Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 101 tragen soll, reicht hierzu nicht aus. Vielmehr muss die Betriebsvereinbarung vor- sehen, dass die Beschäftigten auch verbindliche Ansprüche haben, um ihre Inter- essen gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Dies wird am ehesten gewähr- leitet, wenn dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin grundsätzlich ein Anspruch auf individuelle Arbeitszeitgestaltung eingeräumt wird, und bei Geltendmachung entgegenstehender Interessen des Betriebs eine Konfiktregulierung unter Betei- ligung des Betriebsrats erfolgt. Neben dem Interesse des Arbeitgebers an einer Anpassung der Arbeitszeit an den Zuschlagspficht wechselnden Arbeitsanfall dienen fexible Arbeitszeiten dazu, die Zuschlagspficht bei Sonderarbeitszeiten, insbesondere Mehrarbeitszuschläge, zu umgehen. Nach Auffassung des BAG ist ein Plusstundensaldo am Ende des Ausgleichszeitraums grundsätzlich ohne Mehrarbeitszuschläge auszuzahlen. 201 Die Betriebsvereinba- rung sollte insoweit eindeutig regeln, unter welchen Voraussetzungen zuschlags- pfichtige Mehrarbeit vorliegt. Für Fälle, in denen die Bestimmungen der Betriebs- vereinbarung zur fexiblen Arbeitszeit nicht eingehalten werden, sollte immer vorgesehen werden, dass die Zeiten hinsichtlich der Zuschlagspficht als Mehrar- beit zu behandeln sind. Unabhängig hiervon sollte der Betriebsrat bei Verstößen vom Arbeitgeber deren Unterlassung verlangen. Auch der Ausgleichszeitraum, in dem die arbeits- oder tarifvertraglich festgelegte Ausgleichszeitraum durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit erreicht sein muss (vgl. Kap. IV.4), ist in einer Betriebsvereinbarung festzulegen. Überschreitet der vereinbarte Zeitraum den tarifvertraglich zulässigen Zeitraum, ist die Regelung wegen Verstoßes gegen §§ 77 Abs. 3, 87 Abs.1 Einleitungssatz BetrVG unwirksam. 202 Beim Ausgleichs- zeitraum muss insbesondere darauf geachtet werden, dass an dessen Ende keine Minus- oder Plusstunden bestehen können. 203 Eine Übertragung von Zeitgutha- ben in den nächsten Ausgleichszeitraum ist auch im Wege der Betriebsverein- barung ausgeschlossen, wenn der Zeitausgleich in einem bestimmten Zeitraum tarifich zwingend vorgeschrieben ist. 204 Der Arbeitgeber muss den sich aus einem Arbeitszeitkonto ergebenden Ausgleichsanspruch dann zwar regelmäßig durch bezahlte Freistellung erfüllen. Vorsorglich sollte jedoch eine Regelung getroffen werden, dass der Freistellungsanspruch unwiderrufich ist. 205 Das Gleiche gilt für den Fall, dass am Ende des Ausgleichszeitraums kein ausgeglichenes Zeitkonto 201 BAG v. 25. 11. 2000 – 4 AZR 596/99 – DB 2001, 1620; a. A. LAG Rheinland-Pfalz v. 8. 4. 1999 – 9 (8) Sa 1328/98 – AiB 1999, 528. 202 BAG v. 29. 4. 2004 – 1 ABR 30/02 – NZA 2004, 670. 203 Vgl. hierzu BAG v. 22. 7. 2003 – 1 ABR 28/02 – NZA 2004, 507. 204 BAG v. 29. 4. 2004 – 1 ABR 30/02 – NZA 2004, 670. 205 Vgl. hierzu BAG v. 19. 5. 2009 – 9 AZR 433/08 – AuR 2009, 435. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 101 29.10.2013 11:16:54
102 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) besteht. Bei bestehenden Minusstunden sollte ausdrücklich geregelt werden, dass keine Nachleistungspficht für nicht geleistete und vergütete Arbeitszeit besteht. Bei Zeitguthaben sollte den Beschäftigten innerhalb eines bestimmten, möglichst kurzfristigen Zeitraums ein Anspruch auf Freizeitausgleich eingeräumt werden oder es sollte festgelegt werden, dass die geleisteten Plusstunden als zuschlagspfichtige Mehrarbeit zu vergüten sind. Sollen Zeitguthaben erst zu einem späteren Zeitpunkt in Geld ausgezahlt werden, besteht auch das Mitbe- stimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG. 206 Ein Verfall von Zeitguthaben, ohne dass der Arbeitgeber zur Zahlung zu viel geleisteter Arbeitsstunden ver- pfichtet ist, entspricht nicht den Interessen der Beschäftigten und ist nur möglich, soweit ein Tarifvertrag eine entsprechende Regelung enthält. Da der Verfall auch zum Entzug des entsprechenden Arbeitsentgelts für geleistete Arbeit führt, steht die Regelungssperre von § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen. 207 Pausen und Ruhezeiten Pausenregelung Auch über die Lage und Dauer der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Pausen (vgl. Kap. III.2.4) hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Nach Auffassung des BAG soll dies allerdings nur für unbezahlte Pausen gelten. Lärmpausen und Arbeits- unterbrechungen bei der Bildschirmarbeit unterliegen danach nicht der Mitbe- stimmung. 208 Neben der zeitlichen Lage der Pausen und des spätesten Zeitpunkts ihrer Gewährung ist bei Pausenregelungen auch darauf zu achten, dass die Pau- sen so geregelt werden, dass die Beschäftigten bei Beginn der Arbeit die Lage der Pause kennen (vgl. § 4 ArbZG: »im Voraus feststehende Pausen«). Auch muss sichergestellt werden, dass die Beschäftigten während der Pausen nicht zur Arbeit herangezogen werden können (z. B. kein Handybetrieb während der Pausen), son- dern frei darüber entscheiden, wo und wie sie die Pause verbringen. 209 Sollen die Pausen in mehrere Zeitabschnitte von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden, bedarf dies ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats. Einhaltung der Min- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit müssen so festgelegt werden, dass destruhezeiten dem Arbeitnehmer die nach § 5 ArbZG gesetzlich vorgeschriebene Mindestruhe- zeit (vgl. Kap. III.2.5) gewährt werden kann. In einschichtigen Betrieben ist dies i. d. R. kein Problem, da hier zwischen dem Zeitpunkt des Arbeitsendes am Vor- 206 BAG v. 15. 1. 2002 – 1 ABR 165/01 – DB 2002, 1896. 207 Schoof, AiB 2011, 724; a. A. LAG München v. 27. 3. 2012 – 6 TaBV 101/11. 208 BAG v. 6. 12. 1983 – 1 ABR 43/81 – AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung. 209 BAG v. 23. 9. 1992 – 4 AZR 562/91 – AP Nr. 6 zu § 3 AZO. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 102 29.10.2013 11:16:54
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 103 tag und dem Arbeitsbeginn am nächsten Tag meist ein Zeitraum von mehr als elf Stunden liegt. Ist die betriebliche Arbeitszeit dagegen fexibel gestaltet oder wird in Wechselschichtsystemen gearbeitet, muss beachtet werden, dass dem Arbeit- nehmer/der Arbeitnehmerin nach Beendigung der Arbeitszeit eine mindestens elfstündige Ruhezeit gewährt wird, bevor er/sie am nächsten Tag mit der Arbeit beginnt. Soll im Ausnahmefall die Ruhezeit verkürzt werden (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG), muss dies (ggf. einschließlich des erforderlichen Ausgleichszeitraums) ebenfalls in der Betriebsvereinbarung geregelt werden. 2.2 Schicht- und Nachtarbeit sowie versetzte Arbeitszeit Schichtarbeit ist die Aufteilung der betrieblichen Arbeitszeit in mehrere Zeitab- schnitte mit versetzten Anfangs- und Endzeiten, die auch eine unterschiedliche Arbeitszeitdauer beinhalten kann. Bei Schichtarbeit werden die Beschäftigten in wechselnden Schichten eingesetzt. Es gibt Zwei- (Früh- und Spätschicht) oder Dreischichtsysteme (Früh-, Spät- und Nachtschicht). Dem Betriebsrat steht bei der Einführung bzw. dem Abbau und bei der Ausge- Mitbestimmungs- staltung von Nacht- und Schichtarbeit das Mitbestimmungsrecht nach § 87 recht und Gestal- Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. 210 Dasselbe gilt bei der Aufstellung oder Änderung des tungsmöglichkeiten des Betriebsrats bei Schichtplans, 211 z. B. durch die Absage von Schichten oder eine Verkürzung der Schichtarbeit Arbeitszeit innerhalb einer festgelegten Schicht 212 oder bei Schichtwechseln ein- zelner Beschäftigter. 213 Das Mitbestimmungsrecht umfasst die Festlegung des Personenkreises 214 (einschließlich etwaiger Leiharbeitnehmer 215 ) sowie Dauer und zeitliche Lage der Schichten. Auch die Umstellung von Zwei- auf Dreischicht- systeme, der Wegfall der Nachtschicht, die Regelung über Sonn-, Feiertags-, Nacht- und Wechselschichten sowie der Schichtwechsel einzelner Arbeitnehmer/- innen unterliegen der Mitbestimmung. Wegen der besonderen gesundheitlichen Belastungen sollte der Betriebsrat immer prüfen, ob bzgl. des Schichtarbeitsplat- zes eine dokumentierte Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG vorliegt. Ist diese nicht gemäß § 3 Abs. 3 ArbStättV schriftlich dokumentiert, kann der Verset- 210 BAG v. 8. 8. 1989 – 1 ABR 59/88 – AP Nr. 11 zu § 23 BetrVG 1972; Buschmann/Ulber, ArbZG § 6 Rn. 34 ff. 211 BAG v. 29. 9. 2004 – 5 ABR 59/88 – AuR 2004, 426. 212 LAG Hamm v. 29. 6. 1993, BB 1994, 139. 213 BAG v. 19. 2. 1991 – 1 ABR 21/90 – AiB 1991, 338. 214 BAG v. 29. 9. 2004 – 5 ABR 59/88 – AuR 2004, 426. 215 Ulber/zu Dohna-Jaeger, AÜG, § 14 Rn. 52. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 103 29.10.2013 11:16:55
104 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) zung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf einen Schichtarbeitsplatz wider- sprochen werden. 216 Schichtarbeit und Nach § 6 Abs. 1 ArbZG ist Schichtarbeit nach den gesicherten arbeitswissenschaft- Gesundheits- lichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzule- schutz – Rechte gen. 217 In Verbindung mit dem Arbeitsschutzgesetz, das den Arbeitgeber zu einer des Betriebsrats ständigen Verbesserung des Gesundheitsschutzes und zu einer Minimierung der Gesundheitsgefährdung verpfichtet, kann der Betriebsrat die bestehenden Schichtmodelle einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG unterziehen las- sen. Wird dabei festgestellt, dass die betrieblichen Regelungen nicht den gesi- cherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, ist der Arbeitge- ber zur Abhilfe und Optimierung der Arbeitszeitgestaltung verpfichtet. Da dem Betriebsrat in zentralen Belangen der Gefährdungsbeurteilung ein Mitbe- stimmungsrecht zukommt, kann er bei der Gestaltung von Schichtsystemen und bei der durch das Arbeitsschutzgesetz vorgesehenen Erfolgskontrolle mitbestim- men. 218 Gerade bei Schicht- und Nachtarbeit sind die Interessen der Beschäftigten am Gesundheitsschutz (vgl. § 1 Nr. 1 ArbZG) und arbeitswissenschaftliche Erkennt- nisse (§ 6 Abs. 1 ArbZG) besonders zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei der Aufstellung und Ausgestaltung des Schichtplans. 219 Eine Schichtplanre- gelung, die sich darauf beschränkt, die Lage der Schichten festzulegen, jedoch keine inhaltlichen Vorgaben für die Einführung der Schichtarbeit oder die Zuwei- sung der einzelnen Beschäftigten zu den Schichten enthält, verstößt gegen die Pfichten des Betriebsrats bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts. 220 Unter Gesichtspunkten des Gesundheitsschutzes sollten Nachtschichten immer kürzer sein als Tag- und Spätschichten, wobei die Nachtschichtperioden höchstens zwei bis drei Tage dauern sollten. Durch kurze Wechsel der Schichtrhythmen mit freien Tagen im Anschluss an die Nachtarbeit wird dem Biorhythmus des Menschen am ehesten entsprochen. Das Mitbestimmungsrecht bei Schichtarbeit kann auch dadurch ausgeübt wer- den, dass sich die Betriebsparteien auf die Aufstellung allgemeiner Grundsätze 216 Helm/Huber, AuR 2013, 70. 217 Vgl. hierzu BAuA, Bilanzierung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse zur Nacht- und Schichtarbeit. 218 BAG v. 8. 6. 2004 – 1 ABR 04/03 und 1 ABR 13/03 – AiB 2005, 252. 219 Vgl. hierzu Böker, AiB 2011, 739. 220 BAG v. 29. 4. 2004 – 5 AZR 560/03 – AP Nr. 111 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 104 29.10.2013 11:16:55
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 105 der Schichtplangestaltung 221 beschränken. Der Arbeitgeber ist ggf. berechtigt, den konkreten Schichtplan autonom aufzustellen. 222 Auch die Form und Ausgestaltung des Ausgleichs bei Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 Mitbestimmungs- BetrVG unterliegt gestützt auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG der Mitbestimmung des recht und Gestal- Betriebsrats. 223 Steht keine tarifiche Regelung entgegen (vgl. Kap. IV.6.2), sollte tungsmöglichkeiten des Betriebsrats bei der Betriebsrat wegen der gesundheitlichen Belastungen darauf drängen, dass Nachtarbeit der Zeitausgleich durch bezahlte Freistellung von der Arbeit Vorrang vor der Zah- lung von Zuschlägen hat. Der Zuschlag bzw. Zeitausgleich muss nach § 6 Abs. 5 ArbZG im Einzelfall angemessen sein, 224 was der Billigkeitskontrolle (§ 315 Abs. 3 BGB) unterliegt. 225 Orientierungspunkt sind hierbei tarifiche Nachtarbeitszu- schläge bzw. proportional gewährte Zeitausgleichsansprüche. 226 Die Betriebsver- einbarung sollte die Höhe des Geldzuschlags bzw. den Umfang des Zeitausgleichs verbindlich festlegen. Wegen der besonderen gesundheitlichen Belastungen ist es gerade im Bereich der Schicht- und Nachtarbeit angezeigt, die Zustimmung des Betriebsrats von der Erfüllung von Gegenforderungen abhängig zu machen. Dies betrifft zum einen die Interessen der Beschäftigten an einer Reduzierung der Belastungen (z. B. durch zusätzliche bezahlte Freischichten), daneben aber auch die Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Familie, Freizeit etc. Auch kann einer Ausweitung von Schicht- und Nachtarbeit dadurch vorgebeugt werden, dass dem Arbeitgeber zusätzliche fnan- zielle Leistungen (z. B. Ansprüche auf Kuren) auferlegt werden. Da die Zuschläge bei Schicht- und Nachtarbeit meist tarifich geregelt werden, kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht gezwungen werden, zusätzliche Zuschläge zu bezahlen. Sieht der Tarifvertrag z. B. Zuschläge nur für die 2. und 3. Schicht vor, können in der Betriebsvereinbarung wegen § 77 Abs. 3 BetrVG auch keine Zuschläge für die 1. Schicht vereinbart werden. 227 Eine tarifiche Regelung zu Nachtarbeitszuschlägen schließt eine tarifiche Regelung zu Wechselschichtprämien nicht aus. 228 Soweit 221 Vgl. hierzu BAuA, Bilanzierung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse zur Nacht- und Schichtarbeit, S. 37. 222 BAG v. 1. 7. 2003 – 1 ABR 22/02 – AP Nr. 103 zu § 87 BetrVG 1972. 223 BAG v. 26. 8. 1997 – 1 ABR 16/97 – AuR 1998, 338 m. Anm. Ulber; und v. 26. 4. 2005, AuR 2006, 123. 224 Vgl. hierzu Buschmann/Ulber, ArbZG, § 6 Rn. 27 ff. 225 BAG v. 26. 8. 1997 – 1 ABR 16/97 – AiB 1999, 162. 226 BAG v. 5. 9. 2002 – 9 AZR 202/01 – AuR 2003, 467 m. Anm. Ulber. 227 Fitting, BetrVG § 77 Rn. 87. 228 BAG v. 23. 10. 1985 – 4 AZR 119/84 – AP Nr. 33 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 105 29.10.2013 11:16:55
