Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung 51 Auch der Ersatzruhetag von 24 ununterbrochenen Stunden muss immer unmit- Zusammen- telbar in Verbindung mit der mindestens elfstündigen Ruhezeit nach § 5 ArbZG hängende Freizeit gewährt werden (§ 11 Abs. 4 ArbZG), so dass den Beschäftigten immer eine von 35 Stunden zusammenhängende arbeitsfreie Zeit von 35 Stunden zur Verfügung stehen muss. Arbeitet der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin z. B. am Mittwoch bis 18.00 Uhr und wird der Donnerstag als Ersatzruhetag festgelegt, darf er/sie am Freitag erst nach 5.00 Uhr die Arbeit wieder aufnehmen. Der Arbeitgeber hat den Ersatzruhetag bei Sonntagsarbeit innerhalb von zwei Wochen und bei Feiertagsarbeit innerhalb von acht Wochen nach der Sonn- oder Feiertagsarbeit zu gewähren (§ 11 Abs. 3 ArbZG). Haben Beschäftigte z. B. am Ostersonntag, dem 1. April des Jahres gearbeitet, muss der Ersatzruhetag spä- testens am Samstag, dem 14. April, gewährt worden sein. Soweit keine tarifiche Regelung besteht, kann der Arbeitgeber dabei den Ersatzruhetag nach billigem Ermessen bestimmen 112 (zur Mitbestimmung des Betriebsrats vgl. Kap. VI.2.3). Bei Feiertagsarbeit kann tarifvertraglich ein anderer Ausgleichszeitraum festge- legt werden und darüber hinaus auch der gänzliche Wegfall des Ersatzruhetags vereinbart werden (§ 12 Nr. 2 ArbZG). 2.13 Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Familie Lage und Dauer der Arbeitszeit bestimmen maßgeblich die Freiräume, die den Kein ausreichen- Beschäftigten für die Planbarkeit und Gestaltung ihrer arbeitsfreien Zeit zur Ver- der Schutz gegen fügung stehen. Auch lassen sich familiäre Interessen und Bedürfnisse (Kinderbe- familienfeindliche Arbeitszeiten treuung, Pfege von Angehörigen, Freizeitgestaltung etc.) mit einer Beschäftigung nur vereinbaren, soweit die arbeitsgebundene Zeit dies erlaubt. Die Flexibilisie- rung der Arbeitszeit kann hier zwar Möglichkeiten zu einer besseren Vereinbarkeit von Arbeits- und arbeitsfreier Zeit bieten; dies gilt jedoch nur, soweit die Beschäf- tigten autonom berechtigt sind, Dauer und Lage der Arbeitszeit frei zu bestimmen. In der Praxis haben jedoch insbesondere Arbeitszeitkonten dazu geführt, dass die Beschäftigten vorrangig nach betrieblichen Bedürfnissen fexibel sein müs- sen und die Zeitsouveränität dadurch weiter eingeengt wird. Soweit Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen hier keine Grenzen ziehen (vgl. Kap. IV.4 und VI.2.1) bestehen nach den gesetzlichen Vorschriften nur geringe Möglichkeiten, um eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. 112 BAG v. 13. 12. 2001 – 6 AZR 709/00 – NZA 2002, 1221; Ulber, AuR 2002, 286. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 51 29.10.2013 11:16:49
52 Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung Wahrnehmung des Direktionsrechts und Ansprüche auf Reduzierung der Arbeitszeit Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeits- leistung bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Dies gilt auch für die Lage der Arbeitszeit. 113 Sein Weisungsrecht eröffnet dem Arbeitgeber bei der Lage der Arbeitszeit nach der Rechtsprechung einen weiten Spielraum. Das ein- seitige Bestimmungsrecht wird nur dadurch begrenzt, dass der Arbeitgeber hier- bei die Grundsätze billigen Ermessens i. S. v. § 315 Satz 3 BGB beachten muss. 114 Dies bedeutet, dass er in jedem Einzelfall alle wesentlichen Umstände abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen muss. 115 Er hat hierbei auch auf familiäre Belange des Arbeitsnehmers/der Arbeitnehmerin ins- besondere Notwendigkeiten der Beaufsichtigung und Betreuung von Kindern, Rücksicht zu nehmen. 116 Im Hinblick auf die Beschäftigungsinteressen beider Elternteile zählt hierzu beispielsweise die Prüfung alternativer Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung, damit ggf. beide Elternteile in (unterschiedlichen) Arbeits- zeitsystemen arbeiten können, die ihnen eine Wahrnehmung ihrer Kinderbetreu- ungsaufgaben ermöglichen. 117 Hierbei hat der Arbeitgeber auch einen Arbeits- platztausch mit anderen Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen zu prüfen. 118 Ob im Ergebnis dem Interesse des Beschäftigten an einer bestimmten Arbeitszeitgestal- tung Rechnung getragen werden muss, hängt davon ab, ob ein anerkennenswer- tes Interesse des Arbeitgebers dem Wunsch des Beschäftigten entgegensteht. § 8 TzBfG gibt den Beschäftigten darüber hinaus einen verbindlichen Anspruch auf Reduzierung und wunschgemäße Gestaltung der Arbeitszeit. Nach § 8 Abs. 4 TzBfG muss der Arbeitgeber dem Wunsch grundsätzlich entsprechen. Ein Wider- spruch des Arbeitgebers ist nur beachtlich, wenn der Arbeitszeitverkürzung betriebliche Gründe entgegenstehen. 113 BAG v. 23. 9. 2004 – 6 AZR 567/03 – NZA 2005, 359. 114 BAG v. 17. 7. 2007 – 9 AZR 819/06 – NZA 2008, 118. 115 BAG v. 24. 4. 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP Nr. 48 zu § 611 BGB Direktionsrecht. 116 BAG v. 23. 9. 2004 – 6 AZR 567/03 – NZA 2005, 359. 117 BAG v. 23. 9. 2004, a. a. O. 118 BAG v. 23. 9. 2004, a. a. O. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 52 29.10.2013 11:16:49
Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung 53 Pfege der Angehörigen von Nachtarbeitnehmern/ Nachtarbeitnehmerinnen Lebt im Haushalt eines Nachtarbeitnehmers/einer Nachtarbeitnehmerin ein Anspruch von Nacht- Kind unter zwölf Jahren oder ein schwerpfegebedürftiger Angehöriger und kön- arbeitsnehmern auf nen diese Personen nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehöri- Umsetzung gen betreut werden, haben Beschäftigte nach § 6 Abs. 4 Buchst. b und c ArbZG Anspruch auf Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz, sofern dem keine betrieb- lichen Erfordernisse entgegenstehen. Derartige betriebliche Erfordernisse sind nur gegeben, wenn keine arbeitsorganisatorischen Alternativen zur Verfügung stehen, um dem Anspruch zu entsprechen. Auch hat der Arbeitgeber den Beschäf- tigen Umschulungs- und Qualifzierungsmaßnahmen anzubieten, wenn hierdurch eine Umsetzungsmöglichkeit auf einen Tagesarbeitsplatz besteht. 119 Akut auftretende kurzzeitige Pfegefälle Nach § 616 BGB kann Beschäftigten bei einem akut familiären auftretenden Pfe- gefall »für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit« ein Anspruch auf Arbeits- befreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zustehen, wenn sie hierdurch daran gehindert sind, ihrer Arbeitsverpfichtung nachzukommen. Abhängig vom Einzelfall besteht der Anspruch jedoch höchstens für einen Zeitraum von fünf Arbeitstagen. 120 Bei ärztlich nachgewiesener Erkrankung eines Kindes bis zum 12. Lebensjahr besteht nach § 45 SGB V ein Anspruch auf Freistellung und Kranken- geld für jedes Kind und jeden Elternteil bis zu zehn Tagen pro Kalenderjahr bzw. bei Alleinerziehenden für 20 Tage. 121 Nach § 2 Abs. 1 PfegeZG hat jeder Beschäftigte bei einem akut auftretenden Notwendige Pfege- familiären Pfegefall (kurzzeitige Arbeitsverhinderung) Anspruch auf unbezahlte leistungen werden Freistellung von der Arbeit für maximal zehn Arbeitstage. Ein Entgeltfortzahlungs- auf Kosten der Ange- hörigen privatisiert anspruch kann sich jedoch auch hier aus § 616 BGB ergeben. 122 Der Freistellungs- anspruch besteht, wenn es sich um eine plötzlich aufgetretene Pfegesituation eines nahen Angehörigen handelt (z. B. plötzliche Erkrankung eines Kindes). Die Freistellung muss erforderlich sein, um eine bedarfsgerechte Pfege zu organi- sieren oder eine pfegerische Versorgung sicherzustellen. Die Freistellung bedarf 119 Vgl. Buschmann/Ulber, ArbZG, § 6 Rn. 25. 120 BAG v. 19. 4. 1976 – 5 AZR 834/76. 121 Zu Defziten bei der Umsetzung der Elternurlaubs-Richtlinie 2010/18/EU vgl. Klenter, AiB 2013, 217. 122 BAG v. 20. 6. 1979, AP Nr. 49 zu § 616 BGB; ErfK/Gallner, § 2 PfegeZG Rn. 4. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 53 29.10.2013 11:16:49
54 Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung nicht der Zustimmung des Arbeitgebers. Die Beschäftigen müssen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber aber unverzüglich mitteilen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 PfegeZG). Längere Pfegezeiten Nach § 3 Abs. 1 PfegeZG haben Beschäftigte bei einem familiären Pfegefall einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf unbezahlte vollständige oder teilweise Frei- stellung (Verringerung der Arbeitszeit) für maximal sechs Monate (sog. Pfegezeit; § 4 PfegeZG). Die Pfegezeit kann dabei (unabhängig von der Dauer der Inan- spruchnahme) für jeden pfegebedürftigen Angehörigen nur einmal genommen werden, kann somit nicht in mehrere Zeitabschnitte von insgesamt sechs Mona- ten aufgeteilt werden. 123 Der Anspruch besteht im Unterschied zur kurzzeitigen Arbeitsbefreiung nur in Unternehmen mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten. Arbeitgeber muss Die Inanspruchnahme der Pfegezeit setzt keine Zustimmung des Arbeitgebers nicht zustimmen voraus. Wer die Pfegezeit in Anspruch nehmen will, muss dies dem Arbeitgeber jedoch spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen. Dabei müssen Zeitraum und Umfang der Freistellung von der Arbeitsleistung angege- ben werden. Bei einer nur teilweisen Freistellung in Form der Verringerung der Arbeitszeit ist die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit anzugeben. Die Freistel- lung nach § 3 Abs. 1 PfegeZG erfolgt in der Regel ohne Fortzahlung der Vergütung, wobei ein Vergütungsanspruch für diese Zeit nicht auf § 616 BGB (persönliche Arbeitsverhinderung) gestützt werden kann. Nach § 5 PfegeZG kann der Arbeit- geber das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pfegezeit nicht kündigen. Eine Kündi- gung kann nur in besonderen Ausnahmefällen für zulässig erklärt werden. Familienpfegezeitgesetz Mit dem am 1. 1. 2012 in Kraft getretenen Familienpfegezeitgesetz (FPfZG) soll pfegenden Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen die Möglichkeit eröffnet wer- den, zur häuslichen Pfege von Angehörigen in einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren mit reduzierter Stundenzahl im Beruf weiter zu arbeiten und durch eine Aufstockung des Arbeitsentgelts (wenn auch reduziert) ihre fnanzielle Lebens- 123 BAG v. 15. 11. 2011 – 9 AZR 348/10 – GWR 2012, 136. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 54 29.10.2013 11:16:50
Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung 55 grundlage zu erhalten. 124 Die Familienpfegezeit kann dabei im Unterschied zur Pfegezeit nach dem PfegeZG nach Beendigung der Nachpfegephase für dieselbe pfegebedürftige Person mehrmals in Anspruch genommen werden (§ 3 Abs. 6 FPfZG). Andere gesetzliche oder vertragliche Regelungen zur Freistellung von der Arbeitsleistung (z. B. nach dem PfegeZG) oder Verringerung der Arbeitszeit sowie zu Wertguthaben bleiben von den Regelungen des FPfZG unberührt (§ 10 FPfZG). Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist während der Pfegezeit grundsätzlich ausgeschlossen (§ 9 Abs. 3 FPfZG). Das Gesetz ist Bestandteil des Konzepts zur Privatisierung der öffentlichen Aufgabe der Versorgung Pfegebedürftiger, indem Pfegeleistungen ausschließlich auf Kosten der Beschäftigten erbracht werden sollen. Auch haben die Beschäftigten keinen Rechtsanspruch auf Inanspruch- nahme der Familienpfegezeit. Sie sind darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber freiwillig einer Arbeitszeitreduzierung zum Zwecke der Pfege zustimmt. Es ver- wundert daher nicht, wenn im Jahre 2012 lediglich 200 Familien bzw. 13 Unterneh- men die Möglichkeiten des Pfegezeitgesetzes nutzten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 FPfZG muss die verringerte Arbeitszeit wöchentlich min- Mindestarbeitszeit destens 15 Stunden betragen; bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten 15 Stunden oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten. Für die Dauer der Pfegezeit erhält der Beschäftigte eine Aufstockung des Arbeits- Aufstockung des entgelts um die Hälfte der Differenz zwischen dem bisherigen Bruttoarbeits- Arbeitsentgelts entgelt und dem sich durch die Arbeitszeitreduzierung ergebenden geringeren erfolgt aus der Tasche des Arbeit- Arbeitsentgelt. Wird die Arbeitszeit z. B. um zehn Stunden wöchentlich verkürzt, nehmers wird das Arbeitsentgelt um fünf Stundenentgelte aufgestockt. Die Aufstockung ist jedoch keine freiwillige Zusatzleistung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer/ Die Arbeitnehmerin ist vielmehr verpfichtet, im Umfang der Aufstockung des Arbeitsentgelts Arbeitszeit durch zuschlagsfreie Mehrarbeit entweder vor- oder nach zu leisten oder das Arbeitsentgelt wird bei Rückkehr zur Vollarbeit um die Beträge reduziert, die der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin während der Zeit der Arbeitsreduzierung vorschussweise erhalten hat (§ 3 Abs. 1 Buchst. c FPfZG). Es wird mithin eine Art Arbeitszeitkonto gebildet, in dem von den Beschäftigten vor und nach der Pfegezeit geleistete Plusstunden mit den geringer geleisteten Arbeitszeiten während der Pfegephase verrechnet werden. Hierzu werden jedoch keine Zeitkonten, sondern sog. Wertguthaben (vgl. § 7b SGB IV) gebildet. Soweit 124 Vgl. hierzu Krause, AiB 2013, 54. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 55 29.10.2013 11:16:50
