Geschlecht

13Prozessbegleitende Beratung und QualitätssicherungVon den 1247 Befragten gaben 1031 (83 %) an, sich im Jahr 2018 bzw. in den letzten zwölf Monaten ehrenamtlich engagiert zu haben, während die Antwort von 216 Personen „nein“ lautete. 108 der 1247 Befragten wurden zudem auch als Hauptamtliche in der Arbeit mit Ehrenamtlichen erfasst (Anhang 8.5: Frage 4).Nach Altersgruppen betrachtet, zeigen sich mit Blick auf den erreichten Bevölkerungsausschnitt (Darstel-lung 8) deutliche Besonderheiten der Ehrenamtstour.NRW gegenüber repräsentativen Umfragen, die ihre Erklärung kaum in dem etwas anderen Schnitt der Altersgruppen finden. Während auf der Grundlage der Bevölkerungsstatistik des Landes Nordrhein-Westfalen (Information und Technik NRW 2018) ein Anteil der 14- bis 30-Jährigen von 21 % errechnet wurde (Darstellung 9), ist diese Altersgruppe in der Ehrenamts-tour.NRW nur mit 12 % der Gesamtstichprobe (n = 1247) vertreten. Auch die 31- bis 45-Jährigen sind unter-repräsentiert. Die dann folgenden Gruppen liegen bei der Ehrenamtstour.NRW 5 bzw. 11 Prozentpunkte über ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahre.Im ländlichen Raum zeigten sich bei der Ehrenamtstour.NRW die Altersgruppenanteile der Befragten noch weiter zugunsten der höheren Altersgruppen verschoben (ohne Darstellung). Auch wenn zum Bei-spiel die demografische Komponente im Hochsauerland dafür den Hintergrund bilden kann (Demogra-phiebericht, o. V., o. J.), ist anzunehmen, dass für diesen Befund die Aktionsorte und -anlässe einen höhe-ren erklärenden Wert besitzen. Etwa während einer großen Jugendsportveranstaltung oder eines Weltkin-dertagsfest wurden deutlich jüngere Personen erreicht als freitagmorgens im ländlichen Raum. Darstellung 8: Befragte nach AltersgruppenDarstellung 9: Anteil Altersgruppen an Bevölkerung, eigene Berechnung, Quelle: Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2018)

14Unter den befragten ehrenamtlich engagierten Personen lag der Anteil der über 65-Jährigen mit 39 % um vier Pro-zentpunkte über ihrem Anteil an den Befragten insge-samt (Darstellung 10).45 % der Befragten waren berufstätig, 43 % im Ruhe-stand. Als Schülerin oder Schüler bzw. Auszubildende wurden 57 Personen erfasst (5 %), als studierend ledig-lich 47, was 4 % entspricht (Anhang 8.5: Frage 3).327 Personen erwähnten im Gespräch spontan ihre Leitungsfunktion im Ehrenamt (Anhang 8.5: Frage 5 und eigene Berechnungen) Darstellung 11. zeigt mit der Leitungsquote, wie viel Prozent der jeweili-gen Gruppe befragter Engagierter eine Leitungsfunktion angegeben haben. Die Leitungsquote der Frauen von 24 % drückt dabei den Anteil der Leitungskräfte unter den engagierten Frauen aus. Entsprechend der Darstellung haben 16 % der befragten engagierten 14- bis 30-Jährigen eine Leitungsfunktion ange-geben. Von einer Dunkelziffer weiterer gewählter Führungskräfte darf ausgegangen werden. Grundsätz-lich zeigt die Ehrenamtstour.NRW vergleichbare Strukturen wie der Freiwilligensurvey: „Bei Männern sind Leitungs- und Vorstandstätigkeiten im Engagement verbreiteter als bei Frauen; Ältere haben häufiger eine Leitungsposition inne als Jüngere“ (Simonson et al. 2016a: 35). Jedoch treten diese Tendenzen bei der Ehrenamtstour.NRW stärker hervor: Der Leitungsanteil junger Leute liegt mit 16 % besonders niedrig, der Vorsprung von Männern gegenüber Frauen ist mit 17 Prozentpunkten besonders auffällig. Der insgesamt überdurchschnittlich hohe Anteil von Leitungskräften korrespondiert mit Inhalt und Charakter zahlreicher Gespräche am Aktionsstand: Viele Vereinsvorstände und andere ehrenamtliche Führungskräfte ha-ben den Aktionsstand gezielt aufgesucht, um das Dialogangebot der Landesregierung zu nutzen.Darstellung 10: Engagierte nach AltersgruppenDarstellung 11: Leitungsquote nach Alter und Geschlecht

15Gleichzeitig ist es vorstellbar, dass vor allem im ländlichen Raum der Anteil von Funktionstragen-den nicht in dem Maße gesunken ist, wie es seit Jahren bundesweit zu beobachten ist (Simonson et al. 2016a: 35).Die Altersstruktur der ehrenamtlichen Leitungs-kräfte (Darstellung 11) unterstreicht, was Ehren-amtliche in den Gesprächen immer wieder spon-tan als Problem benannt haben: die bekannten Herausforderungen bei der Neubesetzung von Vereinsvorständen (BBE 2014, vgl. auch Kapitel 4.3.5).4.2 Engagementbereiche und Organisationsformen4.2.1 EngagementbereicheÜber die Engagementbereiche von Ehrenamtlichen in Nordrhein-Westfalen gibt der Länderbericht zum Deutschen Freiwilligensurvey 2014 zuverlässig Auskunft (Kausmann et al. 2016: 129). Den Erkenntnisinte-ressen der Ehrenamtstour.NRW folgend, wurden die Kategorien zum Teil anders geschnitten. Antworten auf die offene Frage „Beschreiben Sie doch mal, was tun Sie ehrenamtlich?“ wurden in der Transkription 17 Engagementbereichen zugeordnet, darunter solchen, die in Nordrhein-Westfalen auf lokaler Ebene von besonderer Bedeutung sein können. Es sind unter anderem Einrichtungen der Engagementförderung, Hei-mat- und Geschichtsvereine, Schützenvereine und Karnevalsvereine. Zudem wurden für Schule und Kita separate Kategorien gebildet (Anhang 8.5: Frage 6).Als Besonderheiten der Ehrenamtstour.NRW sind der große Anteil von Engagierten aus dem Be-reich Gesundheit und Soziales sowie die Breite des Engagementspektrums hervorzuheben.Beispiel Ortsvorsteher einer Kleinstadt„Für den Vorstand und sich fest zu engagieren über eine längere Zeit, da ist es schwer, jemanden zu bekommen. Das müssen ja keine 25 Jahre sein, aber selbst bei vier oder fünf Jahren. Es sind die Aufgaben zu groß, die alle von außen auf einen treffen. Für kleinere Sachen findet man einfach Leute, die helfen.“

16Anders als im Freiwilligensurvey, der dem Bereich Sport und Bewegung regelmäßig die Spitzenposition be-scheinigt, ist in der Ehrenamtstour.NRW der Bereich Gesundheit und Soziales mit Abstand führend. Die Zu-ordnung ist am ehesten mit dem Bereich Soziale Dienste des Freiwilligensurveys vergleichbar. Angesichts des oben beschriebenen Bevölkerungsausschnitts ist diese Dominanz nicht überraschend. Es ist bekannt, dass das freiwillige Engagement im sozialen Bereich im Alter von großer Bedeutung ist (vgl. Vogel, Claudia, et al. 2017: 26 f.). Hinzu kam die Selektivität, wer am Aktionsstand vorüberging bzw. ihn bewusst aufsuch-te. Der Vorsprung wird durch die Kategorienbildung und Kodierung verstärkt, da für die Ehrenamtstour.NRW der Kategorie auch das Ehrenamt in Selbsthilfegruppen, Besuchsdienste im Krankenhaus und in der Kirchengemeinde oder auch organisierte Nachbarschaftshilfe für Bedürftige zugeordnet wurden.Auffällig ist ebenfalls der Bereich Politik, politische und berufliche Interessenvertretung, dem die Enga-gements von mehr als 7 % der Befragten zugeordnet wurden. Hier ist ebenso wie bei der vergleichsweise starken Präsenz der Engagementförderung davon auszugehen, dass ein „Ehrenamtstour-Effekt“ gewirkt hat. Vielerorts besuchten Ehrenamtliche aus der Kommunalpolitik den Aktionsstand. Engagierte aus Frei-willigenagenturen hatten häufig bereits an der Vorbereitung mitgewirkt und nutzten die Standgespräche für ihre Rückmeldung. Darstellung 12: Engagementbereiche

17Offenbar üben einige Initiativen zur nachhaltigen Entwicklung, zur Stärkung des ländlichen Raums bis hin zur Quartiersentwicklung einen spürbaren Einfluss auf die lokale Lebensqualität und das Gemeinschafts-leben aus, zum Beispiel mit Blick auf Mobilität und Versorgung. Zugeordnet wurden sie der Kategorie „Na-tur-, Umwelt- und Tierschutz, Nachhaltigkeit “. Die Verbindung von Partizipation und praktischem Engage-2ment, wie sie im Zweiten Engagementbericht (vgl. BMFSFJ, 2016: 537) dargestellt wurde, kann aus einzel-nen Interviews bestätigt werden. Ehrenamtliche berichteten von ihrem Engagement in Stadtteilinitiativen, zur Dorferneuerung oder in LEADER-Projekten . „LEADER betont die Eigenverantwortung und das bürger-3schaftliche Engagement für die eigene Region“, teilt auch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen mit und verweist auf integrierte Entwick-lungskonzepte und die Zusammenarbeit von „lokal zuständigen Verwaltungen mit Wirtschafts- und So-zialpartnern und weiteren Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft“ in lokalen Aktionsgruppen. Die daraus resultierenden Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten wurden von dort Engagierten grund-sätzlich als motivierend beschrieben. Für LEADER wurden zudem die regionalen Kooperationen und das professionelle Management durch Koordinierungsstellen positiv hervorgehoben. Wie aus der Rollenvertei-lung und dem Zusammenwirken von lokaler Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft allerdings auch Reibungspunkte entstehen können, illustrierte ein Ehrenamtlicher so:In thematisch, strukturell und kulturell sehr unterschiedlichen Organisationen ist es zu erwarten, dass sich auch die Ansprüche und Erwartungen im Hinblick auf das Engagement und seine Rah-menbedingungen unterscheiden. Es wäre lohnend, dieses Engagementfeld näher auszuloten. Als Auswahlorientierung für vergleichende Vertiefungen könnte die Charakterisierung von Engagements danach dienen, in welchem Maße das Engagement • übergreifend auf Strukturen und Rahmenbedingungen, zum Beispiel im Gemeinwesen, oder eher auf Einzelpersonen gerichtet ist, wie etwa bei Besuchsdiensten.• stärker in hauptamtlich oder ehrenamtlich geprägtem Kontext stattfindet.Diese Betrachtung nach Engagementmerkmalen bildet eine ergänzende Perspektive zu den Hauptin-halten der freiwilligen Tätigkeit gemäß dem Freiwilligensurvey 2014 (Simonson et al. 2016b: 302). Ganze Organisationen oder auch einzelne Tätigkeiten lassen sich danach betrachten. Diese Unterscheidungen können in Zeiten von Entgrenzung und Vernetzung zur Strategiebildung ebenso wie zum Monitoring ge-nutzt werden. Die positiven Effekte von Vernetzung wurden auch auf lokaler Ebene in einer Kommune des Programms „Engagierte Stadt“ betont. Die Aktiven hoben gleichzeitig hervor, dass für eine solche Vernetzung haupt-amtliche Personalkapazitäten benötigt werden. Aussagen von Befragten legen nahe, dass Vernetzungs- und Koordinierungsstellen gegebenenfalls auch an andere lokale Netzwerke andocken könnten, beispielsweise im Umfeld von Freiwilligenagenturen, LEA-DER-Projekten, Bündnissen für Familie oder auch Mehrgenerationenhäusern. „Die Unabhängigkeit von Politik und Verwaltung muss gesichert sein. Der Bürgermeister sagt: kein Antrag, der nicht bei mir über den Tisch gegangen ist! Das heißt, er hat die Förderrichtlinien nicht verstanden. Hier sollten sich Politik und Verwaltung nicht einmischen und Ideen verhindern, son-dern positiv unterstützen.“ (Ehrenamtlicher, LEADER-Programm)2 Nachhaltigkeit wird hier entsprechend dem Dreisäulenprinzip verstanden, das umweltbezogene, wirtschaftliche und soziale Ziele verbindet.3 LEADER: Förderprogramm der Europäischen Union zur Entwicklung ländlicher Räume, vom Land Nordrhein- Westfalen kofinanziert.

18Es kann geschlussfolgert werden, dass freiwilliges Engagement Netzwerkstrukturen von der lokalen bis zur Landesebene braucht, um im direkten Dialog der gesellschaftlichen Sektoren ressort- und organisa-tionsübergreifend Information, Positionsbestimmungen, gemeinsame Willensbildung und praktische Ver-änderungen zu fördern.Bei der Zuordnung zu Engagementbereichen gingen in die Kategorie „Sonstiges“ als wichtigste Untergrup-pierung Nennungen zur außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit ein (1,3 % der Befragten). Weitere Engagements in dieser Kategorie finden, in jeweils geringer Anzahl, beispielsweise in der Völkerverständi-gung, der Entwicklungszusammenarbeit, in Bürgervereinen, selbst organisierten Senioreninitiativen, einer Sterbekasse, als Schöffe, Betreuer oder in Vereinen der Freizeit und Geselligkeit, zum Beispiel Kleingarten-vereinen, statt.Die Ehrenamtstour.NRW unterstreicht bekannte Befunde: Frauen engagieren sich deutlich häufiger als Männer im Sozialen sowie in der Schule (Kausmann et al. 2017a: 19). Der Anteil engagierter Frauen im Bereich Gesundheit und Soziales liegt mit 37 % um 17 Prozentpunkte über dem von Männern. Im Sport beträgt ihr Anteil 10 % gegenüber 23 % auf der Seite der engagierten Männer. Mit dem Wandel von Erwerbsbiografien besonders von Frauen und dem langsamen Aufbrechen traditio-neller Rollenmuster in der Kinderbetreuung darf hier längerfristig eine Annäherung vermutet werden. Auf eine dementsprechend größere Vielfalt etwa als Elternpflegschaft sollten sich Institutionen wie Schule und Kita einstellen.4.2.2 OrganisationsformenAn den Aussagen Engagierter zur Organisationsform ihrer Tätigkeit überrascht nicht, dass Ehrenamtliche in Vereinen und Verbänden die Statistik der Ehrenamtstour.NRW in dieser Kategorie anführen. Während hier 75 % der Engagierten als Organisationsrahmen Vereine und Verbände angaben, waren es im Länder-bericht zum Freiwilligensurvey 2014 für Nordrhein-Westfalen 46 % (Kausmann et al. 2015: 131). Der Anteil in öffentlichen Einrichtungen liegt bei der Ehrenamtstour.NRW um zehn Prozentpunkte über der Länderaus-wertung, der in individuell organisierten Gruppen hingegen mit elf Prozentpunkten darunter. Am höchsten ist der Anteil der Engagierten in Vereinen und Verbänden in der Altersgruppe 46 bis 65 Jahre (78 %), am niedrigsten unter den 31- bis 45-Jährigen (66 %). Der Anteil der Engagierten in freien Initiativen ist mit 10 % in der Altersgruppe über 65 Jahre am höchsten und im ländlichen Raum etwas höher als im städtischen. Auch hier sei auf den erreichten Bevölkerungsausschnitt der Ehrenamtstour.NRW verwiesen. Darstellung 13: Anteil Engagierter in Organisationsformen