106 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) der Tarifvertrag keine abschließende Regelung enthält, ist auch die Festlegung der Vorgabezeiten bei Akkordarbeit in einer Betriebsvereinbarung zulässig. 229 Zur Ausweitung der Betriebszeiten werden statt Schichtarbeit zunehmend Sys- teme mit versetzten Arbeitszeiten eingesetzt. Hierbei handelt es sich um ein Arbeitszeitmodell, bei dem der bzw. die Beschäftigte mehrere aufeinanderfol- gende, gleich lang andauernde Arbeitszeiten zur Auswahl hat. Versetzte Arbeits- zeiten sind kostengünstiger als Schichtarbeit, da keine Zuschläge gezahlt werden müssen. In vielen Fällen ist dieses Arbeitszeitmodell aber auch deshalb für den Arbeitgeber attraktiv, weil es im Vergleich zur klassischen Schichtarbeit im Hin- blick auf die Betriebszeiten fexibler handhabbar ist. Die Betriebszeiten können bei kurzfristigen Auftragsspitzen und -tälern oder fehlendem Personal schneller als in klassischen Schichtsystemen angepasst werden. Mit relativ geringem Kos- ten- und Organisationsaufwand lassen sich so die Betriebszeiten optimieren. Mitbestimmungs- Die Betriebszeiten bewegen sich bei versetzen Arbeitszeiten i. d. R. unter dem recht des Betriebs- Niveau eines Zweischichtbetriebes (ca. 16-Stunden-Tag). Den Beschäftigten wer- rats bei versetzten den verschiedene Arbeitsblöcke mit festen Anfangs- und Endzeiten angeboten Arbeitszeiten und sie entscheiden, in welchem dieser Arbeitsblöcke sie arbeiten möchten. Die Arbeitsblöcke decken den gesamten täglichen Betriebszeitbedarf ab. Spezielle tarifvertragliche Regelungen über versetzte Arbeitszeiten gibt es nur Mitsprache der vereinzelt. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts kommen die Bestim- Beschäftigen mungen des § 87 BetrVG vollumfänglich zur Anwendung. Der Betriebsrat sollte gewährleisten darauf achten, dass den Beschäftigten ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Arbeitszeitblöcke gegeben wird, damit versetzte Arbeitszeiten zu einer verbesser- ten Vereinbarkeit von Freizeit, Familie und Arbeit beitragen. 2.3 Sonn- und Feiertagsarbeit Soll Im Betrieb an Sonn- oder Feiertagen gearbeitet werden, umfasst das Mit- bestimmungsrecht sowohl die Frage ob Sonn- oder Feiertagsarbeit geleistet Gesetzliche und werden soll als auch die Frage wie diese ausgestaltet werden soll. 230 Wegen des tarifiche Zulässig- grundsätzlich bestehenden Beschäftigungsverbots an Sonn- und Feiertagen (vgl. keit prüfen! Kap. III.2.12) hat der Betriebsrat immer Veranlassung zu einer besonderen Prüfung ihrer gesetzlichen und tarifvertraglichen Zulässigkeit. Hierzu kann er sich auch an 229 BAG v. 9. 2. 1984 – 6 ABR 10/81 – AP Nr. 9 zu § 77 BetrVG 1972. 230 BAG v. 25. 2. 1997 – 1 ABR 69/96 – AP Nr. 72 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Buschmann/Ulber, ArbZG, § 10 Rn. 24. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 106 29.10.2013 11:16:55
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 107 die zuständige Aufsichtsbehörde wenden und die Feststellung beantragen, ob die Sonn- und Feiertagsarbeit auf der Grundlage von § 10 ArbZG zulässig ist. 231 Bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts hat der Betriebsrat darauf zu ach- ten, dass dem Gebot entsprochen wird, Sonn- und Feiertagsarbeit auf das unver- zichtbare Mindestmaß zu reduzieren. Können die Arbeiten auch an Werktagen Sonn- und Feiertags- erledigt werden (vgl. § 10 Abs. 1 Einleitungssatz ArbZG) oder bestehen technische, arbeit auf unver- betriebs- oder arbeitsorganisatorische Gestaltungsalternativen zur Sonn- oder zichtbares Mindest- maß reduzieren Feiertagsarbeit, sind diese zu nutzen. 232 Ist Sonntagsarbeit unvermeidbar, hat der Betriebsrat insbesondere darauf zu achten, dass die hiermit verbundenen Mehrbelastungen und die Einschränkungen im persönlichen Bereich angemessen kompensiert werden. Soweit tarifiche Zuschlagsregelungen bestehen (vgl. Kap. IV.6.3), sind diese zu beachten und gehen hinsichtlich der Regelung von Zeitzuschlägen vor. Es bleibt dem Betriebsrat jedoch unbenommen, über die reinen Zuschlagsregelungen hinaus weitere Leistungen des Arbeitgebers zu verlangen (z. B. Antrittsprämien, zusätzliche Freischichten). Mitbestimmungspfichtig ist auch die Festlegung der Lage des Ersatzruhetages Lage des Ersatzruhe- von insgesamt 35 zusammenhängenden Stunden bei Sonn- und Feiertagsarbeit tages mitbestimmen innerhalb des Ausgleichszeitraums nach § 11 Abs. 3 ArbZG (vgl. Kap. III.2.5). Solange kein Einvernehmen mit dem Arbeitgeber über die Lage des Ersatzruheta- ges erzielt wurde, ist der Betriebsrat berechtigt, die Zustimmung zur Sonn- oder Feiertagsarbeit zu verweigern. 233 Entsprechend dem Zweck des Ersatzruhetages, einen Ausgleich von verlorengegangener arbeitsfreier Zeit im Vergleich zu Arbeit- nehmern ohne Sonn- und Feiertagsarbeit zu gewährleisten, 234 muss der Ersatz- ruhetag so gelegt werden, dass der Verlust von Freizeit annähernd kompensiert werden kann. Insofern sollte der Ersatzruhetag immer auf einen Arbeitstag gelegt werden, der für den Arbeitnehmer ein normaler Beschäftigungstag ist. Das BAG ist zwar der Auffassung, dass der Ersatzruhetag auch auf einen ansonsten beschäf- tigungsfreien Tag (z. B. Samstag) gelegt werden kann; 235 dies sollte jedoch in der Betriebsvereinbarung immer ausgeschlossen werden. 231 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 13 Rn. 14. 232 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 10 Rn. 5 ff. 233 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 10 Rn. 25. 234 BAG v. 27. 1. 2000- 6 AZR 471/98 – NZA 2001, 41. 235 V. 12. 12. 2001 – 5 AZR 294/00 – AP Nr. 1 zu § 11 ArbZG. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 107 29.10.2013 11:16:55
108 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 2.4 Teilzeitarbeit Auch bei Teilzeitarbeit (einschließlich der Altersteilzeit 236 ) hat der Betriebsrat über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. 237 Er bestimmt daher sowohl bei der zeitlichen Lage der Arbeitszeit als auch bei der Dauer der täglichen Arbeitszeit Mindestdauer der mit. Auch die Frage, ob die Teilzeitarbeit im Rahmen einer kapazitätsorientierten täglichen Arbeitszeit variablen Arbeitszeit oder zu festen Arbeitszeiten durchgeführt werden soll, ist regeln mitbestimmungspfichtig. 238 Dies betrifft insbesondere die Mindestdauer der täg- lichen Arbeitszeit, 239 die (insbesondere bei Arbeit auf Abruf) in einer Betriebsver- einbarung verbindlich geregelt werden sollte. Da Teilzeitarbeit in vielen Fällen im Zusammenhang mit familiären Verpfichtungen geleistet wird, sind Regelungen zur Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten entspre- chend § 80 Abs. 1 Nr. 2b BetrVG so fexibel zu gestalten, dass dem Bedürfnis nach einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders Rechnung getragen wird. Eine Planbarkeit der Arbeitszeit hat dabei für die Betroffenen einen besonders Berücksichtigung hohen Stellenwert. Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeiten (vgl. Kap. III.2.8) der Flexibilitäts- sollten daher unter Nutzung des Mitbestimmungsrechts grundsätzlich vermieden wünsche der werden. Aber auch im Übrigen sollten die Flexibilitätserfordernisse der Beschäf- Teilzeitbeschäftigten verbindlich regeln tigten dadurch erweitert werden, dass die Möglichkeiten des Arbeitgebers entge- genstehende betriebliche Bedürfnisse geltend zu machen, eingeschränkt werden. Eine hiermit evtl. verbundene Besserstellung der Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten ist aus sachlichen Gründen zulässig, da § 4 TzBfG ausdrück- lich nur eine Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten verbietet. Einer nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspfichtigen Anordnung von Mehrarbeit für Teilzeitbeschäftigte 240 sollte der Betriebsrat nur auf freiwilliger Basis zustim- men, da deren Anordnung auch das Einverständnis des Arbeitnehmers/der Arbeit- nehmerin voraussetzt. Bei Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass nach den Tarifverträgen häufg die Zuschlagspficht bei Mehrarbeit entfällt (vgl. Kap. IV.8). Zuschläge für Spätarbeit, die Vollzeitbe- schäftigten bezahlt werden müssen, sind demgegenüber auch Teilzeitbeschäftig- ten zu gewähren. Entgegenstehende tarifiche Regelungen sind unwirksam. 241 236 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 126. 237 BAG v. 13. 10. 1987 – 1 ABR 10/86 – NZA 1988, 251. 238 BAG v. 28. 9. 1988 – 1 ABR 41/87 – AiB 1989, 125 m. Anm. Buschmann. 239 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 124. 240 BAG v. 24. 4. 2007 – 1 ABR 47/06 – NZA 2007, 818. 241 BAG v. 24. 9. 2003–10 AZR 675/02 – NZA 2004, 611. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 108 29.10.2013 11:16:55
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 109 Bei Betriebsvereinbarungen zur Teilzeitarbeit sollte darauf geachtet werden, dass Regelungen treffen Regelungen für den Fall getroffen werden, dass ein Beschäftigter nach § 8 TzBfG für Verlängerung bzw. § 15 BEEG eine Verringerung oder nach § 9 TzBfG eine Verlängerung der oder Verkürzung der Arbeitszeit Arbeitszeit verlangt. Insbesondere sollte verhindert werden, dass eine Betriebs- auf Wunsch der vereinbarung zur Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber ohne Zustimmung des Beschäftigten Betriebsrats zum Anlass genommen werden kann, einen entgegenstehenden Wunsch des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin abzulehnen. 242 Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass die betrieblichen Gründe, die einem Verlangen des Beschäftigten entgegenstehen können, eingeschränkt und abschließend geregelt werden. Auch können Quoten festgelegt werden, bis zu deren Ausschöpfung den Beschäftigten ein Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit eingeräumt wird. 243 Wird die Arbeitszeit auf der Grundlage der §§ 8 oder 9 TzBfG verkürzt, hat der Betriebsrat bei einer Neuverteilung der Arbeitszeit mitzubestimmen. 244 2.5 Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft Will der Arbeitgeber Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft im Betrieb einführen, betrifft dies auch die Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Dem Betriebsrat steht daher das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. 245 Arbeitsbereitschaft Da die Arbeitsbereitschaft in vollem Umfang Arbeitszeit ist, richten sich die Mit- bestimmungsrechte des Betriebsrats in Fragen der Arbeitszeit nach den für Nor- malbeschäftigte geltenden Grundsätzen. Bei Arbeitsbereitschaft sehen die Tarif- Geltende Tarifver- verträge jedoch häufg vor, dass die regelmäßige tarifiche Arbeitszeit verlängert träge hinzuziehen! werden kann (vgl. Kap. IV.7.1). 242 Vgl. hierzu BAG v. 18. 3. 2003 – 9 AZR 126/02 – AP Nr. 3 zu § 8 TzBfG. 243 Vgl. hierzu BAG v. 12. 8. 2008 – 9 AZR 620/07 –, und v. 16. 12. 2008 – AP Nr. 27 zu § 8 TzBfG. 244 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 106. 245 BAG 29. 2. 2000 – 1 ABR 15/99 – AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, und v. 22. 7. 2003, NZA 2004, 507; DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 103, 125; Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 96. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 109 29.10.2013 11:16:55
110 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) Bereitschaftsdienst Auch der Bereitschaftsdienst löst immer das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aus. Soll der Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gegeben. 246 Der Betriebsrat hat danach auch mitzubestimmen, ob der entsprechende Arbeitsanfall mit Mehrarbeit oder durch Einrichtung eines Bereit- schaftsdienstes abgedeckt werden soll. Rufbereitschaft Bei Rufbereitschaft soll das Mitbestimmungsrecht sicherstellen, dass die private Lebensgestaltung der Beschäftigten durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht unangemessen beeinträchtigt wird. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf das »Ob« und das »Wie«. 247 Es besteht auch in Einzelfällen oder wenn nur ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin zur Rufbereitschaft herangezogen werden soll, da die Auswahl des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin einen kollektiven Bezug zur Belegschaft aufweist. Da der Bereitschaftsdienst nunmehr in vollem Umfang Arbeitszeit i. S. d. ArbZG ist, versuchen die Arbeitgeber bisherige Regelungen zum Bereitschaftsdienst in Defnition der Rufbe- Rufbereitschaftszeiten umzudefnieren. Hier sollte genau darauf geachtet wer- reitschaft prüfen! den, dass die Grenzziehungen zwischen Rufbereitschaft und Arbeitsbereitschaft eingehalten werden (vgl. Kap. III.2.6). Wird ein bestimmter Ort vereinbart, an dem sich der Arbeitnehmer aufhalten muss, handelt es sich nicht um Rufbereitschaft, sondern um Bereitschaftsdienst. 248 Keine Rufbereitschaft, sondern Bereitschafts- dienst liegt auch vor, wenn Beschäftigte verpfichtet sind innerhalb von 20 Minu- ten nach dem Abruf die Arbeit aufzunehmen. 249 Im Rahmen der Mitbestimmung sind zunächst die Beschäftigten zu bestimmen, die Rufbereitschaft leisten sollen (Rufbereitschaftsplan 250 ). Daneben sind der Zeitraum sowie Lage und Länge der Zeiten festzulegen, zu denen sich die Beschäf- tigten für einen Einsatz bereithalten müssen. Auch ist festzuhalten, innerhalb 246 BAG v. 29. 2. 2000 – 1 ABR 15/99 – NZA 2000, 1243. 247 BAG v. 21. 12. 1982 – 1 ABR 14/81 – AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 248 BAG v.31. 1. 2002 – 6 AZR 214/00 – AuR 530/02. 249 LAG Köln v. 13. 8. 2008 – 3 Sa 1453/07 – AuR 2009, 57. 250 BAG v 21. 12. 1982 – 1 ABR 14/81 – AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 110 29.10.2013 11:16:56
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 111 welcher Zeit die Beschäftigten nach dem Abruf die Arbeit aufnehmen müssen. Da Rahmenbedingun- die meisten Tarifverträge die Vergütung von Rufbereitschaft nur unvollkommen gen der Rufbereit- regeln, sollte der Betriebsrat die Zustimmung immer an die Bedingung knüp- schaft regeln fen, dass die Rufbereitschaft als solche vergütet werden muss (vorgeschrieben z. B. nach § 3.7 ERTV Niedersachsen) und neben dem Tarifentgelt zusätzliche Leistungen (Einsatzprämien, zusätzliche Freizeit u. Ä.) gewährt werden müssen. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach die Ableistung von Rufbereitschaft »im üblichen Rahmen« durch die Vergütung abgegolten sein soll, ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. 251 Da nach einem Einsatz in Rufbereitschaft immer die elfstündige Ruhezeit nach § 5 Wechselwirkung ArbZG gewährt werden muss, sollten bei Rufbereitschaft vorsorgliche Regelungen Rufbereitschaft, getroffen werden, um Nachteile der betroffenen Beschäftigten auszuschließen. Ruhezeiten und Dienstplan beachten Die Betriebsvereinbarung sollte insoweit immer die Klausel enthalten, dass die und Nachteile für Beschäftigten ihren Vergütungsanspruch nicht verlieren, wenn infolge der Ruhezeit Beschäftigte ver- nach einer Rufbereitschaft die Arbeit erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenom- meiden men werden kann, als nach dem geltenden Dienstplan regelmäßig vorgesehen. 3. Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat bei der vorübergehenden Ver- kürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mitzubestimmen. Schutzzweck der Norm ist, die Arbeitnehmer/-innen bei einer Verkürzung der Arbeitszeit vor einer entsprechenden Entgeltminderung und bei einer Verlänge- Schutzzweck rung vor den physischen und psychischen Belastungen zu schützen und ihnen eine sinnvolle Arbeits- und Freizeiteinteilung sowie Freizeitgestaltung zu ermög- lichen. Dabei soll nach Klärung der Frage, ob die Arbeitszeit überhaupt zu verän- dern ist, auch eine gerechte Verteilung der hiermit verbunden Belastungen und Vorteile erreicht werden. Unter betriebsüblicher Arbeitszeit ist die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit zu verstehen. 252 Die betriebsübliche Arbeitszeit kann dabei für verschiedene Arbeits- plätze, Betriebsteile, Abteilungen oder Beschäftigtengruppen (z. B. Beschäftigte mit Arbeitsbereitschaft) durchaus unterschiedlich sein. 253 Nur vorübergehende Defnition 251 LAG Düsseldorf v. 6. 5. 2010–13 Sa 1129/09. 252 BAG v. 26. 10. 2004 – 1 ABR 31/03 – NZA 2005, 538. 253 BAG v. 24. 4. 2007 – 1 ABR 47/06 – NZA 2007, 818. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 111 29.10.2013 11:16:56