56 Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung das Wertguthaben nach Ablauf der Pfegephase nicht ausgeglichen ist, reduziert sich das Arbeitsentgelt anschließend bei Rückkehr zur Vollarbeit solange um die Hälfte, wie das Wertguthaben nicht ausgeglichen ist. Beispiel: Der Arbeitnehmer hat für 20 Wochen Pfegezeit in Anspruch genommen und in dieser Zeit die Arbeitszeit um zehn Stunden wöchentlich verkürzt, ohne vorher ein Zeitguthaben gebildet zu haben. Die Aufstockung des Arbeitsent- gelts in der Pfegezeit beträgt daher die Hälfte von 20 x 10 Stunden = 100 Arbeitsstunden. Nach Beendigung der Pfegezeit erhält er zum Ausgleich dieses Zeitsaldos 20 Wochen lang ein um fünf Stunden reduziertes Arbeits- entgelt bei gleichzeitiger Rückkehr zur Vollzeitarbeit. Arbeitsbefreiung bei Mutterschaft und Kleinkindern Bestehen während oder nach einer Mutterschaft Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz, besteht nach § 11 ein Lohnersatzanspruch für die aus- fallende Arbeitszeit. Die hierfür gemachten Aufwendungen des Arbeitgebers werden ihm nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) erstattet. Für den Zeitraum der beschäftigungsfreien Mutterschutzfristen (sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt eines Kindes) erhalten Frauen nach § 13 MuSchG/§ 200 RVO Mutterschaftsgeld. Elterngeld Bis zur Vollendung des 14 Lebensmonats eines Kindes haben Eltern (Väter und Mütter) für einen Zeitraum von zwölf Monaten 125 Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). 126 Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besteht der Anspruch bis zum dritten Lebensjahr des Kin- des (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BEEG). Während der Elternzeit können die Beschäftigten die Arbeit vollständig einstellen, sie können jedoch nach § 15 Abs. 4 und 5 BEEG auch bis zu 30 Wochenstunden arbeiten bzw. unter den Voraussetzungen von § 15 Abs. 7 BEEG eine Verringerung der bisherigen Wochenarbeitszeit verlangen. 125 Unter bestimmten Voraussetzungen auch bis zu 14 Monaten. 126 Zu Defziten bei der Umsetzung der Elternurlaubs-Richtlinie 2010/18/EU vgl. Klenter, AiB 2013, 217. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 56 29.10.2013 11:16:50
Gesetzlicher Rahmen der Arbeitszeitgestaltung 57 Im Umfang der ausgefallenen Arbeitszeit beträgt das Elterngeld i. d. R. 67 % 127 Elterngeld des bisherigen Netto-Erwerbseinkommen, maximal jedoch 1800 ¤ monatlich i. d. R. 67 % des (§ 2 Abs. 1 BEEG). Der Anspruch auf Inanspruchnahme der Elternzeit muss gegen- Nettolohnes über dem Arbeitgeber spätestens sieben Wochen vor Inanspruchnahme der Elternzeit geltend gemacht werden, wobei angegeben werden muss, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren die Elternzeit in Anspruch genommen werden soll (§ 16 Abs. 1 BEEG). Ab dem 1. August 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Der Anspruch kann erheblich zu einer Verbesserung der Vereinbarung von Familie und Beruf führen. Unklar ist zur- zeit allerdings, ob die erforderlichen Betreuungseinrichtungen auch tatsächlich fristgerecht bereit gestellt werden können. Keine Verbesserungen für die Erwerbs- tätigkeit bringt demgegenüber das sog. Betreuungsgeld, das Eltern ab dem 1. August 2013 gezahlt wird, die ihre unter dreijährigen Kinder zu Hause erziehen und kein staatlich gefördertes Betreuungsangebot in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld wird für ab dem 1. 8. 2012 geborene Kinder gezahlt und beträgt ab 1. 8. 2013 zunächst 100 ¤ im Monat und ab dem 1. 8. 2014 150 ¤ im Monat. 127 Zu Abweichungen bei Einkommen unter 1000 ¤ bzw. über 1200 ¤ vgl. § 2 Abs. 2 BEEG. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 57 29.10.2013 11:16:50
58 IV. Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 1. Vorrang tarificher Regelungen zur Arbeitszeit – Günstigkeitsprinzip Neben dem Arbeitsentgelt bildet die Arbeitszeit den wichtigsten Schwerpunkt tarif- vertraglicher Regelungen. Alle Tarifverträge enthalten Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie zur Leistung abweichender Arbeitszeiten und hier ggf. zu zahlender Zuschläge. Soweit derartige tarifiche Regelungen bestehen gehen sie den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes grundsätzlich vor. Nur soweit der Tarifvertrag selbst gegen die Mindestbestimmungen des ArbZG verstößt, gehen die gesetzlichen Bestimmungen dem Tarifvertrag vor. Derartige Verstöße kommen jedoch selten vor. Aktuell können sie insbesondere bei der Berücksichtigung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit (vgl. Kap. III.2.6), beim Gleichbehandlungsge- bot und im Bereich der Leiharbeit vorliegen. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit sollte immer der gewerkschaftliche Rechtsschutz eingeschaltet werden. Betriebsvereinba- Ebenso wie Tarifverträge dürfen auch Betriebsvereinbarungen und Arbeitsver- rungen müssen Tarif- träge nicht gegen das ArbZG verstoßen. Die Betriebs- und Arbeitsvertragspar- verträge einhalten teien müssen jedoch zusätzlich die Bestimmungen eines Tarifvertrags einhalten. Ist z. B. im Tarifvertrag eine 35-Stunden-Woche festgelegt, kann die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit weder durch Betriebsvereinbarung noch arbeitsvertrag- lich auf 36 Stunden erhöht werden. Die tarifvertraglich gesteckten Grenzen stel- len Höchstgrenzen der Arbeitszeit dar und dürfen nicht überschritten werden. Sie schließen jedoch Unterschreitungen der Arbeitszeit (z. B. bei Teilzeitregelungen) nicht aus. Im Verhältnis zwischen Tarifvertrag und Einzelvertrag oder Betriebsver- einbarung gilt das sog. Günstigkeitsprinzip. Nach § 4 Abs. 3 des Tarifvertragsge- setzes (TVG) sind abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin enthalten. Das Günstigkeitsprinzip verbietet nur verschlechternde Regelungen. Es bedeu- tet jedoch nicht, dass eine Abweichung von oder eine Verbesserung der tarifich geregelten Arbeitsbedingungen in Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen durch Tarifverträge ausgeschlossen ist. Ist z. B. im Tarifvertrag eine 35-Stunden- Woche vereinbart, kann arbeitsvertraglich (etwa im Rahmen von Teilzeitarbeit) AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 58 29.10.2013 11:16:50
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 59 auch eine geringere Arbeitszeit vereinbart werden. Ebenso wie das ArbZG enthal- ten die Tarifverträge nur Bestimmungen zur Höchstbelastung der Beschäftigten und gestatten daher abweichende Regelungen zur Arbeitszeit, die die Beschäftig- ten weniger belasten oder die mit zusätzlichen Vergünstigungen verbunden sind. 2. Reichweite der Geltung von Tarifverträgen für Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge Geltung im Arbeitsverhältnis Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Tarifverträge gelten zwingend, wenn sowohl der Arbeitgeber als auch die Beschäftigten Mitglied einer nur für Gewerk- Tarifvertragspartei sind. Ist der Arbeitgeber mitgliedschaftlich an den Tarifvertrag schaftsmitglieder unmittelbar gebunden, gelten die tarifvertraglichen Bestimmungen zwingend für alle Beschäf- tigten, die Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sind. Abweichende arbeitsvertragliche Vereinbarungen sind hier grundsätzlich nur unter Beachtung des Günstigkeitsprinzips möglich. Sind Beschäftigte nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft (d. h. auch wenn sie einer anderen Gewerkschaft angehören), sind die Arbeitsvertragspar- teien grundsätzlich nicht an den Tarifvertrag gebunden, sondern können die Rege- lungen zur Arbeitszeit unter Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der Gleich- Bezugnahme auf behandlung frei vereinbaren. In tarifgebundenen Betrieben wird jedoch meist die Tarifvertrag Geltung der Tarifverträge über eine arbeitsvertragliche Klausel vereinbart, nach der sich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso wie bei tarifgebunde- nen Beschäftigten nach den Bestimmungen des Tarifvertrages richten. Auch in nicht tarifgebundenen Betrieben sind derartige Klauseln weit verbreitet. Ist eine solche Bezugnahme vereinbart, sind die tarifvertraglichen Bestimmungen ebenso zwingend einzuhalten, wie bei tarifgebundenen Beschäftigten. Gleiches gilt, wenn im Arbeitsvertrag auf Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit Bezug genommen wird. Spätere kollektivvertragliche Änderungen der Arbeitszeit werden von der Bezugnahme auf dann erfasst, wenn die neue Arbeitszeitregelung nicht dem Inte- resse des Arbeitnehmers an der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Arbeitszeitregelung entspricht. Wünscht der Arbeitnehmer eine von kollektiven AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 59 29.10.2013 11:16:50
60 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Arbeitszeitregelungen abweichende Arbeitszeit, muss dies immer ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart werden. 128 Geltung tarificher Arbeitszeitbestimmungen unabhängig von einer Tarifbindung In einer Reihe von Gesetzen wird vorgeschrieben, dass tarifiche Regelungen als Mindestarbeitsbedingung auch dann einzuhalten sind, wenn weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer tarifgebunden sind und auch keine arbeitsvertragliche Bezug- nahme auf einen Tarifvertrag vereinbart wurde. Im Geltungsbereich des Tarifver- trags gelten dann immer die vereinbarten Arbeitszeiten und die damit zusam- menhängende Vergütung einschließlich etwaiger Zuschläge. Nach § 5 Abs. 4 TVG ist dies z. B. der Fall, wenn Bestimmungen eines Tarifvertrags für allgemeinver- bindlich erklärt sind (z. B. BMTV/VTV-Bau). Daneben können Tarifregelungen zu Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten allgemeinverbindlich sein, die auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) in Rechtsverordnun- gen nach § 7 AEntG enthalten sind (§ 5 Nr. 4 i. V. m. § 2 Nr. 3 AEntG). Betriebsnormen Neben allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen gelten auch tarifiche Betriebsnormen nach § 3 Abs. 2 TVG für alle Arbeitnehmer unabhängig von einer Tarifbindung der Beschäftigten. Bedeutung hat dies im Bereich der Metall- und Elektroindustrie insbesondere im Rahmen der sog. Quotenregelungen (vgl. Kap. IV.3.2). Die entsprechenden Tarifnormen schreiben vor, welcher Prozentsatz der Belegschaft mit einer verlängerten regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt wer- den darf. Das BAG qualifziert derartige Tarifregelungen als Betriebsnorm i. S. v. § 3 Abs. 2 TVG. 129 Ihre Geltung erfordert nur die Tarifbindung des Arbeitgebers. Arbeitnehmer können aus ihr keine individuellen Ansprüche ableiten. 128 BAG v. 23. 6. 1992 – 1 AZR 57/92 – AiB 1993, 243. 129 BAG v. 17. 6. 1997 – 1 ABR 3/97 – AP Nr. 2 zu § 3 TVG Betriebsnormen. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 60 29.10.2013 11:16:50
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 61 Geltung tarificher Arbeitszeitregelungen für betriebliche Vereinbarungen Auch für betriebliche Vereinbarungen in Form von Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen gilt, dass entsprechende Regelungen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin die im Tarifvertrag gezogenen Grenzen der Arbeitszeitgestaltung überschreiten dürfen. 130 Bei Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit ist grundsätzlich zu beachten, dass Die Vergütung für Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt geleistete Arbeits- sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsver- zeit kann nicht in Betriebsvereinba- einbarung sein dürfen (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Entgegenstehende Vereinbarungen rungen geregelt sind unwirksam. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber tarifgebunden werden ist oder nicht, es gilt aber nicht für AT- Angestellte. Die Regelungssperre erfasst alle wesentlichen Arbeitsbedingungen und schließt nach allgemeiner Auffassung nicht nur ungünstigere, sondern auch günstigere Betriebsvereinbarungen aus. 131 Somit gilt im Anwendungsbereich von § 77 Abs. 3 BetrVG das Günstigkeitsprinzip nicht. Auch Regelungen zur Arbeitszeit fallen grundsätzlich unter die Regelungs- sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. 132 Soweit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht, kommt die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG jedoch nicht zur Anwendung 133 (vgl. Kap. VI.2). Nur hinsichtlich des Arbeitsentgelts kann der Betriebsrat auch im Rahmen des Mitbestimmungsrechts von § 87 BetrVG keine Regelung über tarifiche Vergütungsbestandteile erzwingen. Die Betriebspar- teien können tarifiche Vergütungsregelungen weder hinsichtlich ihrer Höhe noch hinsichtlich der Anspruchsberechtigten modifzieren. Eine Betriebsvereinbarung über eine übertarifiche Zulage ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeits- gerichts z. B. dann mit dem Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unver- einbar, wenn sie sich in der Aufstockung der Tariföhne erschöpft. 134 Bei tarifich ungeregelten Sachverhalten gilt andererseits, dass eine Betriebsvereinbarung zusätzliche Entgeltbestandteile vorsehen kann, die an besondere Voraussetzun- gen gebunden sind, welche vom Tarifohn nicht berücksichtigt werden. 135 Bedeu- tung gewinnt dies insbesondere bei Arbeitszeiten mit besonderen Belastungen, die in Tarifverträgen nur lückenhaft oder ergänzungsbedürftig geregelt sind. 130 Str.; wie hier DKKW-Berg, BetrVG, § 77 Rn. 78; a. A. BAG v. 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/99 – AP Nr. 89 zu Art. 9 GG. 131 Fitting, BetrVG, § 77 Rn. 67; DKKW-Berg, BetrVG, § 77 Rn. 62. 132 Fitting, BetrVG, § 77 Rn. 72. 133 BAG (GS) v. 3. 12. 1991 – GS 2/90 – AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 134 BAG v. 30. 5. 2006 – 1 AZR 111/05 – DB 2006, 1795. 135 BAG v. 9. 12. 1997 – 1 AZR 319/97 – NZA 1998, 661. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 61 29.10.2013 11:16:50