194.2.3 Beteiligung HauptamtlicherSeit Beginn der Ehrenamtstour.NRW haben auch Personen den Stand besucht, die beispielsweise in Ver-einen, Verbänden oder engagementfördernden Einrichtungen hauptamtlich regelmäßig direkt mit freiwil-lig Engagierten zusammengearbeitet haben. Ab März 2019 wurde für diesen Personenkreis ein erweiterter Interviewleitfaden genutzt und das Erfassungsinstrument darauf angepasst. Unter den 1247 befragten Personen gaben 107 an, regelmäßig hauptamtlich mit Ehrenamtlichen zu arbei-ten. Die meisten Nennungen entfielen auf die Bereiche Engagementförderung, Gesundheit und Soziales sowie Politik, politische und berufliche Interessenvertretung. Die führenden Organisationsformen waren Verbände, öffentliche Einrichtungen und Vereine.Von den Hauptamtlichen gaben zudem 79 Personen mindestens ein eigenes Ehrenamt an. 4.3 Rahmenbedingungen –gute Praxis und Verbesserungspotenzial4.3.1 ÜberblickAm Aktionsstand der Ehrenamtstour.NRW brachten viele Interviewte den hohen persönlichen Stellenwert ihres freiwilligen Engagements zum Ausdruck. Im Folgenden wird dargestellt, womit sich Engagierte hin-sichtlich der Rahmenbedingungen am häufigsten zufrieden zeigten und was ihnen gut gefällt (gute Praxis). Zudem gehen hier die Anregungen, Hinweise und die Kritik zu den am häufigsten genannten Punkten ein (Verbesserungspotenzial). Sofern sich auch Hauptamtliche zu den jeweiligen Punkten geäußert haben, werden ihre Antworten ergänzend präsentiert.Die Kernfragen des Interviews lauteten dazu:Frage 11:„Wenn Sie einmal an die Bedingungen für Ihr Engagement denken, was funktioniert denn gut?“Frage 12:„Und was würde Ihnen wohl das Engagement erleichtern?“Sofern relevant, wurde Frage 11 ergänzt um: „Und wie läuft die Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen?“.Hauptamtliche wurden an dieser Stelle gefragt:Frage 11:„Und wie läuft die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen?“Frage 12:„Und was könnte Ihren Ehrenamtlichen wohl das Engagement erleichtern?“Die Fragen wurden offen gestellt. Bei der Zuordnung zu Kategorien erhielten der Kontext und die angenom-mene Bedeutung für die Person den Vorzug gegenüber einer begrifflichen Stringenz, etwa wenn Ehren-amtliche die Fortbildung durch einen Verband erwähnten. Die Antwort könnte der Kategorie „Fortbildung“, aber auch „Unterstützung, Rat und Hilfe durch die eigene Organisation“ zugeordnet werden. Hier wurde danach entschieden, ob die Antwort eher den Wissens- und Kompetenzgewinn von Fortbildung ins Zent-rum stellt oder Fortbildung als Beispiel für die gute Begleitung durch den Verein nennt.

20Doch zunächst zur Wirkung der Frage nach guter Praxis. Nach dem Einstieg mit Strukturfragen schien diese bei vielen eine kleine Irritation auszulösen, Ratlosigkeit oder Lächeln. Eine Deutung als Stolz auf das Engagement oder als Freude, das eigene Ehrenamt mittels Perspektivenwechsel selbst jenseits von Pro-blemzentrierung zu betrachten, liegt nahe. Zweifellos war bei zahleichen Interviewten die Überraschung spürbar, als Person selbst gemeint zu sein. Gäste, die gezielt zum Interview den Stand besuchten, hatten sich in der Regel darauf vorbereitet und brachten ihre (kritischen) Anliegen oft strukturiert ein. Die Deutung der Antworten sollte jedoch in Rech-nung stellen, dass die allermeisten der Personen zufällig vorbeikamen und nicht systematisch antworte-ten, sondern zum Beispiel mitteilten, was sie schon lange bewegt oder was sie kürzlich emotional berührt hatte.Die Engagierten vermittelten beeindruckende Bilder ihrer Engagementwelten. Die Favoriten in Bezug auf gute Praxis und Verbesserungswünsche zeichnen sich klar ab.Die SpitzenreiterAuf die Frage 11 „Was klappt gut?“ haben 797 Engagierte mehr als 1400 Antworten gegeben. Die am häufigsten genannten Kategorien werden nach diesem vergleichenden Überblick und einem Exkurs in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Diese sechs führenden Kategorien haben weitgehend Bestand, auch bei weiteren Differenzierungen. Da-bei zeichnen sich jedoch folgende Abweichungen ab (ohne Darstellung) :4a) Nur in der Altersgruppe 14 bis 30 Jahre hat es der Punkt Schulung/Fortbildung auf Platz 4geschafft. Die Unterstützung durch die Kommune und Vernetzungen am Ort spielen für dieseGruppe anscheinend eine geringere Rolle.b) In den Gruppen 14 bis 30 Jahre sowie 31 bis 45 Jahre gehört auch die Kategorie Räume,Ausstattung, Material ins Spitzenfeld.4 Bei diesen Kreuzvergleichen sind die Fallzahlen zum Teil sehr gering.Darstellung 14: Anteil Engagierter zu „Klappt gut“(Auszug)

21c) Im ländlichen Raum wird die Unterstützung durch die Kommune häufiger positiv hervorgehoben als im städtischen Raum.d) Von den 101 Nennungen guter Praxis von Engagierten in öffentlichen Einrichtungen beziehen sich 47 auf Anerkennung und lediglich 26 auf die Zusammenarbeit im Team.Die vollständigen Tabellen (Anhang 8.5: Fragen 11 und 12) führen alle Kategorien auf, unterschieden nach Geschlecht.Die Frage 12 „Was würde Ihnen das Engagement noch erleichtern?“ (Verbesserungspotenzial) haben 826 Ehrenamtliche mit 1636 Nennungen beantwortet. Dies sind die Spitzenreiter:Mehr Anerkennung und mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter führen die Liste dessen, was das Engage-ment erleichtern würde, in jeder Betrachtung an – in jeder Altersgruppe, jedem Engagementbereich, im städtischen wie im ländlichen Raum. Das so differenzierte Ranking zeigt allerdings auch Unterschiede (ohne Darstellung):a) Anerkennung wurde, im Verhältnis zur Engagiertenzahl, von den 46- bis 65-Jährigen amhäufigsten spontan angesprochen, von den über 60-Jährigen am wenigsten. Sie wünschten sichdagegen im Altersgruppenvergleich am häufigsten mehr Aktive. b) Das Alter der Aktiven haben 46- bis 65-Jährige am häufigsten als Problem benannt. In den beiden jüngeren Altersgruppen gehörte es nicht zu den Top-6-Themen.c) Mehr Unterstützung durch die Kommune wünschten sich vor allem die über 65-Jährigen. In den beiden Gruppen bis 45 Jahre zählte dieses Thema nicht zu den Spitzenreitern. d) Vereinfachung in Rechts- und Steuerfragen spielte für die jüngste Gruppe kaum eine Rolle. Bei den 31- bis 45-Jährigen war der Anteil der Klagen darüber am höchsten.e) Zahl und Alter der Mitstreiterinnen und Mitstreiter bildeten für Befragte im Bereich Migration/Integration/Flucht offenbar kaum ein Problem, dafür aber die Vernetzung mit anderenOrganisationen im Ort. Auch für die Engagementförderung (vgl. Anhang 8.3) nimmt dieserPunkt einen Spitzenplatz ein, allerdings bei absolut betrachtet geringen Zahlen.Darstellung 15: Anteil Engagierter zu „Verbesserungspotenzial“ (Auszug)

22f) Unterstützung durch die eigene Organisation gehörte nur in religiösen Einrichtungen/Kirchengemeinden zu den sechs Hauptthemen. In Vereinen und freien Initiativgruppen findetsich der Wunsch nach mehr Unterstützung durch die Kommune in der Spitzengruppe. g) Mehr Finanzen und Fördermittel sind meist ein Konsensthema. Allerdings fiel die Zahl derspontanen Nennungen im Bereich Politik/politische und berufliche Interessenvertretung dazugering aus. Auch in Kirchengemeinden und öffentlichen Einrichtungen scheint es Engagierteweniger zu beschäftigen. h) Finanzen, Vereinfachung in Rechts- und Steuerfragen wie auch die Zusammenarbeit mit derKommune sind Themen, die überproportional häufig von Männern angesprochen wurden. Dieskorrespondiert mit dem Befund des Freiwilligensurveys 2014, dass Männer administrativenTätigkeiten – Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Interessenvertretung – häufiger nachgehenals Frauen (Simonson 2016b: 303–304). Frauen äußerten bei der Ehrenamtstour.NRW dagegenhäufiger den Wunsch nach Kostenerstattung und mehr Unterstützung durch die eigeneOrganisation.Exkurs: Zweifaktorentheorie Die historische Zweifaktorentheorie von Frederick Herzberg versuchte Aspekte der Arbeitszufriedenheit zu erklären. Bei aller Kritik an Methode und Inhalt des Konzepts (Haarhaus, o. J.) erscheint es plausibel, die Einflussfaktoren im Ehrenamt danach zu unterscheiden, ob sie Unzufriedenheit reduzieren oder Zufrie-denheit erhöhen. Während letztere intensiver wahrgenommen und spontan genannt werden, machen sich erstere oft nur dann bemerkbar, wenn sie fehlen.Beispiele:a) „Man merkt, dass die Leute sich freuen, wenn man sich mit ihnen unterhält.“ (Ehrenamtliche,Gesundheit und Soziales)b) „Die rechtliche Seite, der Papierkram, ist gewaltig. Ganz aktuell das Datenschutzgesetz.“(Ehrenamtlicher, Sport und Bewegung)Während im Fall a die Freude der Begünstigten vermutlich eine vorläufig anhaltende positive Wirkung auf die Ehrenamtlichen ausübt, wird der Entschärfung der Datenschutzgrundverordnung für Vereine (Fall b) nur temporär eine Zufriedenheitssteigerung zugetraut, die bald einer unbewusst neutralen Haltung weicht. Ohne die Zweifaktorentheorie zu vertiefen, empfiehlt sich in Analogie dazu eine Unterscheidung nach Rahmenbedingungen, die das Ehrenamt nicht länger behindern, und solchen, die es fördern. Hier scheint Pragmatismus angesagt, der jedoch berücksichtigt, dass die Unterscheidung im Auge des Be-trachters liegt. Beispielsweise kann die Bereitstellung eines Raums durch die Kommune für eine Person das Ende des Ärgers über die bisherige Unzulänglichkeit bedeuten. Eine andere Person kann denselben Vorgang als motivierende Wertschätzung verstehen, etwa wenn die Kommune dafür besondere Anstren-gungen auf sich nehmen musste.In der Gestaltung der Rahmenbedingungen wird es auf allen Ebenen darauf ankommen, beide Faktoren bewusst und ausgewogen wirksam werden zu lassen.Im Folgenden wird eine Auswahl von Kategorien näher betrachtet und auf Äußerungen zu guter Praxis (Frage 11) wie auch zum Verbesserungspotenzial (Frage 12) eingegangen.

234.3.2 Zusammenarbeit im TeamDie Zusammenarbeit im Team ist gemäß den Ge-sprächen bei der Ehrenamtstour.NRW für die meisten der Engagierten eine erfreuliche Erfahrung. Bei der Frage nach guter Praxis wurde sie insgesamt 289-mal positiv hervorgehoben und belegt damit den Platz 1. 33 % der engagierten Männer und 24 % der engagierten Frauen haben sich dazu positiv geäußert. Offen bleibt, ob Frauen mit dem Team weniger häufig zufrieden sind oder dieser Aspekt sie weniger berührt und in der Befragungssituation weniger präsent war. „Zusammenarbeit im Team“ kann möglicherweise in Ermangelung von griffbereiten Alternativen auf eine überraschende Frage genannt worden sein. Jedoch scheint sie einen maßgeblichen Haltefaktor im Ehren-amt zu bilden. Bei anhaltender Unzufriedenheit ist die Beendigung des Engagements ohnehin oft die Konse-quenz. Häufig wurde die Antwort ohne nähere inhaltliche Bestimmung gegeben. Die Aktionskräfte waren angehal-ten nachzufragen. Gleichzeitig war Sensibilität nötig, um Interviewpartner nicht zu bedrängen und die Mög-lichkeiten dieses Settings nicht zu überdehnen.Die Beschreibungen dessen, was positiv er-lebt wird, bezogen sich am häufigsten auf Beziehungs- und kulturelle Aspekte, schlos-sen aber auch die zweckdienliche Struktur und Organisation ein:• Freude an der Arbeit, Spaß miteinander, Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung,• zuverlässige Absprachen, Flexibilität,• gute Kommunikation, genügend Zeit für Teammeetings und Erfahrungsaustausch, • selbstbestimmtes Arbeiten bei guter Kooperation mit dem Vorstand.Dem stehen 35 kritische Antworten gegen-über. Sie beziehen sich unter anderem auf den Informationsfluss, auf Absprachen, Ar-beitsverteilung, fehlende Freiräume für Pro-jekte, Streit um Finanzen, zu wenig Zeit für Gemeinschaft sowie Hierarchien. Als Organi-sationsformen sind gleichermaßen Vereine, Verbände und Kirchengemeinden betroffen.Antwortbeispiele guter Praxis in der Kategorie „Zusammenarbeit im Team“„Ganz schön ist, dass wir alle unterschiedliche Professionalitäten haben und jeder bringt was anderes mit und dadurch ist ein bunter Blumenstrauß an Aktivitäten möglich.“ (Ehrenamtliche, freie Initiative)„… von Anfang an so organisiert, wie wir’s haben wollten, und so läuft es auch gut. Auch mit wenigen Ehrenamtlichen.“ (Ehrenamtlicher, Kultur und Medien, freie Initiative)Antwortbeispiele für Verbesserungspotenzial in der Kategorie „Zusammenarbeit im Team“„Die Kommunikation und alle an einen Tisch zubekommen, ist schwierig. Wir haben zwar Kommunikationswege wie WhatsApp, Mail, Facebook und die Homepage, jedoch folgen auf unseren Input und unsere Anfragen keine Reaktionen. Dazu braucht es vielleicht einen Ansprechpartner.“ (Ehrenamtliche, Sport und Bewegung) „Mehr Freiheiten! Es gibt Hierarchien. Der Chef macht manchmal viel zu viel, gibt aber die Aufgaben nicht an andere ab.“ (Ehrenamtlicher, Gesundheit und Soziales)„Vorschlag: Mediationsstelle für Animositäten von Mitgliedern untereinander, ohne Hunderte von Euro dafür zu zahlen.“ (Ehrenamtliche, Natur-, Umwelt-, Tierschutz, Nachhaltigkeit)„Es sind immer dieselben, die was machen und die nur konsumieren. Wenn die treibenden Kräfte dann wegfallen, ist die Existenz des Vereins gefährdet.“ (Hauptamtlicher, Engagementförderung)