112 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) Verkürzungen oder Verlängerungen der betriebsüblichen Arbeitszeit unterliegen dem Mitbestimmungsrecht. Eine vorübergehende Veränderung der Arbeitszeit liegt dabei vor, wenn sie für einen überschaubaren Zeitraum zeitlich oder vom Zweck her befristet erfolgen soll und nach Beendigung des Zeitraums der Verän- derung wieder zur regelmäßigen Arbeitszeit zurückgekehrt werden soll. 254 Auf Dauer angelegte Veränderungen der Arbeitszeit werden vom Mitbestimmungs- recht nicht erfasst. Mehrarbeit Das Mitbestimmungsrecht ist immer gegeben, wenn für den Betrieb oder auch einzelne Beschäftigte die regelmäßige Arbeitszeit vorübergehend verlängert wer- den soll. Eine vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit liegt auch vor, wenn eine Betriebsvereinbarung dem Arbeitgeber die begrenzte Möglichkeit gibt, über einen längeren Zeitraum zusätzlich Schichten zur tarifich vereinbarten regelmä- ßigen Arbeitszeit abzurufen. Eine entsprechende Befugnis der Arbeitgeber darf jedoch – wie in allen Fällen der Mehrarbeit – nicht dazu führen, dass ein Arbeitneh- mer dauerhaft eine erhöhte Arbeitszeit leisten muss. Mitbestimmungs- Das Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung der Überstunden und ihrer Moda- recht greift immer litäten besteht immer, wenn ein kollektiver Tatbeststand gegeben ist. Dies ist der bei kollektivem Fall, wenn Überstunden aus betrieblichen Gründen erforderlich werden und Rege- Bezug lungsfragen auftreten, die die kollektiven Interessen der Arbeitnehmer betreffen. Das Mitbestimmungsrecht scheidet nur aus, wenn es lediglich um individuelle Besonderheiten und Wünsche einzelner Arbeitnehmer geht. Insofern ist es auch gleichgültig, ob die Beschäftigen des Betriebs, einzelne Abteilungen oder ledig- lich ein einzelner Arbeitnehmer Überstunden leisten. Selbst wenn nur ein Arbeit- nehmer betroffen ist, können sich kollektive Fragen stellen bzw. kollektive Interes- sen der Arbeitnehmer berührt sein. So kann zu klären sein, wie viele Überstunden zu leisten sind, ob Neueinstellungen möglich sind oder wann und von wem die Überstunden zu leisten sind. Für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts kommt es nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer die Mehrarbeit freiwillig leisten will oder ob der Arbeitgeber die Überstunden ausdrücklich anordnet oder nur duldet. 255 Bei Teilzeitbeschäftigten ist deren jeweilige individuelle regelmäßige Arbeitszeit zu Grunde zu legen, nicht 254 BAG v. 17. 5. 2011 – 1 AZR 473/09 – AuR 2011, 498; DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 111. 255 BAG v. 27. 11. 1990 – 1 ABR 77/89 – BB 1991, 548. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 112 29.10.2013 11:16:56
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 113 die regelmäßige Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter. 256 In welchem Zusammenhang Mitbestimmungs- die vorübergehende Verlängerung der Arbeitszeit steht oder welcher Zweck hier- recht auch in sog. mit verfolgt wird, ist grundsätzlich unbeachtlich. Ein kurzfristig eintretender oder Einzelfällen kurzzeitiger Arbeitsbedarf löst das Mitbestimmungsrecht (auch in Eilfällen 257 ) ebenso aus, wie vorhersehbare Fälle eines erhöhten Arbeitsvolumens. Sonder- schichten unterliegen insoweit ebenso dem Mitbestimmungsrecht wie Fälle der Rufbereitschaft, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnet werden soll. Dasselbe gilt bei Gleitzeitregelungen, wenn die höchstzulässige Arbeitszeit überschritten wird. Bei Arbeitszeitkonten werden von der Vorschrift auch Rege- Mitbestimmungs- lungen erfasst, wonach Plusstunden, die am Ausgleichsstichtag bestehen, als recht bei allen vergütungspfichtige Überstunden gewertet werden und unverschuldete Minus- Formen erhöhten Arbeitszeitvolumens stunden verfallen. Kein Mitbestimmungsrecht soll nach Auffassung des BAG 258 dagegen gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer während einer Dienstreise außer- halb der regelmäßigen Arbeitszeit keine zusätzlichen Arbeiten verrichtet. 259 Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats greift ebenso ein, wenn von der in den Manteltarifverträgen der Metallindustrie eingeräumten Quotenregelung Gebrauch gemacht wird, die Arbeitszeit für höchstens 13 % bzw. 18 % der Beschäf- tigten des Betriebs bis auf 40 Wochenstunden zu verlängern. Angesichts des Rückkehrrechts der einzelnen Arbeitnehmer zur tarifichen Normalarbeitszeit ist hier eine vorübergehende Verlängerung anzunehmen. 260 Wegen der negativen arbeitsmarktpolitischen Wirkungen von Mehrarbeit und den Mehrarbeits- mit ihr verbundenen gesundheitlichen Belastungen sollte der Betriebsrat den wünsche kritisch Umfang von Mehrarbeit auf das geringstmögliche Maß reduzieren. Bei kontinuier- prüfen – Neueinstel- lungen einfordern lich anfallender Mehrarbeit oder bei Überschreitung eines bestimmten Volumens, sollte Mehrarbeit grundsätzlich abgelehnt bzw. bei einer Zustimmung im Einzel- fall mit der Forderung nach Neueinstellungen verbunden werden. Auch sollte eine Zustimmung des Betriebsrats immer an die Bedingung geknüpft werden, dass die Beschäftigten zur Leistung von Mehrarbeit nur bei ihrem freiwilligen Einverständ- nis verpfichtet sind. Als hilfreich hat es sich in der Praxis erwiesen, Rahmenver- einbarungen zu treffen, die sowohl Höchstgrenzen/-quoten als auch Neueinstel- lungen bei kontinuierlich eintretenden Fällen von Mehrarbeit vorsehen. 256 BAG v. 24. 4. 2007 – 1 ABR 47/06 – NZA 2007, 818. 257 BAG v. 17. 11. 1998 – 1 ABR 12/98 – DB 1999, 854. 258 V. 23. 7. 1996, DB 1997, 389, und v. 14. 11. 2006 – 1 ABR 5/06 – NZA 2007, 458. 259 A. A. zu Recht: DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 123. 260 DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 112. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 113 29.10.2013 11:16:56
114 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) Rechte des einzel- Ob Beschäftigte zur Leistung von Mehrarbeit verpfichtet sind, richtet sich nach nen Beschäftigten den arbeits- und tarifvertraglichen Bestimmungen (vgl. Kap. IV.5). Nach Auffas- bei Mehrarbeit sung des BAG kann der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch dann zu Überstunden herangezogen werden, wenn er/sie hiermit nicht einverstanden ist und eine Ver- pfichtung zur Mehrarbeit im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. 261 Der Arbeitgeber kann die Leistung aber erst verlangen, wenn dies in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist oder der Betriebsrat der Mehrarbeit zuge- stimmt hat bzw. ein entsprechender Spruch der Einigungsstelle vorliegt. Kurzarbeit Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegt jede vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit der Mitbestimmung des Betriebsrats. Tarifiche Bestimmungen zur Kurzarbeit schließen das Mitbestimmungsrecht i. d. R. nicht aus. 262 Ein tarificher Ausschluss des Mitbestimmungsrechts ist unzulässig. 263 Die Tarifverträge enthalten vielfach Regelungen zu Ankündigungsfristen oder auch Zuschüssen, die der Arbeitgeber bei Kurzarbeit zu gewähren hat (vgl. z. B. §§ 8.2.2 bis 8.2.4 MTV NW/NB). Wird die Ankündigungsfrist in einer Betriebsver- einbarung missachtet, ist diese unwirksam. 264 Defnition Kurzarbeit Kurzarbeit liegt nur vor, wenn die von den Beschäftigten geschuldete regelmä- ßige wöchentliche Arbeitszeit aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, vorübergehend verkürzt werden soll. 265 Dies setzt voraus, dass die Verkür- zung einen überschaubaren Zeitraum betrifft und nicht auf Dauer erfolgen soll. Der Endzeitpunkt muss nicht feststehen, es reicht die Absicht, nach Fortfall des Anlasses der Veränderung der betrieblichen Arbeitszeit (z. B. Auftragsmangel) zur bisherigen Arbeitszeit zurückzukehren. Keine Kurzarbeit liegt vor, wenn die Arbeitszeit der Beschäftigten im Rahmen einer bestehenden Betriebsvereinbarung zur fexiblen Arbeitszeit auf Wunsch des Arbeitgebers innerhalb der bestehenden Gleitzeitspannen vorübergehend verkürzt wird, ohne dass die individuelle regelmäßige Arbeitszeit verändert 261 BAG v. 3. 6. 2003 – 1 AZR 349/02 – AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt m. abl. Anm. Lobinger. 262 DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 48. 263 BAG v. 27. 1. 1994 – 6 AZR 541/93 – EzA § 615 BGB Kurzarbeit Nr. 1. 264 BAG v. 12. 10. 1994 – 7 AZR 398/93 – NZA 1995, 641. 265 Ulber, AiB 2007, 5. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 114 29.10.2013 11:16:56
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 115 wird. Insbesondere Zeitkontenregelungen, die für Zeitguthaben und -salden Zeitkonten und hohe Schwankungsbreiten zulassen oder lange Ausgleichszeiträume festlegen, Kurzarbeit bergen die Gefahr in sich, dass der Arbeitgeber zur Vermeidung von Kurzarbeit die Aufösung von Zeitguthaben oder die Inanspruchnahme von Zeitsalden (mit entsprechender Nachleistungspficht) verlangt. 266 Eine derartige ausschließlich im betrieblichen Interesse liegende Verlagerung des Beschäftigungsrisikos des Arbeitgebers (vgl. Kap. III.2.1) widerspricht den Zwecken des Mitbestimmungs- rechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, einen Ausgleich der unterschiedlichen Inter- essen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sicherzustellen. Entstehen durch Anord- nung des Arbeitgebers Zeitsalden und liegen die Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld vor, sollte der Betriebsrat immer von seinem Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit im Betrieb Gebrauch machen. Durch die Kurzarbeit entfällt ggf. nicht nur die Pficht zur Nachleistung im Umfang des Zeitsaldos, son- dern der Arbeitgeber ist unter Beachtung der Bestimmungen zur Mehrarbeit ver- pfichtet, Arbeitszeit zu vergüten, wenn nach Beendigung der Kurzarbeitsphase über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit geleistet werden soll. Vom Mitbestimmungsrecht werden unabhängig von ihrem Umfang alle Formen der vorübergehenden Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit erfasst. Ebenso wie bei der Mehrarbeit ist es unerheblich, ob die Kurzarbeit kurzfristig angeordnet werden soll oder welcher Anlass der Arbeitszeitverkürzung zu Grunde liegt (z. B. Reichweite des Mit- Einführung von Kurzarbeit auf der Grundlage von § 19 KSchG). Der Ausfall einzel- bestimmungsrechts ner Arbeitsstunden wird daher ebenso vom Mitbestimmungsrecht erfasst wie die bei Kurzarbeit Absage ganzer Schichten oder auch Sonderschichten. Die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III zum Bezug von Kurzarbeitergeld brauchen dabei nicht erfüllt zu sein. Allerdings ist das Mitbestimmungsrecht immer gegeben, wenn die Voraus- setzungen von Kurzarbeit i. S. d. Bestimmungen des SGB III gegeben sind. Auch die sog. Transfer-Kurzarbeit nach § 111 SGB III wird daher vom Mitbestimmungs- recht erfasst. 267 Vom Mitbestimmungsrecht erfasst wird neben der Frage, ob die Arbeitszeit über- haupt verkürzt werden kann, auch die Frage, zu welchen Modalitäten und in welchem Zeitraum ggf. verkürzt gearbeitet werden darf. Bei der Festlegung des Zeitraums ist zu beachten, dass der Betriebsrat bei einem Anstieg des Arbeits- volumens im Rahmen des Mitbestimmungsrechts nicht durchsetzen kann, dass vorzeitig zur regelmäßigen Arbeitszeit zurückgekehrt wird. 268 Ein entsprechendes 266 Vgl. hierzu Ulber, AiB 2007, 5. 267 DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 112; Ulber, AiB 2007, 5. 268 BAG v. 21. 1. 1978 – 1 ABR 67/76 – AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 115 29.10.2013 11:16:56
116 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) Recht sollte daher in einer Vereinbarung zur Kurzarbeit ausdrücklich festgeschrie- ben werden. Mindestinhalt einer Vereinbarung zur Kurzarbeit sind deren Beginn und Dauer, die betroffenen Abteilungen und Arbeitnehmer sowie der Umfang Finanzielle Auswir- und die Zeiträume, in denen verkürzt gearbeitet werden soll. 269 Eine Zustimmung kungen auf Beschäf- zur Arbeitszeitverkürzung muss der Betriebsrat insbesondere im Hinblick auf die tigte beachten fnanziellen Folgen für die Beschäftigten sorgfältig prüfen. Speziell bei Teilzeit- beschäftigten oder Arbeitnehmern mit Unterhaltspfichten sollten Sonderrege- lungen angestrebt werden, z. B. durch Herausnahme der Beschäftigten aus der Kurzarbeit oder durch ein geringeres Quantum der Arbeitszeitreduzierung. Auch kann geregelt werden, dass ältere Arbeitnehmer kürzer arbeiten als die übrigen Betroffenen und damit weniger verdienen. 270 Mit dem Verbot der Altersdiskrimi- nierung lässt sich dies jedoch kaum vereinbaren. Solange keine Betriebsvereinbarung (eine Regelungsabrede reicht insoweit nicht aus 271 ) abgeschlossen ist oder der Betriebsrat der Einführung von Kurzarbeit nicht zugestimmt hat oder tarifich vereinbarte Ankündigungsfristen nicht abgelaufen sind (vgl. z. B. § 8.2.2 MTV NW/NB), behält der Arbeitnehmer den Entgeltanspruch (§ 615 BGB). 272 Nach Auffassung des BAG kann der Betriebsrat den Arbeitgeber bei einer Zustimmung zur Kurzarbeit (auch bei Bezug von Kurzarbeitergeld) nicht zwingen, Entgeltverluste zumindest zum Teil durch Aufstockungsleistungen aus- zugleichen. 273 Aus diesem Grund sollte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Kurzarbeit zumindest verweigern, solange kein Bescheid der Agentur für Arbeit vorliegt, dass die Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld gegeben sind (vgl. § 99 Abs. 3 SGB III). Freiwillig kann sich der Arbeitgeber aber bereit erklären, Ersatz- oder Aufstockungsleistungen zu gewähren. Ist er hierzu nicht bereit, sollte der Betriebsrat i. d. R. die Zustimmung verweigern und sich bei der Durchführung des anschließenden Mitbestimmungsverfahrens bis in die Eini- gungsstelle viel Zeit lassen. Bei der Einführung von Kurzarbeit sollte der Betriebsrat immer beachten, dass sich Arbeitszeitgutha- bestehende Gleitzeitregelungen negativ auf den Bezug von Kurzarbeitergeld aus- ben und Bezug von wirken können. Gemäß § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III ist der Bezug von Kurzarbei- Kurzarbeitergeld tergeld grundsätzlich ausgeschlossen, solange ein Arbeitszeitguthaben besteht. Arbeitszeitguthaben sollten daher vor Beginn der Kurzarbeitsphase grundsätzlich 269 HessLAG v. 14. 3. 1997, NZA-RR 1997, 479. 270 BAG v. 18. 8. 1987 – 1 ABR 30/86 – AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972. 271 DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 131. 272 Ulber, AiB 2007, 5. 273 BAG v. 21. 1. 2003 – 1 ABR 9/02 – NZA 2003, 1097. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 116 29.10.2013 11:16:56
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 117 durch Freizeit oder Auszahlung ausgeglichen werden, um dem Arbeitnehmer den Anspruch auf Kurzarbeitergeld zu erhalten. Hier sind auch die Möglichkeiten zur Kündigung einer bestehenden Betriebsvereinbarung zu prüfen. Kurzarbeit ist ein Instrument der Beschäftigungssicherung und soll insbesondere Kurzarbeit als dazu dienen, Entlassungen zu vermeiden. Beim Abschluss einer Betriebsverein- Beschäftigungs- barung sollte daher darauf geachtet werde, dass betriebsbedingte Kündigungen sicherung – Initiativ- recht des Betriebs- während und in einem bestimmten Zeitraum nach der Kurzarbeitsphase ausge- rats schlossen sind. 274 Im Rahmen seines Initiativrechts kann der Betriebsrat selbst die Einführung von Kurzarbeit verlangen, um Entlassungen vorzubeugen. Hierzu kann er eigenständig bei der Agentur für Arbeit eine Anzeige über den vorüber- gehenden Arbeitsausfall erstatten (§ 99 Abs. 1 SGB III). Das Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung von Kurzarbeit besteht auch, wenn der Arbeitgeber Kündigungen angedroht hat oder im Rahmen einer Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG Entlassungen geplant sind. 275 Macht der Betriebsrat von seinem Initiativ- recht Gebrauch, kann der Arbeitgeber notfalls im Wege der einstweiligen Verfü- gung gezwungen werden, den Ausspruch von Kündigungen zu unterlassen, bis das Mitbestimmungsverfahren zu Einführung von Kurzarbeit abgeschlossen ist. 276 Ob Beschäftigte zur Kurzarbeit verpfichtet sind, richtet sich nach den arbeits- und tarifvertraglichen Bestimmungen. Allein auf Grund seines Direktionsrechts ist der Arbeitgeber nicht befugt, Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung einzu- Rechte des einzel- führen. 277 Fehlen entsprechende Regelungen, kann Kurzarbeit auf Grundlage nen Beschäftigten einer Betriebsvereinbarung eingeführt werden, wenn sie arbeitsvertraglich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. 278 274 Ulber/Unterhinninghofen, ArbR d. Gegenwart (37) 1998, 71. 275 BAG v. 4. 3. 1986 – 1 ABR 15/84 – AiB 1986, 142; DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 134; Schoof, AiB 2011, 729. 276 Schoof, AiB 2011, 729. 277 BAG v. 12. 10. 1994 – 7 AZR 398/93 – NZA 1995, 641. 278 BAG v. 14. 2. 1991 – 2 AZR 415/90 – AP Nr. 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit; Fitting, BetrVG, § 77 Rn. 63. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 117 29.10.2013 11:16:57