62 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Die Regelungssperre greift nach § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG nicht ein, wenn der Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (z. B. nach § 4 MTV Metallindustrie Hamburg bei Arbeitsbereitschaft). Auch können Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, wenn der Tarif- vertrag die Regelung von Arbeitsbedingungen der einzelvertraglichen Absprache überlässt. 136 3. Tarifiche Regelungen zur Dauer der Arbeitszeit Dauer der Arbeits- Regelungen zur Dauer der Arbeitszeit gehören zum Kerngeschäft der Tarifvertrags- zeit kann i. d. R. nicht parteien. In allen Tarifverträgen ist die Dauer der Arbeitszeit geregelt. Soweit der in einer Betriebsver- Tarifvertrag nicht eine ausdrückliche Öffnungsklausel enthält (§ 77 Abs. 3 Satz 2 einbarung geregelt werden BetrVG), sind daher betriebliche Regelungen zur Dauer der Arbeitszeit unzulässig. Die Dauer der Arbeitszeit kann in den Tarifverträgen aus bestimmten Anlässen (z. B. vorübergehend erhöhter oder verminderter Arbeitsanfall), für bestimmte Beschäftigtengruppen (z. B. Beschäftigte mit und ohne Bereitschaftsdienst) oder auch im Rahmen von Quotenregelungen unterschiedlich geregelt sein. Es wird jedoch immer eine Dauer der Arbeitszeit festgelegt, die im Grundsatz gilt, und von der nur in den tarifich defnierten Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Grundsätzlich ist die Arbeitszeit so zu gestalten, dass gesundheitliche Beein- trächtigungen vermieden werden und die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Beschäftigten geschützt ist. Die Tarifverträge schreiben insoweit allgemeine Grundsätze fest, die bei der Gestaltung der Arbeitszeit zu berücksichtigen sind. § 3 MTV Hessen schreibt dies als Verpfichtung der Betriebsparteien fest und verpfichtet darüber hinaus, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit möglichst so zu regeln, dass dem Einzelnen Entscheidungsspielräume eingeräumt werden (so auch § 3.2 MTV NW/NB). Werden diese tarifichen Grundsätze nicht eingehalten, können die Beschäftigten Verbesserungsvorschläge machen. Der Arbeitgeber ist dann verpfichtet, die Vorschläge zu prüfen und bei deren sachlichen Berechti- gung und wirtschaftlichen Vertretbarkeit umsetzen (ebd.). 136 Fitting, BetrVG, § 77 Rn. 85. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 62 29.10.2013 11:16:50
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 63 3.1 Regelmäßige Dauer der Arbeitszeit Auszugehen ist immer von der tarifich geregelten regelmäßigen Arbeitszeit inner- halb eines bestimmten Zeitabschnitts. Bezugspunkt kann hier sowohl der Tag oder die Woche als auch der Monat oder das Jahr sein. Im Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg ist in § 7 und in Nordrhein-Westfalen in § 3 die wöchentliche Arbeitszeit vereinbart. Danach beträgt die tarifiche (regelmäßige) wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 35 Stunden (§ 7.1 MTV Nordwürttemberg-Nordbaden, EMTV NRW § 3.1). Auch eine tägliche, für alle Beschäftigten geltende Höchstar- beitszeit kann in den Tarifverträgen geregelt sein. Infolge der Arbeitszeitfexibi- lisierung ist dies jedoch nur noch selten der Fall. Die Tarifverträge enthalten hier meist nur Auffangregelungen, die zur Anwendung kommen, wenn keine beson- dere Vereinbarung zur Dauer der täglichen Arbeitszeit vorliegt. Nach § 7.5.4 MTV Nordwürttemberg-Nordbaden (NW-NB) beträgt die tägliche Arbeitszeit ggf. 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit. Im Übrigen gelten die im ArbZG festgelegten Höchstarbeitszeiten. 3.2 Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit im Rahmen von Quoten Die Tarifverträge für die Beschäftigen der Metall- und Elektroindustrie sehen vor, Verlängerung der dass (je nach Tarifgebiet unterschiedlich) 13 % bzw. 18 % aller Beschäftigten (vgl. regelmäßigen § 7.1.4 MTV NW/NB) eines Betriebes über die regelmäßige Arbeitszeit von 35 Arbeitszeit nur auf Grundlage je Stunden hinaus bis zu 40 Stunden arbeiten können. Nach § 7.1.1 MTV NW/NB eines Tarifvertrages bedarf die Arbeitszeitverlängerung der Zustimmung des Arbeitnehmers. Lehnen zulässig Beschäftigte die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen (§ 7.1.1 MTV NW/ NB). Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden erhalten Beschäftigte eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung (§ 7.1.2 MTV NW/ NB). Die vereinbarte Arbeitszeit kann auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Das Arbeitsentgelt wird ent- sprechend angepasst (§ 7.1.3 MTV NW/NB). AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 63 29.10.2013 11:16:50
64 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Dem Betriebsrat wird laut Tarifvertrag ein Kontrollrecht bei der 13 %- bzw. 18 %-Regelung eingeräumt. Er erhält vom Arbeitgeber viertel- bzw. halbjährlich eine Aufstellung darüber, wie viele Beschäftigte länger gearbeitet haben (§ 7.1.4 MTV NW/NB, § 3.2 ERTV Niedersachsen). Nach Auffassung des BAG braucht der Arbeitgeber die Quote jeweils nur zum Stichtag der Mitteilungspficht einzuhalten. Überschreitet er sie zwischenzeitlich, so sei das unschädlich, wenn er sie recht- zeitig bis zum nächsten Stichtag wieder zurückführen kann. 137 Ob dem Betriebs- rat bei Verstößen ein Unterlassungsanspruch zusteht, lässt das BAG dabei aus- drücklich offen. Zu § 3.2 GMTV Niedersachsen vertritt das LAG Niedersachsen die Auffassung, dass es an einer tarifichen Regelung fehle, die dem Betriebsrat ein eigenständiges Recht gebe, dem Arbeitgeber untersagen zu lassen, jenseits der tarifichen Beschäftigungsquote Vereinbarungen mit Arbeitnehmern zu einer 35 Stunden übersteigenden Wochenarbeitszeit zu treffen oder Arbeitnehmer über diesen Rahmen hinaus im Jahresdurchschnitt tatsächlich zu beschäftigen. 138 Ausweitung der Unter bestimmten Voraussetzungen sehen die Tarifverträge auch eine Ausweitung Quote bedarf einer der Quote vor. Im Unterschied zur Grundquote ist hier jedoch eine einvernehmli- kollektiven Regelung che Regelung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber erforderlich. § 7.1.5 MTV NW/ NB sieht vor, dass in Betrieben mit einem hohen Anteil von Beschäftigten (mehr als 50 % der Gesamtbeschäftigten) mit Einstufungen ab EG 14, die Betriebspar- teien eine höhere Quote bis maximal 50 % vereinbaren können, was hinsichtlich der Grenzen der Delegationsbefugnisse der Tarifvertragsparteien 139 in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit problematisch erscheint. Daneben können die Betriebs- parteien neben der individuellen Vereinbarung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden durch freiwillige Vereinbarung für bestimmte Beschäftigtengruppen oder Bereiche die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis auf 40 Stunden verlängern. Eine Grenze bilden hierbei jedoch die im Rahmen von § 7 MTV maßgeblichen Quoten (§ 7.1.5.1 MTV NW/NB). Nach gesonderter Prüfung kann von den Tarifparteien darüber hinaus im Falle von notwendigen Innovationsprozessen oder einem drohenden Fachkräftemangel auf Antrag der Betriebsparteien auch eine höhere Quote vereinbart werden. § 7.1.5 NW/NB sieht insoweit vor, dass die Tarifparteien auf Antrag der Betriebsparteien nach Prüfung eine höhere Quote für den Betrieb oder Teile des Betriebes verein- baren können, um Innovationsprozesse zu ermöglichen oder Fachkräftemangel zu begegnen. 137 BAG v. 17. 6. 1997 – 1 ABR 3/97 – AP Nr. 2 zu § 3 TVG Betriebsnormen. 138 LAG Niedersachsen v. 28. 5. 1998 – 1 TaBV 41/97 – NZA-RR 1998, 362. 139 Vgl. hierzu BAG v. 18. 8. 1987 – 1 ABR 30/86 – AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 64 29.10.2013 11:16:50
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 65 Damit die Verlängerung der Arbeitszeit keinen Arbeitsplatzabbau zur Folge hat, ist im Manteltarifvertrag geregelt, dass eine Ausweitung der Quote über 18 % nicht zu einem Arbeitsplatzabbau führen darf (§ 7.1.5.2 MTV NW/NB). 3.3 Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit Für bestimmte Beschäftigtengruppen und bei Arbeitsbereitschaft sehen die Tarif- verträge häufg die Möglichkeit vor, die regelmäßige tägliche und/oder wöchent- liche Arbeitszeit zu verlängern. Der Manteltarifvertrag für Hamburg sieht in § 4 Sonderregelungen für Kraftfah- rer, Beifahrer, Pförtner und Wächter und Feuerwehrpersonal vor. Danach kann die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Kraftfahrer und Beifahrer für Hamburg und Umgebung sowie Schleswig-Holstein bis zu 40 Stunden wöchentlich und für Mecklenburg-Vorpommern bis zu 44 Stunden wöchentlich betragen. In engem Zusammenhang mit der Tätigkeit bestimmter Beschäftigtengruppen Arbeitszeitverlänge- stehen Tarifregelungen, die eine Erhöhung der täglichen und/oder wöchentlichen rung bei Arbeitszeit- Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft vorsehen. § 4 MTV Metallindustrie Hamburg bereitschaft sieht z. B. vor, dass für Pförtner und Wächter die regelmäßige Arbeitszeit bis zu 45 Stunden wöchentlich betragen kann, wenn regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft vorliegt. Dabei kann die tägliche Arbeitszeit auf Grundlage einer betrieblichen Regelung auch über zehn Stunden täglich verlän- gert werden. Dasselbe gilt für Angehörige der hauptamtlichen Feuerwehr. Ähnlich wie § 4 MTV Hamburg sieht auch § 7.2.1 MTV NW/NB die Möglichkeit einer Verlängerung der Arbeitszeiten bei Arbeitsbereitschaft vor. Danach kann die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, wenn die Arbeitsbereitschaft mehr als 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden ausmacht. Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG verein- bart, dass die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 43 Stunden verlängert werden kann, wenn die Arbeitsbe- reitschaft mehr als 40 % der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beträgt (§ 7.2.2 MTV NW/NB). Der Tarifvertrag eröffnet dabei die Möglichkeit, bei Arbeits- bereitschaft auch längere Arbeitszeiten zu vereinbaren. Hierfür ist jedoch eine ausdrückliche Zustimmung beider Tarifvertragsparteien erforderlich (§ 7.2.4 MTV NW/NB). AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 65 29.10.2013 11:16:51
66 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 4. Lage und Verteilung der Arbeitszeit und Ausgleichszeiträume Allein die tarifich festgelegte Dauer der Arbeitszeit beantwortet noch nicht die Frage, zu welchen Zeiten die Beschäftigten die Arbeitszeit leisten müssen. Sowohl die Wochentage als auch die Lage der Arbeitszeit an den einzelnen Tagen hängen vielmehr davon ab, inwieweit das Weisungsrecht des Arbeitgebers bei der Lage der Arbeitszeit (vgl. Kap. III.1.) durch arbeitsvertragliche oder kollektive Regelun- gen eingeschränkt ist. Derartige Einschränkungen sind in allen Tarifverträgen – allerdings mit einer unterschiedlichen Regelungsdichte – enthalten. Arbeitstage und Wochenendarbeit Die vom Arbeitgeber verfolgte Ausweitung der Betriebszeiten berührt insbeson- dere das Interesse der Beschäftigten an einem arbeitsfreien Wochenende. Abge- sehen von den Bereichen, in denen Wochenendarbeit zur Befriedigung eines Samstagsarbeit ist öffentlichen Bedürfnisses erforderlich ist (z. B. Gesundheitswesen, Bahn, Laden- teilweise ausge- öffnung am Samstag), versuchen die Tarifverträge dem Grundsatz »Samstags schlossen gehört Vati mir« Rechnung zu tragen. § 7.4 MTV NW/NB sieht insoweit vor, dass die individuelle Arbeitszeit der Beschäftigten grundsätzlich auf die Wochentage Montag bis Freitag verteilt werden muss. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur zulässig, soweit der Tarifvertrag Abweichungen ausdrücklich zulässt. Eine derartige Ausnahmeregelung enthält z. B. § 7.5.1 MTV NW/NB. Danach kann für Beschäftigte, die mit Überwachungs-, Instandsetzungs- oder Wartungsaufgaben betraut sind, auch Samstagsarbeit mit dem Betriebsrat vereinbart werden, wenn hierbei der Grundsatz der Fünftagewo- che eingehalten wird. Darüber hinaus gehende Ausnahmen sind im Einzelfall nur zulässig, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung erteilt (§ 7.5.2 MTV NW/NB). Anders als zur Samstagsarbeit enthalten die Tarifverträge meist keine Regelun- gen zur Zulässigkeit (nicht zur Vergütung) von Sonn- und Feiertagsarbeit. Deren Zulässigkeit richtet sich daher im Wesentlichen nach den Ausnahmeregelungen der §§ 9 ff. ArbZG (vgl. Kap. III.2.12). Die Tarifverträge schreiben jedoch meistens vor, dass nur »notwendige« Sonn- und Feiertagsarbeit gestattet ist und deren Ein- führung eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat voraussetzt (§ 6.5 MTV Berlin/ Brandenburg TG I). Daneben schreiben die Tarifverträge häufg vor, dass bei deren Anordnung berechtigte Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen sind (§ 5 Abs. 5 MTV NRW; § 8.4 MTV NW/NB). AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 66 29.10.2013 11:16:51