24Verbesserungswünsche und Kritik betreffen hier stärker die Organisationskultur, Führung und den Um-gang miteinander. Sie signalisieren Organisationsentwicklungsbedarf, zumindest bezüglich Selbstverständ-nis, Teamentwicklung und Führungshandeln. Ehrenamtsorganisationen haben dabei vieles gemeinsam mit Hauptamtlichen – zum Beispiel, dass „Chef sein“ heute weniger eine Frage des Führungsstils ist als vielmehr des Einnehmens verschiedener Rollen. Oder dass Koordinierung/Leitung wie auch Selbstorganisation/Ho-lokratie außer Haltung auch solides Handwerk voraussetzen, an das unterschiedliche Generationen ver-5schiedene Ansprüche stellen. Hinzu kommt das persönliche unentgeltliche Engagement, das die Trennung von Rolle und Person erschwert und das Ehrenamtliche mitunter eigenwilliger sein lässt als Hauptamtliche, die sich in Momenten von Unzufriedenheit gegebenenfalls auch einmal mit dem Gehalt trösten. Werden zu-dem die unterschiedlichen Funktionen betrachtet, die das Engagement zum Beispiel für die engagierte und die begünstigte Person, die Organisation und die Kommune besitzen kann, spricht vieles für griffbereite Un-terstützungsinstrumente wie Beratung und Coaching, deren Nutzung im Nonprofitbereich meist schon zur Selbstverständlichkeit zählt, aber kaum finanzierbar ist.Die Sicht von HauptamtlichenDie sehr wenigen Antworten Hauptamtlicher zur Zusam-menarbeit im Team hoben zwei Aspekte hervor: Ehren-amtliche seien nicht immer so zuverlässig und als Per-sönlichkeit mitunter nicht einfach. Zudem können, wie es einige Antworten nahelegen, Herausforderungen in Verän-derungssituationen entstehen, wenn Hauptamtliche neue Aufgaben in ehrenamtlich geprägten Kontexten überneh-men. Hier wäre das Angebot von externer Unterstützung im Change Management sicher ebenfalls hilfreich.6Für kleine und mittlere Unternehmen sowie für die Sozial-wirtschaft wurden umfangreiche Programme der Bera-tung und Prozessbegleitung aufgelegt, wie „unternehmensWert Mensch“, „Potentialberatung NRW“ oder „rückenwind“. Die politische Haltung zu bürgerschaftlichem Engagement kann sich auch darin ausdrücken, Fachkräftesicherung nicht nur in der Wirtschaft zu unterstützen, sondern in die Engagementkräfte von mor-gen zu investieren. Auf der Pinnwand hatte vermutlich aus diesem Grund auch eine Person notiert:„Bezahlbare Unterstützung für Vorstände für: Fundraising, Pressearbeit, Organisationsberatung, Branding, Coaching, vielleicht eine Beratungsförderung wie beim Unternehmen.“Auf der Grundlage einer realistischen Bestandsaufnahme der bereits vorhandenen Instrumente und Res-sourcen für Beratung und zur Vereinsbegleitung7 (Parität NRW o. J.) sollte vor allem für und mit nicht-ver-bandszugehörigen Vereinen und Initiativgruppen über Fach- und Prozessberatung/-begleitung nachgedacht werden, die zivilgesellschaftliche, strukturelle und kulturelle Weiterentwicklungen fördert. Es könnten er-gänzende Unterstützungsinstrumente geschaffen werden, die den Organisationen bei Bedarf unkompliziert und kurzfristig zur Verfügung stehen . Alternativ verfügen Freiwilligenagenturen häufig über entsprechende 8Kompetenzen dafür, wären jedoch auf zusätzliche Ressourcen angewiesen.Antwortbeispiel Hauptamtlicher zur „Zusammenarbeit im Team“„Es gibt teilweise Probleme mit denEhrenamtlichen, da eine neue Koordinatorin gekommen ist, die jetzt Sachen ändert, was die Ehrenamtlichen davor aber anders gemacht haben. Sie hatten sich eine eigene Struktur entwickelt.“5 Als Holokratie wird ein Organisationsmodell bezeichnet, das unter anderem Entscheidungen intern partizipativ und transparent gestaltet. Starre Hierarchien werden durch wechselnde Rollen und Kreisstrukturen abgelöst (vgl. Haufe 2019).6 „Change Management bezeichnet das planvolle Management von Veränderungsprozessen von einem Ausgangszustand hin zu einem Zielzustand. Dabei umfasst das „Management von Change“ alle Aspekte der Umsetzung.“ (initio o. J.)7 Ein entsprechendes Qualifizierungsprojekt wurde in Trägerschaft des Paritätischen, der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen und der Landesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros des Landes Nordrhein-Westfalen 2017 bis 2019 durchgeführt, finanziert aus Landes- und Lotto-Mitteln.8 Vgl. beispielsweise „Gut beraten!“, ein Programm zur Projektberatung des Landes Baden-Württemberg.

254.3.3 AnerkennungVorbemerkungDas Thema Anerkennung zeichnet sich im Engagement wie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen trotz guter Forschungslage (Simonson et al. 2016b: 528–534) durch Spannungsreichtum und Langlebigkeit aus. Mit kulturellen Veränderungen stellt sich die Frage immer wieder neu. Zudem ist es sehr individuell, was Ehrenamtliche als Anerkennung wünschen, wahrnehmen und würdigen und reicht von der Ehrennadel bis zur Einflussnahme auf politische Entscheidungen.Dem Bericht wird ein eher enges Verständnis von Anerkennung zugrunde gelegt. Es grenzt Anerkennung von Wertschätzung ab, die als grundsätzlich respektvolle Haltung gegenüber Menschen verstanden wird, un-abhängig von deren Leistung. Zweckdienliche Ausstattung, Koordination und Weiterbildung werden als meist nötige Voraussetzung für Freiwilligenarbeit betrachtet. Auch Kostenerstattung bzw. der Ersatz tatsächlicher Auslagen gehören dazu. Folgerichtig wurden diese Punkte nicht unter Anerkennung subsumiert, sondern als separate Kategorien aufgenommen. Als persönliche Anerkennung, Motivation und Ansporn empfanden viele Engagierte das Interesse an ihren Angeboten, die beobachteten Veränderungen und die Dankbarkeit von Nutzerinnen und Nutzern. Aussagen zur Wirkung, die für viele Engagierte offenkundig einen wichtigen Haltefaktor im Ehrenamt bildet, wurden deshalb ebenfalls der Kategorie Anerkennung zugerechnet.Ein Blick auf die Facetten von Anerkennung, die während der Ehrenamtstour.NRW spontan als gute Praxis oder als Verbesserungsbedarf benannt wurden, soll im Folgenden näher Aufschluss geben.BefragungsergebnisseAnerkennung steht auf der Liste dessen, was gut klappt, auf Platz 2 (Darstellung 14: Anteil Engagierter zu „Klappt gut“ (Auszug) und Anhang 8.5: Frage 11) und führt die des Verbesserungspotenzials mit Abstand an (Darstellung 15: Anteil Engagierter zu „Verbesserungspotenzial“ (Auszug) und Anhang 8.5: Frage 12).Knapp ein Fünftel der Engagierten berichtete spontan von positiv erlebter Anerkennung. 232 Aussagen wur-den dem zugeordnet. Anders sieht es bei der Frage nach Anregungen, Kritik und Hinweisen aus. Ein Viertel der engagierten Personen fand, dass Anerkennung unzureichend stattfinde, und äußerte dazu 312 Kritiken, Wünsche und Ideen. Durch Mehrfachnennungen gibt es personelle Überschneidungen beider Gruppen.Betrachtet nach Geschlecht fällt Folgendes auf: Bei der Ehrenamtstour.NRW beträgt der Anteil von Män-nern und Frauen an den befragten Engagierten 48 % bzw. 52 % (Anhang 8.5.: Frage 4). Die Antworten auf die Frage nach Verbesserungspotenzial entfallen etwa zu je 50 % auf Männer und Frauen. Bei der Frage da-nach, was gut funktioniert, hingegen stammen 40 % der Nennungen von Männern und 60 % von Frauen. Sind Frauen einfach zufriedener als Männer? Die Deutlichkeit scheint zumindest die Annahme zu bestätigen, dass Frauen Anerkennung bewusster wahrnehmen und sich dazu spontan positiv äußern. Den Hintergrund dafür kann auch ihr größerer Anteil von persönlichen Hilfeleistungen bilden (Simonson 2016b: 304), die häu-figer mit direktem Erleben einer positiven Wirkung verbunden sind.Auch nach Altersgruppen zeigen sich Differenzierungen. Die Gruppe 14 bis 30 Jahre liefert zum Thema An-erkennung leicht überproportional viele Äußerungen, die Gruppe 31 bis 45 Jahre leicht unterproportional. Die positiven Äußerungen der Gruppe 46 bis 65 machen mit 33 % weniger aus als ihr Engagiertenanteil von 38 %, während ihre kritischen Aussagen mit 43 % darüber liegen. Für die höchste Altersgruppe erhält man ein gegenteiliges Ergebnis. Hier gibt es überproportional viele Positivnennungen (43 %) und deutlich unter-proportional viele kritische Aussagen (30 %). Bei der Ehrenamtstour.NRW sieht es also nach einem ausgeprägten

26Anerkennungsdefizit in der Altersgruppe 46 bis 65 Jahre aus. Dieser Befund sollte auf andere Weise auf Plau-sibilität überprüft und hier nicht überbewertet werden, da die Besonderheiten des tourspezifisch abgebilde-ten Bevölkerungsausschnitts ebenso zu Verzerrungen führen können wie Fragen der Kodierung. Gleichzeitig ist nicht auszuschließen, dass Engagierte dieser Altersgruppe als Leistungsträgerinnen und Leistungsträger familiär, in Beruf und Ehrenamt, auch in Leitungspositionen, besonders gefordert werden und erfahren ge-nug sind, ihre Ansprüche zu formulieren. Indes zeigt sich, dass es im städtischen Raum zur Anerken-nung überproportional mehr Nennungen und insbesondere Anregungen, Kritiken und Hinweise gab als im ländlichen Raum (Darstellung 16: Anerkennung nach Raumkategorie). Ob Anzahl und Gegenstand der Äußerungen vom Vorhan-densein einer lokalen Infrastruktureinrichtung der Enga-gementförderung (vgl. Anhang 8.3) beeinflusst waren, ließ sich nicht ausmachen. Häufig wurden dagegen kommunal gesetzte Bedingungen kommentiert, wie etwa die Vergabe oder das Fehlen von Parkkarten für Ehrenamtliche.Dimensionen von AnerkennungMit den insgesamt 544 spontanen Äußerungen, die dem Thema Anerkennung zugeordnet wurden, steht ein breites Antwortspektrum zur Verfügung. Es wurde in die folgenden vier Dimensionen eingeteilt. Die Er-läuterungen und Beispiele sind nicht vollständig.Individuelle Anerkennung schließt in dieser Systematik nicht materiellen Dank des Teams, der Organisa-tion oder Begünstigter ebenso ein. Wünsche nach bezahlter Freistellung durch den Arbeitgeber sind hier nicht als eigene Dimension berücksichtigt, da sie zum Teil als Form individueller Anerkennung durch das Unternehmen formuliert waren, aber auch als Ausdruck gesellschaftlicher Anerkennung durch eine gesetz-liche Regelung (siehe auch Kapitel 4.3.7.3).Darstellung 16: Anerkennung nach RaumkategorieMaterielle AnerkennungRentenpunkte, Steuervorteile, Vergünstigungen, kostenloser Eintritt, zeitbezogene Aufwandsentschädigung, ÖPNV-DauerticketsGesellschaftliche AnerkennungGestaltung von und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Präsenz des Ehrenamts in der Öffentlichkeit und seine Anerkennung bzw. Akzeptanz in der (Stadt-)Gesellschaft, Zertifikate und AusbildungsboniAnerkennung durch InstitutionenJobcenter, Ausländerbehörde, Lokalpolitik und Kommunalverwaltung, beispielsweise durch zügige Klärung von Anliegen im Ehrenamt bzw. Beteiligung an Entscheidungen, Akzeptanz in Schule und Kindergarten (Schulleitung, Lehrerschaft)Individuelle AnerkennungAuf persönlicher Ebene vom Team, der eigenen Organisation (nicht materiell) sowie Freude, Dank und Fortschritt durch BegünstigteDarstellung 17: Dimensionen von Anerkennung

27Die vier Dimensionen erleichterten die Analyse. Sie sind nicht immer trennscharf und etwas anders angelegt als die Anerkennungskategorien des Freiwilligensurveys (Simonson et al. 2016b: 529). Viele Befragte haben auf die Frage sowohl nach guter Praxis als auch nach Verbesserungsbedarf gleichermaßen Aspekte von An-erkennung benannt. Wie Darstellung 18 und Darstellung 19 zeigen, sind es jedoch unterschiedliche Facetten, die für ein Empfinden der Stimmigkeit und Glaubwürdigkeit von Anerkennung zusammenkommen müssen.Über die Hälfte der Zufriedenheitsnennungen (54 %) betreffen Formen der individuellen Anerkennung. Auf der anderen Seite stehen Formen der materiellen wie auch der gesellschaftlichen Anerkennung im Zentrum der kritischen Hinweise und Verbesserungsvorschläge (44 % und 31 %).Beispiele für Verbesserungswünsche sind die Zugangs-bedingungen und Vergünstigungsangebote der Ehren-amtskarte.NRW, Steuervorteile, kostenlose ÖPNV-Ti-ckets, Mitsprache in der Kommune oder auch Akzep-tanz im Gemeinwesen.Die eher geringe Zahl von Äußerungen zur Anerkennung durch Institutionen bezieht sich nicht auf die Organisa-tionsperspektive von Unterstützung durch die Politik und Verwaltung, sondern auf individuelle Erfahrungen mit (zu-meist) öffentlichen Einrichtungen. Nähere Aussagen zur Unterstützung durch die Kommune sind im Kapitel 4.3.7.1 dargestellt.Unter Sonstiges fallen Aussagen, die nicht eindeutig einer der Dimensionen zuordenbar waren oder deren Wirkung als Thema behandeln. Als Querschnittsthema taucht die Wirkung jedoch auch über die Kategorie Anerkennung hi-naus in den Ergebnissen auf. Darstellung 18: Dimensionen von Anerkennung. Gute PraxisDarstellung 19: Dimensionen von Anerkennung. Hinweise und KritikAntwortbeispiele: Verbesserungspotenzial im Hinblick auf materielle Anerkennung„Aufwandsentschädigung. Ich will nicht aufden Kosten sitzen bleiben.“ (Ehrenamtlicher, Bürgerbus)„Die Ehrenamtspauschale deckt mit 720 Euro vergleichsweise wenig ab. Wäre gut, wenn man die Übungsleiterpauschale von 2.400 Euro auch für die Ehrenamtspauschale nutzen könnte.“ (Ehrenamtlicher, Berufsorientierung)„Man muss von der Arbeit überzeugt sein, wenn man sich unentgeltlich einsetzt. Eine Ehrenamtspauschale gibt es schon, die man theoretisch zahlen könnte, wenn der Verein in der Lage dazu ist. Unsere Trainer bekommen eine Aufwandsentschädigung, aber nur 50 bis 80 Euro. Die Arbeit ist jedoch mit großem Aufwand und Leistung verbunden, Fahrten zu Training und Spielen.“