118 VII. Mitbestimmung beim Arbeitsschutz Eine Betriebsrätebefragung des WSI im Jahr 2008 hat ergeben, dass die Arbeit in 87 % aller Betriebe durch Zeitdruck, in 47 % durch ein zu hohes Arbeitsvolu- men und in 27 % der Betriebe durch eine mangelnde Planbarkeit der Arbeitszeit geprägt ist. Eine veränderte Gestaltung der Arbeitszeit im Betrieb stellt insoweit ein wichtiges Instrument zum Abbau der bestehenden Belastungen der Beschäf- tigten dar. Das Arbeitsschutzgesetz ist insbesondere im Zusammenhang mit der Gestaltung der Schichtarbeit ein wichtiges Instrument zur Durchsetzung weniger gesund- Arbeitsschutz und heitsgefährdender Arbeitszeiten. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Arbeitszeitgestal- ArbSchG) kann auch die Gestaltung der Arbeitszeit untersucht werden. Nach dem tung ArbSchG und der Unfallverhütungsvorschrift »Grundsätze der Prävention« (BGV A1 bzw. GUV-V A1) sind alle Arbeitgeber – unabhängig von der Anzahl der Beschäf- tigten – verpfichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. § 5 ArbSchG regelt die Pficht des Arbeitgebers zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen und konkretisiert mögliche Gefahrenursachen und Gegen- stände der Gefährdungsbeurteilung, die dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebs- rats unterliegt. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 4 ArbSchG gehören hierzu auch Gefahren, die sich aus der Gestaltung der Arbeitszeit ergeben. Nach § 3 Abs. 3 ArbStättVO ist der Arbeitgeber verpfichtet, das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Arbeitsschutzmaßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung schriftlich zu dokumentieren. Fehlt die schriftliche Dokumentation, kann der Betriebsrat einer Versetzung auf den betreffenden Arbeitsplatz widersprechen. 279 Der Arbeitgeber kann die Gefährdungsbeurteilung selbst durchführen oder andere fachkundige Personen, z. B. Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte, damit beauftragen, wobei die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung der Ergebnisse beim Arbeitgeber verbleibt. 279 Helm/Huber, AuR 2013, 70; a. A. LAG München v. 30. 11. 2011–11 TaBV 62/11. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 118 29.10.2013 11:16:57
Mitbestimmung beim Arbeitsschutz 119 Menschengerechte Gestaltung der Arbeitszeit Nach § 91 BetrVG hat der Betriebsrat zwar ein Initiativ- und Mitbestimmungs- Ansatzpunkte für recht, wenn die Arbeitszeitgestaltung den gesicherten arbeitswissenschaftlichen den Betriebsrat Erkenntnisse offensichtlich widerspricht. Wegen der Fülle von Anwendungsvo- raussetzungen spielt die Vorschrift in der Praxis jedoch so gut wie keine Rolle, zumal nachgewiesen werden muss, dass die Beschäftigten auch noch »besonders belastet« sind. Freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG § 88 BetrVG eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen einer freiwilligen Betriebsver- einbarung zusätzliche Maßnahmen, zu denen der Arbeitgeber nicht ohnehin ver- pfichtet ist, zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen zu vereinbaren. Hierzu gehören auch Maßnahmen einer veränderten Arbeitszeitge- staltung. Durch die Vorschrift wird insoweit klargestellt, dass betriebliche Rege- lungen zum Schutz der Beschäftigten uneingeschränkt zulässig sind. Derartige Regelungen bieten sich insbesondere in den Fällen an, in denen der gesetzliche Arbeitszeitschutz nur unvollkommen geregelt ist (z. B. bei Schichtarbeit nach § 6 Abs. 1 ArbZG) oder die Arbeitszeit generell mit gesundheitlichen Gefahren verbun- den ist (z. B. Nachtarbeit). Der Nachteil der Regelung in § 88 BetrVG besteht darin, dass eine Betriebsver- einbarung nur freiwillig geschlossen werden kann und dem Betriebsrat insoweit kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zusteht. Auch die Tarifverträge enthal- ten meist keine Vorschriften, nach denen eine Betriebsvereinbarung erzwungen werden kann (vgl. § 3 MTV Hessen). Es werden hier jedoch Grundsätze festgelegt, an denen sich die Gestaltung der Arbeitszeit zu orientieren hat. Betriebsvereinbarungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat u. a. ein Mitbestimmungs- und Ini- tiativrecht bei Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzli- chen Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften. Ergibt sich im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung, dass Maßnahmen des Gesundheitsschutzes gemäß § 4 ArbSchG ergriffen werden müssen oder sind festgestellte Gesundheitsgefährdun- gen auf eine zu geringe Personalausstattung zurückzuführen, kann der Betriebs- AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 119 29.10.2013 11:16:57
120 Mitbestimmung beim Arbeitsschutz rat im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auf Abhilfemaßnahmen, einschließlich einer Erhöhung der Personaldecke, drängen. 280 Das Mitbestimmungsrecht besteht nur, wenn Rahmenvorschriften bestehen, die konkretisierungsbedürftig sind. Es ergänzt die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG und hat vor allem in den Fällen eine praktische Bedeutung, in denen Vorschriften zur Arbeitszeit generalklauselartig 281 einen besonderen Arbeitsschutz vorschreiben. Dies ist z. B. nach § 6 Abs. 1 ArbZG bei der Festlegung der Arbeitszeit von Schichtarbeitnehmern nach den »gesicherten arbeitswissen- schaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit« der Fall. Auch besteht das Mitbestimmungsrecht, wenn bei Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst die werktägliche Arbeitszeit nach § 7 Abs. 2a ArbZG ohne Ausgleich über acht Stunden hinaus verlängert wird. Zwingende gesetzli- che Voraussetzung ist hier, dass durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet ist. Die Tarifverträge sehen hier meist keine besonderen Schutzvorschriften vor, so dass eine betriebliche Regelung zum Gesundheitsschutz zwingende Voraussetzung ist, um die Arbeits- zeit auf der Grundlage von § 7 Abs. 2a ArbZG zu regeln. Die Regelung zum beson- deren Gesundheitsschutz ist insoweit Zulässigkeitsvoraussetzung. Auch § 6 Abs. 5 ArbZG enthält für den Belastungsausgleich bei Nachtarbeit (vgl. Kap. III.2.10) eine arbeitsschutzrechtliche Generalklausel, die als Rahmenvor- schrift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst. 282 Voraussetzung ist hier allerdings, dass keine tarifiche Regelung besteht, ob der Ausgleich in Geld oder in Freizeit zu erfolgen hat. Soll der Belastungsausgleich in Form des Freizeit- ausgleichs erfolgen, hat der Betriebsrat auch bei dessen konkreter Ausgestaltung mitzubestimmen. 283 280 Kahl, AiB 2013, 40. 281 Vgl. hierzu DKKW-Klebe, BetrVG § 87 Rn. 217 ff. 282 BAG v. 26. 8. 1997 – 1 ABR 16/97 – AuR 1998, 339 m. Anm. Ulber; Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 275; Busch- mann/Ulber, ArbZG, § 6 Rn. 34. 283 BAG v. 26. 4. 2005 – 1 ABR 1/04 – AuR 2006, 123 m. Anm. Ulber. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 120 29.10.2013 11:16:57
121 VIII. Mitbestimmungsverfahren Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens als Wirksamkeitsvoraussetzung betrieblicher Arbeitszeitregelungen Soweit Regelungen zur Arbeitszeit im Betrieb umgesetzt werden sollen, die der obligatorischen Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG unterliegen, kann der Arbeitgeber die Maßnahme nicht umsetzen, ohne das Mitbestimmungs- verfahren durchgeführt zu haben. Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitge- ber Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts oder dessen Inhalt und Umfang, kann die Frage im Wege eines arbeitsgerichtli- chen Beschlussverfahrens geklärt werden. Das Mitbestimmungsverfahren ist erst abgeschlossen, wenn entweder der Betriebs- Arbeitszeitgestal- rat seine Zustimmung erteilt hat oder ein Einigungsstellenverfahren (bzw. ein Ver- tung erfordert fahren vor einer tarifiche Schlichtungs- oder Einigungsstelle; vgl. z. B. § 24 EMTV vorherige Durchfüh- rung des Mitbestim- NRW) durch eine Vereinbarung oder einen Spruch der Einigungsstelle abgeschlos- mungsverfahrens sen wird (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Anordnungen, die der Arbeitgeber im Rahmen der mitbestimmungspfichtigen Tatbestände von § 87 BetrVG ergreifen will. Ohne den Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens, ist der Arbeitnehmer berechtigt, eine vom Arbeitgeber erteilte Weisung im Bereich der Arbeitszeit zurückzuweisen. Der Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Regelungen zur Arbeitszeit im Betrieb und kann z. B. bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern dazu führen, dass deren Einsatz vollständig unterbleiben muss. Sollen Leiharbeitnehmer innerhalb eines Schichtsystems eingesetzt werden, muss der Arbeitgeber zunächst die Zustimmung des Betriebsrats zu ihrer Zuordnung zu den einzelnen Schichten einholen. 284 Vollzieht der Arbeitgeber eine Maßnahme, ohne dass das Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen ist, steht dem Betriebs- rat ein Anspruch auf Unterlassung zu. 285 Der Unterlassungsanspruch kann auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. 286 Insbesondere in den Fällen, in denen der Arbeitgeber ein Interesse an einer kurzfristig gewünschten Veränderung der betrieblichen Arbeitszeit hat, ist der 284 Ulber/zu Dohna- Jaeger, AÜG, § 14 Rn. 152. 285 BAG v. 3. 5. 1994 – 1 ABR 24/93 – AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972. 286 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 610. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 121 29.10.2013 11:16:57
122 Mitbestimmungsverfahren Betriebsrat kann Betriebsrat wegen des u. U. langdauernden Mitbestimmungsverfahrens in einer Zustimmung an günstigen Verhandlungsposition. Will der Arbeitgeber z. B. Mehrarbeit oder am Bedingungen Wochenende Rufbereitschaft anordnen, kann der Betriebsrat (auch ansonsten knüpfen mitbestimmungsfreie) Gegenforderungen geltend machen, von deren Erfüllung er die Zustimmung abhängig macht. Derartige Koppelungsgeschäfte sind im Rah- men von § 87 BetrVG zulässig, da das Recht zur Zustimmungsverweigerung nicht (wie z. B. nach § 99 Abs. 2 BetrVG) auf bestimmte Gründe beschränkt ist. 287 Vor allem in den Bereichen, in denen sich der Arbeitgeber weigert, freiwillige Verein- barungen abzuschließen (z. B. Vereinbarungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Übernahme von Auszubildenden und Fremdfrmenbeschäf- tigten, Entfristung und Neueinstellungen), kann das Mitbestimmungsrecht so genutzt werden, um Ansprüche der Arbeitnehmer zu erweitern. Initiativrecht des Betriebsrats Betriebsrat kann aus Ebenso wie der Arbeitgeber kann auch der Betriebsrat im Rahmen von § 87 eigener Initiative BetrVG die Initiative ergreifen, um Regelungen zur Arbeitszeit zu erreichen. 288 Regelung fordern Macht der Betriebsrat von seinem Initiativrecht Gebrauch, muss der Arbeitgeber über die Vorschläge mit dem ernsthaften Willen zur Einigung verhandeln. Kommt es zu keiner Einigung, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, die bei Nichteinigung durch Spruch entscheidet (§ 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Von besonderer Bedeutung ist das Initiativrecht, wenn der Arbeitgeber beabsich- tigt, Arbeitnehmern wegen Auftragsmangels zu kündigen. Macht der Betriebsrat hier zur Sicherung der Arbeitsplätze von seinem Initiativrecht zur Einführung von Kurzarbeit 289 Gebrauch, muss der Arbeitgeber zunächst das Mitbestimmungs- verfahren durchlaufen. Dasselbe gilt beispielsweise, wenn der Arbeitgeber zur Umgehung des Mitbestimmungsrechts bei Mehrarbeit Fremdfrmenbeschäftigte als Leiharbeitnehmer oder auf werkvertraglicher Grundlage einsetzen will und der Betriebsrat Mehrarbeit für die Stammbelegschaft beantragt. Hat der Betriebsrat Mehrarbeit für die Stammbelegschaft abgelehnt, ist es dem Arbeitgeber grund- sätzlich verwehrt, ersatzweise Stammbeschäftigte, die parallel einen Arbeitsver- trag mit einer Fremdfrma schließen, als Fremdfrmenarbeitnehmer einzusetzen. 290 287 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 27. 288 BAG v. 8. 8. 1989 – 1 ABR 62/88 – AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht. 289 BAG v. 4. 3. 1986 – 1 ABR 15/84 – AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit. 290 BAG v. 22. 10. 1991 – 1 ABR 28/91 – DB 1992, 686; Ulber/Ulber, J., AÜG, Einl. C Rn. 164. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 122 29.10.2013 11:16:57
Mitbestimmungsverfahren 123 Form der Regelung Ohne den Spruch einer Einigungsstelle ist das Mitbestimmungsverfahren nur Nur Betriebsverein- abgeschlossen, wenn der Betriebsrat entweder der vom Arbeitgeber beantrag- barungen räumen ten Maßnahme zustimmt oder eine Regelungsabrede bzw. Betriebsvereinbarung den Beschäftigten Ansprüche ein abgeschlossen wird. In welcher Form eine Angelegenheit nach § 87 BetrVG gere- gelt wird, steht den Betriebsparteien grundsätzlich frei. 291 Sie richtet sich vor allem nach den Wirkungen, die mit der Regelung erzielt werden sollen. Soll durch die Vereinbarung erreicht werden, dass die Belegschaft unmittelbar berechtigt oder verpfichtet wird, kommt nur der Abschluss einer förmlichen (nach § 77 Abs. 2 BetrVG schriftlichen) Betriebsvereinbarung in Betracht (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Im Unterschied zur Betriebsvereinbarung verpfichtet eine (auch formlos wirksame) Regelungsabrede nur den Arbeitgeber und den Betriebsrat, sich an die getrof- fenen Vereinbarungen zu halten. 292 Die Arbeitnehmer erwerben aufgrund einer derartigen Abrede keine unmittelbaren Ansprüche und sie treffen auch keine unmittelbaren Pfichten. Soweit es nicht um Vorschriften zum Mitbestimmungs- verfahren geht, sollte immer eine förmliche Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, soweit nicht eine reine Einzelfallregelung vorliegt. Durchführungspficht Nach § 77 Abs. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpfichtet, Betriebsvereinbarungen umzusetzen. Dasselbe gilt für Regelungsabreden. Bei vereinbarungswidrigen Unterlassungs- Weisungen steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Ver- anspruch bei stößt der Arbeitgeber gegen seine Durchführungspficht, kann der Betriebsrat Verstößen den Durchführungsanspruch im Wege des Beschlussverfahrens gerichtlich gel- tend machen. 293 Der Anspruch besteht auch, wenn der Arbeitgeber (insbesondere bei Vertrauensarbeitszeit) lediglich ein betriebsvereinbarungswidriges Verhalten einzelner Arbeitnehmer duldet und die Beschäftigten nicht zur Einhaltung der Betriebsvereinbarung anhält. 294 Verstößt der Arbeitgeber gegen Verpfichtungen aus der Betriebsvereinbarung, steht dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zu, der auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann. 295 291 BAG (GS) v. 16. 9. 1986 – GS 1/82 – AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG. 292 BAG v. 24. 2. 1987 – 1 ABR 18/85 – AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972. 293 BAG v. 13. 10. 1987, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, und v. 29. 4. 2004 – 1 ABR 30/02 – NZA 2004, 670. 294 LAG Köln v. 8. 2. 2010, NZA-RR 2010, 303. 295 DKKW-Berg, BetrVG, § 77 Rn. 10. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 123 29.10.2013 11:16:57