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 67 Gleitzeit Nach § 106 GewO kann grundsätzlich der Arbeitgeber darüber entscheiden, zu Verteilung der welchen Zeiten die Beschäftigten das geschuldete Arbeitszeitquantum erbringen. wöchentlichen Die Tarifverträge enthalten jedoch einschränkende Regelungen, die einem Alleinbe- Arbeitszeit in Tarif- verträgen stimmungsrecht des Arbeitgebers Grenzen setzen. Auch wird tarifich meist vorge- schrieben, dass die Verteilung der Arbeitszeit auf die Arbeitstage einer Woche einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat bedarf (vgl. § 7.5.3 MTV NW-NB). In den Tarifver- trägen für die Metall- und Elektroindustrie ist meistens geregelt, dass die Verteilung der Arbeitszeit gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die Werktage von Montag bis Freitag erfolgen kann (vgl. § 7.5 MTV NW/NB; § 3.3 ERTV Niedersachsen). Danach ist es sowohl möglich, gleichbleibend an jedem Arbeitstag 1/5 der wöchentlichen Arbeitszeit zu leisten, als auch von Tag zu Tag unterschiedliche Arbeitszeiten zu ver- einbaren, z. B. indem im Rahmen einer 35-Stunden-Woche von Montag bis Donners- tag jeweils 7,5 Stunden und freitags lediglich 5 Stunden gearbeitet wird. Über die Möglichkeit der Flexibilisierung der täglichen Arbeitszeit im Rahmen Regelmäßige einer feststehenden wöchentlichen Arbeitszeit hinaus eröffnen Tarifverträge oft wöchentliche auch die Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit fexibel zu gestalten und auf Arbeitszeit muss in einem bestimmten mehrere Wochen ungleichmäßig zu verteilen, wenn hierbei im Durchschnitt nicht Zeitraum durch- länger gearbeitet wird als bei Zugrundelegung der regelmäßigen wöchentlichen schnittlich einge- Arbeitszeit (§ 7.5 MTV NW/NB). Danach kann eine regelmäßige wöchentliche halten sein Arbeitszeit von 35 Stunden z. B. so verteilt werden, dass in einer Woche nur 30 Stunden und in der darauffolgenden Woche 40 Stunden gearbeitet wird (= 70 Stunden in zwei Wochen). Entsprechend § 3 ArbZG sehen die Tarifverträge jedoch häufg vor, dass die durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit erst in län- geren Zeitabschnitten erreicht sein muss. § 3.3 ERTV Niedersachsen regelt bei- spielsweise, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erst im Durchschnitt von längstens sechs Monaten erreicht werden muss (ebenso § 7.5 MTV NW/NB; § 4.1 EMTV NRW). Danach kann z. B. in den ersten 13 Wochen eines Halbjahres eine tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und in den restlichen 13 Wochen von 30 Stunden vereinbart werden. Die fexiblen Arbeitszeiten führen dazu, dass in bestimmten Phasen über die regel- mäßige (wöchentlich vereinbarte) Arbeitszeit hinaus Arbeitsstunden geleistet werden und in anderen Phasen weniger Arbeitsstunden. Die hierbei entstehenden Zeitguthaben und Zeitsalden werden dabei für den betrieblich festgelegten Aus- gleichszeitraum meist in einem sog. Arbeitszeitkonto erfasst und dokumentiert (vgl. hierzu Kap. III.2.9). Die Zeitausgleichsdifferenz aus ungleichmäßiger Vertei- lung der Arbeitszeit (auch bei Gleitzeit), ist den Beschäftigten monatlich auszu- weisen (§ 7.12 MTV NW/NB). Über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 67 29.10.2013 11:16:51
68 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Stunden werden als Plusstunden, unterschreitende Arbeitsstunden als Minus- stunden gebucht, wobei das Arbeitszeitkonto am Ende des Ausgleichszeitraums ausgeglichen sein muss. Ein Regelüberlauf von Zeitguthaben in Langzeitkonten ist dabei ausgeschlossen (§ 7.7.2.2 MTV NW/NB). Flexible Arbeitszeitkonten und Langzeitkonten Verlagerung des Normale Arbeitszeitkonten im Rahmen qualifzierter Gleitzeit sehen immer einen Beschäftigungs- befristeten Ausgleichszeitraum vor und berücksichtigen i. d. R. sowohl die Interes- risikos über fexible sen der Beschäftigten als auch des Arbeitgebers. Das sog. fexible Arbeitszeitkonto Arbeitszeitkonten dient dabei dem Ausgleich betrieblicher Auslastungsschwankungen und soll eine Verstetigung der Beschäftigung gewährleisten (§ 7.7.1.1 MTV NW/NB). Innerhalb seines Geltungsbereichs ersetzt das fexible Arbeitszeitkonto andere Konten im Rahmen der ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach § 7.5 MTV NW/NB. Das Nähere hierzu ist in einer Betriebsvereinbarung zu regeln, in der u. a. Ober- grenzen für Guthabenstunden und Untergrenzen für Minusstunden festzulegen sind (§ 7.7.1.2 MTV NW/NB). Auch müssen Zeitguthaben ab einer bestimmten Grenze gegen Insolvenz gesichert werden (vgl. § 7.7.1.2 MTV NW/NB). Geringe Regelungs- Gegenüber den im betrieblichen Interesse liegenden fexiblen Arbeitszeitkonten dichte bei Langzeit- dienen sog. Langzeitkonten der persönlichen Lebensarbeitszeitplanung des ein- konten zelnen Beschäftigten, insbesondere der Verkürzung der Lebensarbeitszeit unmit- telbar vor Bezug einer Altersrente (§ 7.2.1 MTV NW/NB). Langzeitkonten sind tarifvertraglich nur in einigen Tarifgebieten, z. B. in Baden-Württemberg und Nord- rhein-Westfalen sowie in der Stahlindustrie, geregelt. Die Verwendungszwecke für die angesparten Stunden auf den Langzeitkonten sind im Tarifvertrag geregelt und dienen allgemein der Freistellung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin für einen längeren zusammenhängenden Zeitraum zur Weiterbildung, dem vorzei- tigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben und der Verlängerung der Elternzeit (vgl. §§ 7.7.2.4 und 7.7.2.5 MTV NW/NB). Der Zufuss von Zeitguthaben zum Langzeit- konto ist nur auf freiwilliger Basis möglich und darf 152 Stunden pro zwölf Monate nicht überschreiten (§ 7.7.2.3 MTV NW/NB). Langzeitguthaben sind ab der ersten Stunde gegen Insolvenz zu sichern (§ 7.7.2.6.1 MTV NW/NB). 5. Mehrarbeit/Überstunden Über die arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeitszeiten sind Überstunden bzw. Mehrarbeit. Bezugspunkt für Regelungen zur Mehrarbeit sind ausschließlich die Tarifverträge, Betriebsver- AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 68 29.10.2013 11:16:51
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 69 einbarungen und Arbeitsverträge. Das ArbZG ist hierbei nur insoweit von Bedeu- tung als dessen Arbeitszeitgrenzen eingehalten sein müssen. Die Tarifverträge regeln sowohl die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in Tarifverträge regeln welchen Grenzen Mehrarbeit geleistet werden darf, als auch die Frage der Vergü- Zulässigkeit und tung von Mehrarbeit. Wegen der negativen arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen Umfang von Mehrarbeit werden in einer Reihe von Tarifverträgen zunächst die Zwecke der Mehrarbeit umschrieben bzw. eingeschränkt. Nach § 8.1.1 MTV NW/NB soll Mehr- arbeit nicht dauerhaft und nicht als Ersatz für mögliche Neueinstellungen genutzt werden (ebenso § 5 [1] ERTV Metall Niedersachsen, § 6.1 MTV Berlin/Brandenburg TG I). Das Volumen von Mehrarbeit soll dabei grundsätzlich so gering wie möglich gehalten werden (ebenso § 5 [1] ERTV Metall Niedersachsen, § 6.1 MTV Berlin/ Brandenburg TG I). Wann Mehrarbeit vorliegt, wird in den Tarifverträgen näher geregelt. Bezugs- punkt ist meist die regelmäßige tägliche und/oder wöchentliche Arbeitszeit der Beschäftigten. Dabei ist darauf zu achten, dass die Voraussetzungen, unter denen Mehrarbeit vorliegt, und die Voraussetzungen, unter denen Mehrarbeit zuschlags- pfichtig ist, voneinander abweichen können. Nach § 4.1 MTV Hessen bzw. § 5.I.1 EMTV NRW erfasst die Mehrarbeit grundsätz- lich die Arbeitsstunden, die über die individuelle regelmäßige tägliche/wöchent- liche Arbeitszeit hinaus geleistet werden. Bei ungleichmäßiger Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit liegt Mehrarbeit meist vor, wenn die für die Woche fest- gelegte individuelle Arbeitszeit überschritten wird (§ 4.1 MTV Hessen). Sonderregelungen enthalten die Tarifverträge meist für Teilzeitbeschäftigte (vgl. Für Teilzeitbeschäf- Kap. III.2.7) und Beschäftigte mit Arbeitsbereitschaft (vgl. Kap. III.2.6). Der EMTV tigte gelten Sonder- NRW sieht z. B. vor, dass für Teilzeitbeschäftigte Mehrarbeit die Arbeitszeit ist, regelungen »die über die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit vergleichbarer Voll- zeitbeschäftigter hinausgeht. Sind keine vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten vorhanden, ist Mehrarbeit die Arbeitszeit, die über sieben Stunden pro Tag hin- ausgeht. Daher ist Arbeit an einem sonst für den Teilzeitbeschäftigten arbeits- freien Tag Mehrarbeit« (§ 5.I.1 EMTV NRW). Demgegenüber liegt nach § 6 Abs. 1 MTV Hessen Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigten nur vor, wenn die tarifiche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden überschritten wird. Für Beschäftigte mit Arbeitsbereitschaft, deren individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die tarifiche Arbeitszeit überschreitet, sehen die Tarifverträge meist vor, dass Mehr- arbeit erst vorliegt, wenn die jeweils geltende individuelle regelmäßige wöchent- liche Arbeitszeit überschritten wird (vgl. § 6.1 MTV Hessen; § 5.I.1/§ 3.10 MTV NW/NB). AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 69 29.10.2013 11:16:51
70 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Höchstgrenzen In den Tarifverträgen sind meist auch das Volumen und der zeitliche Rahmen für des Mehrarbeits- die Anordnung von Mehrarbeit festgelegt. § 8.1.2.1 MTV NW/NB und § 6.1.1 MTV volumens Berlin TG I sehen z. B. vor, dass bei dringenden betrieblichen Erfordernissen Mehr- arbeit mit Zustimmung des Betriebsrats bis zu zehn Mehrarbeitsstunden in der Woche und bis zu 20 Stunden im Monat vereinbart werden kann. Nach § 5 (3) ERTV Niedersachsen bzw. § 6.2 MTV Hessen kann Mehrarbeit mit Zustimmung des Betriebsrats bis zu zehn Mehrarbeitsstunden in der Woche und bis zu 20 im Monat durchgeführt werden. Für Ausnahmefälle kann nach den Tarifverträgen auch ein erhöhtes Mehrarbeitsvolumen vereinbart werden (§ 5.I.6 MTV NRW; § 5 [3] ERTV Niedersachsen), wobei in den Tarifverträgen unterschiedliche Voraus- setzungen aufgestellt und unterschiedliche Volumina zugelassen werden. Nach § 6.2 MTV Hessen kann beispielsweise durch Betriebsvereinbarung für einzelne Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten ein Mehrarbeitsvolumen von mehr als 20 Stunden im Monat zugelassen werden (ebenso § 6.1.1 MTV Berlin TG I). Daneben kann nach § 6.2 MTV Hessen in außergewöhnlichen Bedarfsfällen mit Zustimmung des Betriebsrats für einzelne Abteilungen oder Gruppen die Arbeits- zeit über die in Absatz 1 festgelegte Stundenzahl hinaus bis zu sechs weiteren Stunden wöchentlich für bis zu drei Wochen verlängert werden. Vergütung von Geleistete Mehrarbeit ist zunächst wie normale Arbeitszeit zu vergüten. 140 Der Mehrarbeit und Vergütungsanspruch setzt voraus, dass die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeord- Zuschläge net, gebilligt oder geduldet wurde oder jedenfalls zur Erledigung der geschulde- ten Arbeit notwendig war. 141 Zuzüglich zum normalen Stundenentgelt werden bei Mehrarbeit i. d. R. tarifiche Zuschläge fällig, deren Höhe häufg vom Umfang der geleisteten Mehrarbeit abhängt. Hinsichtlich der normalen Vergütung ist grund- sätzlich der Stundenlohn zu zahlen, der im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit fällig ist (§ 7.2 MTV Hessen; zu Abweichungen vgl. z. B. § 6.1 MTV NRW). Hinzu- kommen dann die Mehrarbeitszuschläge, die nach § 6.2 MTV NRW für die beiden ersten täglichen Mehrarbeitsstunden 25 % und von der dritten täglichen Mehr- arbeitsstunde an 50 % des festen Mehrarbeitsentgelts betragen (ähnlich § 10.1.3 MTV NW/NB). Teilweise hängt die Höhe des Mehrarbeitszuschlags aber nicht vom Umfang der täglichen, sondern der wöchentlich geleisteten Mehrarbeitsstunden ab (z. B. §§ 10.1.1 und 10.1.2 MTV NW/NB; § 7.1a MTV Hessen). Die an der Zahl der tatsächlich geleisteten Mehrarbeitsstunden orientierten Zuschläge können nach den Tarifverträgen teilweise durch die Vereinbarung einer monatlichen Mehrarbeitspauschale ersetzt werden, was aber eine besondere 140 BAG v. 3. 11. 2004 – 5 AZR 648/03 – AP Nr. 49 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung. 141 BAG v. 25. 5. 2005 – 5 AZR 319/04 – AiB 2006, 246. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 70 29.10.2013 11:16:51
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 71 Vereinbarung voraussetzt (vgl. z. B. § 7.5 MTV Hessen; § 6.5 MTV NRW 142 ). Der Mehrarbeitszuschlag kann daneben entfallen, wenn gleichzeitig Zuschläge für andere belastende Arbeitszeiten zu zahlen sind. Die Tarifverträge sehen insoweit häufg vor, dass bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen ist (§ 7.3 MTV Hessen; § 10.5 MTV NW/NB). Da Mehrarbeit die humanisierungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele der Arbeits- Freizeitausgleich zeitverkürzung konterkarieren kann, enthalten die Tarifverträge oft Bestimmun- bei Mehrarbeit gen, nach denen die Vergütung bei Mehrarbeit durch die Gewährung von Freizeit- ausgleich ersetzt werden kann. 143 § 6.2 MTV Hessen enthält z. B. die Bestimmung, dass Mehrarbeitszuschläge grundsätzlich in Geld zu vergüten sind (so auch § 8.1.2.7 MTV NW/NB; § 6.1.2 MTV Berlin TG I), Mehrarbeit bis 16 Stunden im Monat jedoch im einzelnen Fall auch durch bezahlte Freistellung von der Arbeit ausgeglichen werden kann und bei darüber hinaus geleisteten Mehrarbeits- stunden ein Anspruch des Beschäftigten auf Freizeitausgleich besteht (ebenso § 8.1.2.5 MTV NW/NB). Daneben kann tarifich auch vorgesehen sein, durch Betriebsvereinbarung den Freizeitausgleich bei Mehrarbeit zu regeln (vgl. z. B. § 7.1.2.6 MTV NW/NB; § 6.1.3 MTV Berlin TG I; § 5 Abs. 4 MTV Metallindustrie Nie- dersachsen). Ein Freizeitausgleich wird nur gewährt, wenn die Beschäftigten statt Arbeitszeit leisten zu müssen, durch Reduzierung der Sollarbeitszeit bezahlte Freizeit erhalten. 144 6. Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit Der Schutz von Beschäftigten, die Schicht-, Nacht- oder Wochenendarbeit leis- ten, ist im ArbZG nur unvollkommen geregelt (vgl. Kap. III.2.10). Von daher kommt tarifichen Regelungen in diesen Bereichen, die in allen Tarifverträgen enthalten sind, eine besondere Bedeutung zu. Ähnlich der Struktur tarificher Regelungen zur Mehrarbeit ist dabei danach zu unterscheiden, unter welchen Voraussetzun- gen und in welchen Grenzen diese Sonderarbeitszeiten geleistet werden können und welche vergütungsrechtlichen Folgen sich aus ihrer Leistung ggf. ergeben. 142 Zur AGB- Kontrolle vgl. BAG v. 1. 9. 2010 – 5 AZR 517/09 – NZA 2011, 575. 143 Ohne vereinbarte Ersetzungsbefugnis besteht grundsätzlich nur der Vergütungsanspruch; vgl. BAG v. 18. 9. 2001 – 9 AZR 307/00 – AiB 2002, 282. 144 BAG v. 17. 3. 2010 – 5 AZR 296/09 – DB 2010, 1130. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 71 29.10.2013 11:16:51