28Die folgende Tabelle (Darstellung 20) veranschaulicht durch Beispiele inhaltliche Schwerpunkte der vier Dimensionen. DimensionenGute PraxisAnregungen, Kritik und Hinweise1. Materielle Anerkennung„Gut ist die Einführung der Ehrenamtskarte.NRW, dass man einen Teil dadurch wieder zurückbekommt.“„Wir haben einen eigenen Pass für Ehrenamtliche in der Stadt, ist besser zugeschnitten als die Ehrenamtskarte.NRW.“„Wir haben für unsere Stadt einen Parkausweis.“ 9„Freie Nutzung von ÖPNV!“„Ich arbeite 10 bis 15 Stunden ehrenamtlich in der Woche; und die Zeit, die man in das Allgemeinwohl reinsteckt, könnte durchaus auch Anerkennung finden in der Anrechnung einer Zusatzrente.“„Aufwandsentschädigung wie beim Sport und steuerliche Absetzbarkeit“2. GesellschaftlicheAnerkennung„Alle zwei Jahre wird – auf Vorschlag der Bürgerschaft – die Ehrennadel der Stadt verliehen.“„Die Anwohner unterstützen unsere Initiativgruppe und freuen sich, dass wir was machen. Bekommen positive Rückmeldung von den Anwohnern.“„Ich bekomme Unterstützung, da das Amt des Heimatpflegers eine hohe Wertschätzung genießt.“„Bonuspunkte bei Bewerbungen für jahrelang Engagierte“„Verständnis und Wertschätzung der Bürger. Nehmen die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr nicht ernst, haben keine Vorstellung von dem, was wir machen. Dass wir unentgeltlich Menschen helfen und unsere Gesundheit riskieren.“„Die ehrenamtliche Parteiarbeit sollte von der Gesellschaft positiver betrachtet werden. Wir haben diesen Touch, weil der Berufspolitiker manchmal ein negatives Bild auslöst. Unser Engagement sollte gleichwertig mit Ehrenamt, bei der Caritas zum Beispiel, betrachtet werden.“3. Anerkennung durch Institutionen„Wir werden als Stadtteilinitiative mittlerweile gehört und ins Boot genommen, wenn es um die Gestaltung von öffentlichen Plätzen geht.“„Manche Mitarbeiter im selben Haus der Stadtverwaltung wissen gar nicht, dass es uns als Seniorenbüro gibt.“4. IndividuelleAnerkennung„Die Schüler haben sich bei uns bedankt und hoffen, dass es noch mal stattfindet.“„Negative Rückmeldungen von Personen, die sich selbst nicht engagieren. Das nimmt die Motivation.“9 Parkausweise können je nach Verwendbarkeit als materielle Anerkennung oder als Kostenerstattung betrachtet werden.Darstellung 20: Beispiele für Dimensionen von AnerkennungAls Desiderat wurde mehrfach angeführt, dass die ausgeübten ehrenamtlichen Tätigkeiten eine ideelle, politische oder finanzielle Aufwertung in der Gesellschaft erfahren sollten, insbesondere im Pflegebereich oder der Freiwilligen Feuerwehr und den Rettungsdiensten. Aber auch die Anerkennung durch Bonuspunk-te oder Zertifikate für Bewerbungen wünschen sich insbesondere junge Menschen als Ausdruck gesell-schaftlicher Anerkennung.Eine Anerkennungsform, die Ehrenamtliche besonders schätzen und offenbar häufig erfahren, sind Freude und Dankbarkeit der Personen, um die sie sich kümmern, sowie gemeinsames „Wachstum“.Dem sind auch andere Formen zuzurechnen, die Ehrenamtliche aus dem sozialen Umfeld, individuell und als Person erfahren. Sie besitzen vermutlich einigen Erklärungswert hinsichtlich der von Frauen häufig genannten Zufriedenheit mit Anerkennung. Da Männer seltener unmittelbar mit Hilfeempfängerinnen und -empfängern arbeiten, verfügen sie vermutlich weniger über diese positive Erfahrung.

29Es wird zudem auf die ca. 220 Notizen an der Litfaßsäule und Pinnwand des Standes der Ehrenamtstour.NRW verwiesen, die zu etwa einem Drittel der Kategorie Anerkennung zuzuordnen sind. So wurden unter anderem eine höhere Pendlerpauschale oder kostenlose ÖPNV-Tickets für Ehrenamtliche angeregt. Aber auch der gesellschaftliche Bereich wurde angesprochen und eine bessere Anerkennung des Freiwilli-gen Sozialen Jahres und des Bundesfreiwilligendienstes gefordert.Daraus entsteht ein recht klares Bild, wo Ehrenamtliche Defizite sehen. Sie liegen offenbar vor allem auf Ebenen, die sie selbst und ihre Vereine nicht beeinflussen könnten, auch nicht durch einen Wechsel des Engagements. Die Frage der Anerkennung beschäftigte Engagierte mit und ohne Leitungs-funktion oft außerordentlich. Innerhalb dessen sind allerdings Differenzierungen zu beachten, die auch durch die Position der Befragten im Verein oder der Einrichtung beeinflusst sein können. Beispielsweise ist die Forderung nach kostenloser ÖPNV-Nutzung im Bereich Sport und Bewegung kaum genannt worden. Es ist davon auszugehen, dass die finanzielle Situation vieler Organisationen im Sport wie auch von Pflege-einrichtungen die Zahlung von Aufwandsentschädigungen erlaubt. Zusammen mit der Übungsleiterpau-schale gestaltet sich so die materielle Situation Ehrenamtlicher in diesen Bereichen offenbar günstiger als in vielen anderen Engagementfeldern.In der Studie „Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlichen in Pflege, Sport und Kultur“ im Auftrag des Bundesfamilienministeriums beschreibt Schumacher die Unterschiede zwischen „normalen Ehrenamtli-chen“ bzw. Ehrenamtlichen aus Neigung und „Akteuren zwischen Haupt- und Ehrenamt“, die zum Teil über dem Mindestlohn liegende stundenbezogene Aufwandsentschädigungen erhalten (BMFSFJ 2015: 31). Die finanziellen Bedingungen solcher Engagements sind demgemäß nicht vergleichbar mit denen kleiner Ver-eine und insbesondere der Vorstände.Ehrenamtskarte.NRW„Bürgerschaftliches Engagement verdient Anerkennung und Würdigung. Deshalb führte die nordrhein-west-fälische Landesregierung zusammen mit Städten, Kreisen und Gemeinden des Landes vor über 10 Jahren eine landesweit gültige Ehrenamtskarte ein.“ (Staatskanzlei, 2019)Die Ehrenamtskarte.NRW soll dabei ein Instrument der Anerkennung für zeitlich besonders intensives Enga-gement bilden. Sie wird auf lokaler Ebene ausgegeben.Zur Ehrenamtskarte.NRW waren in den Interviews kontroverse Statements zu hören. Dabei gab es deut-lich häufiger kritische Äußerungen als positive. Sie wurde grundsätzlich befürwortet. Die nötige Stunden-zahl habe man schnell zusammen, meinten manche. Andere bezeichneten die Hürden als zu hoch oder die Vergünstigungen als zu wenig attraktiv. Zudem seien die Vergabekriterien kompliziert. Eine gemeinsame Position lässt sich schwer ausmachen, zumal die Befragten offenbar in unterschiedlichem Maße mit den Details vertraut waren. Einige Engagierte sprachen sich für eine Beschränkung der Kartenreichweite auf die Kommune aus, andere bevorzugten die landesweite Gültigkeit der Karte oderwünschten eine bundes-weite Gültigkeit. Während manche Personen lieber freien Eintritt statt reduzierter Ticketpreise hätten, fanden andere, die Karte wäre keine Anerkennung, sondern Bezahlung des Engagements. Eine Befragte schlug vor, überall eine Reduzierung auf Vorlage der Karte zu erhalten, wie es bei anderen Ermäßigungen üblich ist.Dass sie bei 1247 geführten Interviews nur 51-mal spontan Erwähnung fand, lässt vermuten, dass sie den Befragten weniger bekannt oder weniger wichtig war.

30Die Äußerungen deuten darauf hin, dass es mit Blick auf die Förderabsicht, Vergabekriterien und -verfahren sowie die Reichweite und Nutzungsmöglichkeiten der Ehrenamtskarte.NRW noch Unsicherheiten zumindest unter den interviewten Personen gibt. Beispielsweise ist es schon jetzt möglich, sie auf Vorschlag zu erhalten. Je-doch müssen diese Personen aufgrund von Bestimmun-gen des Datenschutzes den Antrag auf die Ausgabe der Ehrenamtskarte.NRW dann unterschreiben und damit dem Vorschlag zustimmen. Eine (erneute) Informations-kampagne, die über einen Flyerversand hinausgeht und 10gleichermaßen der Erstinformation wie der Wissensauf-frischung dient, könnte nicht zuletzt aufgrund des Gene-rationenwechsels bei Engagierten, in der Verwaltung und in Unternehmen in Betracht gezogen werden.Rentenpunkte für ehrenamtliche Arbeit und SteuervorteileDie Forderung nach sozialer Absicherung für Engagierte mittels Rentenpunkten oder anderen materiellen Vorteilen für die Rente wurde nicht nur von Frauen erhoben. Auch männliche Engagierte, vor allem aus dem Bereich Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste, stellten sich dahinter. Mit 24 spontanen Nennun-gen in den Interviews und zwölf schriftlichen Bemerkungen an den Aktionselementen des Standes blieb die Anzahl jedoch insgesamt gering.„Vorschlag: Für zehn Jahre Ehrenamt gibt es zum Beispiel einen Rentenpunkt. Dann wird das Ehrenamt auch mehr gewürdigt und es würden sich vielleicht mehr engagieren.“(Engagierte, Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste)Engagierte wünschten, dass sich Steuererleichterungen auf Kosten beziehen, die im Ehrenamt anfallen, zumindest wenn die Organisation keine Auslagen erstatten oder Aufwandsentschädigung gewähren kann, also Ehrenamtspauschale oder Übungsleiterpauschale nicht greifen. Bis auf die Gruppe der 14- bis 30-Jäh-rigen gab es Forderungen dazu aus allen Altersgruppen.Die gültige Steuergesetzgebung wird in diesem Sinne häufig als ungerecht empfunden. Darüber, dass die Gesetze so sind, brachten einige Engagierte ihr Unbehagen zum Ausdruck und werteten dies als Ausdruck geringer Anerkennung des Ehrenamtes durch Staat und Gesellschaft. Eine weitere Erhöhung der Übungs-leiterpauschale würde diese Situation für einige der Befragten nicht ändern.In den Interviews wurden allerdings auch Unsicherheiten der Befragten bezüglich der Begrifflichkeiten und geltenden Regelungen deutlich. So wurde zum Beispiel teilweise nicht zwischen Einnahmen und Steuer-freibeträgen unterschieden. Antwortbeispiele: Verbesserungspotenzial zur Ehrenamtskarte.NRW„Es gibt zwar die Ehrenamtskarte.NRW, aber man bekommt sie erst nach einem Jahr, und wenn ich irgendwo nachfrage nach Vergünstigungen, komme ich mir wie ein Bittsteller vor. Die Gleichstellung mit Studenten, Arbeitslosen und Rentnern fehlt mir.“ (Engagierte, Gesundheit und Soziales)„Ehrenamtskarte.NRW auf Vorschlag und nicht auf eigenen Antrag“ (Pinnwandnotiz)10 Der Flyer enthält grundlegende Informationen zur Ehrenamtskarte.NRW (Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen o. J.)

31„Kostenlose Tickets für unsere Helfer, staat-lich geförderte Ehrenamtspauschale, weil wir vom Verein unsere ehrenamtlichen Helfer auch nicht auszahlen können.“(Ehrenamtlicher, Engagementförderung)Oft waren es konkrete Regelungen von der kommunalen Ebene bis zur Bun-desebene, die Engagierte als Ausdruck geringer Anerkennung benannten. Sie beschrieben zum Teil auch, wie sie sich dadurch in praktischer und/oder finan-zieller Hinsicht behindert sehen (siehe Kasten).Antwortbeispiel: Verbesserungspotenzial Steuervorteile„Ich vermisse beim Ehrenamt die steuerliche Unterstützung, die es aber in anderen Bereichen der Politik sehr wohl gibt, zum Beispiel beim Wohnungsbau. Ich kann nicht mal fünf Kilometer absetzen, die ich mit meinem Privatwagen im ehrenamtlichen Auftrag unterwegs bin. Wenn ich jedoch ins Büro fahre, werde ich da steuerlich unterstützt. Jemand, der nachweislich im Jahr so und so viele Stunden ehrenamtlich aktiv ist oder im Vorstand ist, sollte eine Aufwandspauschale von 1000 Euro von seiner Steuer absetzen können.“ (Ehrenamtlicher mit Leitungsfunktion, Sport und Bewegung)„Ich habe eine Qualifizierung zur Trauerbegleitung gemacht für insgesamt 6500 Euro. Habe versucht, das bei den Steuern anrechnen zu lassen, was auch erst einmal ging. 2017 wurden jedoch die Steuern noch einmal für 2015 und 2016 neu berechnet, mit der Begründung, dass ich kein Geld mit meiner Arbeit dazuverdienen will, das wäre nur Liebhaberei. Meine Forderung ist die steuerliche Absetzbarkeit von Weiterbildungskosten im Ehrenamt und Unterstützung vom Finanzamt.“ (Ehrenamtliche, Gesundheit und Soziales)„Ich muss Hundesteuer für meinen Jagdhund selber tragen. Hunde, die zur Jagd eingesetzt werden, sollten von der Hundesteuer ausgenommen werden.“ (Ehrenamtlicher, Jäger im Schützenverein)

32WirkungWirkung bzw. Selbstwirksamkeit im Ehrenamt bilden eine starke Motivation, einen wichtigen Haltefaktor und sind als erlebte Form der Anerkennung nicht hoch genug zu bewerten. In den Interviews berichteten Engagierte sehr viel häufiger von der positiven Wirkung ihres Tuns bei Adressatinnen und Adressaten als von negativer. Abgesehen von möglichen Effekten kognitiver Dissonanzreduktion ist hier, wie im Hinblick auf die Zusammenarbeit im Team (Kapitel 4.3.2), davon auszugehen, dass Unzufriedenheit zu Dropouts führen würde. Während 28 % der Aussagen bezüglich dessen, was in puncto Anerkennung gut klappt, der Wirkung zuzu-rechnen sind (64 Nennungen), wurde von fehlender und/oder negativer Wirkung neunmal berichtet (Dar-stellung 21: Beispiele Wirkung).Als „negative Wirkung“ kann das angeführte Zitat gedeutet werden, da der Befragte vermutlich damit zum Aus-druck bringen wollte, sein Engagement trage dazu bei, dass sich der Staat seiner Verantwortung entziehe.Die Sicht von HauptamtlichenAuch Hauptamtliche wurden befragt, was Ehrenamtlichen das Engagement wohl erleichtern würde. Da die Ge-samtzahl der Nennungen jedoch gering blieb, werden die Ergebnisse hier nur kurz aufgeführt. Insgesamt gab es 27 Anregungen, Kritiken und Hinweise zur Anerkennung. Thematisiert wurden sowohl die materielle An-erkennung mit dem Wunsch nach Steuervorteilen, Aufwandsentschädigungen und einer verbesserten Ehren-amtskarte.NRW als auch eine positivere Fortentwicklung in der Gesellschaft zum Thema Ehrenamt allgemein. Als besonderen Punkt brachten die Befragten das Thema Inklusives Engagement ins Gespräch.11 Formen der Anerkennung sollten die eingangs genannte Spannbreite von Ehrennadeln bis zu politischer Mitentscheidung bedienen. Für eine Verstärkung der gesellschaftlichen Anerkennung wurden viele Mög-lichkeiten genannt, zum Beispiel Einladungen nach Düsseldorf oder Dankesbriefe. Engagierte nicht nur zu loben, sondern häufiger ihren Rat in fachlichen und Querschnittsfragen und Fragen der Lokal-, Regional- und Landesentwicklung einzuholen, könnte als Ausdruck von gesellschaftlicher Anerkennung gewertet werden. Dabei wären zeitlich und räumlich die Möglichkeiten Ehrenamtlicher zu beachten. Eine Ehrenamt-liche aus dem Bereich politische und berufliche Interessenvertretung berichtete beispielsweise:„Vernetzungstreffen finden in Düsseldorf statt, das ist schwierig mit Kind machbar.“Positionierungen zum weiteren Umgang mit den schon langjährigen Forderungen wie Freistellungen, Ren-tenpunkten und ÖPNV-Vergünstigungen sollten in den Diskussionsprozess zur Erarbeitung der Engage-mentstrategie einfließen, um zu signalisieren, dass die Wünsche nach materieller Anerkennung ernst ge-nommen werden. Auf Anliegen aus diesem Spektrum wurde in der einen oder anderen Form an fast jedem Haltepunkt Bezug genommen.WirkungBeispielpositive Wirkung„Viele Flüchtlinge sprechen mit mir schon deutsch.“negative Wirkung„Aufgaben der Tafel müsste die Bundesregierung erledigen, nicht die Ehrenamtlichen.“keine Wirkung„Wenn ich die älteren Leute schule, ist das nach einer Stunde alles wieder weg. Sie merken es gar nicht mehr.“Darstellung 21: Beispiele Wirkung11 Zum Begriffsverständnis in diesem Bericht siehe Kapitel 4.3.5.