124 Mitbestimmungsverfahren Sind in einer Regelungsabrede Regelungen zur betrieblichen Arbeitszeitgestal- tung enthalten, ist der Arbeitgeber wie bei einer Betriebsvereinbarung verpfich- tet, diese Regelungen umzusetzen. Der Betriebsrat kann die Einhaltung der Rege- lungsabrede im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen. 296 Beendigung der Wirkungen von Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit Auf freiwilliger Basis können die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung oder Regelungsabsprache grundsätzlich jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Die Vereinbarung bedarf ggf. der Schriftform (§ 77 Abs. 2 BetrVG) und kann nicht in Form einer Regelungsabrede erfolgen. 297 Ohne eine derartige Vereinbarung enden Betriebsvereinbarungen grundsätz- lich mit Ablauf der Zeit, für die sie abgeschlossen wurden. Ist der Endzeitpunkt erreicht, verliert die Vereinbarung automatisch ihre Gültigkeit, eine Nachwirkung ist ausgeschlossen. Befristete Regelungen sind bei der Arbeitszeit vor allem bei Mehr- und Kurzarbeit üblich oder wenn eine Regelung zunächst nur probeweise im Betrieb eingeführt wird. Im Übrigen ist die Laufzeit von Regelungen zur Arbeitszeit jedoch meist nicht befristet. Sie können dann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, ohne dass es hierbei einer Begründung bedarf (§ 77 Abs. 5 BetrVG). In den mitbe- stimmungspfichtigen Gegenständen von § 87 BetrVG gelten die Bestimmungen von gekündigten Arbeitszeitvereinbarungen jedoch nach § 77 Abs. 6 BetrVG wei- ter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Auch eine Regelungsabrede endet mit dem in ihr festgelegten Zeitpunkt. Soweit kein Beendigungszeitpunkt vereinbart ist, kann sie mit einer Frist von drei Mona- ten gekündigt werden. In mitbestimmungspfichtigen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG wirken ihre Regelungen ggf. nach. Neben der Kündigung steht dem Betriebsrat auch ein Anspruch zu, die Regelungsabrede durch eine förmliche Betriebsvereinbarung zu ersetzen. Dasselbe gilt, wenn sich eine Regelungsab- rede als unzweckmäßig erweist. Auch hier kann der Betriebsrat die Umwandlung der Regelungsabrede in eine förmliche Betriebsvereinbarung verlangen. 298 296 BAG 23. 6. 1992 – 1 ABR 53/91 – NZA 1992, 1098. 297 DKKW-Berg, BetrVG, § 77 Rn. 93. 298 BAG v. 8. 8. 1989 – 1 ABR 62/88 – AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Initiativrecht. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 124 29.10.2013 11:16:57
125 IX. Gestaltung der Arbeitszeit Bei der betrieblichen Gestaltung der Arbeitszeit ist zunächst der Rahmen, den Tarifverträge Tarifverträge setzen, zu prüfen. Gibt es keinen geltenden Tarifvertrag, ergeben sich die Grenzen der Arbeitszeitgestaltung aus den arbeitsvertraglichen Abspra- chen unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen zur Arbeitszeit. Damit Betriebsräte ihr Mitbestimmungsrecht nutzen können, ist es wichtig, dass sie umfassende Informationen haben (vgl. Kap. V.1). Zur Arbeitszeit sollte in Betriebsvereinbarungen geregelt sein, dass Betriebsräte Informationen mindestens monatlich folgende Unterlagen erhalten bzw. einen Zugang zu die- sen Inhalten haben: • Einsicht in die Arbeitszeitkonten und Zeiterfassung • Aufstellung der Stunden, Erfassung gekappter Stunden • Verfall von Arbeitszeiten • Überstunden und Mehrarbeit • Personalkapazitäten • Arbeitszeit in Verbindung mit Leistungsvorgaben Übergreifende Regelungsinhalte für Betriebsvereinbarungen: Regelungsinhalte für • In Betriebsvereinbarungen sollten immer auch Regelungen enthalten sein, die Betriebsvereinba- Verstöße gegen die Inhalte der Betriebsvereinbarung sanktionieren. rungen • Betriebsvereinbarungen sollten Konfiktlösungsmechanismen, d. h. Verfahren für Konfikte (verschiedener Eskalationsstufen) beinhalten. • Darüber hinaus, kann beispielsweise die Bildung einer betrieblichen paritäti- schen Kommission (zwei Arbeitgeber- + zwei Arbeitnehmervertreter/-innen) sinnvoll sein. Ihre Aufgabe könnte neben der Lösung von Konfikten auch sein, dass sie die Umsetzung arbeitswissenschaftlicher und ergonomischer Empfeh- lungen zur Gestaltung der Arbeitszeit bei Verhandlungen und der Vereinbarung von Betriebsvereinbarungen einfießen lässt. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 125 29.10.2013 11:16:57
126 Gestaltung der Arbeitszeit 1. Checkliste zur Arbeitszeitregelung in Betriebsvereinbarungen Checkliste zur Als Hilfestellung und Anregung zur Vorbereitung einer Betriebsvereinbarung gibt Arbeitszeit die folgende Checkliste Hinweise: 299 • Für welchen Bereich soll die Arbeitszeitregelung gelten? • Bestandsaufnahme für die bisherigen Arbeitszeitsysteme: Wie ist die Zufrie- denheit der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen? • Wie häufg werden Überstunden beantragt und durchgeführt? • Wie ist die Lage der Arbeitszeit(en)? • Wie ist die bisherige Arbeitszeitkultur im Betrieb? • Welche Wünsche haben die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Hinblick auf die Neugestaltung der Arbeitszeit? • Welche Vorgaben beinhaltet der entsprechende Tarifvertrag zur Arbeitszeit (Dauer, Verteilung auf die Wochentage, Regelungen zu Arbeitszeitkonten usw.)? • Welche gesetzlichen Grenzen für die Dauer, die Sonn- und Feiertagsarbeit, die Ruhezeiten, die Pausen usw. sind zu beachten? • Wie würden sich die geplanten Regelungen auf das Entgelt auswirken? • Welche Defnitionen von Mehrarbeit, Überstunden, Nachschichtzuschlägen werden angewendet bzw. müssten angewendet werden? • Hätte die Neugestaltung Auswirkung auf die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb, z. B. weniger Beschäftigte durch Erhöhung der Arbeitszeit; geringere Schichtbesetzung? • Wie sollen die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen in die Gestaltung der Arbeits- zeit einbezogen werden? Fragebogenaktion, Arbeitsgruppen, Abteilungsver- sammlungen usw. • Soll das neue Arbeitszeitsystem zunächst erprobt werden? Wenn ja, wie wird die Probephase ausgewertet? Welche Arbeitszeitregelung fndet Anwendung, wenn das neue Arbeitszeitsystem nicht fortgesetzt werden soll? • Welche Auswirkungen hat das neue System auf die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, vor allem Familie? • Wie wird das neue System eingeführt? Schulungen für Vorgesetzte und Beschäftigte? Beteiligung des Betriebsrats hieran, gemeinsames Konzept mit der Geschäftsführung. • Welche Verfahrensregelungen bei Konfikten zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gibt es? • Welche Regelungen zur Überprüfung der Arbeitszeiten gibt es? 299 In Anlehnung an: Däubler, Kittner, Klebe, Wedde (Hrsg.), Formularbuch, Bund-Verlag, 2010, S. 328/329. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 126 29.10.2013 11:16:58
Gestaltung der Arbeitszeit 127 • Welche Sanktionsmechanismen sind geregelt bei Nicht-Einhaltung der Be- triebsvereinbarung(en)? Arbeitszeitkonten Arbeitszeitkonten • Vorgaben des Tarifvertrags für die Gestaltung von Arbeitszeitkonten? • Bandbreite des Arbeitszeitkontos für Zeitguthaben und Zeitschulden? • Ausgleichszeitraum, in dem die Durchschnittsarbeitszeit erreicht werden soll? • Was passiert mit Guthaben am Ende des Ausgleichszeitraums? Kein Verfall von Zeitguthaben! Übertragung; Auszahlung; Überführung in ein tarifiches, ein betriebliches Altersvorsorgesystem; Einbringung in ein Langfrist- oder Lebens- arbeitszeitkonto? Umwandlung von Zeitguthaben in Freistellung für Weiterbil- dung? • Wer verfügt über das Arbeitszeitkonto? Nur der Arbeitgeber? Nur die Arbeitneh- mer/innen? Beide, wenn ja zu welchen Teilen? • Behandlung von Zeitguthaben und Schulden am Ende des Arbeitsverhältnisses (Verbot des Verfalls, Auszahlung, Vererbbarkeit)? • Abgrenzung von normaler Arbeitszeit und Mehrarbeit im Arbeitszeitkonto? AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 127 29.10.2013 11:16:58
128 Gestaltung der Arbeitszeit 2. Schichtarbeit Nach § 6 ArbZG ist Schichtarbeit nach den gesicherten arbeitswissenschaftli- chen Erkenntnissen über menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (vgl. Kap. VI.2.2). Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat er auch in Fragen des betrieblichen Gesundheitsschutzes mitzubestimmen (vgl. Kap. VII.). Arbeitsschutzgesetz In Verbindung mit dem ArbSchG, das den Arbeitgeber zu einer ständigen Verbes- serung des Gesundheitsschutzes und zu einer Minimierung der Gesundheitsge- fährdung verpfichtet, kann der Betriebsrat die bestehenden Schichtmodelle einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG unterziehen lassen. Wird dabei festge- stellt, dass die aktuellen betrieblichen Regelungen nicht den gesicherten arbeits- wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, ist der Arbeitgeber zur Abhilfe und Optimierung der Arbeitszeitgestaltung verpfichtet. Da dem Betriebsrat in zentralen Belangen der Gefährdungsbeurteilung ein Mit- bestimmungsrecht zusteht, kann er bei der Neugestaltung des Schichtsystems sowie bei der durch das Arbeitsschutzgesetz vorgesehenen Erfolgskontrolle mit- bestimmen 300 (vgl. Kap. III.2.10 und VI.2.2). Checkliste zur Checkliste zur Schichtarbeit: 301 Schichtarbeit • Entspricht das jetzige Schichtsystem arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über Schichtarbeit? Regelungen für den Wechsel zwischen den Schichten (ein- schl. evtl. fnanzieller Folgen) • keine Dauernachtschichten, Begrenzung der Nachtarbeit • Vorwärtsrotation Früh-Spät-Nacht im kurzen Wechsel von zwei bis drei Tagen, höchstens zwei Nachtschichten nacheinander • Langschichten am Wochenende? Länge der Freizeitblöcke? • Übergabezeiten • Planbarkeit der Arbeitszeit, Ankündigungsfristen für Änderung des Schicht- plans • Im Voraus feststehende Schichtpläne, Verfahren für Wechsel zwischen den Plä- nen und Ankündigungsfrist • Regelungen zu Mehrarbeit: freiwillig oder verpfichtend, Begrenzung der Mehr- arbeit • Schichtplan mit Zeiten, Pausenregelungen 300 BAG v. 8. 6. 2004 – 1 ABR 04/03 und 1 ABR 13/03 – AiB 2005, 252. 301 In Anlehnung an: DKKW (Hrsg.), Formularbuch, Bund-Verlag, 2010, S. 3229/330. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 128 29.10.2013 11:16:58
Gestaltung der Arbeitszeit 129 • bei Verknüpfung mit Arbeitszeitkonto • Teilzeitbeschäftigte im Schichtsystem: Jahresteilzeit mit Stundenkontingent: Mehrarbeit über den vereinbarten Rahmen, Bezahlung, Planbarkeit • Schichtzulagen • Besetzung der Schichten, Personalreserve, Springerregelung • Wie wird sichergestellt, dass die Arbeitszeit eingehalten wird bzw. dass Arbeits- zeitkonten abgebaut werden? • Wie wirkt sich die Schichtregelung auf die Personalbemessung aus? • Soll das Arbeitszeitsystem zunächst testweise eingeführt werden? Auswertung der Erfahrungen, Regelungen für den Fall, dass Modell nicht fortgeführt wird • Regeln für den Tausch von Schichten: Versetzung zwischen Schichten, Auswir- kungen auf Entgelt, Folgen bei Wechsel des Schichtsystems (z. B. von Drei- auf Zweischichtsystem); • Auszahlung von Zuschlägen in Zeit, hilfsweise in Geld oder gemischt? • Verpfegung während der Schichten? Kantinenöffnungszeiten? • Teilnahme an Weiterbildungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer im Schichtsystem regeln • Möglichkeiten bei gesundheitlichen Problemen von Schichtbeschäftigten, insbesondere mit Nachtschicht auf andere Arbeitsplätze zu wechseln (vgl. § 6 Abs. 4 ArbZG) • Angebote für Vorsorgeuntersuchungen (siehe § 6 Abs. 3 ArbZG). Schichtpläne nach arbeitswissenschaftlichen Kriterien gestalten: 302 Arbeitswissenschaft- • die Anzahl der hintereinander liegenden Nachtschichten sollte möglichst klein liche Kriterien sein (max. drei) • auch Früh- und Spätschichten sollten schnell rotieren (ein bis drei Tage) • Nachtschichten sollten möglichst früh enden (zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr) • nach einer Nachtschichtphase sollte eine möglichst lange Ruhephase folgen • der Vorwärtswechsel (Früh-Spät-Nacht) sollte bevorzugt werden • ungünstige Schichtfolgen sollten vermieden werden • die Anzahl der hintereinander liegenden Frühschichten sollte möglichst klein sein • die Frühschicht sollte nicht zu früh beginnen • geblockte Wochenendfreizeiten sollten gewährt werden • die Schichtdauer sollte von der Arbeitsschwere abhängig sein • eine Massierung der Arbeitszeit (mehr als acht Stunden täglich) ist zu vermeiden 302 Vgl. IG Metall, Arbeitszeit TÜV, Arbeitshilfe 25, 2009, S. 15 AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 129 29.10.2013 11:16:58
130 Gestaltung der Arbeitszeit • kurzfristige Schichtplanänderungen sind zu vermeiden • Schichtarbeiter/innen sollten kürzere Arbeitszeiten haben • mindestens ein freier Abend pro Woche zwischen Montag und Freitag 2.1 Mögliche Inhalte für eine Betriebsvereinbarung zur Schichtarbeit Schichtpläne Schichtpläne • Die Schichten sind vorwärts rollierend (früh, spät, Nacht). • Eine Schichtfolge umfasst maximal drei Tage. • Schicht- und Dienstpläne müssen dem Betriebsrat spätestens sechs Wochen vor Monatsbeginn zur Durchführung seiner Mitbestimmung nach § 87 BetrVG vorgelegt werden. • Der Schichtplan wird mindestens für die Dauer eines Kalendermonats erstellt. • Der Schichtplan muss mindestens folgende Angaben enthalten: — Name des/der Beschäftigten — vorgesehene Arbeitszeiten des/der Beschäftigten – zugeordnet einem Kalendertag in dem jeweiligen Monat — monatliche Sollarbeitszeiten jedes bzw. jeder einzelnen Beschäftigten — Urlaubstage — vorhersehbare Fehlzeiten. • Der Betriebsrat befasst sich innerhalb einer Woche nach Zugang mit den vorlie- genden Schichtplänen. • Der Betriebsrat macht in Zusammenarbeit mit den Beschäftigten eigene Schichtplanvorschläge. • Stimmt der Betriebsrat einem vorgelegten Schichtplan nicht zu, ist binnen vier Tagen ein neuer Schichtplan zu erstellen und dem Betriebsrat vorzulegen. Schichtplan- Schichtplanänderungen änderungen • Der Arbeitgeber holt beim Betriebsrat die Zustimmung zu den Schichtplänen ein. • Alle Schichtplanänderungen müssen vorab beim Betriebsrat beantragt werden. • Sollten Änderungen in den bereits genehmigten Schichtplänen entstehen, müs- sen diese wie folgt dem Betriebsrat vorgelegt werden: Urlaubstage, krankheitsbedingte und andere Fehlzeiten sowie Schichttausch und Änderungen der persönlichen Arbeitszeiten auf Wunsch der Beschäftigten werden dem Betriebsrat mit der Bitte um Prüfung und Zustimmung vollständig vorgelegt (Wirksamkeitsvoraussetzung). • In allen Fällen sind die Bestimmungen des ArbZG und Tarifvertrages einzuhalten. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 130 29.10.2013 11:16:58
Gestaltung der Arbeitszeit 131 Arbeitszeit Arbeitszeit • Die regelmäßige Arbeitszeit umfasst ������ Stunden. • Die tägliche Arbeitszeit darf ���� Stunden nicht überschreiten. Bei Nachtarbeit gilt grundsätzlich die Höchstarbeitszeit von acht Stunden (§ 6 Abs. 2 Satz 1 ArbZG). Pausen Pausen • Die Pausenzeit umfasst mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Beschäf- tigte nicht ohne Ruhepause arbeiten (§ 4 ArbZG). • Bei Drei- oder Mehrschichtsystemen werden die Pausen (insgesamt mindes- tens 30 Minuten) bezahlt. Die Pausen können aufgeteilt werden (mindestens 15 Minuten). Pausen von weniger als 15 Minuten gelten als vergütungspfichtige Arbeitszeit. • Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist eine ununterbrochene Ruhe- pause von mindestens elf Stunden zu gewähren. • Die Ruhepausen bei einem Wechsel von der Tag- zur Nachtschicht betragen mindestens 48 Stunden. Urlaub Urlaub • Die Beschäftigten haben 30 Arbeitstage bezahlten Jahresurlaub (Grundlage Arbeitstage Montag bis Freitag), soweit Tarifverträge dies vorsehen. • Für alle Urlaubsanträge die einen Zeitraum betreffen, der noch nicht mit einem genehmigten Schichtplan abgedeckt ist, gelten die Arbeitstage Montag bis Frei- tag als einzureichende Urlaubstage. Daher muss vom Arbeitgeber das Wochen- ende vor und nach dem Urlaub freigehalten werden. In beiderseitigem Einver- ständnis kann an den freizuhaltenden Wochenenden gearbeitet werden, wenn dies turnusgemäß so vorgesehen wäre/ist. Wochenende Wochenende • Beschäftigte haben Anspruch auf mindestens zwei arbeitsfreie Wochenenden pro Monat. • Als arbeitsfreies Wochenende gilt die Zeit von Freitag von 20.00 Uhr bis Montag 7.00 Uhr. Bei Nachtschicht gilt die Zeit von Samstag 6.00 Uhr bis Montag 18.00 Uhr als freies Wochenende. Medizinische Untersuchungen Medizinische Unter- • Alle Beschäftigten, die in regelmäßigen Wechsel- oder Nachtschichten arbeiten, suchungen sind vor Aufnahme ihrer Tätigkeit auf Schichttauglichkeit bei freier Arztwahl zu untersuchen. Die Kosten hierfür übernimmt der Arbeitgeber. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 131 29.10.2013 11:16:58