72 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 6.1 Schichtarbeit Defnition der Schichtarbeit wird in den Tarifverträgen meist unter dem Begriff der Wechsel- Schichtarbeit schichtarbeit geregelt. Wechselschichtarbeit ist die Arbeit, die von einzelnen Beschäftigten im Rahmen regelmäßig wechselnder Schichten geleistet wird. Sie liegt vor, wenn • in zwei Schichten (z. B. Früh- und Spätschicht) oder • in drei Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) in regelmäßigem Wechsel gearbeitet wird (§ 6.3 MTV Hessen). Im Rahmen regelmäßig wechselnder Schichten geleistete Arbeit liegt dann vor, wenn einzelne Beschäftigte, dem Schichtplan entsprechend selbst regelmäßigem Schichtwechsel unterliegen oder aber ständig außerhalb der Normalschicht bzw. der ersten Schicht in den weiteren Schichten des Schichtplanes eingesetzt wer- den (§ 6.2 MTV Berlin/Brandenburg TG I). Während für die Frühschicht im Regelfall keine besonderen tarifichen Regelun- gen bestehen, sind für die Spätschichtarbeit und die Nachtarbeit hinsichtlich der Arbeitszeit und der Vergütung in den Tarifverträgen besondere Regelungen enthalten. Nach § 6.3 MTV Hessen liegt Spätschichtarbeit vor, wenn mindestens sechs Stunden in der Zeit nach 14.00 Uhr gearbeitet wird. Ähnlich regelt § 5.2 MTV NRW, dass Spätarbeit die in der Zeit von 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr geleistete Arbeit ist, sofern die regelmäßige Arbeitszeit nach 17.00 Uhr endet. Spätschichtarbeit ist meist mit einer Zuschlagspficht zum Grundentgelt verbun- den. Nach § 9.5 MTV NW/NB liegt zuschlagspfichtige Spätarbeit vor, wenn die regelmäßige Arbeitszeit nach 12.00 Uhr beginnt und nach 19.00 Uhr endet. Für diese Zeit wird gemäß § 10.2 des MTV dann ein Zuschlag von 20 % gezahlt (§ 6.3.a MTV NRW: 15 %; § 7.1.b MTV Hessen: 10 %). Verpfichtung Ob der Beschäftigte zur Leistung von Schichtarbeit verpfichtet ist, regelt sich zur Leistung von nach dem Arbeitsvertrag. Unterliegt das Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag, ist Schichtarbeit der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin jedoch immer nach den dort geregelten Bestimmungen zur Leistung von Schichtarbeit verpfichtet. Dies gilt grundsätzlich auch für Beschäftigte, die bislang nicht in Wechselschichtarbeit eingesetzt waren. Für diesen Fall enthalten die Tarifverträge jedoch zum Teil Einschränkungen. § 8.6 MTV NW/NB regelt z. B., dass bisherige Nichtschichtarbeitnehmer/Nacht- schichtarbeitnehmerinnen regelmäßige Schichtarbeit ohne Nachteil ablehnen können. Und für mehrjährige Beschäftigte in Schichtarbeit können tarifvertrag- lich auch Möglichkeiten für einen Ausstieg aus der Schichtarbeit vorgesehen sein. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 72 29.10.2013 11:16:51
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 73 § 8.7 MTV NW/NB sieht z. B. vor, dass Beschäftigte, die mindestens sieben Jahre regelmäßig in Schichtarbeit (Mehrschichtarbeit, Nachtschichtarbeit) tätig waren, im Rahmen der innerbetrieblichen Stellenausschreibung bei der Besetzung von Stellen in einer für sie günstigeren Schichtform bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden, es sei denn, dass anderen Bewerbern aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen der Vorrang eingeräumt werden muss. 6.2 Nachtarbeit Als besonders belastende Form der Schichtarbeit ist die Nachtarbeit in den Tarif- Zulässigkeit von verträgen gesondert geregelt. § 5.7 ERTV Niedersachsen sieht vor, dass Nachtar- Nachtarbeit beit möglichst zu vermeiden ist. Auch enthalten die Tarifverträge oft die Bestim- mung, dass nur notwendige Nachtarbeit zulässig ist (§ 8.4 MTV NW/NB; § 5.5 MTV NRW; § 6.5 MTV Berlin/Brandenburg TG I). Vor allem aus Gründen der Zuschlagspficht umfasst die Nachtarbeit auf Grund der Tarifverträge abweichend von § 2 Abs. 3 und 4 ArbZG meist breitere Zeit- räume. Nach § 5.5 MTV Niedersachsen ist die Arbeit, die zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistet wird, Nachtarbeit (ebenso: § 6.4 MTV Hessen und § 5.3 MTV NRW; anders § 9.4 MTV NW/NB: Zeit zwischen 19.00 und 6.00 Uhr). Geleistete Nachtarbeit ist nach den Tarifverträgen immer zuschlagspfichtig, Nachtarbeit ist wobei Zuschläge der Höhe nach von der Art der geleisteten Nachtarbeit abhän- immer zuschlags- gen (vgl. § 7.1.c. MTV Hessen). Auch ist der Zeitpunkt, ab dem Zuschläge anfallen, pfichtig in den Tarifverträgen unterschiedlich geregelt. I. d. R. ist der Zuschlag meist an die Zeiten defnierter Nacharbeit gekoppelt, nach § 9.4 MTV NW/NB beginnt die Zuschlagspficht aber bereits um 19.00 Uhr. Wie bei Mehrarbeit sind die Zuschläge regelmäßig in Geld zu zahlen. Entsprechende Regelungen schließen es dann aus, dass der Belastungsausgleich für Nachtarbeit nach § 6 Abs. 5 Abs. 5 ArbZG (vgl. Kap. III.2.10) durch die bezahlte Freistellung an Ersatzruhetagen erfolgen kann. 145 Dies gilt jedoch nicht, soweit der Tarifvertrag anstelle des geldlichen Zuschlags ersatzweise auch eine bezahlte Freistellung von der Arbeit vorsieht. § 6.3 MTV Niedersachsen sieht insoweit z. B. vor, dass durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, dass für jede geleistete Nachtarbeitsstunde ein Ausgleich in Form einer Viertel Stunde bezahltem Freizeitausgleich erfolgen kann. 145 BAG v. 17. 1. 2012 – 1 ABR 62/10 – BB 2012, 3084. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 73 29.10.2013 11:16:51
74 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Die Möglichkeit zur Gewährung eines Ersatzruhetages ist tarifich nur ausge- schlossen, wenn der tarifiche Zuschlag auch tatsächlich zusätzlich gezahlt wird und die Zusatzbelastungen bei Nachtarbeit ausgleicht. Eine tarifiche Regelung zu Nachtarbeitszuschlägen schließt eine tarifiche Regelung zu daneben zu zah- lenden Wechselschichtprämien nicht aus. 146 Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Tarifverträge teilweise vorsehen, dass beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge für unterschiedliche Belastungen jeweils nur der höhere Zuschlag zu zahlen ist (§ 7.3 MTV Hessen; § 6.6 MTV NRW). § 10.5 MTV NW/NB und § 6.6 MTV NRW stellen insoweit zwar klar, dass der Nachtarbeitszuschlag bei Sonn- und Fei- ertagsarbeit zusätzlich zu zahlen ist. Wird dieser dagegen z. B. durch einen höhe- ren Mehrarbeitszuschlag oder eine gleich hohe Wechselschichtprämie kompen- siert, ist es mehr als fraglich, ob ein Belastungsausgleich in Form eines tarifichen Zuschlags gewährt wird. 147 Verpfichtung zur Ob der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin zur Leistung von Nachtarbeit verpfich- Leistung von Nacht- tet ist, richtet sich nach den arbeitsvertraglichen Absprachen. Die Tarifverträge arbeit sehen insoweit eine Verpfichtung zur Leistung von Nachtarbeit vor, wenn diese mit Zustimmung des Betriebsrats eingeführt wird (§ 5.5 MTV NRW) und keine zwingenden Gründe vorliegen, die der Leistung von Nachtarbeit entgegenstehen (vgl. § 6.5 MTV Berlin/Brandenburg TG I). § 8.6 MTV NW/NB sieht jedoch vor, dass Beschäftigten, die bislang nicht zur Leistung von Nachtarbeit verpfichtet waren, aus der Ablehnung von Nachtarbeit kein Nachteil erwachsen darf. Ob dem Nachtarbeitnehmer/der Nachtarbeitnehmerin ein Anspruch auf Ausstieg aus der Nachtarbeit zusteht, richtet sich weitgehend nach den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 ArbZG. Darüber hinaus haben Nachtarbeitnehmer, die bereits mehr als sie- ben Jahre Nacht- oder Schichtarbeit geleistet haben, unter bestimmten Vorausset- zungen einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung von Tagesarbeitsplätzen (vgl. § 8.7 MTV NW/NB). Im Übrigen gelten für Ansprüche auf Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz die Bestimmungen des § 6 Abs. 4 ArbZG (vgl. Kap. III.2.10). 146 BAG v. 23. 10. 1985 – 4 AZR 119/84 – AP Nr. 33 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie. 147 Vgl. Buschmann/Ulber, ArbZG, § 6 Rn. 27a. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 74 29.10.2013 11:16:51
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 75 6.3 Wochenend- und Feiertagsarbeit Samstagsarbeit In den Tarifverträgen ist zumeist geregelt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf die Werktage von Montag bis Freitag zu verteilen ist und der Sams- tag regelmäßig arbeitsfrei ist (vgl. z. B. § 7.5 Satz 1 MTV NW/NB; § 4 Abs. 1 Satz 1 MTV NRW). Für einzelne Beschäftigte oder für bestimmte Beschäftigtengruppen sehen die Tarifverträge jedoch Ausnahmen vor, die meist von einer Zustimmung des Betriebsrats abhängen (vgl. z. B. §§ 7.5.1 und 7.5.2 MTV NW/NB). Samstags- arbeit wird häufg im Rahmen von Mehrarbeit/Sonderschichten zur Bewältigung vorübergehender Personalbedarfsspitzen geleistet. In diesem Fall sind die Zei- ten unter Einschluss der tarifichen Mehrarbeitszuschläge zu vergüten. Wird der Samstag jedoch in die regelmäßige Arbeitszeit einbezogen, ist die Arbeitszeit am Samstag grundsätzlich nicht zuschlagspfichtig. Dies gilt insbesondere für Arbeit- nehmer, die im Rahmen kontinuierlicher Schichtarbeit samstags arbeiten (zu den Zuschlägen bei Schichtarbeit vgl. Kap. IV.6.1). Sonn- und Feiertagsarbeit Entsprechend § 9 Abs. 1 ArbZG sehen die Tarifverträge meist vor, dass Sonn- und Defnition der Sonn- Feiertagsarbeit vorliegt, wenn der Beschäftigte an diesen Tagen zwischen 0.00 und und Feiertagsarbeit 24.00 Uhr arbeitet (§ 6 Abs. 5a MTV Hessen, nach dem zusätzlich auch die Zeit bis 6.00 Uhr des folgenden Tages als Sonntagsarbeit gilt, wenn mit der Arbeit bereits sonntags begonnen wurde). Eine Reihe von Tarifverträgen bestimmt jedoch, dass die in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 6.00 Uhr des darauffolgenden Tages geleis- tete Arbeit den Begriff der tarifichen Sonn- und Feiertagsarbeit erfüllt (§ 5 I.4 MTV NRW; § 6.4 MTV Berlin/Brandenburg TG I). Uneingeschränkt angewandt werden kann diese Bestimmung nur, wenn hiermit die Zuschläge bei Sonn- und Feiertags- arbeit geregelt werden sollen. Ob die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbZG eingehalten sind, richtet sich demgegenüber grundsätzlich danach, ob an Sonn- und Feiertagen zwischen 0.00 Uhr und 24.00 Uhr gearbeitet wurde. Eine Ausnahme hiervon sieht das Gesetz nur für Kraftfahrer und Beifahrer (§ 9 Abs. 3 ArbZG) und in mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht vor (§ 9 Abs. 2 ArbZG). Eine entsprechende Regelung ist z. B. in § 9.6 MTV NW/ NB enthalten. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 75 29.10.2013 11:16:52
76 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Anstieg begründet Da die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen nach dem Arbeitszeitgesetz einen zunehmenden (§§ 9 ff.; vgl. Kap. III.2.12) grundsätzlich verboten ist, bestehen tarifiche Rege- tarifichen Rege- lungsnotwendigkeiten nur, soweit im Ausnahmefall ein Arbeitnehmer zu Sonn- lungsbedarf oder Feiertagsarbeit herangezogen werden darf. Abweichend von § 11 Abs. 1 ArbZG erweitert z. B. § 2.6 MTV Hessen die Zahl zwingend arbeitsfreier Sonntage im Jahr auf jeden zweiten Sonntag. Infolge des Anstiegs der Sonn- und Feier- tagsarbeit sowie einer verfassungsrechtlich problematischen Inanspruchnahme der Ausnahmebestimmungen zur Sonntagsarbeit (insbesondere von § 10 Abs. 1 Nr. 14–16 und § 13 Abs. 4 und 5 ArbZG 148 ) besteht jedoch zunehmend auch ein tarificher Regelungsbedarf. Die Tarifverträge bestimmen im Zusammenhang mit § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG meist, dass nur notwendige Sonn- und Feier- tagsarbeit geleistet werden darf, und dies auch nur, soweit der Betriebsrat vor- her seine Zustimmung erteilt hat (vgl. z. B. § 5 I.5 MTV NRW; § 8.4 MTV NW/NB). Sind die tarifichen Voraussetzungen für Sonn- und Feiertagsarbeit erfüllt, sind die Beschäftigten grundsätzlich verpfichtet, an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten (§ 6.6 MTV Hessen; § 5.I.5 MTV NRW). Berechtigte Wünsche des Beschäftigten (z. B. Kirchgang) sind dabei zu berücksichtigen sind (§ 5.8 ERTV Niedersachsen). Ersatzruhetag Regelungen zur Gewährung des Ersatzruhetages bei Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 11 Abs. 3 ArbZG (vgl. Kap. III.2.12) sind in den wenigsten Tarifverträgen enthalten. Insoweit ist zu beachten, dass der Ersatzruhetag nach § 11 Abs. 4 ArbZG immer im Zusammenhang mit einer mindestens elfstündigen Ruhezeit zu gewäh- ren ist, d. h. einen Zeitraum von mindestens 35 zusammenhängenden Stunden umfassen muss. Dies gilt auch, wenn im Tarifvertrag eine besondere Regelung getroffen wurde (missverständlich insoweit § 9.6 MTV NW/NB). Zuschläge Für Sonn- und Feiertagsarbeit sehen alle Tarifverträge Zuschläge in Geld vor, wobei teilweise vorgesehen ist, dass die Zuschläge auch pauschaliert werden können (§ 7.5 MTV Hessen; § 6.5 MTV NRW). Die Zuschläge variieren je nach Tarifgebiet zwischen 50 % (vgl. § 10.4 MTV NW/NB) und 150 % (so § 7.1.d MTV Hessen; § 6.2 MTV NRW), wobei die Zuschläge für Arbeit an Feiertagen teilweise höher liegen als bei Sonntagsarbeit (vgl. § 10.4 MTV NW/NB). Die Zuschläge sind Bestandteil des Arbeitsentgelts und daher auch zu zahlen, wenn angeordnete Sonn- oder Fei- ertagsarbeit infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausfällt. 149 148 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 13 Rn. 22. 149 BAG v. 14. 1. 2009 – 5 AZR 98/08. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 76 29.10.2013 11:16:52