33Formen materieller Anerkennung von ehrenamtlichem und freiwilligem Enga-gement sollten nicht in den Vordergrund gerückt werden, um Unterscheidungen zwischen entgeltlicher und unentgeltli-cher Arbeit treffen zu können und Gren-zen zum Niedriglohnsektor zu ziehen. Stärker dagegen wäre die Wirkung von bürgerschaftlichem Engagement in den Blick zu nehmen.4.3.4 Unterstützung durch die eigene OrganisationDer erste Teil dieses Kapitels stellt die Befragungsergebnisse dar, die bei der Inhaltsanalyse direkt der Überschrift zugeordnet wurden. In einen zweiten Teil wurden Aussagen zur Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen innerhalb einer Organisation aufgenommen.4.3.4.1 Unterstützung durch die eigene Organisation161 der Nennungen guter Praxis wurden der Kategorie „Unterstützung, Rat und Hilfe durch die eigene Or-ganisation“ zugeordnet. Sie liegt damit auf Platz 3. Unter den Antworten sind zwei Ebenen ausgemacht worden. Aus der Perspektive des einzelnen Engagierten ist an die Arbeitsorganisation, Infrastruktur und beispielsweise an Unterstützung durch den Vorstand zu denken. Aus der Sicht eines Vorstands ist da-gegen oft die übergeordnete verbandliche Ebene gemeint.Der Anteil der befragten Personen, die sich positiv äußerten, betrug im Bereich Gesundheit und Soziales 11 % (33 Antworten) und im Sport 13 % (22 Antworten). Auf weitere Kreuzvergleiche innerhalb der Berei-che wird aufgrund der geringen Fallzahlen verzichtet. Nur der Bereich Freiwillige Feuerwehr und Rettungs-dienste fällt mit 22 % auf. Für den Bereich Kita/Krippe könnte sich ein Gegencheck in anderem Rahmen anbieten, denn von den 21 Engagierten hat niemand spontan die Unterstützung hervorgehoben.Im städtischen Raum haben 15 % der befragten Engagierten die Unterstützung der eigenen Organisation positiv erwähnt, im ländlichen Raum waren es rund 10 %. Männer und Frauen äußerten sich zu dieser Kate-gorie annähernd in gleichem Maße.Es waren zwei Richtungen unter den Interviewbeiträgen auszumachen:oderAntwortbeispiele Hauptamtlicher zur AnerkennungDurch die Landesregierung:• Mehr Wertschätzung durch das Land, beispielsweise durch eine Einladung einiger Ehrenamtlicher in die Staatskanzlei, die Ehrenamtstour.NRW, Pressearbeit des Landes, zum Beispiel Bekanntmachung der geleisteten Stunden der Ehrenamtlichen mittels Presse• Aufwandsentschädigung für Ehrenamtler im Kinder- und Jugendförderplan mitdenkenGesellschaftlich:• Stärkere Einbindung von jungen Erwachsenen in politische Debatten und Entscheidungen• Anerkennung des Engagements von Menschen mit Behinderung und Menschen mit psychischen Erkrankungen• Es sollten keine finanziellen Einbußen zu befürchten sein, wenn man sich ehrenamtlich engagiert und 35 anstatt 40 Stunden die Woche arbeitet. Ehrenamtliche schätzen Begleitungund Unterstützung.Ehrenamtliche heben ihre Freiräume in der Organisation hervor.

34Neben den Anforderungen des En-gagements (beispielsweise im Hos-piz) ist für die Richtungspräferenz zudem die Funktion zu berücksich-tigen, die das Ehrenamt für die Per-son besitzt.Im verbandlichen Bereich wurden häufig die Erfahrungen genannt, auf die ein Ortsverein zurückgrei-fen kann. Verlässlich erreichbare Ansprechpersonenundintuitivauffindbare Hilfen auf Websites wie auch Vernetzung wurden ge-schätzt. Im Engagementbereich „Gesundheit und Soziales“ er-fuhren demgemäß Verbände die höchste Anzahl Nennungen in der Kategorie „Unterstützung durch die eigene Organisation“. Gleichwohl verliert eine so tiefe Staffelung bei den gegebenen Fallzahlen an Aus-sagekraft und kann keine Gültigkeit beanspruchen. Diese Perspektive gewinnt beson-deres Gewicht, da freie Initiativ-gruppen in Nordrhein-Westfalen gemäß dem Länderbericht zum Freiwilligensurvey bereits einen Anteil von 18,5 % der Engagier-tenrepräsentieren,gegenüber46,5 % bei Vereinen (Kausmann et al. 2016: 70). Das Land liegt hinter Sachsen-Anhalt mit an der Spit-ze der Flächenländer. Es ist damit zu rechnen, dass die Anzahl freier, selbst organisierter Initiativen in Nordrhein-Westfalen aufgrund des hohen Potenzials der Mitgestaltung weiter zunimmt. Die Ehrenamts-tour.NRW kann dazu beitragen, den Blick auf diese Frage zu lenken, auch wenn sie aufgrund der nicht repräsentativen Stichprobe dies quantitativ nicht abbildet.Antwortbeispiele guter Praxis in der Kategorie „Unterstützung durch die eigene Organisation“„Der Vorstand steht hinter uns Ehrenamtlichen. Wenn es mal Probleme geben sollte, sind wir immer gut aufgehoben. Es gibt Supervisionen und Gruppentreffen.“ (Ehrenamtliche, Gesundheit und Soziales)„Die Strukturen sind gut, Ehrenamtliche werden bei belastendem Engagement seelsorgerisch aufgefangen.“ (Ehrenamtlicher, Kirchengemeinde)„Ich wende mich bei Problemen an den Dachverband.“ (Ehrenamtlicher, Islamische Gemeinde)„Freigehalten von hauptamtlicher Dominanz.“ (Ehrenamtlicher, Engagementförderung)„Man hat die Freiheit, eigene Projekte anzustoßen und Ideen zu verwirklichen.“ (Ehrenamtlicher, Natur-, Umwelt- und Tierschutz, Nachhaltigkeit)„Es ist gut, dass wir einen Dachverband haben, die Landesarbeitsgemeinschaft Lesben Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Da sind alle Vereine, die in dem Bereich tätig sind, auch angeschlossen. Dadurch gibt es regelmäßigen Austausch zu Aufgaben und Hilfestellungen.“ (Ehrenamtliche, Interessenvertretung)Antwortbeispiele für Verbesserungspotenziale in der Kategorie „Unterstützung durch die eigene Organisation“„Es fehlt der Überblick über zeitliche Kapazitäten und wer wie viel macht. Dadurch wird möglicher Überarbeitung nicht vorgebeugt. Es werden immer die Ehrenamtler gefragt, von denen sie denken, sie würden ‚ja‘ sagen.“ (Ehrenamtliche, Kinder- und Jugendarbeit in der Kirchengemeinde)„Barrierefreiheit ist kaum gewährleistet. So können wir nicht mit allen zusammen essen gehen, da die Toiletten die Treppe runter sind.“ (Ehrenamtliche, Gesundheit und Soziales)„Keine Einarbeitungszeit. Der zeitlich sehr große Aufwand ist zu viel. Ich überlege, wie lange ich das noch weitermache.“ (Ehrenamtliche, Engagementförderung)„Teamorganisation, Vereins- und Ehrenamtsarbeit – läuft alles sehr langsam, dadurch kann schnell Frustration entstehen. Wenn man in einem kleinen Verein arbeitet, dann kann es so wirken, als würde man nichts erreichen.“ (Ehrenamtliche, Integration/Migration/Flucht)

35Verbesserungspotenzial, Kritik und Hinweise werden in 80 Aussagen deutlich (Anhang 8.5: Frage 12).Es fällt auf, dass der Anteil der Nennungen im städtischen Raum überproportional höher ist als im länd-lichen Raum. Ob dies auf längere Wege zueinander in Städten zurückzuführen ist, auf eine ausgeprägtere Reflexion der Engagementbedingungen oder etwa auf die größere Zurückhaltung durch persönliche Nähe im ländlichen Raum, bleibt offen. Außer der höheren Anzahl freier Initiativgruppen im ländlichen Raum (43) gegenüber dem städtischen (29) sind die Organisationsformen etwa gleich verteilt.Neben dem Wunsch nach Ansprechpersonen oder dem Freihalten des Ehrenamts von „hauptamt-licher Dominanz“ kamen Forderungen zur Sprache, die Kommunalpolitik stärker in die Abendstunden zu verlegen, Vorstandsarbeit auf mehr Schultern zu verteilen und das Engagement zeitlich flexibler, projektförmiger zu gestalten. Als verbesserungswürdig wurden auch die Arbeitsorganisation, Kom-munikation und Digitalisierung genannt. Zusätzlich zu den Bedingungen für das eigene Engagement und dem Wunsch nach Wirksamkeit äußerten Ehrenamtliche gesellschaftspolitische Anliegen, etwa eh-renamtliche Arbeit als zusätzlich zu belassen und keine regulären Stellen abzubauen, Inklusion im Engagement zu stärken oder „Angst vor Fremden“ in Ehrenamtsorganisationen zu reduzieren. Diese Anliegen liegen quer zu den sonstigen Ordnungsmerkmalen.Die Sicht HauptamtlicherZu dieser Kategorie haben Hauptamtliche vier Aussagen getroffen, darunter diese: „Offenheit ist nötig gegenüber Veränderungen im Ehrenamt. Es ist völlig in Ordnung, wennman nach zwei Jahren wieder geht. Man muss nicht 30 bis 40 Jahre im selben Vereinehrenamtlich aktiv sein. Wenn sich Vereine nicht öffnen und an neue Gegebenheiten imEhrenamt anpassen, kommen auch keine neuen Leute nach. Es gibt zum Beispiel immer wenigertraditionelle Männerchöre in unserer Stadt, aber es entstehen gleichzeitig viele neue Chöre,aber eben nicht mit den alten Strukturen.“ (Oberbürgermeister)Während der Ehrenamtstour.NRW haben Aktive aus der organisierten Zivilgesellschaft auch gesellschafts-gestaltende Ansprüche artikuliert. Gleichzeitig wurde in den Interviews vielfach auf Schwierigkeiten bei der Gewinnung Ehrenamtlicher und der Besetzung von Vorstandsämtern hingewiesen. Dies berücksichtigend, erscheint eine weiterentwickelte Kultur der Offenheit und Beteiligung in Ehrenamtsorganisationen zeitge-mäß. „Freiwilliges Engagement und seine institutionellen Strukturen […] sind nicht per se demokratisch, offen und auf Vielfalt eingestellt. […] Wenn junge Leute wegbleiben oder eigene neue Initiativen gründen, kann dies auch mit unzulänglichen Beteiligungsstrukturen in Vereinen zu tun haben“, stellen Olaf Ebert und Roland Roth für Ostdeutschland fest (2019: 4). Autokratische Vereinsführung kann, dem folgend, selbst bei Satzungskonformität undemokratisch sein, ebenso wie sehr gute „Zusammenarbeit im Team“ gele-gentlich das Potenzial zu Ausgrenzung im Sinne eines Closed Shops besitzt. Um dies in der eigenen Orga-nisation selbst oder mit Unterstützung Externer zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern, gibt es eine Reihe von Methoden und Instrumenten, wie etwa Kulturchecks . 12Die größere Herausforderung würde es vermutlich sein, ein entsprechendes spezifisches Agenda-Setting lokal oder regional zu bewerkstelligen, das Vereine, Initiativen, Infrastrukturen der Engagementförderung sowie Politik und Verwaltung, basierend auf gemeinsamen Werthaltungen, einbindet, um eine Kultur der Offenheit und Beteiligung in Ehrenamtsorganisationen zu stärken.12 Solche (Selbst-)Checks sind meist darauf gerichtet, die in der Organisation gelebte Praxis mit gewünschten Werten und Haltungen abzugleichen und gegebenenfalls Handlungsbedarf zu signalisieren. Sie sind beispielsweise auf Partizipation, Vielfaltsbewusstsein, Vorstandsarbeit oder andere Aspekte der Zukunftsfähigkeit von Organisationen gerichtet. Auch Checks aus der Arbeitswelt sind meist unkompliziert auf Vereine adaptierbar. Für die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Veränderung erweist sich oft eine externe Begleitung als nützlich. Einige Links sind im Literaturverzeichnis aufgeführt.