132 Gestaltung der Arbeitszeit • Folgeuntersuchungen sind erstmals nach einem Jahr, danach jährlich durchzu- führen. • Die Schichttauglichkeit bzw. Schichtuntauglichkeit ist arbeitsmedizinisch fest- zustellen. Verdienstsicherung Verdienstsicherung • Beschäftigten, die nach arbeitsmedizinischer Sicht schichtuntauglich sind, wird (ggf. auch nach Durchführung von Umschulungsmaßnahmen) eine vergleich- bare Stelle angeboten, soweit ein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist. • Steht kein vergleichbarer Arbeitsplatz zur Verfügung, muss dem Beschäftigten eine verfügbare, im Ausnahmefall auch niedriger eingruppierte Stelle angebo- ten werden. In diesem Fall wird der Verdienst für mindestens ein Jahr gesichert. Schichtwechsel Wechsel von Schichtarbeit in Normalschicht • Beschäftigte, die regelmäßig in Schichtarbeit (Mehrschichtarbeit, Nachtschicht- arbeit) tätig sind, werden im Rahmen der Besetzung von Stellen in einer für sie günstigeren Schichtform bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Dies ist vor allem bei alleinerziehenden Eltern zu prüfen. • Spätestens ab dem 55. Lebensjahr soll die Möglichkeit bestehen, keine Schicht- arbeit mehr zu leisten. Im Rahmen der Personalplanung ist dies frühzeitig zu berücksichtigen. Zuschläge Zuschläge für Nacht- und Schichtarbeit (unterschiedliche Regelungen in Tarifver- trägen beachten) • Zuschlagspfichtige Nachtarbeit ist die zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleis- tete Arbeit (je nach Tarifvertrag unterschiedlich, z. B. im MTV-NRW; anders aller- dings in § 9.4 MTV NW/NB: zwischen 19.00 und 6.00 Uhr). • Regelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie mindestens fünf Arbeitstage (jähr- lich) umfasst. Unregelmäßige Nachtarbeit liegt vor, wenn sie weniger als fünf Arbeitstage umfasst. • Endet die Arbeitszeit nach 6.00 Uhr, ist der Nachtzuschlag bis zum Ende der Arbeitszeit zu zahlen, vorausgesetzt, dass mindestens die Hälfte der Arbeitszeit in die Nachtzeit fällt. • Die Beschäftigten erhalten folgende Zuschläge, sofern dies nicht tarifvertrag- lich anders geregelt ist (Tarifvorrang!): — grundsätzlich hat Freizeitausgleich bei Nachtarbeit Vorrang (§ 6 Abs. 5 ArbZG) — Nachtarbeit, soweit nicht unregelmäßige bzw. regelmäßige Nacht- oder Nachtschichtarbeit vorliegt: 50 % Zuschlag — regelmäßige Nachtarbeit oder regelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht: 12,5 % Zuschlag AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 132 29.10.2013 11:16:58
Gestaltung der Arbeitszeit 133 — unregelmäßige Nachtarbeit oder unregelmäßige Wechselschichtarbeit in der Nacht: 20 % Zuschlag — Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen, an dem im Betrieb regelmäßig gearbeitet wird: 150 % Zuschlag — Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen, an dem im Betrieb regelmäßig nicht gearbeitet wird: 100 % Zuschlag — Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen: 100 % Zuschlag. Konfiktlösung Konfikte • Für die Konfiktlösung sollte eine Regelung getroffen werden. Je nach den jeweils geltenden Tarifverträgen sind diese unterschiedlich zu regeln. • Wenn möglich sollte eine betriebliche paritätische Kommission vorgeschaltet und die Einbeziehung eines gewerkschaftlichen Vertreters vorgesehen werden. • Die im Schlichtungsverfahren getroffenen Entscheidungen und Vereinbarungen sind verbindlich. Der Rechtsweg wird jedoch offengehalten. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 133 29.10.2013 11:16:58
134 Gestaltung der Arbeitszeit 3. Gleitende Arbeitszeit und Arbeitszeitkonten Ziele Ziele für die Gestaltung von fexibler Arbeitszeit: 303 • Zeitsouveränität der Beschäftigten (fexibler täglicher Beginn und Ende, durch- setzbare Entnahmerechte) • Beschäftigungssicherung (Flexibilität statt Überstunden, Kurzarbeit oder Ent- lassungen) • möglichst große (reguliert fexible) Stammbelegschaft (statt starre Stamm- plus fexible Randbelegschaft) • Sicherung 35-Stunden-Woche durch fexible Handhabung in klaren Grenzen • Grundsatz des Freizeitausgleichs, möglichst wenig Auszahlung von Mehrarbeit einschließlich der Zuschläge, keine Auszahlung von Konten • kein Verfall von Arbeitszeit • Wochenendarbeit soll Ausnahme- und Sonderarbeitszeit bleiben • Sicherung tarificher Zuschläge für belastende Arbeitszeit • alters- und familiengerechte Zeitwahlmöglichkeiten • Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit, Aufzeichnungspficht des Arbeitgebers • keine Vertrauensarbeitszeit Grundsätze Grundsätze der Zeitkontengestaltung: 304 • eindeutige Zweckbestimmung und Trennung der verschiedenen Zeitkonten (Gleitzeitkonten, fexible Arbeitszeitkonten, Langzeitkonten usw.) • klare Trennung, ob der/die Beschäftigte und/oder der Betrieb unter Mitbestim- mung des Betriebsrats über Auf- und Abbau bestimmen • entsprechend der unterschiedlichen Zweckbestimmung müssen getrennte Regelungen getroffen werden für Gleitzeitkonten, fexible Arbeitszeitkonten und Langzeitkonten • Höhe der Stundengrenzen sollte betrieblich unterschiedlich geregelt werden entsprechend den unterschiedlichen Zwecken und Rahmenbedingungen (z. B. Erfahrungen mit realen Abbaumöglichkeiten, mit Konjunktur- oder Produktzyk- len, mit der Personalplanung etc.) — möglichst selbstregulierendes System (»Ampelregelungen«), Grenzverlet- zungen sind zu vermeiden durch zeitnahe Steuerung auf allen Ebenen — abgesicherte Mitbestimmung und Einfuss des Betriebsrats auf Personal- planung — Betriebsrat weniger als »Einzelfall-Polizist«, mehr als System-Durchsetzer und Unterstützer von Selbstregulierung (dennoch Schutz vor Selbstaus- 303 Vgl. IG Metall Baden-Württemberg, Geleistete Arbeit muss bezahlt werden, Handlungsempfehlun- gen gegen den Verfall von Arbeitszeit, 2011, S. 18. 304 Vgl. a. a. O., 2011, S. 18. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 134 29.10.2013 11:16:59
Gestaltung der Arbeitszeit 135 beutung z. B. bei Vertrauensarbeitszeit vorbeugende und sanktionierende Regelungen vereinbaren) — Belastung der Beschäftigten überprüfen entsprechend der Materialien zum »Arbeitszeit-TÜV« (http://www.igmetall.de/themen/gutearbeit/ arbeitszeittuev.html) Für die Gestaltung fexibler Arbeitszeitsysteme wie gleitende Arbeitszeiten und Gestaltung Arbeitszeitkonten sind folgende Eckpunkte wichtig: 305 • Flexi-Zeiten dürfen nicht zu überlangen Arbeitszeiten führen. Deshalb Regulie- rung der Arbeitszeiten zum Schutz vor Überforderung: tägliche und wöchentli- che Arbeitszeit von in der Regel höchstens acht bzw. 40 Stunden. • Belastungsnahe Zeitausgleiche in Form von freien Tagen zur Resynchronisation (mit der »inneren Uhr«) ermöglichen, hohe Bedeutung etwa bei Projektarbeit, Montagetätigkeit und Dienstreisen. • Variabilität von Lage und Dauer der Arbeitszeit in engen Grenzen halten. Des- halb Zeitguthabenaufbau begrenzen und Servicezeiten regeln. • Verlässlichkeit und Planbarkeit der Arbeitszeiten durch angemessene Ankündi- gungsfristen sicherstellen. • Gestaltungsspielräume für Beschäftigte durch individuelle Verfügungsrechte sichern. • Flexi-Zeiten sollen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung verpfichtend auf ihre Risiken beurteilt und ggf. korrigiert werden. Daraus ergeben sich für die Gestaltung von Arbeitszeitkonten einige Rahmenbe- Rahmen dingungen, die für alle Kontenarten gültig sind: 306 • Erfassung aller gearbeiteten Zeit, auch »verfallender« Zeit • monatliche Kontenstandübersicht für Beschäftigte und Betriebsrat • verdichtete Kennzahlen für Arbeitszeitcontrolling bezogen auf Abteilungen und Betriebsteile für Betriebsrat, Vorgesetzte und Beschäftigte • »Ampelregelungen« zur Steuerung, um bei Erreichen von defnierten Stunden- volumina weitere Maßnahmen (Abbau von Stunden, Kapazitätsausgleich, Ein- stellungen etc.) verbindlich durchzuführen • für alle Konten (außer Langzeit) sind Nulldurchgänge durchzuführen • für Abrechnungskonten aus ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit nach den jeweiligen Manteltarifverträgen (inkl. Gleitzeit) sind Nulldurchgänge tarifiche Pficht im Rahmen des Ausgleichszeitraums (sechs Monate bzw. zwölf Monate) • transparente Personalplanung und Mitsprache des Betriebsrats 305 Vgl. IG Metall, Arbeitszeit TÜV, Arbeitshilfe 25, 2009, S. 16. 306 Vgl. IG Metall Baden-Württemberg, Geleistete Arbeit muss bezahlt werden, Handlungsempfehlun- gen gegen den Verfall von Arbeitszeit, 2011, S. 19 AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 135 29.10.2013 11:16:59
136 Gestaltung der Arbeitszeit • jährliche Bilanzgespräche zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Wirk- samkeit des Arbeitszeitmanagements • Zeitkontengespräche auf Bereichsebene, Qualifzierung zu Arbeitszeitmanage- ment für Vorgesetzte, Beschäftigte und Betriebsrat • Sicherstellung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und ggf. Vetorecht des Betriebsrats bei Missbrauch (z. B. Entzug der Kontenberechtigung für Abtei- lungen oder Beschäftigte) • Insolvenzsicherung ab der ersten Stunde für Langzeitkonten (Voraussetzung für die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung) • Bei Flexi-Konten Insolvenzsicherung anstreben, z. B. ab defniertem Stundenvolu- men im Bereichsdurchschnitt aller geführten Konten (zusätzlich zur individuellen Überschreitung der 300 Stunden wie beispielsweise im MTV NW-NB geregelt) • Für die Art der Insolvenzsicherung sollte angestrebt werden, dass — im Insolvenzfall Ansprüche der Beschäftigen an einen unternehmensexter- nen Insolvenzsicherungsdienstleister bestehen (Bilanzrückstellungen des Arbeitgebers oder Patronatserklärungen der Konzernobergesellschaft sind als Insolvenzsicherung verboten); — dieser Dienstleister nicht nur die Verwaltung des zu sichernden Wertes, sondern auch die Abwicklung im Insolvenzfall übernimmt (vgl. als Beispiel http://www.sima-gmbh.de). • Betriebsvereinbarungen zu ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit sind nach den MTV Metall- und Elektroindustrie erzwingbar, die Einrichtung von Flexi-Konto und Langzeitkonto ist nur aufgrund freiwilliger Betriebsvereinba- rung zu regeln, d. h. keine Seite kann dazu gezwungen werden. Probleme Bei der Gestaltung betrieblicher Vereinbarungen von Gleitzeit- und Arbeitszeit- konten können Problemstellungen auftreten, die innerbetrieblich unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu regeln sind: 307 • Festlegung eines täglichen Zeitrahmens für die Gleitzeit (= Zeitraum zwischen frühestmöglichem Arbeitsbeginn und spätestmöglichem Arbeitsende, auch Rahmenarbeitszeit genannt, z. B. 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr) • Dauer der täglichen individuellen Höchstarbeitszeit (gemäß § 3 Satz 2 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit zehn Stunden nicht überschreiten) • Festlegung der Dauer der täglichen Sollarbeitszeit (z. B. sieben Stunden) für den Fall, dass die Gleitzeitregelung aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht zur Anwendung kommt; ggf. auch Fest- 307 Auszug und Ergänzungen: »Formularbuch Arbeitsrecht: Checklisten und Mustertexte«, herausgege- ben von Kittner/Zwanziger/Deinert, erschienen im Bund-Verlag. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 136 29.10.2013 11:16:59
Gestaltung der Arbeitszeit 137 legung von Beginn und Ende der für den Betrieb/die Betriebsleitung oder den einzelnen Arbeitnehmer festgelegten Sollarbeitszeit • Dauer der Kernarbeitszeitspanne, innerhalb derer Arbeitspficht/Anwesenheits- pficht besteht (= Zeitraum zwischen spätestmöglichem Arbeitsbeginn und frühestmöglichem Arbeitsende, z. B. 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr; zur Kernzeitent- nahme siehe unten) oder Festlegung einer täglichen Mindestarbeitszeit (z. B. 5,5 Stunden) • Dauer der täglichen Gleitzeitspanne, innerhalb derer die Arbeitnehmer Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können (z. B. zwei Stunden vor Beginn und zwei Stunden nach Ende der Kern- bzw. Mindestarbeitszeit) • Höchstgrenzen für Gleitzeitguthaben und -schulden (z. B. je 16 Stunden) • Ausgleich von Zeitguthaben und -schulden und Verbot von Arbeitzeitverfall • Recht des Arbeitnehmers, auch die in der Kernarbeitszeit liegende Arbeitszeit zum Abbau von Gleitzeitguthaben zu verwenden (Kernzeitentnahme) • Abgrenzung von Gleitzeit und zuschlags- bzw. zustimmungspfichtiger Mehrar- beit • Dauer und zeitliche Lage der Ruhepausen (für nicht genommene Pausen erfol- gen keine Zeitgutschriften) • Handhabung von ggf. einschlägigen tarifichen und gesetzlichen Regelungen über die bezahlte Freistellung von der Arbeit (z. B. für einen erforderlichen Arzt- besuch) • Handhabung von Arbeitszeit, die wegen Krankheit, Urlaub und sonstiger bezahlter Freistellung ausfällt: Wird nur die durchschnittliche Sollarbeitszeit gutgeschrieben oder wird die Differenz zwischen der durchschnittlichen Soll- arbeitszeit und der tatsächlichen Arbeitszeit, die ohne Krankheit, Urlaub und sonstigen bezahlten Freistellungen gearbeitet worden wäre, »angespart«? • Reisezeiten grundsätzlich vergütungspfichtige Arbeitszeit (Tarifverträge beach- ten vgl. Kap. IV.7.4) • Regelung für den Fall ganztägiger Dienstreisen und Dienstgänge (Beispiel: Reise- zeiten werden bis zum Erreichen der täglichen Sollarbeitszeit gutgeschrieben. Die tägliche Sollarbeitszeit beträgt: ���� Stunden. Sofern bei Dienstreisen Arbeits- zeit bis zu zehn Stunden anfällt, erfolgt auf Antrag entsprechende Zeitgutschrift) • Pficht der Beschäftigten zur Benutzung der Zeiterfassungsgeräte bzw. Auf- zeichnung der Arbeitszeiten (insbes. bei Vertrauensarbeitszeit!) • Art der Zeiterfassung und die Form der Aufzeichnung der über acht Stunden werktäglich hinausgehenden Arbeitszeit (§ 16 Abs. 2 ArbZG) • ggf. Sonderregelung für Teilzeitbeschäftigte, z. B. Teilzeitbeschäftigte können in Abstimmung mit dem Vorgesetzten eine variable wöchentliche Arbeitszeit- gestaltung im Rahmen der gesetzlichen und tarifichen Bestimmungen vorneh- men. Die Bestimmung der täglichen Sollarbeitszeit erfolgt durch Anwendung eines prozentualen Teilzeitfaktors. Die tatsächliche tägliche Arbeitszeit wird AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 137 29.10.2013 11:16:59