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 77 7. Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Dienstreisen Das ArbZG enthält nur wenige Regelungen zu Arbeitszeiten, die für die Beschäftig- ten nicht planbar sind. Die bestehenden Defzite werden auch durch die tarifichen Regelungen nur zum Teil ausgeglichen. Dies gilt allgemein für die Rufbereitschaft und für Defzite bei der Beschränkung des zeitlichen Rahmens. 150 Es gilt aber auch im Hinblick auf den Bereitschaftsdienst, dessen tarifiche Regelungen nur unvoll- kommen daran angepasst wurden, dass der Bereitschaftsdienst ebenso wie die Arbeitsbereitschaft Arbeitszeit i. S. d. ArbZG ist (vgl. Kap. III.2.6). 7.1 Arbeitsbereitschaft Für die Arbeitsbereitschaft, die in vollem Umfang Arbeitszeit i. S. d. ArbZG ist, eröff- Verlängerung der net § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG die Möglichkeit, in einem Tarifvertrag die werktägliche Arbeitszeit bei Arbeitszeit auch über zehn Stunden hinaus unbegrenzt 151 zu verlängern (so z. B. Arbeitsbereitschaft § 7.2.2 MTV NW/NB; § 3.10 MTV NRW; § 5.1.b MTV Hessen). Daneben gestattet § 7 Abs. 2a ArbZG den Tarifvertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich zu verlängern (vgl. § 3.7.b MTV Niedersachsen, nach dem eine wöchentliche Arbeitszeitverlängerung bis zu 48,5 Stunden zulässig ist). Dies gilt allerdings nur, soweit durch besondere Regelungen sichergestellt ist, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet ist. Das Gesetz geht davon aus, dass Arbeitsbereitschaft weniger belastend ist als Nor- malarbeit und daher höhere Arbeitszeiten rechtfertigt. Dieser Gedanke liegt auch einer Reihe tarificher Regelungen zur Arbeitszeit zu Grunde und rechtfertigt nach der Rechtsprechung unterschiedliche Vergütungssätze bei Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. 152 Begriff der Arbeitsbereitschaft Entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien defnieren die Tarifverträge die Arbeitsbereitschaft als die Zeit, in der sich der Beschäftigte bei wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung in seinem Arbeitsbereich auf- hält und in der Lage ist, sofort die seiner Arbeitsaufgabe entsprechende Tätigkeit 150 Mayer, AiB 2011, 711. 151 BAG v. 18. 2. 2003 – 1 ABR 2/02 – AiB 2003, 759. 152 BAG v. 5. 2. 2009 – 6 AZR 114/08 – NZA 2009, 559. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 77 29.10.2013 11:16:52
78 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit aufzunehmen (§ 5.1.c MTV Hessen). Keine Arbeitsbereitschaft liegt jedoch nach dem MTV Hessen vor, wenn die Arbeitsaufgabe lediglich im Beobachten der Pro- duktionsanlagen besteht (ebd.; § 3.10 MTV NRW; § 3.7 MTV Niedersachsen). Tarifvertragliche Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft Die Tarifverträge sehen teilweise vor, dass die regelmäßige tägliche/wöchentli- che Arbeitszeit für Beschäftigte mit Arbeitsbereitschaft verlängert werden kann. Voraussetzung ist hierbei i. d. R., dass in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheb- lichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. § 7.2 MTV NW/NB sieht z. B. vor, dass die regelmäßige Arbeitszeit bis zu zehn Stunden täglich und bis zu 40 Stunden wöchentlich verlängert werden kann, wenn die Arbeitsbereitschaft mehr als 25 % der regelmäßigen Arbeitszeit ausmacht. Bei Arbeitsbereitschaft von mehr als 40 % kann die tägliche Arbeitszeit sogar auf zwölf Stunden täglich, jedoch höchs- tens bis zu 43 Stunden wöchentlich verlängert werden (§ 7.2.2 MTV NW/NB). Arbeitsbereiche von Arbeitsbereitschaft kommt naturgemäß nur bei solchen Arbeitsplätzen in Frage, Arbeitsbereitschaft die keine ständige Anwesenheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz erfordern. Von daher enthalten die Tarifverträge Anhaltspunkte dafür, welche Beschäftig- tengruppen von Arbeitsbereitschaft betroffen sein können (vgl. § 7.2.3 MTV NW/ NB; § 3.7 ERTV Niedersachsen). § 5 Abs. 1 Buchst. a MTV Hessen sieht z. B. vor, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Maschinisten, Heizer, Kraftfah- rer, Beifahrer u. ä. Beschäftigte 41 Stunden beträgt, wenn im Durchschnitt von sechs Wochen die Arbeitsbereitschaft mindestens 20 % der regelmäßigen tarifi- chen Arbeitszeit beträgt. Für Angehörige der Werkswachen und Werksfeuerweh- ren sowie für Pförtner u. ä. Beschäftigte beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Tarifgebiet Hessen sogar 46,5 Stunden, wenn im Durchschnitt von sechs Wochen die Arbeitsbereitschaft wenigstens 30 % ausmacht. Arbeitsvertragliche Voraussetzungen für Arbeitsbereitschaftszeiten Ob der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeitsbereitschaft verpfichtet ist, richtet sich grundsätzlich nach den arbeitsvertraglichen Regelungen. Die Tarifverträge enthalten meist einschränkende Regelungen dazu, unter welchen Vorausset- zungen Arbeitsbereitschaften, die mit verlängerten Arbeitszeiten verbunden sind, zu leisten sind. Nach § 3.10 MTV NRW ist hierfür sowohl eine gesonderte einzelvertragliche Absprache erforderlich (ähnlich § 7.2.3 MTV NW/NB) als auch AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 78 29.10.2013 11:16:52
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 79 eine Betriebsvereinbarung, in der die Arbeitsplätze festgelegt werden, an denen Arbeitsbereitschaft anfällt. Vergütung von Arbeitsbereitschaft Da die Arbeitsbereitschaft Bestandteil der regelmäßigen Arbeitszeit ist, ist sie grundsätzlich wie normale Arbeitszeit einschließlich etwaiger Zuschläge zu vergü- ten. Mehrarbeitszuschläge fallen jedoch nur an, soweit die tatsächlich geleistete Arbeitszeit die bei Arbeitnehmern mit Arbeitsbereitschaft i. d. R. verlängerte regel- mäßige Arbeitszeit überschreitet. Im Übrigen fallen für Zeiten, die oberhalb der normalen tarifichen regelmäßigen Arbeitszeit aber unterhalb der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden, keine Mehrarbeitszuschläge an (vgl. § 7.2 MTV NW/NB; § 3.7 ERTV Niedersachsen). 7.2 Bereitschaftsdienst Der Bereitschaftsdienst ist wie die Arbeitsbereitschaft Arbeitszeit i. S. d. ArbZG. 153 Insbesondere stellen die inaktiven Zeiten beim Bereitschaftsdienst keine Pau- sen i. S. d. § 4 ArbZG dar. 154 Die Anwesenheitszeiten im Betrieb sind im Rahmen des Bereitschaftsdienstes auch dann Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer sich lediglich zur Arbeitsaufnahme bereit hält, jedoch in tatsächlicher Hinsicht keine Arbeitsaufgaben erledigt. Soweit die Tarifverträge keine besonderen Regelungen zum Bereitschaftsdienst enthalten, sind die Anwesenheitszeiten daher sowohl bei der Frage der Dauer der tarifich zulässigen Arbeitszeit als auch bei der Vergütung wie geleistete Arbeit zu behandeln. Ebenso wie bei der Arbeitsbereitschaft enthalten die Tarifverträge teilweise auch Verlängerung der beim Bereitschaftsdienst besondere Regelungen und sehen insbesondere Verlän- Arbeitszeit gerungen der Arbeitszeit vor. Derartige Verlängerungen sind zwar arbeitsschutz- rechtlich immer als Arbeitszeit i. S. d. Grenzen des ArbZG zu berücksichtigen. Hier- von zu trennen ist aber die Frage, welche Rechtsfolgen der Bereitschaftsdienst hinsichtlich der tarifvertraglichen Grenzen der Höchstarbeitszeiten sowie der Ver- gütung der Anwesenheitszeiten im Betrieb auslöst. 153 BAG v. 15. 7. 2009 – 5 AZR 867/08. 154 BAG v. 28. 1. 2004 – 5 AZR 530/02 – AuR 2004, 106. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 79 29.10.2013 11:16:52
80 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit Beispielhaft lässt sich eine tarifvertragliche Behandlung des Bereitschaftsdiens- tes an der Regelung in § 3.11 MTV NRW darstellen. Dort heißt es, dass für Beschäf- tigte mit Bereitschaftsdienst die regelmäßige wöchentliche Anwesenheitspficht über die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus verlängert werden kann, wenn Ruhezeiten regelmäßig und in erheblichem Umfang in deren Anwesenheitszeit fallen. Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird durch Betriebsvereinbarung festgelegt, an welchen Arbeitsplätzen Bereitschaftsdienst anfällt. Eine derartige Festlegung lässt den Charakter der Anwesenheitszeit zwar unberührt; der Unterschied von Anwesenheitszeit und (geringerer) individueller Vergütung von regelmäßiger Arbeitszeit liegt jedoch in der Vergütung. Die Tarifverträge können Bereitschaftsdienst vorsehen, dass Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst unterschiedlich ver- gütet werden. Aus der Anerkennung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG folgt nach Ansicht des BAG nicht, dass dem Arbeitnehmer der volle Vergütungsanspruch für diese Zeit zustehe. 155 Für die Vergütung der zusätzli- chen Anwesenheitszeiten gilt nach § 3.11 MTV NRW nicht der Entgelttarifvertrag, sondern die Vergütung wird im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geregelt. 156 Ähnlich bestimmt z. B. § 5.6 MTV Hessen Heizungsindustrie, dass die Entgelte für Kundendienstmonteure, die turnusmäßig Bereitschaftsdienst an Wochenenden oder zur Nachtzeit leisten, zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber geregelt werden. 7.3 Rufbereitschaft Defnition von Ruf- Rufbereitschaft liegt nach den Tarifverträgen vor, wenn der Beschäftigte nicht im bereitschaft Betrieb anwesend zu sein braucht, sich aber für einen eventuellen Einsatz bereit- halten muss (vgl. § 3.11 MTV NRW; § 5.2 MTV Hessen). Die zeitliche Lage der Ruf- bereitschaft und die Berücksichtigung von Rufbereitschaftszeiten bei der Arbeits- zeit sind in den Tarifverträgen nur unvollkommen geregelt. Auch ohne Regelung sind jedoch die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer im Rahmen eines Einsatzes tatsächlich arbeitet, Arbeitszeit i. S. d. ArbZG und der Tarifverträge und als solche zu vergüten. Dies gilt nach § 612 Abs. 1 BGB auch, wenn keine tarifvertragliche Regelung zur Vergütung vorhanden ist. 157 Eine andere Frage ist, ob auch die inaktiven, nicht als Arbeitszeit i. S. d. ArbZG gel- tenden Zeiten, in denen sich der Beschäftigte lediglich für einen Arbeitseinsatz 155 BAG v. 28. 1. 2004 – 5 AZR 530/02 – AuR 2004, 106, und v. 17. 12. 2009 – 6 AZR 729/08 – AuR 2010, 131. 156 Zur Zulässigkeit unterschiedlicher Vergütungssätze von Normalarbeitszeit und Bereitschaftsdienst vgl. BAG v. 28. 1. 2004 – 5 AZR 530/02 – AuR 2004, 106. 157 BAG v. 29. 6. 2000 – 6 AZR 900/98 – NZA 2001, 165. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 80 29.10.2013 11:16:52
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 81 bereithält, einer Vergütungspficht unterliegen. Eine eindeutige Regelung hierzu enthält z. B. § 5.2 MTV Hessen. Danach müssen die Beschäftigten für Zeiten der Bereithaltung eine Vergütung erhalten, die in einer Betriebsvereinbarung zu regeln ist (ebenso § 3.12 MTV NRW und § 3 Abs. 7 MTV Niedersachsen). Ob der Beschäftigte zur Rufbereitschaft verpfichtet ist, richtet sich nach den Verpfichtung zur arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Die Tarifverträge sehen aber häufg vor, Rufbereitschaft dass der Personenkreis und die Zeiträume, in denen Rufbereitschaft zu leisten ist, in einer Betriebsvereinbarung zu regeln sind (zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vgl. Kap. VI.2.5). 7.4 Dienstreisen Arbeitszeit und Vergütung Reise- und sonstige Wegezeiten gelten im Rahmen des ArbZG je nach Beanspru- Vergütung von chungsgrad des Arbeitnehmers unterschiedlich als Arbeitszeit oder arbeitsfreie Reisezeiten Zeit (Kap. vgl. III.2). Unabhängig davon besteht das Problem, ob und ggf. wie Reisezeiten zu vergüten sind. Nach Auffassung des BAG besteht ohne eine ent- sprechende Vereinbarung kein allgemeiner Grundsatz, nach dem Wege- oder War- tezeiten, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, zu vergüten sind. 158 Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der Dienstreisen mit der Bruttomonatsver- gütung abgegolten sind, ist jedoch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam. 159 Die Tarifverträge regeln insoweit, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Reisezeiten zu vergüten sind. Soweit Beschäftigten bei Dienstreisen Ansprüche eingeräumt werden, setzt dies nach den Tarifverträgen i. d. R. voraus, dass die Dienstreise vom Arbeitgeber ange- ordnet wurde. Diese Voraussetzung ist sowohl bei einer Weisung im konkreten Einzelfall, als auch dann erfüllt, wenn die Reisetätigkeit allgemein zur Arbeitsauf- gabe dazugehört oder die Reise im Interesse des Arbeitgebers erfolgt 160 und des- sen mutmaßlichen Willen entspricht. Soweit Reisezeiten im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeiten anfallen, sind sie Reisezeiten außer- wie sonstige Arbeitszeit zu vergüten. Besondere Regelungen sind in den Tarifver- halb der regelmäßi- gen Arbeitszeit 158 BAG v. 3. 9. 1997 – 5 AZR 428/96 – NZA 1998, 540. 159 BAG v. 1. 9. 2010 – 5 AZR 517/09, und v. 20. 4. 2011 – 5 AZR 200/10. 160 BAG v. 11. 7. 2006 – 9 AZR 519/05 – NZA 2007, 155. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 81 29.10.2013 11:16:52