364.3.4.2 Zusammenarbeit von Haupt- und EhrenamtlichenAussagen zur Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen wurden 2018 erfasst, wenn Ehrenamt-liche sie spontan als positiv oder verbesserungswürdig ansprachen. 2019 fragten die Aktionskräfte aktiv danach, wenn das Interview Anhaltspunkte dafür bot.Während der Ehrenamtstour.NRW wurden 108 Personen interviewt, die hauptamtlich, meist in einer ge-meinsamen Organisation, eng mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten. 80 von ihnen waren gleichfalls Eh-renamtliche. Sie durchliefen beide Pfade des Interviewleitfadens (Anhang 8.4.2), wurden jedoch als Per-son nur einmal gezählt. Die zusätzlichen Fragen an Hauptamtliche lauteten: „Und wie läuft die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen?“ „Was könnte Ihren Ehrenamtlichen wohl das Engagement erleichtern?“Ehrenamtliche, die mit Hauptamtlichen zusammenarbeiteten, wurden dementsprechend zusätzlich ge-fragt:„Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen?“ Die Zuordnung der Antworten erfolgte ab 2019 nach acht der Fragen, die Schumacher für die im Kapitel 4.3.3 erwähnte Kooperationsstudie entwickelt hatte (BMFSFJ 2015: 161). Dieses Vorgehen erfüllt nicht die Ansprüche an eine wissenschaftliche Studie. Jedoch erwies es sich als geeignet, die meisten der sponta-nen Antworten entsprechend zuzuordnen (Darstellung 22, Darstellung 23).Die Hauptamtlichen waren überwiegend in den Bereichen Engagementförderung (32), Gesundheit und Soziales (23) und Politik/politische und berufliche Interessenvertretung (17) tätig.Als gesicherter Wissensbestand der Engagementforschung darf es gelten, dass die Formen und die Be-wertung der Zusammenarbeit unterschiedliche Ausprägungen in Abhängigkeit davon zeigen, ob es sich um Ehrenamtliche in einem hauptamtlich geprägten Kontext handelt oder um Hauptamtliche in einem ehrenamtlich geprägten. Verwiesen sei beispielhaft auf die oben genannte Kooperationsstudie. Darstellung 22: Wie läuft die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen? („Klappt gut“), Antworten Hauptamtlicher

37Ehrenamtliche wie auch Hauptamtliche brachten ganz überwiegend ihre Zufriedenheit über die Koopera-tion zum Ausdruck, und das über alle Altersgruppen und Organisationsformen hinweg. Sie schätzten vor allem das, was hier dem „Betriebsklima“ zugeordnet wurde. Die Aussagen dazu lauteten oft einfach „Läuft gut“. Ehrenamtliche hoben zudem die koordinierende und stabilisierende Funktion Hauptamtlicher sowie deren Verwaltungskompetenzen hervor. Ihre Fachkompetenzen der sozialen Arbeit wurden ebenfalls in ei-nigen Fällen positiv erwähnt, wie etwa die professionelle Begleitung Ehrenamtlicher im Kinderhospiz oder die hauptamtliche Stelle als Voraussetzung für verlängerte Vormundschaften.Wenige Ehrenamtliche und Hauptamtliche äußerten, dass durch Ehrenamtliche Geld für Hauptamtliche eingespart werde und dass die Abgrenzung der Tätigkeiten zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen ungenü-gend sei. Dies waren Aussagen in hauptamtlich geprägtem Kontext des Bereichs Gesundheit und Soziales.Zumeist wurde hingegen auf die gute Zusammenarbeit verwiesen.Ehrenamtliche äußerten in den Interviews 53 kritische Hinweise und Anregungen zur Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen. Sie waren mehrheitlich darauf gerichtet, regelmäßige Unterstützung zu erhalten, insbe-sondere um sich von administrativen Aufgaben zu entlasten.Offenbar können einige Ehrenamtliche die Teilnahme an Gremiensitzungen zur Vernetzung nur schwer mit ihrer Berufstätigkeit vereinbaren (vgl. auch 4.3.7.3 Vereinbarkeit von Engagement und Beruf).Darstellung 23: Wie läuft die Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen? („Klappt gut“), Antworten Ehrenamtlicher

38Ehrenamtliche benannten folgende Auf-gaben und Themen, für die sie hauptamt-liche Unterstützung wünschen:• Konzeptentwicklung,• Koordination und Kommunikation,• Ansprechpersonen bei Problemen und Konflikten,• steuerrechtliche Fragen und Absicherung bei wirtschaftlichem Risiko, Finanzen.Vom Selbstverständnis der Interviewten überwogen die Fälle, in denen sich Ehren-amtliche hauptamtliche Unterstützung suchten, nicht umgekehrt. Einige kritische Anmerkungen Engagier-ter können als mangelnde strategische Verankerung des Ehrenamts in Organi-sationen verstanden werden.Auch unter Berücksichtigung der kriti-schen Hinweise deuten die Befunde da-rauf hin, dass frühere Konfliktpotenziale zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen in-zwischen weniger systemisch verbreitet sind und an Brisanz verloren haben, ob aufgrund des Generationenwechsels oder der gewachsenen Kompetenzen, mit ih-nen umzugehen. Gleichzeitig ist auch hier zu beachten, welche Gruppen in den Inter-views vertreten waren, wie etwa die Per-sonen mit Führungsaufgaben. Eine wei-tere Selbstselektion erfolgte bei der Ent-scheidung des Interviewten, dieses Thema auf eine offene Frage hin anzusprechen. Schließlich sei auch an die Interviewsituation am Stand erinnert, die gerade im ländlichen Raum eine Hürde für personalisierbare Kritik bilden könnte. Antwortbeispiele für Verbesserungspotenziale in der Kategorie „Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen“„Ich merke immer, wie schwer es in der Seniorenarbeit beim Thema Pflege zu unterscheiden ist, ob es eine professionelle Tätigkeit ist oder noch Ehrenamt. Da gibt es aus meiner Sicht auch zu wenig Abgrenzungen.“ (Hauptamtliche, Gesundheit und Soziales)„Manpower als Support für die Ehrenamtlichen!“ (Hauptamtlicher in Leitungsfunktion, LEADER-Projekt)„Eine Unterstützungsstruktur wäre gut, zum Beispiel durch Quartiersmanager. Der Hauptamtliche sollte dann zuständig sein für Förderung und Vernetzung.“ (Ehrenamtliche, freie Initiative zur Förderung der dörflichen Struktur und Vernetzung)„Nach Einstellung der Förderung des Projektes gibt es seitens der Stadt keinen Ansprechpartner mehr. Es fehlen komplett die Strukturen.“ (Ehrenamtliche, Gesundheit und Soziales)Strategische Verankerung:„Gelegenheit für Ehrenamtliche zum Erfahrungsaustausch mit Hauptamtlichen fällt immer mehr weg. Früher hatte man monatliche Treffen, jetzt sind sie nur noch dreimal im Jahr, weil keine Gelder da sind.“ (Ehrenamtliche, Betreuungsverein)„Bereitschaft auf höheren Ebenen in der Kirche stärken, mit Ehrenamtlichen zusammenzuarbeiten.“ (Ehrenamtliche, Kirchengemeinde)„Hier ist das Ehrenamt durch Hauptamtliche nicht ausreichend unterfüttert. Wünsch mir regelmäßige Kommunikation, konzeptionelle Einbindung und Partizipationsmöglichkeiten. Achtsamkeit seitens des Trägers. Sie denken mich nicht mit.“ (Ehrenamtliche, Kultur und Medien in Schule)

39Auf die Frage „Was würde Ihren Ehrenamtlichen das Engagement erleichtern?“ sahen Hauptamtliche ebenfalls das Thema Anerkennung (unter anderem durch hauptamtliche Koordination) vorn.Dass in der Darstellung 24 die Kategorie Unterstützung durch Hauptamtliche mit 23 Nennungen dicht da-rauf folgt, ist der Erfassung von Anregungen, Kritik und Hinweisen Hauptamtlicher zur Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen an dieser Stelle geschuldet. Die Aussagen sind zusammengefasst dargestellt. Durch die Hauptamtlichen waren zahlreiche engagementfördernde Einrichtungen vertreten. Sie berichteten aus ihrer Erfahrung der direkten Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und davon, was Engagementinteres-senten nach einer Vermittlung zurückgemeldet haben, und formulierten unter anderem folgenden, auf professionelles Freiwilligenmanagement gerichteten Verbesserungsbedarf:• Gute Begleitung, Rat und Unterstützung für Ehrenamtliche, Koordination und Organisation• Mehr zeitlich begrenzte Projekte mit klarem Rahmen anbieten• Vereine sollten, bevor sie Ehrenamtliche suchen, überlegen, für welche Aufgaben Ehrenamtliche gesucht werden, wie viel Zeit und welche Fähigkeiten sie mitbringen sollen und welche Anerkennungsformen man anbieten kann.• Möglichkeit für Ehrenamtliche, Arbeit selbst zu gestalten, Ideen und Kritik einzubringenIm verbandlichen Bereich wurde indes auf Personalengpässe hingewiesen.„Es fehlt an Personal, wenn Kreisverbände Ehrenamt aufbauen wollen. Es fehlt an einerstrukturellen Förderung, um Ehrenamt gezielt zu fördern.“ (Hauptamtliche, Gesundheit undSoziales)Sehr vereinzelt beschrieben Hauptamtliche die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen als herausfordernd, zum Beispiel aufgrund geringer Frustrationstoleranz seitens der Engagierten.Darstellung 24: Was Ehrenamtlichen das Engagement erleichtern würde (aus der Sicht Hauptamtlicher)

40Bei grundsätzlich sehr positiver Resonanz Ehrenamtlicher wie auch Hauptamtlicher auf die Frage nach der Zusammenarbeit deutet sich dennoch Handlungsbedarf an. Während es in ehrenamtlich geprägten Kon-texten vor allem um mehr hauptamtliche Personalressourcen geht, deren Auswirkungen in ihrer möglichen Problematik nicht zur Sprache kamen, zeigen sich im hauptamtlich geprägten Kontext Schwachpunkte be-züglich der Personalausstattung mit Fachkräften sowie der Ressourcen und Qualität eines professionellen Freiwilligenmanagements. Dass Hauptamtliche nur wenige Kritikpunkte mit Blick auf Ehrenamtliche vor-getragen haben, mag ebenso durch den Anlass der Befragung beeinflusst sein wie durch die grundsätz-lich festgestellte Hemmung, den Einsatz Ehrenamtlicher in einer „Bedankungskultur“ (auch) kritisch zu würdigen (vgl. BMFSFJ 2015: 26).Strategisches Freiwilligenmanagement, das eine Freiwilligenkultur in der Organisation entwickelt sowie Koordination, Qualitätssicherung und vieles andere mehr gestaltet, scheint in Verbindung mit einer ange-messenen Ausstattung mit hauptamtlichem (Fach-)Personal eine Antwort auf viele der kritischen Anmer-kungen zu sein. Ein Fortschrittsindex zum Engagement, analog dem Fortschrittsindex Vereinbarkeit der Initiative Erfolgsfaktor Familie(BMFSFJ 2019)13, könnte die Strategiebildung, Partizipation und Selbst-bewertung stärken. Aber auch kleine Schritte, wie regelmäßige, gegebenenfalls extern moderierte Team-besprechungen von Haupt- und Ehrenamtlichen tragen erfahrungsgemäß zur Verständigung und Quali-tätsentwicklung bei.Freiwilligenkoordinatorinnen und -koordinatoren, die in ihren Organisationen/Einrichtungen mitunter we-nig Austausch zu ihrem Arbeitsfeld haben, würden sicher die Möglichkeit zum strukturierten lokalen Er-fahrungsaustausch begrüßen, zum Beispiel auf Einladung von Engagementbeauftragten der Kommunen.4.3.5 Zahl und Alter der Mitstreiterinnen und Mitstreiter, Inklusives EngagementAuf die Kernfrage nach einer guten Praxis „Was klappt denn gut?“ antworteten immerhin 60 Personen spontan, dass sie über genügend Aktive verfügen.Führend sind dabei die Altersgruppen 46 bis 65 und über 65 Jahre. Frauen äußerten sich dazu anteilig etwas häufiger als Männer. Städtischer und ländlicher Raum sind dabei entsprechend ihrem Gesamtanteil vertreten. Gute Praxis bescheinigten Engagierte etwa in den Bereichen Gesundheit und Soziales, Sport und Bewegung sowie Kultur und Medien.In den Interviews wurde hin und wieder von der wachsenden Dienstleistungserwartung der Vereinsmitglie-der gesprochen, die trotz hoher Mitgliedszahlen zu geringer Mitwirkung führe. Die folgenden Antwortbei-spiele sprechen dafür, dass die Engagementbereitschaft, auch für Leitungsfunktionen, in organisatorisch und finanziell stabilen Vereinen sowie durch gute Sichtbarkeit und persönliche Ansprache erhöht werden kann. Einen entscheidenden Faktor bildet aber offenbar die Aufgabe selbst. 13 Der Fortschrittsindex Vereinbarkeit ist ein Online-Tool, das Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dabei unterstützen soll, familienfreundliche Maßnahmen zu messen und weiterzuentwickeln. Es ermöglicht einen Vergleich mit dem Branchendurchschnitt. Die Werte sind für Dritte jedoch nicht unternehmensscharf erkennbar.

41Acht Engagierte meinten, dass es gut gelinge, Jün-gere zu gewinnen. Drei von ihnen sind im Bereich Frei-willige Feuerwehr und Rettungsdienste tätig.Auf die Kernfrage „Was würde Ihnen Ihr Engage-ment wohl leichter machen?“ war die zweithäufigs-te Antwort: „Mehr Ehrenamtliche.“ 229 Nennungen erfolgten durch mehr als ein Fünftel der befragten Engagierten. Werden die 110 Nennungen „Alter der Mitstreiterinnen und Mitstreiter“ hinzugerechnet, führt dieser Komplex die Liste der Sorgen und Nöte befragter Engagierter mit Abstand an(Anhang 8.5: Frage 12).Ein Blick in die Wirtschaft zeigt, dass in manchen Bran-chen die Fachkräftesicherung zu den wichtigsten Auf-gaben gehört. Trotz der grundsätzlichen Unterschiede zwischen bürgerschaftlichem Engagement und be-zahlter Arbeit gibt es zum Teil ähnliche Tendenzen, etwa mit Blick auf die Erwartungen von Mitarbeiten-den bezüglich Vereinbarkeit mit der Familie, Hand-lungsspielräumen, Kommunikation, Fortbildung etc.Ein Dialog mit Unternehmensvertreterinnen und -ver-tretern über Kulturen, Strukturen und Instrumente, um Fachkräfte bzw. Engagierte zu gewinnen und zu halten, könnte sich für beide Seiten gewinnbringend gestalten.Antwortbeispiele guter Praxis in der Kategorie „Zahl der Mitstreiterinnen und Mitstreiter“„Wir haben im Sportverein viele Mitstreiter und einen ganz großen Vorstand. Wir gewinnen auch immer wieder neue Mitglieder, wenn altersbedingt Leute aus ihren Ämtern ausscheiden. Wir haben kaum vakante Positionen. Und zwar deshalb, weil die Leute sehen, dass viel läuft und was gemacht wird. Wir sind ein großer Verein mit 1500 Mitgliedern, das kann man nicht nur mit ein paar Leuten stemmen. (Ehrenamtlicher, Sport und Bewegung)„Wir haben ständig neuen Zulauf im Quartiersforum, weil sie die Arbeiten, die wir gemacht haben, gut finden.“ (Ehrenamtlicher, Natur-, Tier-, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Ehrenamtliche, freie Initiativgruppe)„Wir haben momentan einen Stopp gesetzt, weil wir zu viele Ehrenamtliche haben. Ehrenamtliche bleiben dann auch dabei.“ (Ehrenamtlicher, Gesundheit und Soziales)„Der Nachfolger im Vorstand wurde durch Überzeugungsarbeit gefunden. Ich habe dazu die Leute zu mir zu einem Kaffee nach Hause eingeladen.“ (Ehrenamtliche, Kultur und Medien)Antwortbeispiele guter Praxis in der Kategorie „Alter der Mitstreiterinnen und Mitstreiter“„Unsere Einrichtungen befinden sich aber auch in sozialen Brennpunkten. Da erreichen wir unsereKlientel. Es gibt deswegen auch so viele ehrenamtlichtätige Migranten bei uns, weil wir sie von klein auf mitgenommen haben, zum Beispiel zum Zeltlager. Zum größten Teil arbeiten sie jetzt als Junghelfer oder Honorarkraft in den Einrichtungen des Kinder- und Jugendverbandes mit.“ (Ehren- und Hauptamtliche in der Quartiersarbeit)„Wir haben einige junge aktive Mitglieder durch direkteAnsprache gewonnen. Es hilft auch viel, wenn man einen aus einer Clique hat und er die anderen mitbringt.“ (Ehrenamtlicher, Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste)Antwortbeispiele für Verbesserungs-potenziale in der Kategorie „Alter der Mitstreiterinnen und Mitstreiter“„Vielen ist gar nicht bewusst, dass es so etwas wieeine Tagespflege überhaupt gibt und man ehrenamt-lich im Krankenhaus helfen kann. Ich glaube, viele können sich auch nicht vorstellen, dass es so viel Spaß macht, dass man dort auch ohne Geld ehrenamtlich arbeitet. Man bräuchte mehr Werbung dafür.“ (Ehrenamtliche, Gesundheit und Soziales)„Es gibt noch viele weitere Leute im Alter von 70 Jahren, die vielleicht noch unentdeckte Talente haben. Da viele Vereine Ehrenamtliche suchen, könnte sichder eine oder andere vielleicht eine Stunde am Tagdafür Zeit nehmen, um zum Beispiel die Mitglieder-verwaltung oder Organisatorisches zu machen. Diese Leute müsste man gezielt ansprechen. Das wäre dann eine Win-win-Situation.“ (Ehrenamtlicher, Sport und Bewegung)„Wir haben ein bisschen zu wenig Hilfe von unseren zahlenden Mitgliedern. Nach der Denkweise, dass sie einmal im Jahr Geld bezahlen und wir sollen ebendann für sie machen. Letztes Jahr hatten wir für einePflanzaktion in der Stadt um Hilfe gebeten, damit nicht immer nur der Vorstand was macht. Haben keine Hilfe von den Mitgliedern bekommen.“ (Ehrenamtliche, Natur-, Umwelt- und Tierschutz, Nachhaltigkeit) „Viele Vereinsmitglieder trauen sich Vorstandsarbeit nicht zu.“ (Ehrenamtliche, Erwachsenenbildung)