138 Gestaltung der Arbeitszeit durch das Zeiterfassungssystem mit der täglichen Sollarbeitszeit verglichen. Differenzen werden als Zeitgutschrift oder Zeitschuld erfasst und im Gleitzeit- saldo fortgeschrieben. Zustimmungs- und zuschlagspfichtige Mehrarbeit liegt erst vor, wenn die tägliche Sollarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte überschritten wird (z. B. § 6.1 MTV Hessen: wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden). 3.1 Regelungen für eine Gleitzeitvereinbarung Eckpunkte Eckpunkte für eine Betriebsvereinbarung zur fexiblen Arbeitszeit: 308 Kernarbeitszeit Kernarbeitszeit Die tägliche Kernarbeitszeit beginnt um ���� Uhr und endet um ���� Uhr. In die- ser Zeit besteht grundsätzlich Anwesenheitspficht. 309 Die Kernarbeitszeit beträgt fünf Stunden ohne Pausen. In der Zeit von ���� Uhr bis ���� Uhr ist eine halbstündige Pause. Bei Teilzeitbeschäftigten wird die Kernarbeitszeit entsprechend der vertraglichen Arbeitszeit einzelvertraglich vereinbart. Rahmenarbeitszeit Rahmenarbeitszeit Die Rahmenarbeitszeit bezeichnet den frühestmöglichen Arbeitsbeginn und das spätestmögliche Ende der Arbeitszeit der in Gleitzeit Beschäftigten. 310 Sie beginnt um ���� Uhr und endet um ����� Uhr. In diesem Zeitrahmen können die Beschäftigten Beginn und Ende der Arbeitszeit unter Beachtung der Kernarbeitszeit täglich selbst festlegen. Die betriebliche Rahmenarbeitszeit für in Normalschicht tätige Arbeitnehmer/in- nen beginnt um ���� Uhr und endet um ���� Uhr. Für in Frühschicht tätige Arbeitnehmer/innen beginnt die Rahmenarbeitszeit um ���� Uhr und endet um ���� Uhr. Bei der Spätschicht ist Beginn der Rahmenarbeitszeit um ���� Uhr und Ende um ���� Uhr. 308 In Anlehnung: IG Metall Baden-Württemberg, Geleistete Arbeit muss bezahlt werden, Handlungs- empfehlungen gegen den Verfall von Arbeitszeit, Betriebsvereinbarung Gestaltungseckpunkte von RA Dieter Stang, 2011. 309 Arbeitgeber wollen möglichst lange Kernzeiten, lange Kernzeit bedeutet wenig Zeitsouveränität, per- sönliche Freiheit steigt bei kurzer Kernzeit. 310 Arbeitgeber wollen lange Rahmenarbeitszeit, da damit längere Öffnungszeiten oder Maschinenlauf- zeiten erreicht werden können, dies erhöht den Druck auf Beschäftigte länger zu bleiben oder früher zu kommen, für Beschäftigte erhöht dies z. T. die Zeitsouveränität. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 138 29.10.2013 11:16:59
Gestaltung der Arbeitszeit 139 Die Zuordnung zu den verschiedenen Schichten ergibt sich aus der beigefügten Anlage. Sofern nichts Abweichendes vereinbart ist, gilt die Rahmenarbeitszeit für Arbeit- nehmer/innen der Normalschicht. Individuelle Höchstarbeitszeit Individuelle Höchst- Die individuelle Höchstarbeitszeit ist die Arbeitszeit, die einzelne Arbeitnehmer/ arbeitszeit innen maximal pro Tag erbringen dürfen. Sie beträgt in der Regel pro Tag acht Stunden ohne Pausen. Die gesetzlichen Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes sind einzuhalten. (Die individuelle tägliche Höchstarbeitszeit beträgt maximal zehn Stunden und ist durch das Arbeitszeitgesetz vorgegeben. Die wöchentliche individuelle Arbeitszeit beträgt maximal 48 Stunden nach dem Arbeitszeitgesetz [bei sechs Werktagen].) Tarifverträge regeln häufg, dass die Arbeitswoche fünf Werktage (Montag–Frei- tag) umfasst. Mehrarbeit ist durch die Tarifverträge beschränkt. 311 Gleitzeitkonto Gleitzeitkonto Gleitzeit darf nicht zum Verfall geleisteter Arbeitszeit führen. 312 Die Überschreitung der festgelegten zulässigen Obergrenzen unterliegt der Mit- bestimmung des Betriebsrats. Bei mitbestimmungswidrig durchgeführten Überstunden, kein Verfall von Arbeits- zeit. Freizeitausgleich geht vor Bezahlung von Mehrarbeit. Gleitzeitguthaben/Gleitzeitschulden Gleitzeitguthaben/- Unter Gleitzeitguthaben und Gleitzeitschulden ist die Zeit zu erfassen, die nach schulden oben oder unten von der Sollarbeitszeit abweicht. Im Rahmen von Gleitzeit geleistete Arbeitsstunden dürfen weder verloren gehen noch nachträglich durch Geld anstelle von Freizeit abgegolten werden. Ein Verfall von Gleitzeitguthaben ist auszuschließen. Gleitzeitguthaben und Gleitzeitschulden am Monatsende dürfen maximal 20 Stun- den über oder unter der Sollarbeitszeit betragen. Sie sind ggf. auf den Folgemonat zu übertragen. Auch mitbestimmungswidrig angefallene Mehrarbeit wird unter Berücksichtigung der Zuschläge auf den Folgemonat übertragen und verfällt nicht. 311 Viele Stunden sind normale Stunden statt zuschlagspfichtige Mehrarbeit, Zulassung langer Arbeits- zeiten beschränken Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Anordnung von Mehrarbeit 312 Zugelassene hohe Gleitzeitguthaben werden meist voll ausgenutzt. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 139 29.10.2013 11:16:59
140 Gestaltung der Arbeitszeit Eine Abweichung von den vereinbarten Begrenzungen des Gleitzeitkontos ist nur mit ausdrücklicher vorheriger Zustimmung des Betriebsrats aus dringen- den betrieblichen oder persönlichen Gründen in Ausnahmefällen möglich. Der Betriebsrat kann dabei verlangen, dass der Arbeitgeber einen Plan vorlegt, aus dem sich ergibt, wie die Gleitzeitüberschreitung innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten durch Freizeitausgleich konkret erfolgen soll. Dieser Plan ist schrift- lich festzuhalten und muss vom Arbeitgeber umgesetzt werden. Jede/r Beschäftigte hat Anspruch, monatlich bis zu drei ganze oder sechs halbe Tage im Rahmen der Gleitzeit frei zu nehmen. Dabei darf kein Wochentag von Montag bis Freitag ausgeschlossen werden. Die Bündelung ist zulässig. Auf Wunsch des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin ist auch der stundenweise Aus- gleich von Gleitzeitguthaben durch Kürzung der Kernarbeitszeit möglich, sofern keine dringenden betrieblichen Belange entgegenstehen. Ein Antrag auf Gleitzeit gilt als genehmigt, wenn ihm der Vorgesetzte nicht binnen drei Tagen schriftlich mit detaillierter Begründung widerspricht. Mehrarbeit und Gleitzeit Mehrarbeit Angeordnete (Mehr-)Arbeitszeit über die Sollarbeitszeit hinaus ist als Mehrarbeit zu vergüten. 313 Jede von einem Vorgesetzten einseitig angeordnete oder gedul- dete Überschreitung der Sollarbeitszeit ist Mehrarbeit. Die Arbeitszeit außerhalb der vereinbarten Rahmenarbeitszeit ist Mehrarbeit, sofern der Vorgesetzte sie anordnet oder duldet. Eine Überschreitung des zulässigen Gleitzeitguthabens ist Mehrarbeit. Die Beteiligung des Betriebsrats bei der Arbeitszeitgestaltung ist durch genaue Bestimmung von Mehrarbeit zu gewährleisten. 314 Teilzeitarbeit und Gleitzeit Teilzeit Klare Regelung der jeweiligen Arbeitszeit ist erforderlich, da wegen der langen Rahmenarbeitszeit der Vorgesetzte sonst ggf. durch sein Direktionsrecht die Ar- beitszeit einseitig festlegen kann. Auch Teilzeitbeschäftigten mit einer Arbeitszeit von mindestens zehn Stunden/ Woche nehmen an der Gleitzeit teil. Die Kernarbeitszeit wird dabei im Verhältnis der vertraglichen zur tarifichen Arbeitszeit gekürzt. Die Gleitzeitspanne beträgt mindestens 30 Minuten pro Tag. Jede/Jeder Teilzeitbeschäftigte hat Anspruch auf Freizeitausgleich für Gleitzeitguthaben dieser Vereinbarung 313 Gleitzeit führt zu weniger zuschlagspfichtiger Mehrarbeit bei gleicher Arbeitszeit. 314 Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats hat zum Ziel, dass sonst fast uferlose Direktionsrecht des Arbeitgebers einzuschränken. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 140 29.10.2013 11:17:00
Gestaltung der Arbeitszeit 141 Erfassung der Arbeitszeiten Erfassung der Alle Arbeitszeiten sind durch Stempeluhren oder andere Zeiterfassungsgeräte mi- Arbeitszeiten nutengenau zu erfassen. Dies gilt insbesondere auch für Arbeitszeiten außerhalb der vereinbarten Rahmenarbeitszeit sowie bei Überschreitung der zulässigen Höchstarbeitszeit oder des höchstzulässigen Gleitzeitguthabens. Überwachung der Betriebsvereinbarung Überwachung der Die Einhaltung der Betriebsvereinbarung wird vom Betriebsrat kontrolliert und BV überwacht. Dem Betriebsrat ist jeweils im Folgemonat eine schriftliche Aufstellung zu überge- ben, aus der sich ergibt, bei welchen Arbeitnehmer/innen ggf. in welchem Umfang Überschreitungen der zulässigen individuellen Höchstarbeitszeit oder des Gleit- zeitguthabens registriert wurden. Des Weiteren sind ggf. auch die festgestellten Arbeitszeiten außerhalb der Rah- menarbeitszeit unaufgefordert mitzuteilen. Auf Anforderung sind dem Betriebsrat die vollständigen Zeiterfassungen aller Ar- beitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat ist berechtigt, hiervon Kopien anzufertigen. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Gleitzeit Mitbestimmung des Der Betriebsrat muss grundsätzlich bei allen mitbestimmungspfichten Fragen der BR bei Gleitzeit Arbeitszeit entsprechend frühzeitig und umfassend informiert werden. 315 Der Betriebsrat hat bei der Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit mitzube- stimmen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht auch bei Anordnung einer kürzeren als der in der Betriebsvereinbarung vereinbarten Sollarbeitszeit. Der Betriebsrat hat ferner mitzubestimmen, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem/der Betroffenen keine Einigung über den Ausgleich eines Gleitzeitguthabens erzielt werden kann. Kommt auch zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber keine Eini- gung zustande, so entscheidet grundsätzlich die Einigungsstelle. Abweichende Ar- beitszeitvereinbarungen im Einzelfall bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Bei Zuwiderhandlung gegen gesetzliche, betriebsverfassungsrechtliche und in dieser Betriebsvereinbarung geregelte Arbeitszeiten, werden mit dem Arbeitge- 315 Mitbestimmungspfichtige Angelegenheiten müssen gerade bei Gleitzeit möglichst genau festgelegt werden. Die Vorgesetzten haben sonst vielfältige Möglichkeiten die genauen Arbeitszeiten allein nach den Bedürfnissen des Betriebes einseitig festzusetzen. Der Betriebsrat verliert andernfalls sein Druckmittel der Überstundenverweigerung. Regelungen über Konfiktlösungen im Einzelfall sollten vereinbart werden, da sich sonst der Vorgesetzte immer durchsetzen wird und zudem Gleitzeitabbau verhindern kann. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 141 29.10.2013 11:17:00
142 Gestaltung der Arbeitszeit ber Sanktionen vereinbart. Dies gilt auch grundsätzlich bei Verletzung der Mitbe- stimmungsrechte. 316 3.2 Ampelregelungen zur Steuerung von Arbeitszeitkonten Ampelkonten zur Steuerung von Arbeitszeitkonten gibt es seit den 1990er Jahren. Sie funktionieren nach dem Prinzip der Verkehrsampel. Bei einem individuellen Arbeitszeitkonto besagt die Rotphase, dass der/die Beschäftigte das betrieblich vereinbarte Limit an Arbeitszeitstunden bzw. möglichen Minusstunden erreicht hat. Der Abbau bzw. Aufbau von Stunden muss zwingend erfolgen. In der Gelbphase sind bereits so viele Minus- bzw. Plusstunden erreicht, dass darauf geachtet wer- den muss, dass keine weiteren Stunden angesammelt bzw. Minusstunden erreicht werden. In der Grünphase befndet sich das Arbeitszeitkonto des Beschäftigten in einem »ausgeglichenen« Zustand. In dieser Phase steuert der/die Beschäftigte sein Arbeitszeitkonto innerhalb eines betrieblich vereinbarten Zeitrahmens selbst. Während meist in der Gelbphase der Vorgesetzte angehalten ist, mit dem/der Beschäftigten ein Gespräch über den Kontenstand des Arbeitszeitkontos zu führen und ggf. auch den Abbau von Zeitguthaben zu vereinbaren, ist in der Rotphase konkret zu vereinbaren, bis zu welchem Zeitpunkt ein Abbau der angesammelten bzw. Aufbau von nachleistungspfichtigen Stunden zu erfolgen hat. Maßnahmen Wichtigster Mechanismus eines Ampelkontos ist, dass verbindliche Maßnahmen zu ergreifen sind, bevor ein Limit erreicht wird. Für das Einhalten der Grenzen dür- fen dabei nicht allein die Beschäftigten verantwortlich sein. Vielmehr liegt dies vorwiegend im Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Vorgesetzten. Mir ihrer Verantwortlichkeit für Arbeitsvorgaben und -organisation sind im Wesentlichen sie dafür zuständig, ob die Arbeitsanforderungen für die regelmäßige Arbeitszeit zu hoch sind und ob ein Ausgleich für die Beschäftigten möglich ist. 317 316 Die Inhalte des Mitbestimmungsrechts müssen in der Betriebsvereinbarung möglichst genau bestimmt sein. Sanktionsregelungen in Betriebsvereinbarungen haben Abschreckungswirkung und können zu schneller Verhängung des angedrohten Ordnungsgeldes führen. Ohne konkrete Rege- lung von Sanktionen in der Betriebsvereinbarung muss der Betriebsrat sich bei den ersten Verstö- ßen zunächst einen Titel beim Arbeitsgericht besorgen. Erst weitere Verstöße werden sanktioniert. 317 IG Metall, Meine Arbeit – meine Zeit – mein Leben, Arbeitszeitpolitische Herausforderungen und Gestaltungshinweise, 2011, S. 20. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 142 29.10.2013 11:17:00
Gestaltung der Arbeitszeit 143 Beispiel eines Ampelkonto-Modells (in drei Eskalationsstufen) Informationen über Bewegung des Ampelkontos rot gelb Mitarbeiter, Vorgesetzter und Betriebsparteien haben die Übersicht über das jeweilige Ampelkonto + 20 Std. Handlungsbedarf: grün In der grünen Phase disponiert der Mitarbeiter seine Arbeitszeit – 20 Std. eigenverantwortlich anhand des Arbeitsanfalls und den persön- lichen Belangen bzw. Teamabsprachen unter Beachtung gesetz- gelb licher, tarificher Vorschriften, der bestehenden Betriebsverein- barung und den darin enthaltenen Regelungen zur Betriebszeit, rot Service- und Funktionszeit, individueller Arbeitszeit. Informationen über Bewegung des Ampelkontos rot Mitarbeiter: Übersicht des persönlichen Ampelkontos Vorgesetzter: Übersicht am PC; Schriftlicher Ausdruck 3 Monate + 80 Std. vor Ausgleichsstichtag; Saldenliste aller Mitarbeiter/innen in Gelb gelb Betriebsparteien: Übersicht über die Ampelknoten › + 20 Std. Handlungsbedarf: grün In der gelben Ampelphase sprechen Mitarbeiter und Vorgesetzter geeignete Maßnahmen ab, mit dem Ziel, den Zeitsaldo innerhalb ‹ – 20 Std. dem in der BV festgelegten Ausgleichszeitraums wieder in die gelb grüne Zone zurückzuführen – 40 Std. 3 Monate vor Erreichen des Ausgleichsstichtages werden die Maßnahmen schriftlich zum Monatsende festgehalten. rot Die Verantwortung für die Einhaltung trägt der Vorgesetzte. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 143 29.10.2013 11:17:02
144 Gestaltung der Arbeitszeit Informationen über Bewegung des Ampelkontos rot Zusätzlich zur laufenden, „normalen“ Information des Mitarbeiters und der Führungskraft (siehe vorne), erhalten Personalabteilung › 80 Std.: MA ist in ROT und Personalrat Informationen über das Erreichen der roten Phase dieses Mitarbeiters. gelb Handlungsbedarf: grün Nur ausnahmsweise und vorübergehend möglich. gelb Führungskraft und Mitarbeiter entwickeln unverzüglich einen schrift- ‹ 40 Std.: li chen Rückführungsplan um die Rückführung in die gelbe Phase zu MA ist in ROT erreichen. rot © Kompetenzzentrum Work-Life in Zusammenarbeit mit Fauth-Herkner & Partner www.eff-portal.de Regelungseckpunkte für ein Ampel-Arbeitszeitkonto, Drei-Stufen-Modell: 318 Festlegung des Ausgleichszeitraums Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beschäftigten kann un- gleichmäßig verteilt werden. Sie darf aber im Durchschnitt im Ausgleichszeitraum die vertragliche Arbeitszeit nicht übersteigen. Individuelle Konten Für jede/n Beschäftigte/n wird ein Arbeitszeitkonto geführt, in dem die gesamte geleistete Arbeitszeit dokumentiert wird. Sollobergrenze der Arbeitszeitkonten Die individuellen Arbeitszeitkonten sollen eine Obergrenze von XX und eine Unter- grenze von YY Stunden nicht überschreiten. 318 In Anlehnung: IG Metall, Meine Arbeit – meine Zeit – mein Leben, Arbeitszeitpolitische Herausforde- rungen und Gestaltungshinweise, 2011, S. 20/21. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 144 29.10.2013 11:17:03