82 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit trägen jedoch für Reisezeiten enthalten, durch die die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit überschritten wird. Nach § 14.1 MTV NW/NB wird die darüber hinaus- gehende Reisezeit an Arbeitstagen bis zu vier Stunden wie Arbeitszeit vergütet (ebenso: § 8 MTV Hessen; § 5.II MTV NRW; § 15 MTV Bayern). An arbeitsfreien Tagen wird darüber hinaus die Reisezeit bis zu zwölf Stunden vergütet (ebd.; ähn- lich § 14.1 MTV NW/NB). Die Vergütung von Reisezeiten, die nicht Bestandteil der regelmäßigen Arbeitszeit sind, erfolgt grundsätzlich zuschlagsfrei. Fällt die ange- ordnete Reisezeit jedoch auf einen Sonn- oder Feiertag, sind zusätzlich die jeweils geltenden Sonn- und Feiertagszuschläge zu bezahlen (§ 14.2 MTV NW/NB; § 5.II MTV NRW; vgl. hierzu Kap. IV.6.3). Verpfegungsmehraufwand Mehraufwand bei Dienstreisen sind regelmäßig mit einem erhöhten Aufwand für Verpfegung ver- Dienstreisen muss bunden. Daneben können Übernachtungskosten u. Ä. anfallen. Auch ohne tarif- erstattet werden liche Regelung ist der Arbeitgeber nach § 670 BGB verpfichtet, Aufwendungen zu erstatten, die infolge einer Dienstreise entstehen (z. B. Reisekosten). Auch hat er notwendige Übernachtungskosten zu vergüten. 161 Sonstiger Mehraufwand kann vom Arbeitnehmer i. d. R. jedoch nur verlangt werden, wenn hierüber eine Vereinbarung getroffen wurde. Die Tarifverträge enthalten insoweit teilweise Regelungen, die dem Arbeitnehmer auch für diesen Mehraufwand einen Erstat- tungsanspruch einräumen. § 8.3 MTV Hessen sieht z. B. vor, dass der Mehrauf- wand zu vergüten ist (ebenso § 5.II MTV NRW; § 14.4 MTV NW/NB), wobei die Vergütungsgrundsätze betrieblich geregelt werden können. § 14.4 MTV NW/NB schreibt darüber hinaus den Abschluss einer verbindlichen Betriebsvereinbarung zum Mehraufwand vor. 8. Teilzeitarbeit und Verkürzung der tarifichen Arbeitszeit Defnition von Nahezu in allen Tarifverträgen sind heute Regelungen zur Teilzeit enthalten. Teil- Teilzeitarbeit zeitarbeit liegt danach i. d. R. vor, wenn die individuell vereinbarte Arbeitszeit kür- zer ist, als die tarifich festgelegte Arbeitszeit von z. B. 35 Stunden (vgl. § 2.1(XI) MTV Bayern; § 3.4 MTV NRW; § 2.2 MTV Hessen; § 7.3 MTV NW/NB). Die kon- krete Arbeitszeit des Teilzeitbeschäftigten ist mit jedem Beschäftigten individuell zu vereinbaren. Allerdings schreiben die Tarifverträge zum Teil Mindestarbeits- 161 LAG Köln v. 2. 7. 2012 – 2 Sa 238/12 – AE 2013, 13. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 82 29.10.2013 11:16:52
Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit 83 bedingungen oder auch eine Mindestarbeitszeit vor. § 2.2 MTV Hessen (ebenso § 7.3.3 MTV NW/NB) schreibt z. B. vor, dass die tägliche Arbeitszeit mindestens drei Stunden betragen und zusammenhängend erbracht werden muss. Auch wird sichergestellt, dass Teilzeitbeschäftigte durch die verkürzte Arbeitszeit nicht aus der Sozialversicherung herausfallen, indem das Entgelt von Teilzeitbeschäftigten die Grenzen der Sozialversicherungspficht nicht unterschreiten darf (§ 3.4 MTV NRW; § 7 TV Teilzeitarbeit Niedersachsen). Eine Reihe von Tarifverträgen stellt auch klar, dass Teilzeitbeschäftigten grund- sätzlich die gleichen Rechte und Pfichten aus dem Tarifvertrag zustehen wie Vollzeitbeschäftigte (§ 2.2. MTV Hessen; § 7.3.2 MTV NW/NB). Ergänzend zu § 8 TzBfG (vgl. Kap. III.2.7) enthalten die Tarifverträge auch Vorschriften, unter wel- chen Bedingungen ein Beschäftigter einen Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz bzw. auf die Versetzung auf einen solchen hat (§ 7.3.4 MTV NW/NB; § 2.2. MTV Hessen). Rückkehransprüche nach einem Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung sind erst ansatzweise in den Tarifverträgen enthalten. § 4 des Tarifvertrags zur Teilzeitarbeit in der niedersächsischen Metallindustrie räumt dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach zwölf Monaten einen Anspruch auf Prüfung ein, ob eine Vollzeitbeschäftigung wieder möglich ist. Ausgeschlossen werden Teilzeitbeschäftigte häufg bei Zuschlägen zur Mehrar- Zuschläge bei beit, wenn sie zwar länger arbeiten als vertraglich vereinbart, aber die Arbeitszeit Mehrarbeit sich insgesamt in der für Vollzeitbeschäftigte geltenden Arbeitszeit bewegt. Die hiermit verbundene Diskriminierung wird von der Rechtsprechung als zulässig erachtet. 162 Keine Teilzeitarbeit liegt vor, wenn der Tarifvertrag vorsieht, dass die regelmäßige Arbeitszeit vorübergehend verkürzt werden kann. Dies gilt insbesondere für die Kurzarbeit (vgl. § 4 MTV Niedersachsen). Aber auch Tarifverträge zur Beschäfti- gungssicherung sehen häufg vor, dass bei vorübergehenden Beschäftigungs- problemen die regelmäßige Arbeitszeit vorübergehend verkürzt werden darf (vgl. § 3.1 TV BeschSi BaWü), ohne dass ein Teilzeitarbeitsverhältnis begründet wird. 9. Vereinbarkeit von Familie, Pfege und Beruf Die gesetzlichen Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind völlig Gesetzliche unzureichend, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Beschäftigten mit Famili- Regelungen sind unzureichend 162 BAG v. 7. 2. 1995 – 3 AZR 483/94 – AuR 1995, 332; a. A. Goergens, AiB 1995, 200. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 83 29.10.2013 11:16:52
84 Tarifvertragliche Regelungen zur Arbeitszeit enpfichten am Erwerbsleben zu ermöglichen. Die bestehenden Defzite lassen sich auch tarifpolitisch nicht ausgleichen. Dennoch enthalten die Tarifverträge Ansätze, um zumindest in Teilbereichen eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. § 7.9 MTV NW/NB sieht z. B. vor, dass dem Wunsch nach einer fexiblen Gestaltung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit von Beschäftigten, deren Kinder in Kindertagestätten oder bei Tagesmüttern unter- gebracht sind, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten Rechnung zu tragen ist. § 3.3 MTV HH/SH/M-V sieht darüber hinaus vor, dass dies auch gilt, wenn Beschäftigte schulpfichtige Kinder im Alter von bis zu acht Jahren haben. Bei Erkrankung eines Kindes erweitern die Tarifverträge teilweise die gesetzli- chen Ansprüche der Beschäftigten auf Freistellung. § 13.2.1 MTV NW/NB sieht beispielsweise vor, dass der Anspruch auf Krankengeld nach § 45 SGB V (vgl. Kap. III.2.13) durch den Arbeitgeber auf 100 % des monatlichen Nettolohns auf- gestockt werden muss. Darüber hinaus gibt der Tarifvertrag dem Beschäftigten einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit, wenn ein Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr erkrankt. Bei tarifichen Regelungen zu Freistellungs- ansprüchen nach § 616 BGB ist zu beachten, dass im Tarifvertrag enumerativ (d. h. nicht ausdrücklich, nur beispielhaft 163 ) aufgeführte Freistellungsansprüche wei- tergehende gesetzliche Ansprüche aus § 616 BGB ausschließen. 164 163 BAG v. 19. 4. 1978 – 5 AZR 834/76 – AP Nr. 48 zu § 616 BGB. 164 BAG v. 4. 9. 1985 – 7 AZR 249/83 – AP Nr. 1 zu § 29 BMT-G. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 84 29.10.2013 11:16:52
85 V. Betriebsverfassung und Handlungs- möglichkeiten des Betriebsrats 1. Aufgaben des Betriebsrats bei der Arbeitszeitgestaltung Die abgeschlossenen Tarifverträge zur Arbeitszeit weisen dem Betriebsrat eine Fülle von Aufgaben zu, um die Rechte der Beschäftigten bei der Festlegung von Lage und Verteilung der Arbeitszeit zu sichern. Daneben enthält das BetrVG Vor- schriften, die den Betriebsrat zur Einhaltung menschengerechter Arbeitszeiten und zur Förderung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes (§ 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG) verpfichten. Dabei hat der Betriebsrat gerade bei der Lage und Verteilung der Arbeitszeit eine starke Stellung, um die Interessen der Beschäftigten zu sichern. § 87 BetrVG stellt ihm insoweit ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zur Ver- fügung, so dass der Arbeitgeber gehindert ist, die Arbeitszeiten allein nach den betrieblichen Interessen zu gestalten. 1.1 Überwachung gesetzlicher und tarificher Bestimmungen § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG weist dem Betriebsrat die allgemeine Aufgabe zu, dafür zu Einhaltung gesetzli- sorgen, dass die Bestimmungen des Arbeitsschutzes – insbesondere des ArbZG – cher und tarificher und die tarifichen Bestimmungen zur Arbeitszeit eingehalten werden. Hierbei hat Regelungen zur Arbeitszeit kontrol- er auch die Aufgabe, die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von lieren Frauen und Männern (Nr. 2a) sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch eine entsprechende Arbeitszeitgestaltung zu fördern (vgl. hierzu Kap. III.2.13 und IV.9). Inhalt des Überwachungsrechts gemäß § 80 Abs. 1 BetrVG Das Überwachungsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 BetrVG beschränkt Unterrichtungs- sich darauf, Maßnahmen des Arbeitgebers zu beanstanden, die gegen gesetzli- pficht des Arbeit- che oder tarifiche Bestimmungen zur Arbeitszeit verstoßen. Um die Einhaltung gebers der Bestimmungen prüfen zu können, kann der Betriebsrat eigene Recherchen anstellen, z. B. die Arbeitnehmer befragen oder Arbeitsplätze aufsuchen. Dane- ben ist der Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 BetrVG verpfichtet, den Betriebsrat über alle Arbeitszeitmaßnahmen im Betrieb zu unterrichten und ihm alle Unterlagen zur Arbeitszeit vorzulegen. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 85 29.10.2013 11:16:52
86 Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats Allein auf der Grundlage von § 80 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat keinen Anspruch auf Unterlassung einer rechtswidrigen Maßnahme des Arbeitgebers. 165 Verstößt der Arbeitgeber dagegen gegen eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, kann der Betriebsrat die Einhaltung der Verpfichtungen aus der Betriebsvereinbarung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (einschließlich einer einstwei- Unterlassungsan- ligen Verfügung 166 ) erzwingen 167 (§ 77 Abs. 1 BetrVG). So kann er z. B. erreichen, spruch bei wieder- dass dem Arbeitgeber die Duldung betriebsvereinbarungswidriger Überstunden holten Verstößen oder die Überschreitung der Grenzen von Betriebsvereinbarungen zur fexiblen Arbeitszeit untersagt wird. Verstößt der Arbeitgeber wiederholt gegen seine Ver- pfichtung zur Einhaltung von Arbeitszeitbestimmungen im Betrieb steht dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG darüber hinaus ein Anspruch auf Unterlas- sung zu. 168 Dieser Anspruch kann auch von einer im Betrieb vertretenen Gewerk- schaft geltend gemacht werden. Tarifvertraglich eingeräumte Überwachungsrechte Die Tarifverträge räumen dem Betriebsrat eine Reihe besonderer Auskunfts- und Überwachungsrechte ein. In der Metall- und Elektroindustrie betrifft dies insbe- sondere die Einhaltung von Quoten, die eine Verlängerung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern auf 40 Stunden ermöglichen (vgl. Kap. IV.3.2). Nach § 7.1.4 MTV NW/NB hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat halbjährlich (nach § 3.2 ERTV Nieder- sachsen vierteljährlich) die Beschäftigten zu benennen, deren regelmäßige tarifi- che Arbeitszeit verlängert wurde. Dabei hat der Betriebsrat darauf zu achten, dass die tarifiche Quote von 18 % bzw. 13 % nicht überschritten wird. 1.2 Vorlage von Aufzeichnungen zur Arbeitszeit (§ 16 Abs. 2 ArbZG) Aufzeichnungs- Die nach § 80 Abs. 2 BetrVG vorzulegenden Unterlagen erfassen alle Dokumente pficht im Zusammenhang mit der Arbeitszeit (z. B. Bescheide oder Ausnahmegenehmi- gungen der Aufsichtsbehörde nach § 13 Abs. 3 bis 5 ArbZG), insbesondere Auf- zeichnungen zur Arbeitszeit aller Beschäftigten. Zu den Beschäftigten gehören auch AT-Angestellte sowie Leiharbeitnehmer/Leiharbeitnehmerinnen. Werden 165 BAG v. 28. 5. 2002 – 1 ABR 40/01 – AP Nr. 96 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, und v. 17. 5. 2011 – 1 ABR 121/09 – AiB 2012, 538. 166 Fitting, BetrVG, § 77 Rn. 7. 167 BAG v. 18. 5. 2010 – 1 ABR 6/09 – NZA 2010, 1433; DKKW-Berg, BetrVG, § 77 Rn. 5. 168 BAG v. 18. 5. 2010, a. a. O. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 86 29.10.2013 11:16:53
Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats 87 bei Einsatz betriebsfremder Beschäftigter (z. B. auf werk- oder dienstvertraglicher Grundlage) Kontrolllisten geführt, sind auch diese vorzulegen. Besteht im Betrieb ein Zeiterfassungssystem, ist der Arbeitgeber verpfichtet, alle zur Arbeitszeit erfassten Daten dem Betriebsrat zugänglich zu machen. Aber auch wenn außer- halb eines Zeiterfassungssystems Arbeitszeiten erfasst werden (z. B. Aufzeich- nungen von Beschäftigen bei Rufbereitschaft oder von Außendienstmitarbeitern; Fahrtenschreiber), sind diese Daten vorzulegen. Dies gilt ferner, wenn die Arbeits- zeit von Beschäftigten mit Vertrauensarbeitszeit betroffen ist, die ihre Arbeitszeit eigenständig erfassen und dokumentieren. 169 Im Rahmen seines Überwachungsrechts hat der Betriebsrat einen Anspruch Vorlage aller gegen den Arbeitgeber auf Unterrichtung und Vorlage aller Arbeitszeitnachweise, erfassten Daten und zu deren Erstellung der Arbeitgeber nach §§ 16 Abs. 2, 21a Abs. 7 ArbZG (bei Wert- Aufzeichnungen guthaben nach § 28 f SGB IV i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4b BeitrÜV) verpfich- tet ist. 170 Der Arbeitgeber kann sich hierbei nicht darauf berufen, dass er über entsprechende Nachweise (z. B. bei Vertrauensarbeitszeit) nicht verfügt, sondern muss durch entsprechende Vorkehrungen dafür sorgen, dass er seinen Auf- zeichnungs- und Unterrichtungspfichten nachkommen kann. 171 Er muss seinen Betrieb so organisieren, dass die betrieblich geregelten Arbeitszeiten eingehalten und dokumentiert werden und kann sich seiner Verantwortung für die Führung des Betriebs nicht entziehen. 172 Die gesetzliche Aufzeichnungspficht besteht bei jedem Beschäftigten, der innerhalb des sechsmonatigen Ausgleichszeitraums von § 3 ArbZG auch nur an einem Tag länger als acht Stunden arbeitet. 173 Dabei sind nicht nur die Zeiten zu dokumentieren, die an Arbeitstagen mit mehr als acht Stunden geleistet werden, sondern es sind alle Arbeitszeiten aufzuzeichnen, die innerhalb des gesetzlichen Ausgleichszeitraums geleistet werden. 174 Legt ein Tarifvertrag andere Ausgleichs- zeiträume fest, sind diese im Rahmen der Aufzeichnungspficht unbeachtlich. Arbeitet der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin an einem Sonn- oder Feiertag innerhalb des Ausgleichszeitraums, besteht die Aufzeichnungspficht auch, wenn weniger als acht Stunden gearbeitet wird. 169 Zur Unzulässigkeit der Selbstaufschreibung bei Vertrauensarbeitszeit vgl. Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 6. 170 BAG v. 6. 5. 2003 – 1 ABR 13/02 – AiB 2003, 749. 171 BAG v. 6. 5. 2003, a. a. O. 172 BAG v. 6. 5. 2003, a. a. O., und v. 29. 4. 2004 – 1 ABR 30/02 – NZA 2004, 670. 173 BAG v. 6. 5. 2003, a. a. O.; Buschmann/Ulber, ArbZG § 16 Rn. 8 174 Buschmann/Ulber, ArbZG, § 16 Rn. 5. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 87 29.10.2013 11:16:53