42Der Wunsch nach mehr Engagierten bezieht sich gleichermaßen auf Vereinsmitglieder, die sich aus Vor-standssicht zu wenig in die Alltagsarbeit einbringen, wie auch auf die Gewinnung zusätzlicher Ehrenamt-licher.Während für Frauen die Anzahl der Ehrenamtlichen im Zentrum stand, nannten Männer häufiger das Alter von Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Die Brisanz des Themas wurde im ländlichen Raum besonders herausgestellt. Der Anteil der Nennungen im ländlichen Raum liegt mit Blick auf die Zahl und das Alter der Engagierten (57 %) jeweils zehn Prozentpunkte über dem Anteil an der Gesamtzahl Interviews (47 %).Die demografische Entwicklung führt in vielen ländlichen Räumen zu weniger und älterer Bevölkerung. Zudem wächst die Studierendenzahl, was für Klein- und Mittelstädte oft zur Abwanderung von jungen En-gagierten führt. Die noch immer höheren Engagementquoten im ländlichen gegenüber dem städtischen Raum widersprechen damit nicht zwangsläufig einer Verringerung in absoluten Zahlen. Die Anzahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen hingegen wächst bundesweit (Priemer et al. 2017: 8–10). Auch an den Haltepunkten der Ehrenamtstour.NRW ist die Engagementlandschaft offen-kundig vielfältiger geworden, etwa durch Vereine zur ländlichen Entwicklung, Einrichtungen der Engage-mentförderung, Schulfördervereine, Mentoringprojekte und Flüchtlingsinitiativen. Neben der positiven Bevölkerungsbilanz vieler Großstädte mag es auch sein, dass sich Vereine und Verbände im städ-tischen Raum besser auf veränderte Lebens- und Arbeitsmodelle jüngerer Menschen eingestellt und passende Angebote entwickelt haben. Denkbar ist es auch, dass Organisationen im städtischen Raum wechselnde Engagementressourcen und -kapazitäten dadurch aushalten, dass sie ihr Aufgabenvo-lumen dementsprechend flexibel gestalten.Als zusätzliche Perspektive, die aus den Interviews wie auch den schriftlichen Notizen hervorgeht, haben Befragte die Öffnung des Engagements und seine Funktion als Mittel und Ort der Inklusion sowie des gesellschaftlichen Zusammenhalts eingebracht.Vielfalt und Partizipation als Ausgangspunkt für ein erweitertes Inklusionsver-ständnisDie Beiträge von Interviewten bildeten den Ausgangspunkt für den Vorschlag, den Inklusionsbegriff über die Behindertenrechtskonvention hinausgehend für Engagement und Ehrenamt zu verwenden, das Vielfalt würdigt und Partizipationsmöglichkeiten von Menschen in ihrer Individualität stärkt.Als „Inklusives Engagement“ werden derzeit oft Engagementmöglichkeiten für Menschen mit Behinderun-gen bezeichnet, wie zum Beispiel im Inklusionsprojekt der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-agenturen e. V. 14(bagfa 2019). Einen umfassenden Ansatz von Inklusion verfolgte beispielsweise ein Wohl-fahrtsverband mit seinem Modellprojekt „Inklusion als Handlungsmaxime der Organisationsentwicklung“ .15 In den Interviews wurde mehrfach gefordert, Engagementmöglichkeiten barrierefrei zu gestalten, um Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung Ehrenämter zu ermöglichen. Auch andere Vielfaltsdi-mensionen wurden angesprochen. (Inklusives) Engagement solle so gestaltet sein, dass sich Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte eingeladen und gemeint fühlten, wenn in der Stadt für das Ehrenamt ge-worben werde. Gleiches gelte mit Blick auf Zugezogene, Familien mit Kindern, Menschen unterschiedlicher Bildungs- und Kompetenzniveaus sowie unterschiedlicher finanzieller Ausstattung.14 „Sensibilisieren, Qualifizieren und Begleiten: Freiwilligenagenturen als inklusive Anlauf- und Netzwerkstellen für Engagement weiterentwickeln“15 Daraus entstanden zwei Arbeitsbücher, die Inklusion als Ziel und Prozess für Zielgruppen wie auch die eigene Organisation beschreiben (AWO 2014; 2016).

43An der Pinnwand notierten Standbesucherinnen und Standbesucher unter anderem:• Engagement muss für jeden möglich sein• Wie kann es gelingen, bildungsferne Menschen für ehrenamtliches Engagement zu begeistern und dass es auf Augenhöhe bleibt?• Zusammenarbeit verbessern zwischen Menschen mit Behinderung• Schriftverkehr mit Behörden in leichter Sprache, um der UN-Behindertenrechtskonvention zu entsprechen und Migranten und Geflüchteten das Verstehen zu ermöglichen• Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen im Ehrenamt unterstützen• Auch Angebote für Menschen mit Behinderung/ Einschränkungen/AlleinstehendeEine Hinwendung zu Inklusivem Engagement in diesem breiteren Verständnis könnte bedürftigen Organisa-tionen möglicherweise helfen, jüngere, andere, zusätzliche Ehrenamtliche zu finden. Vor allem aber könnten damit Wege erprobt werden, Barrieren und Diskriminierung gegenüber Personen abzubauen, deren Beteili-gung voraussetzungsvoller ist. Neben der aufgeschlossenen Haltung ist dazu erfahrungsgemäß profundes Wissen erforderlich, worin Barrieren für welche Personen bestehen können.Wie Paul-Stefan Roß hervorhebt, gibt es Bevölkerungsgruppen, die in unterdurchschnittlichem Umfang frei-willig engagiert sind. Er bezieht sich auf Chantal Munsch: „Empirische Studien belegen einen eindeutigen Zu-sammenhang zwischen den befragten Formen von Engagement und dem Erwerbsstatus, dem Einkommen und dem Bildungsstatus“. (Munsch 2003: 7, zitiert nach Roß 2018: 677)Ob diese Situation veränderbar ist, wenn Engagement und seine Bedingungen konsequent inklusiv gestaltet werden, wäre zu erproben. Ausgehend von der Bereitschaft und Fähigkeit in Vereinen, Verbän-den und kommunalen Einrichtungen, eigene Normalitätsvorstellungen zu reflektieren, über gegebenenfalls Gemeinschaft stärkende Kommunikationsformen reicht die Palette möglicher Voraussetzungen bis zur Ent-wicklung von assistierten Engagements.In der Frage, welches Potenzial Vereine, Verbände und öffentliche Projekte für Inklusives Engagement bieten und wie es praktisch inklusiv genutzt werden kann, könnte an eine Zusammenarbeit mit der Initiative Char-ta der Vielfalt ebenso gedacht werden wie mit landes-weiten und lokalen Organisationen und Interessenver-tretungen.Materialien und Projekte der Montag Stiftung für Jugend und Gesellschaft mit Sitz in Bonn könnten dabei als Orientierung dienen, wie etwa ein Erfahrungshandbuch aus der kommunalen Praxis (Montag Stiftung 2018).InklusionInklusion kann als Leitprinzip verstanden werden, das davon ausgeht, dass jeder Mensch akzeptiert wird und gleichberechtigt und selbstbestimmt am Engagement partizipieren kann. „Inklusion versteht die Verschiedenheit (Heterogenität) von Menschen als bereichernde Vielfalt und versucht, sie aktiv zu nutzen. Dazu gehören verschiedene Arten von Heterogenität: persönlich, regional, sozial, kulturell und anders bedingte Eigenschaften und Fähigkeiten, Geschlechterrollen, ethnische Herkünfte, Nationalitäten, Erstsprachen, Rassen, soziale Milieus, Religionen, weltanschauliche Orientierungen, körperliche Bedingungen etc.“ (Montag Stiftung 2010: 2)Antwortbeispiele für Verbesserungspotenziale mit Blick auf Vielfalt und Teilhabe„Hier bei uns gibt es sehr viel Schubladendenken. Das ist problematisch für neue Projekte, für Menschen, die sich engagieren wollen, und um Menschen anzusprechen.“ (Engagierte, Gesundheit und Soziales)„Ich wollte in einem Kindergarten ehrenamtlich tätig werden und wurde aufgrund der Behinderung abgewiesen. Ich bin auf einen Rollstuhl angewiesen und gelernte Erzieher*in.“ (Nicht-Engagierte Person, divers)„Behindertengerechte Sportstätten durch Zuschüsse vom Land ermöglichen!“ (Ehrenamtlicher, Sportverein)

44Zur Stärkung des Engagements junger Menschen könnte zudem auf die gut dokumentierten Erfahrungen in der Initiative „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie“ der Bertelsmann Stiftung verwiesen werden, die sich derzeit in der Transferphase befindet. „jungbewegt“ fördert Engagement, Partizipation und Demokratiebil-dung in Kitas, Schulen sowie Jugendeinrichtungen und verknüpft politisches und soziales Lernen (Bertelsmann Stiftung 2019).Die Sicht von Hauptamtlichen17 Hauptamtliche schätzten ein, dass für ihre Ehrenamtlichen die Gewinnung bzw. die Einbindung von weiteren oder jüngeren Mitstreiterinnen und Mitstreitern ein wichtiges Thema sei.Bei allen vorangegangenen Kategorien umfassten die Antworten Anregungen wie auch Kritik. Für die Gewin-nung und Einbindung von zusätzlichen oder jüngeren Mitstreiterinnen und Mitstreitern sahen die Befragten jedoch keine andere Instanz zuständig, die zu kritisieren wäre, wie etwa Schulen, Politik und Verwaltung oder Landesverbände. Die Befragten sahen sich selbst in der Verantwortung. Dies spricht nicht gegen Unter-stützung für Ehrenamtliche bei der Anpassung an gesellschaftliche Megatrends. Eine „Bewegung“ für Inklusives Engagement könnte Veränderungen bewirken, wenn• die Dimensionen Kultur, Struktur und Handlungspraxis verzahnt sind,• Organisationen und Personen die ehrliche Bereitschaft entwickeln, soziale und strukturelle Barrieren abzubauen,• sie von politischer Seite auf allen Ebenen unterstützt wird und Aufmerksamkeit erfährt,• Kooperationen vom Zweck und nicht von der Zuständigkeit her gedacht werden,• Fachkräfte der Engagementförderung daran mitwirken,• Kommunale Engagementbeauftragte und/oder andere Einrichtungen der Engagementförderung entsprechende lokale Kampagnen koordinieren,• Verbände und Kirchengemeinden den Prozess in ihren Strukturen gleichfalls erproben,• Handlungshilfen und Methodenbausteine zur Verfügung stehen,• die lokale Ebene entsprechend den jeweils angepassten Handlungsschwerpunkten bei Bedarf auf zusätzliche Ressourcen zurückgreifen kann,• bereits Engagierte sich anerkannt fühlen und Inklusives Engagement als wünschenswerte Qualität verstehen, zu der sie beitragen.Antwortbeispiele Hauptamtlicher: Verbesserungspotenziale mit Blick auf Vielfalt und Teilhabe„Es sollten mehr Migranten hauptamtlich in Führungspositionen sein, so könnte man auch mehr Ehrenamtliche gewinnen, wenn sie sichtbarer sind.“ (Hauptamtliche, Quartiersarbeit)„Wir als Freiwilligenagentur wollen jetzt das junge Engagement fördern. Wir gehen dazu an die Schulen, um dort niederschwellig für das Ehrenamt zu werben. Zum Beispiel erklären wir, was Ehrenamt ist und was der Schüler davon an Qualifikationen hat.“ (Hauptamtliche, Engagementförderung)„Es könnte Nachwuchsprobleme in der Zukunft geben. Auch, weil sich die Menschen eher punktuell engagieren und nicht mehr kontinuierlich. Ehrenamtliche wünschen sich projektbezogene Arbeit, es muss aber auch für die Klienten vom Angebot passen – zum Beispiel, wegen der Beziehungsarbeit mit den Klienten.“ (Hauptamtliche, Gesundheit und Soziales)

45Eine ganzheitliche Initiative könnte unter anderem die folgenden, während der Ehrenamtstour.NRW angeführ-ten Aspekte berücksichtigen:• Land Nordrhein-Westfalen: Frühzeitige schulische Engagementorientierung (in Anlehnung an Erfahrungen in der Berufsorientierung), verbunden mit dem Erleben von Partizipation und Selbstwirksamkeit (vgl. „jungbewegt“)• Organisationen: Über Werbung hinausgehendes, partizipatives Freiwilligenmanagement gestalten, das kann heißen, Ehrenamtlichen zu ermöglichen, Ideen einzubringen und sie an Entscheidungen zu beteiligen• Organisationen: Entwicklung von Engagementformaten, die zur individuellen Situation von Interessierten passen, das heißt beispielsweise, die Vereinbarkeit mit Familie und Beruf zu unterstützen. Hierfür sind etwa feste „Stellenbeschreibungen“ für Ehrenamtliche – früher als gute Praxis vorangetrieben – nicht immer geeignet. Digitale oder Kurzzeitengagements, eventuell mit Kind und Partnerin bzw. Partner, könnten beispielsweise zur gemeinsamen „Quality Time“ werden. Auch Engagements, zu denen man den Hund mitbringen darf, könnten einige Personen ansprechen. • Alle Ebenen: Stärkung der Bereitschaft und Fähigkeit, Vielfalt in der eigenen Organisation zu gestalten. Dabei ist nicht nur an Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte zu denken. Inklusive Organisationen schaffen Möglichkeiten zum Engagement für Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen, für Engagementbereite, die beispielsweise den in der Organisation üblichen Ausdrucks- und Verhaltenskodex nicht übernehmen oder „nicht von hier“ sind. • Vereine, Verbände: Entwickeln von organisationsübergreifenden Struktur- und Personallösungen, zum Beispiel die Zusammenlegung von Vereinen• Vertieftes Verständnis für mögliche Ehrenamtliche und Begünstigte entwickeln, zum Beispiel durch Befragungen, Reflexion des eigenen Images, „Volunteer Journey“ , das heißt die Betrachtung der16 Berührungspunkte, die potenziell Interessierte üblicherweise mit der Organisation haben, bevor sie sich für oder gegen ein Engagement entscheiden• Respekt und Beratung nicht nur für Wachstums-, sondern auch für Schrumpfungsprozesse von Organisationen, möglicherweise unterstützt durch das Land und kommunale Engagementbeauftragte• Direkte Ansprache bzw. Einladung von Nicht-Engagierten, zum Beispiel durch ausgebildete Engagementlotsinnen und -lotsen, Mentoring, Erprobungen durch Schnuppertage o. Ä.Dies wird nicht schlechthin als Agenda für alle Vereine und Verbände betrachtet. Es sei hier ausdrücklich be-tont, dass die Zivilgesellschaft eine Vielzahl von Organisationskulturen bietet, die ihre Berechtigung besitzen und über Strategien für ihre künftige Entwicklung verfügen. Zudem suchen manche Engagierte im Ehrenamt das Gegenteil der Agilitätszumutungen im Berufsleben. Vielmehr sollten Engagementorganisationen von der Möglichkeit wissen, dass im Fall von fehlenden Mitstreiterinnen und Mitstreitern mehr Ansatzpunkte als Wer-bung entwickelt werden können und sie dabei Unterstützung erfahren. Auf kommunaler Ebene dagegen könnte angeregt und unterstützt werden, dass sich einige Organisationen auf den Weg zum Inklusiven Engagement begeben. 16 Die wissenschaftliche Begleitung verwendet diesen Begriff in Analogie zur aus dem Marketing bekannten„Costumer Journey“ („Kundenreise“ über verschiedene Kontaktpunkte bis zum Kauf).