Gestaltung der Arbeitszeit 145 Bereichsarbeitszeitkonto Darüber hinaus werden die Salden der Beschäftigten für einen Bereich/eine Ab- teilung zusammengefasst, und es wird ein Bereichsarbeitszeitkonto erstellt. Die Solluntergrenze und -obergrenze des Bereichsarbeitszeitkontos bestimmen sich aus der Summe der Sollunter- bzw. -obergrenzen der Beschäftigten des Bereichs. Stufen des Ampelkontos Stufen des Ampel- Die Konten werden in drei Phasen unterteilt. Je nach Saldo des individuellen oder kontos des Bereichskontos werden zur Vermeidung einer Überschreitung der Sollober- grenzen Maßnahmen ergriffen. 1.Stufe: zulässige Schwankungsbreite bis 50 % des höchsten Sollsaldos (grüne Phase) Das Konto soll innerhalb des tarifichen Ausgleichszeitraums die durchschnittli- che IrwAZ erreichen. Deshalb vereinbaren Beschäftigte/r und Vorgesetzte/r nach dem jeweiligen Monatsende den Ausgleich der Zeitguthaben bzw. Zeitschuld. Hierzu können Beschäftigte auch die Entnahme von bis zu zwei ganzen Tagen im Monat beantragen. Diese sind zu genehmigen, es sei denn, dringende betriebli- che Gründe sprechen dagegen, dann ist ein anderer Zeitpunkt zu vereinbaren. Bei Nichteinigung wird dies im Rahmen eines Konfiktlösungsmechanismus zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geklärt. 2. Stufe: Interventionsphase I ab 50 % bis 75 % des höchsten Sollsaldos (gelbe Phase) Beschäftigte/r und Vorgesetzte/r vereinbaren nach Monatsende den Abbau von Zeitguthaben. Die Entnahme durch Arbeitszeitreduzierung oder von bis zu zwei Tagen im Monat ist festzulegen. Innerhalb des Monats muss die grüne Phase wie- der erreicht werden. Der Betriebsrat erhält Meldung von individuellen Zeitgutha- ben und Bereichsguthaben ab 50 % des Sollsaldos und zusätzlich die jeweiligen Abbauvereinbarungen. 3. Stufe: Interventionsphase II ab 75 % des höchsten Sollsaldos (rote Phase) Der Betriebsrat erhält sofort Meldung von individuellen Zeitguthaben und Be- reichsguthaben, die 75 % des höchsten Sollsaldos übersteigen. Beschäftigte/r und Vorgesetzte/r vereinbaren den Abbau von Zeitguthaben. Der Betriebsrat er- hält die jeweiligen Abbauvereinbarungen. Individuelle Konten und Bereichskon- ten mit über 75 % des höchsten Sollsaldos an Zeitguthaben führen zu Beratungen zwischen Betriebsrat und den Bereichsvorgesetzten und Geschäftsleitung über die Ursachen des Zeitaufbaus und über Maßnahmen zum Abbau des Zeitgutha- bens. Kommt es zu keiner Einigung zwischen der Arbeitgeberseite und dem Be- triebsrat, steht dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zu. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 145 29.10.2013 11:17:03
146 Gestaltung der Arbeitszeit 4. Regelung bei Teilzeit Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Teilzeitarbeit umfasst die Ein- führung, die tägliche Mindestarbeitszeit, eine Höchstzahl von Arbeitstagen pro Woche und einen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen Teilzeitbeschäftigte an den einzelnen Tagen arbeiten (vgl. Kap. VI.2.4). TzBfG Für die Regelung von Teilzeitarbeit enthält das TzBfG sowohl Rechtsansprüche, z. B. den Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz (§ 8), als auch ein ausdrückli- ches Diskriminierungsverbot (§ 4). Diese sind bei der Gestaltung der Betriebsver- einbarung, neben etwaigen tarifichen Regelungen, zwingend zu beachten (vgl. Kap. III.2.7). 4.1 Eckpunkte einer Betriebsvereinbarung zur Teilzeitarbeit 319 Präambel Präambel Um den Beschäftigten eine individuell angepasste Arbeitszeitgestaltung auf allen Qualifkationsstufen zu ermöglichen, werden die Betriebsparteien alle Vorausset- zungen schaffen und die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen ergreifen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ungeachtet ihres Alters, Geschlechts oder ihrer Qualifkation einen Anspruch auf Teilzeitarbeit einzuräumen. Hierbei ist den arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen einer menschengerechten Gestal- tung der Arbeitsplätze Rechnung zu tragen. Die Teilzeitarbeit ist so zu gestalten, dass eine Diskriminierung der Beschäftigten ausgeschlossen und eine gleichbe- rechtigte Teilhabe an betrieblichen Leistungen sowie bei der Weiterbildung und bei den berufichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gewährleistet ist. Teilzeitbeschäftigten ist auf ihren Wunsch eine Rückkehr zur Vollzeitarbeit zu ermöglichen. Diese Betriebsvereinbarung darf nicht zum Anlass genommen wer- den, Änderungskündigungen zum Zwecke der Änderungen der Arbeitszeit auszu- sprechen. Begriffsbestimmung Begriffsbestimmung (1) Änderungen der Arbeitszeit liegen vor, wenn Beschäftigte eine Verringerung oder Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen Arbeitszeit verlangen. (2) Teilzeit liegt vor, wenn die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die tarifiche wöchentliche Arbeitszeit unterschreitet. 319 Angelehnt und ergänzt an: IG Metall, Teilzeit, Das Gesetz betrieblich umsetzen – Hinweise für Betriebsräte, Februar 2012. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 146 29.10.2013 11:17:03
Gestaltung der Arbeitszeit 147 (3) Soweit die Arbeitszeit wegen der Anordnung von Kurzarbeit oder aufgrund der Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung vorübergehend verkürzt wird, berührt dies nicht den Status der betroffenen Beschäftigten als Vollzeitbe- schäftigte. Gestaltung von Teilzeitarbeitsplätzen Gestaltung (1) Die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitarbeitsverhältnisse darf weder zu einer Leistungsverdichtung am Arbeitsplatz noch zu einer Verringerung des Arbeits- zeitvolumens der Gesamtbelegschaft führen. Bei der Personalbemessung sind Teilzeitbeschäftigte entsprechend dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur tarifi- chen Regelarbeitszeit zu berücksichtigen. Teilzeitarbeit soll auch berufiche Aufstiegschancen ermöglichen und Beschäftigungsmöglichkeiten auf den Führungsebenen schaffen. (2) Die Beschäftigung in Teilzeitarbeit ist grundsätzlich nur im Rahmen sozialversi- cherungspfichtiger Arbeitsverhältnisse zulässig. (3) Mehrarbeit ist grundsätzlich zu vermeiden. Zwischen Betriebsrat und Arbeitge- ber vereinbarte Mehrarbeit ist die über die individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitszeit. Sie ist ab der ersten Stunde zuschlagspfichtig (Tarifverträge beachten!). Mehrarbeitsvergütung und Zuschläge sind grund- sätzlich in Freizeit abzugelten (Tarifverträge beachten!). Die Vereinbarung von Teilzeitarbeit in Form der Arbeit auf Abruf ist unzulässig. Ausschreibung von Arbeitsplätzen und Auswahlrichtlinien Ausschreibung und (1) Grundsätzlich sind alle Arbeitsplätze auch als Teilzeitarbeitsplätze auszu- Auswahl schreiben. Soll ein Arbeitsplatz nur als Vollzeitarbeitsplatz ausgeschrieben werden, ist vor der Ausschreibung dem Betriebsrat gegenüber zu begründen, warum sich der Arbeitsplatz nicht als Teilzeitarbeitsplatz eignet. Dabei werden frei werdende Arbeitsplätze zunächst innerbetrieblich ausgeschrieben. (2) Bei der Besetzung von Arbeitsplätzen haben innerbetriebliche Bewerber und Bewerberinnen Vorrang vor der Besetzung durch andere Personen. 320 Reicht das Angebot an Teilzeitarbeit nicht aus, um alle Bewerber und Bewerberin- nen zu berücksichtigen, sind bei gleicher Eignung zunächst schwerbehinderte Menschen, dann Beschäftigte, die einen Anspruch auf Elternzeit haben und/ oder sich um die Betreuung von Kindern und pfegebedürftigen Angehörigen kümmern, und dann die übrigen Beschäftigten zu berücksichtigen. (3) Reicht das Angebot an Teilzeitarbeitsplätzen nicht aus, um allen Bewerbern eine Teilzeitarbeit zu ermöglichen, werden zwischen Betriebsrat und Arbeitge- 320 Zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern vgl. § 13a AÜG; s. auch Ulber/Ulber, J., AÜG, § 13a Rn. 14 ff. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 147 29.10.2013 11:17:03
148 Gestaltung der Arbeitszeit ber Maßnahmen vereinbart, um ein ausreichendes Angebot zur Verfügung zu stellen. (4) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitneh- mer und Arbeitnehmerrinnen eine Verlängerung ihrer Arbeitszeit wünschen. Gleichbehandlung Gleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten (1) Keine Arbeitnehmerin und kein Arbeitnehmer darf wegen der Inanspruch- nahme von Teilzeitarbeit oder von sonstigen Rechten aus dieser Betriebsver- einbarung benachteiligt werden. (2) Das Benachteiligungsverbot umfasst insbesondere eine Nichtdiskriminierung bzw. Gleichbehandlung in folgenden Bereichen: • Entgelt, Eingruppierung und Entlohnungsgrundsätze, wobei Datenermitt- lungen bei der Leistungsentlohnung grundsätzlich an Vollzeitarbeitsplätzen durchzuführen sind; • Zulagen und Zuschläge, wobei Mehrarbeitszuschlage soweit tarifich zuläs- sig grundsätzlich in Freizeit abzugelten sind und für jede Arbeitsstunde anfallen, die über die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hin- ausgeht (Tarifverträge beachten!); • gleichberechtigte Ansprüche auf Einbeziehung in die betriebliche Quali- fzierungsplanung und den berufichen Aufstieg sowie gleicher Zugang zu betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen; • betriebliche Altersversorgung; • soziale Leistungen und Nutzung von Sozialeinrichtungen; • Sozialauswahl bei Kündigungen und sonstigen personellen Einzelmaßnah- men; • berufiche Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. (3) Im Jahr des Wechsels von Voll- in Teilzeit erhalten die Beschäftigten bei Urlaub die Grundvergütung und die zusätzliche Urlaubsvergütung sowie die tarifich abgesicherte betriebliche Sonderzahlung auf Basis ihrer Vollzeitbeschäfti- gung. (4) Soweit Teilzeitbeschäftigte an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit teilnehmen, haben sie hierfür einen Vergütungs- anspruch wie für geleistete Arbeit. Für teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglie- der gilt dies auch für die Teilnahme an Schulungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG. Anspruchsvoraus- Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit setzung (1) Alle Beschäftigten, deren Betriebszugehörigkeit mehr als sechs Monate besteht, haben im Rahmen dieser Betriebsvereinbarung einen Anspruch auf Verringerung ihrer individuellen Arbeitszeit. Die Verringerung der Arbeitszeit kann dabei auch zeitlich befristet verlangt werden. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 148 29.10.2013 11:17:04
Gestaltung der Arbeitszeit 149 (2) Der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit bezieht sich sowohl auf die Ver- kürzung der täglichen, wöchentlichen und monatlichen Arbeitszeit als auch auf Lage und Verteilung der Arbeitszeit. (3) Der Arbeitgeber hat dem Verlangen einer/s Beschäftigten nach Verringerung der Arbeitszeit einschließlich der gewünschten Verteilung statt zu geben, soweit nicht betriebliche Gründe entgegenstehen. Beabsichtigt der Arbeit- geber aus derartigen Gründen eine Ablehnung des Beschäftigtenwunsches, bedarf er hierzu der Zustimmung des Betriebsrats. (4) Schwerbehinderte Menschen haben einen uneingeschränkten Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit einschließlich der gewünschten Verteilung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen der Art und Schwere der Behinderung verlangt wird. (5) Hat der Arbeitgeber den Wunsch eines/r Beschäftigten abgelehnt, gilt die vom Beschäftigten gewünschte Verringerung der Arbeitszeit nach Umfang und Ver- teilung als festgelegt, wenn der Betriebsrat nicht die erforderliche Zustimmung erteilt hat. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber einen Wunsch des Beschäftig- ten nicht schriftlich unter Angabe der Gründe oder später als vier Wochen nach Geltendmachung ablehnt. Verlängerung der Arbeitszeit (1) Teilzeitbeschäftigte haben einen Anspruch auf Rückkehr zur Vollzeitbeschäfti- Rückkehr zur Voll- gung bzw. Verlängerung ihrer Arbeitszeit, der der Höhe nach durch die tarifich zeitbeschäftigung geregelte wöchentliche Arbeitszeit begrenzt ist. Der Anspruch besteht auch, wenn die Teilzeit nur befristet vereinbart war und der/die Beschäftigte eine vorzeitige Beendigung der Teilzeit wünscht. (2) Für den Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit gelten die Regelungen dieser Betriebsvereinbarung bei Verringerung der Arbeitszeit entsprechend. Eine Ablehnung des Anspruchs auf Verlängerung der Arbeitszeit ist dabei ausgeschlossen, soweit durch die Verlängerung der Arbeitszeit Mehrarbeit im Betrieb abgebaut werden kann. Geltendmachung von Ansprüchen (1) Ansprüche auf Verringerung der Arbeitszeit sind spätestens drei Monate vor Geltendmachung dem gewünschten Beginn der Änderung der Arbeitszeit beim Arbeitgeber gel- von Ansprüchen tend zu machen. In Ausnahmefällen (bspw. plötzliche Betreuungs- und Pfege- notwendigkeiten) ist nach Absprache mit Vorgesetzten, Personalabteilung und dem Betriebsrat auch eine fristlose Umsetzung möglich. Schwerbehinderte Menschen können den Anspruch auf Verkürzung der Arbeitszeit auch ohne Ein- haltung einer Frist geltend machen, soweit die Arbeitszeitverkürzung wegen Art und Schwere der Behinderung beantragt wird. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 149 29.10.2013 11:17:04
150 Gestaltung der Arbeitszeit (2) Die Fristen nach Abs. 1 kommen nicht zur Anwendung, soweit Arbeitsplätze im Betrieb ausgeschrieben werden, die bei einer erfolgreichen Bewerbung eine Veränderung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Bewerbers bzw. der Bewerberin zur Folge hätten. (3) Wurde ein Wunsch von Beschäftigten auf Veränderung der Arbeitszeit in der Vergangenheit abgelehnt, kann der Anspruch auf Veränderung der Arbeitszeit nach Ablauf von sechs Monaten erneut geltend gemacht werden. Die Möglich- keit einer Bewerbung nach Abs. 2 bleibt hiervon unberührt. Ergänzende Ergänzende Regelungen Regelungen (1) Personelle Einzelmaßnahmen im Rahmen dieser Betriebsvereinbarung bedür- fen der Zustimmung des Betriebsrats. (2) Von den Regelungen dieser Betriebsvereinbarung kann im Einzelfall mit Zustimmung des Betriebsrats abgewichen werden. (3) Arbeitgeber und Betriebsrat werden in regelmäßigen Abständen über Mög- lichkeiten beraten, um Wünschen der Beschäftigten nach Veränderung ihrer Arbeitszeit durch Umwandlung von Teilzeit- in Vollzeitarbeitsplätze und umge- kehrt Rechnung tragen zu können. (4) Im Rahmen der Personal- und Qualifkationsplanung sowie im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung sind die Wünsche der Beschäftigten nach Veränderung ihrer Arbeitszeit zu berücksichtigen. Die bestehenden Betriebsvereinbarungen sind entsprechend anzupassen, wobei die geltenden Regelungen zur betriebs- üblichen Arbeitszeit bei der Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu beachten sind. (5) Teilzeitarbeit kann genutzt werden, um die Anordnung von dauerhafter Mehr- arbeit zu vermeiden. Sie darf nicht zum Anlass genommen werden, vorüberge- hende Personalengpässe zur Vermeidung von Kurzarbeit oder sonstiger For- men der vorübergehenden Verkürzung der Arbeitszeit auszugleichen. Streitigkeiten – Streitigkeiten paritätische (1) Kommt es im Zusammenhang mit der Durchführung, Auslegung oder Anwen- Kommission dung dieser Betriebsvereinbarung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, entscheidet eine aus je zwei Beisitzern der Betriebsparteien eingesetzte paritätische Kommission. Wird in der paritäti- schen Kommission keine Einigung erzielt, entscheidet eine Einigungsstelle nach § 76 Abs. 6 BetrVG verbindlich. (2) Absatz 1 Satz 1 gilt in den Fällen entsprechend, in denen einem Antrag eines/r Beschäftigten nach Veränderung der Arbeitszeit nicht entsprochen wird und der/die Beschäftigte eine innerbetriebliche Streitschlichtung nach Abs. 1 ver- langt. Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendma- chung von Ansprüchen. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 150 29.10.2013 11:17:04
Search
Read the Text Version
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
- 6
- 7
- 8
- 9
- 10
- 11
- 12
- 13
- 14
- 15
- 16
- 17
- 18
- 19
- 20
- 21
- 22
- 23
- 24
- 25
- 26
- 27
- 28
- 29
- 30
- 31
- 32
- 33
- 34
- 35
- 36
- 37
- 38
- 39
- 40
- 41
- 42
- 43
- 44
- 45
- 46
- 47
- 48
- 49
- 50
- 51
- 52
- 53
- 54
- 55
- 56
- 57
- 58
- 59
- 60
- 61
- 62
- 63
- 64
- 65
- 66
- 67
- 68
- 69
- 70
- 71
- 72
- 73
- 74
- 75
- 76
- 77
- 78
- 79
- 80
- 81
- 82
- 83
- 84
- 85
- 86
- 87
- 88
- 89
- 90
- 91
- 92
- 93
- 94
- 95
- 96
- 97
- 98
- 99
- 100
- 101
- 102
- 103
- 104
- 105
- 106
- 107
- 108
- 109
- 110
- 111
- 112
- 113
- 114
- 115
- 116
- 117
- 118
- 119
- 120
- 121
- 122
- 123
- 124
- 125
- 126
- 127
- 128
- 129
- 130
- 131
- 132
- 133
- 134
- 135
- 136
- 137
- 138
- 139
- 140
- 141
- 142
- 143
- 144
- 145
- 146
- 147
- 148
- 149
- 150
- 151
- 152
- 153
- 154
- 155
- 156
- 157
- 158
- 159
- 160
- 161
- 162
- 163
- 164
- 165
- 166
- 167
- 168
- 169
- 170
- 171
- 172
- 173
- 174
- 175
- 176
- 177
- 178
- 179
- 180
- 181
- 182
- 183
- 184
- 185
- 186
- 187