464.3.6 Finanzen und Kostenerstattung4.3.6.1 Finanzen und FördermittelBefragungsergebnisseDie am dritthäufigsten bediente Antwortkategorie bezüglich Verbesserungspotenzial im Ehrenamt bildete „Finanzen und Fördermittel“, die gleichzeitig im Ranking der guten Praxis mit 66 Nennungen immerhin den Platz 8 belegt (Anhang 8.5: Frage 11 und 12). Dies bedeutet nicht unbedingt, dass die betreffenden Vereine keine Finanznöte kennen. Vielmehr wird spontan von finanzieller und materieller Unterstützung berichtet durch lokale Unternehmen, Stiftungen und die Sparkasse, von Spenden und Sponsoring, Eigenmittelerwirtschaftung zum Beispiel durch Kuchenverkäufe oder Stadtführungen sowie von positiven Fördererfahrungen auf allen Ebenen. Die erwähnten finanziellen Größenordnungen sind dabei sehr unterschiedlich und reichen von mehreren Hun-dert bis mehreren Zehntausend Euro. Es zeichnete sich ein Bild ab, das – der Anlage der Datenerhebung ge-mäß nur skizzenhaft – die Befunde der ZIVIZ-Finanzierungsstudie widerspiegelt (Priemer et al. 2015: 8; Hervor-hebung durch die Verfasserin):„Engagiert mit wenig GeldDie Hälfte aller Organisationen verfügt über maximal 10.000 Euro Jahreseinnahmen. ImDurchschnitt haben diese Organisationen 100 Mitglieder und 20 Engagierte. Sie binden alsobürgerschaftliches Engagement in erheblichem Umfang und organisieren breite Bevölkerungs-gruppen mitgliedschaftlich. (…) Der überwiegende Teil der Organisationen, rund zwei Drittel,bekommt keine öffentlichen Mittel.“Zumindest die 239 spontanen Äußerungen zur Finanzierung während der Ehrenamtstour.NRW thematisieren überwiegend (auch) Erfahrungen mit öffentlichen Fördermitteln.Lobende Erwähnung fand in drei Interviews das Programm „Heimat-Scheck“ des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG).Auch die Förderung von baulicher Sanierung im Pro-gramm „Initiative ergreifen“ des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen wurde positiv hervor-gehoben. Gleichwohl erlebten Engagierte den um-fangreichen Abstimmungsaufwand als frustrierend.Befragte berichteten von ihren sehr unterschiedlich erlebten Erfahrungen bei der Mittelbeschaffung. Neben den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, För-derart und Finanzbedarfen besitzen dafür sicher auch unterschiedliche Wissensstände, Motivatio-nen und Erwartungshaltung der Ehrenamtlichen einen erklärenden Wert.Antwortbeispiele Erfahrungen mit Antragstellung und Förderung„So was wie ein Heimat-Scheck, wo man so kleinere Projekte umsetzen kann, was niedrigschwellig ist, hilft Vereinen wirklich. Also das fand ich eine super Idee vom Land.“ (Ehrenamtliche, Gesundheit und Soziales)„Es hat zwei Jahre gedauert, die Förderrichtlinien zur Sanierung des Gebäudes von Land, Kommune und Stiftungen aufeinander abzustimmen. In der Zeit hätte man auch schon bauen können. Es wirkt häufig nicht wie die Förderung eines gemeinnützigen Projektes, sondern eher wie ein Forderungskatalog.“ (Ehrenamtlicher, Kultur und Medien)„Es gibt zwar für verschiedene Bereiche immer auch Finanzmittel, die sind oft aber nur sehr bürokratisch zu erhalten. Ich engagiere mich nur in den Bereichen, in denen ich nicht noch zusätzliche Mittel generieren muss, sondern auf bestehende Finanzmittel zugreifen kann. Das ist leicht, das andere ist nervig und schwer.“ (Ehrenamtliche im Sportverein)„Wir haben alle Fördertöpfe, die man sich vorstellen kann, angezapft, auch bundesweit. Verfügen über jahrelange Erfahrung zu Fördermöglichkeiten.“ (Vorsitzender eines Kulturvereins)

47Was würde Ihnen das Engagement erleichtern? Entwicklungspotenziale, Kritik und Hinweise (Frage 12)Der Kategorie Finanzen und Fördermittel wurden 173 Antworten Ehrenamtlicher auf die Frage 12 zugeordnet (Anhang 8.5.). Das sind 11 % der Gesamtheit der Antworten auf Frage 12. Mit Blick auf die Antworten von Männern und Frauen zeigen sich kaum Unterschiede im Anteil. Dies ist insofern überraschend, als von den männlichen Ehrenamtlichen 200 eine Leitungsfunktion an-gegeben hatten, von den Frauen dagegen nur 127. Damit darf die Erwartung als Klischee disqualifiziert werden, dass sich vor allem Leitungskräfte um Finanzierungsfragen kümmern.Im ländlichen Raum wurden Finanzfragen in 12 % der kritischen Äußerungen adressiert, im städtischen Raum dagegen nur in 9 %. Auch unter Berücksichtigung der Nicht-Repräsentativität der Interviews könnte dies Zufall sein, Ausdruck eines besseren Informationsstandes über Fördermöglichkeiten im städtischen Raum oder auch einer prekäreren Finanzlage im ländlichen Raum. Immerhin waren während der Ehrenamtstour.NRW auch Hal-tepunkte im ländlichen Raum zu verzeichnen, an denen diese Kategorie spontan keinerlei Erwähnung fand. Hauptamtliche äußerten auf die Frage „Was würde Ihren Ehrenamtlichen das Engagement wohl noch leich-ter machen?“ lediglich neun Anregungen für die Kategorie Finanzen und Fördermittel. Dazu gehört die Idee, bei der Kommune einen Fördertopf Ehrenamt vorzuhalten, um unbürokratisch Mittel beantragen zu können. Zudem wiesen sie darauf hin, Stellen für die Koordination von Ehrenamtlichen finanziell zu sichern. Beide Punkte werden hier als besonders Erfolg versprechend hervorgehoben. Darstellung 25: Leitungsfunktion nach Geschlecht

48Die Äußerungen von Ehren- und Hauptamtlichen zur Kategorie Finanzen und Fördermittel lassen sich grob ge-mäß Darstellung 26 clustern:Darstellung 26: Anregungen zu Finanzen

49Antwortbeispiele(A): „Unser Engagement erleichtern durch Aufrechterhaltung der Förderung. Jede ZWAR-Gruppe braucht eine Unterstützung, die es ermöglicht, einen Raum zu mieten, das Licht brennen zu lassen oder im Winter die Hei-zung anzuschalten und die Personen finanziell die Teilnahme ermöglicht. Das wurde teilweise über die Stadt abgewickelt, aber das große Geld kommt eben aus Düsseldorf. Es wäre schön, wenn man das ehrenamtliche Engagement einheitlich bewerten würde nach der inhaltlichen Arbeit und nicht nach der Anzahl von Hauptamt-lichen.“(B): „Ein Verein veranstaltet ein Schützenfest, dafür müssen mehrere Genehmigungen eingeholt werden, die Straßen müssen gesperrt werden, es muss gegebenenfalls eine Baugenehmigung erteilt werden für die Auf-stellung eines Zeltes, bzw. eine Nutzungsänderung muss beantragt werden für den Platz. [...] Das ist äußerst lästig und belastet die Vereinskassen. Das wäre Geld, was die Vereine dringend bräuchten, um ihr Angebot zu erweitern.“ (C): „Es ist schockierend, wie wenig Personal es im Altenheim gibt, sodass ich teilweise fast alleine oder mit einem Azubi mehrere Bewohner betreut habe. Bessere Bezahlung für die Festangestellten und ausreichend Personal sind wichtig.“(Anm. Verf.: Die Ausstattung mit hauptamtlichem Pflegepersonal und dessen Bezahlung beeinflussen offenbar die Qualität des Freiwilligenmanagements wie auch das Klima, auf das Ehrenamtliche in einer Einrichtung tref-fen, zum Beispiel die geringe Abgrenzung zu professionellen Pflegetätigkeiten oder möglicherweise der Stress und die Unzufriedenheit von Angestellten. Beides kann für Ehrenamtliche belastend sein und eine Beendigung des Engagements begünstigen.)(D): „Man bekommt die Gelder für Personal nur für ein Jahr bewilligt. Es soll entweder eine Zusage sein von mindestens drei Jahren oder ein frühzeitiger Bewilligungsbescheid fürs Folgejahr. Mitarbeiter müssen sich jetzt immer arbeitslos werdend melden, um keine Sperre zu bekommen, wenn unklar ist, ob die Gelder wieder be-willigt werden. Das Risiko ist für den Verein hoch, auf den Lohnkosten von 6000 bis 8000 Euro bis zum Bewilli-gungsbescheid hängen zu bleiben.“(E): „Förderbedingungen in Anträgen sind kompliziert und umfangreich, es wird nicht erklärt, an wen man sich wenden kann. Man wird immer nur weitergeleitet. Konkrete Ansprechpartner wären gut.“„Bürokratie in der Förderung abbauen: Wir haben einen Antrag gestellt auf Förderung eines Integrationsgar-tens. Das war mit der Bezirksregierung abgesprochen. Haben eine Bestätigung vom Finanzamt gebraucht, ob wir vorsteuerabzugsberechtigt sind, obwohl es keine wirtschaftliche Aktivität ist. Das Finanzamt hat den An-trag nicht ausgefüllt, sondern Änderung der Satzungsziele verlangt, da der Bau eines Integrationsgartens nicht abgedeckt sei. Die Änderung haben wir nach der Mitgliederversammlung beim Vereinsregister eingereicht. Wurden abgewiesen, wir brauchten nicht die Zustimmung von drei Viertel der Mitglieder, sondern 100 %. Fakt ist: Wir haben ein Jahr verloren und können den Garten jetzt erst im nächsten Jahr verwirklichen.“ (Regional-entwicklung, LEADER-Verbund)(F): „Keine finanzielle Unterstützung für Werbung für die jeweiligen Angebote, für Vereinshalle und Vereins-strukturen, für Werkzeug und Materialien, für die Begleitung und Beratung der Ehrenamtlichen durch Haupt-amtliche.“ (Anm. Verf.: diverse Aussagen zusammengefasst)

50(G): „Wir haben ein Problem mit Finanzierungen, die vom Land kommen. Es gibt Komm-An-Mittel, die in Pauscha-len von 2000 Euro aufgeteilt sind und ausgeschöpft werden müssen. Als kleiner Verein können wir diese aber nicht ausschöpfen und somit die Pauschale auch nicht beantragen. Gelder zum Flyerdruck und zwei Computer würden reichen. Abrechnung nach Bedarf wäre gut.“(H): „Wo gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, Fördermittel zu bekommen? Gerade in der heutigen Welt, wo alles digital wird, kosten die Projekte dann auch viel Geld. Zum Beispiel, um ein Podcast mit Jugendlichen zu produ-zieren, brauchen wir mehr Equipment.“(I): „Für Personen, die noch nicht so lang dabei sind, ist es schwer zu durchblicken, wo welches Geld herkommt. Was muss ich tun, um Gelder zu bekommen vom Jugendförderplan, um Maßnahmen durchzuführen? Mehr Transparenz wäre wichtig.“ (Jugendwerk eines Verbandes)EinordnungDie Cluster legen die Interpretation nahe, dass Engagierte – nach ihrer Meinung gefragt – nicht weniger als einen Paradigmenwechsel bei den Förderangeboten wünschen. Als aktive Mitgestaltende des Gemeinwesens wollen sie auf Augenhöhe mit Geldgebenden stehen. Finanzielle Förderung durch Bund, Länder und Kommu-nen könnte nach der Ansicht von Befragten künftig wie folgt gestaltet werden:• Abkehr von ausschließlicher Projektförderung; Ergänzung durch Elemente institutioneller bzw. Strukturförderung• niedrigschwellige Antragstellung, gegebenenfalls nach Förderhöhe gestuft• besonders bei Kleinbeträgen schnelle Entscheidungen• flexibel und Möglichkeiten eröffnend, nicht beengend• an Wirkung orientiert, mit Spielräumen für den Weg dorthinDaraus wurden folgende Schlussfolgerungen abgeleitet:1. Bei Erleichterung in Antragsverfahren für Fördermittel könnte auch ein erweitertes Gesamtförderangebot in Betracht gezogen werden, um nicht vorrangig die Konkurrenz zwischen den Antragstellenden zu erhöhen.2. Für die Information über Förderangebote könnten die von Ehrenamtlichen genutzten Kanäle genutzt werden, zum Beispiel über Freiwilligenagenturen oder landesweite Netzwerke. 3. Neue Programme zur Förderung des Engagements sollten bezüglich der Antragstellung, der Fördermodalitäten und Abrechnung so einfach gestaltet sein, dass Ehrenamtliche sie auch ohne langjährige Erfahrung gut bewältigen können. Dies könnte die Schwelle senken, ein Vorstandsamt zu übernehmen, auch im Sinne von Inklusivem Engagement (vgl. Kapitel 4.3.5.). Zu denken wäre auch an Unterlagen in einfacher Sprache.


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