88 Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats Die Arbeitszeitnachweise müssen Auskunft über alle tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten, einschließlich Zeiten des Bereitschaftsdienstes 175 , geben. Hierzu müssen sie sowohl Aufzeichnungen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit als auch zu allen anderen Fragen der Arbeitszeit enthalten, die für eine uneinge- schränkte Prüfung der Einhaltung von Bestimmungen des ArbZG erforderlich sind. Hierzu gehören u. a. auch Anmerkungen über Beginn und Ende der Ruhepausen nach § 4 ArbZG sowie Aufzeichnungen zu den Ruhezeiten nach § 5 ArbZG oder zur Gewährung des Ersatzruhetags nach § 11 Abs. 3 ArbZG. 176 2. Tarifvertraglich eingeräumte Regelungsbefugnisse des Betriebsrats Tariföffnungs- Die Tarifverträge enthalten für die Gestaltung der Arbeitszeit im Betrieb eine Viel- klauseln und Rege- zahl von Vorschriften, durch die den Betriebsparteien eine autonome Regelungs- lungssperre befugnis eingeräumt oder ihnen gestattet wird, von tarifichen Regelungen zur Arbeitszeit abzuweichen. Im Anwendungsbereich solcher Tarifbestimmungen gilt die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG (vgl. hierzu Kap. IV.1 und VI.2) nicht. Die Betriebsparteien müssen dann in eigener Verantwortung sicherstellen, dass die Bestimmungen des ArbZG und die sonstigen Vorschriften des Tarifvertrags eingehalten sind. Tariföffnungsklauseln zur Dauer der Arbeitszeit Die Dauer der Arbeitszeit entzieht sich grundsätzlich der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien. Nur wenn der Tarifvertrag ausdrücklich und eindeutig eine Rege- lung enthält, dass die Dauer der Arbeitszeit durch die Betriebsparteien geregelt werden soll, haben sie das Recht, die Dauer der Arbeitszeit betrieblich zu regeln. Derartige Tariföffnungsklauseln eröffnen den Betriebsparteien grundsätzlich nur das Recht, freiwillige Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Quoten in der Metall- und Elektroindustrie Die in der Metall- und Elektroindustrie vereinbarten Quoten von 13 % bzw. 18 % der Beschäftigten, bei denen die regelmäßige tarifiche Arbeitszeit verlängert wer- 175 BAG v. 17. 3. 2010 – 5 AZR 296/09 – DB 2010, 1130. 176 VG Augsburg v. 16. 5. 2007 – Au 4 S 07.491. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 88 29.10.2013 11:16:53
Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats 89 den kann, können betrieblich grundsätzlich ausgeschöpft werden, ohne dass eine Bedingungen zum besondere Vereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen werden muss. Die Tarif- Ausschöpfen bzw. verträge sehen jedoch vor, dass die Beschäftigten einer Verlängerung der Arbeits- Überschreiten der Quote zeit zustimmen müssen(§ 2.1 MTV Hessen; § 7.1.1 MTV NW/NB; § 3.3 MTV NRW). Soll die tarifvertraglich zulässige Quote überschritten werden, bedarf es einer ausdrücklichen Regelung im Tarifvertrag. Die Tarifverträge lassen teilweise eine Überschreitung der Quote unter bestimmten Voraussetzungen zu, schreiben aber vor, dass hierzu eine betriebliche Vereinbarung notwendig ist. § 7.1.5 MTV NW/ NB sieht z. B. vor, dass in Betrieben mit einem Anteil hochqualifzierter Fachkräfte von mehr als 50 % eine Quote von bis zu 50 % der Belegschaft vereinbart werden kann, sofern hiermit kein Arbeitsplatzabbau verbunden ist. Arbeitsmarktpolitisch negative Folgen von Arbeitszeitverlängerungen durch erhöhte Quoten sollen auch dadurch vermieden werden, dass die Tarifvertragsparteien vereinbaren können, zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit von bestimmten Beschäftigtengruppen die verlängerten Arbeitszeiten herabzusetzen (vgl. § 7.1.5.4 MTV NW/NB). Hält der Arbeitgeber die vereinbarte Quote nicht ein, kann der Betriebsrat der Arbeitszeit- verlängerung der Beschäftigten widersprechen. Für den Beschäftigten gilt dann die regelmäßige tarifiche Arbeitszeit (vgl. z. B. § 7.1.5.4 MTV NW/NB). Arbeitszeitverlängerungen durch Betriebsvereinbarung Ohne eine ausdrückliche Tariföffnungsklausel ist es den Betriebsparteien ver- Tarifiche Regelun- wehrt, die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit der Beschäftigten zu verlängern. gen zur Verlänge- Soweit die Höchstdauer der tarifich zulässigen Arbeitszeit durch Mehrarbeit über- rung der Arbeitszeit schritten werden soll, ist nach den Tarifverträgen der vorherige Abschluss einer Betriebsvereinbarung erforderlich. § 5.6 MTV NRW gestattet z. B. – beschränkt auf einzelne Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen – die Überschreitung des tarifich zulässigen Mehrarbeitsvolumens, macht dies jedoch vom Abschluss einer Betriebsvereinbarung abhängig (ebenso § 5.3 ERTV Niedersachsen; § 8.1.2.1 MTV NW/NB; § 6.1.1 MTV Berlin TG I). § 8.1.2.2 MTV NW/NB begrenzt darüber hinaus die Dauer der Mehrarbeitsvereinbarung auf eine Laufzeit von höchstens acht Wochen. Entsprechende tarifiche Begrenzungen sind bei Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu berück- sichtigen. Ist im Tarifvertrag zur Mehrarbeit keine besondere Regelung zum Freizeitaus- gleich vorhanden, sind die Zuschläge bei Mehrarbeit in Geld auszuzahlen. Den Betriebsparteien ist es dann verwehrt, eine andere Regelung zu treffen. Viele Tarifverträge sehen jedoch vor, dass Mehrarbeit auch durch Freizeit ausgeglichen werden kann (§ 6.1.3 MTV Berlin TG I; § 5.4 ERTV Niedersachsen; § 8.1.2.6 MTV AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 89 29.10.2013 11:16:53
90 Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats NW/NB). Ggf. sind entsprechende Regelungen in einer freiwilligen Betriebsver- einbarung möglich. Sie lassen sich aber nur durchsetzen, wenn der Arbeitgeber damit einverstanden ist. Dauer der Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft Arbeitszeitbereit- Die Tarifverträge sehen für Arbeitnehmer, die in erheblichem Umfang Arbeitsbe- schaft reitschaft leisten, die Möglichkeit vor, die Dauer der wöchentlichen bzw. täglichen Arbeitszeit in bestimmtem Umfang zu verlängern (vgl. Kap. IV.7). Voraussetzung ist eine Vereinbarung mit dem Betroffenen (vgl. z. B. § 3.10 MTV NRW). Ein Teil der Tarifverträge sieht dabei vor, dass eine derartige Vereinbarung nur abgeschlossen werden kann, wenn zuvor eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, in der die Arbeitsplätze, an denen Arbeitsbereitschaft zu leisten ist, festgelegt werden (vgl. § 3.10 MTV NRW). Bereitschaftsdienst Auch beim Bereitschaftsdienst schreiben die Tarifverträge teilweise vor, dass vorher eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden muss. Nach § 3.11 MTV NRW muss diese nicht nur regeln, an welchen Arbeitsplätzen Bereitschaftsdienst anfällt, sondern auch inwieweit zusätzliche (d. h. über die individuelle regelmä- ßige Arbeitszeit hinausgehende) Anwesenheitszeiten zu vergüten sind. Daneben enthalten die Tarifverträge gestützt auf § 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG häufg eine Tariföff- nungsklausel, nach der die Ruhezeiten nach § 5 Abs. 1 ArbZG für Arbeitnehmer mit Bereitschaftsdienst um bis zu zwei Stunden verkürzt werden können. Eine derartige Betriebsvereinbarung kann nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG jedoch nur aus- nahmsweise abgeschlossen werden, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die ausfallende Ruhe innerhalb eines Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird, der in der Betriebsvereinbarung festzulegen ist. Rufbereitschaft Auch für die Rufbereitschaft enthalten die Tarifverträge oft Regelungen, nach denen die Leistung von Rufbereitschaft vom Abschluss einer vorherigen Betriebs- vereinbarung abhängig ist. § 5.2 MTV Hessen sieht z. B. vor, dass bei Rufbe- reitschaft der Personenkreis, der Zeitraum und die Grundsätze der Vergütung durch Betriebsvereinbarung zu regeln sind (ebenso § 3.12 MTV NRW). Zu den Grundsätzen der Vergütung gehören insbesondere die Vergütungsgrundsätze für arbeitsfreie Zeiten, in denen sich der Beschäftigte auf Abruf bereithalten muss (vgl. Kap. IV.7.3), oder für Fälle, in denen der Beschäftigte wegen der elf- stündigen Ruhezeit im Anschluss an einen Rufbereitschaftseinsatz am nächsten Tag nicht zu Beginn seiner planmäßigen Arbeitszeit die Arbeit aufnehmen kann (vgl. Kap. III.2.6). Bei der Festlegung der Vergütungsgrundsätze ist im Rahmen AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 90 29.10.2013 11:16:53
Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats 91 von § 7.4 MTV Hessen darauf zu achten, dass die Vergütung für Rufbereitschafts- zeiten an sonst arbeitsfreien Tagen mindestens für drei Stunden erfolgen muss. § 3.11 EMTV NRW eröffnet den Betriebsparteien darüber hinaus die (freiwillige) Möglichkeit, die elfstündige Ruhezeit nach einem Rufbereitschaftseinsatz um zwei Stunden zu verkürzen (vgl. Kap. III.2.5). Eine derartige Regelung kann dann sinnvoll sein, wenn die Arbeit am nächsten Tag infolge der gesetzlichen Ruhezeit nicht planmäßig beginnen kann und die ausfallende Arbeitszeit nicht nach der Betriebsvereinbarung zur Rufbereitschaft zu vergüten ist. Wochenendarbeit Die tarifich geregelte wöchentliche Arbeitszeit ist zwar meist ausdrücklich auf die Werktage von Montag bis Freitag zu verteilen (vgl. Kap. IV.4); dennoch enthalten die Tarifverträge Ausnahmebestimmungen, nach denen auch am Samstag sowie an Sonn- und Feiertagen unter bestimmten Voraussetzungen gearbeitet werden darf. Für die Zulässigkeit von Samstagsarbeit schreiben §§ 7.5.1 und 7.5.2 MTV NW/ Samstagsarbeit NB z. B. vor, dass diese nur zulässig ist, wenn hierüber vorher eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat abgeschlossen wurde (ebenso § 3.3 ERTV Niedersachsen; § 4.1 EMTV NRW). Betrifft die Samstagsarbeit dabei nicht die Überwachung der Werksanlagen oder die Instandsetzung oder Wartung von Betriebsmitteln, kann die notwendige Zustimmung im Tarifgebiet NW/NB nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt werden. Im Tarifgebiet Niedersachsen kann bei Nichteini- gung der Betriebsparteien eine Entscheidung durch die tarifiche Schlichtungs- stelle ergehen (§ 3.5 ERTV Niedersachsen). Die meisten Tarifverträge sehen vor, dass Sonn- und Feiertagsarbeit nur im Rah- Sonn- und Feiertags- men einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat eingeführt werden kann, und vor- arbeit aussetzt, dass sie notwendig ist und berechtigte Wünsche der Beschäftigten berücksichtigt werden (§ 8.4 MTV NW/NB; § 5.5 MTV NRW; § 6.5 MTV Berlin/ Brandenburg TG I; § 6.6 MTV Hessen). Daneben eröffnen die Tarifverträge zum Teil Abweichungen von den Bestimmungen des ArbZG zur Sonn- und Feiertagsarbeit, fordern hierfür aber den Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen. Dies gilt z. B. für die von § 9 Abs. 1 ArbZG abweichende Festlegung von Beginn und Ende der Feiertagsarbeit (§ 9.6 MTV NW/NB). AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 91 29.10.2013 11:16:53
92 Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats Schicht- und Nachtarbeit Betriebsvereinba- In den Tarifverträgen ist meist klargestellt, dass die Einführung von Schicht- oder rung zur Einführung Nachtarbeit sowie die Schichtplangestaltung entsprechend § 87 Abs. 1 Nr. 2 von Schicht- und BetrVG den Abschluss einer Betriebsvereinbarung voraussetzen (vgl. z. B. § 8.4 Nachtarbeit erfor- derlich MTV NW/NB; § 5.5 MTV NRW; s. a. Kap. VI.2.2). Die Zeitspanne, in der Nachtarbeit vorliegt, kann teilweise abweichend von den sonstigen Bestimmungen des Tarifvertrags (vgl. Kap. 4.6.2) in einer Betriebsver- einbarung geregelt sein (§ 5.4 MTV NRW; § 6.4 MTV Berlin/Brandenburg TG I). Gleiches gilt für die Spätarbeit (§ 5.2 MTV NRW). Daneben eröffnen die Tarifver- träge zum Teil die Möglichkeit, im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Belastungsausgleich bei Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG in Freizeit zu gewähren (§ 6.3 ERTV Niedersachsen). Wechselschichtarbeit kann in einer Betriebsvereinbarung meist nur im Einverneh- men mit dem Betriebsrat eingeführt werden (vgl. § 6.3 MTV Hessen; § 6.5 MTV Berlin/Brandenburg TG I). Im Dreischichtbetrieb schreiben die Tarifverträge teil- weise vor, dass den Beschäftigten die ansonsten unbezahlten Pausen zum Ein- nehmen von Mahlzeiten ohne Entgeltabzug zu gewähren sind (vgl. § 4.4 EMTV NRW; ähnlich § 6.3 MTV Hessen bei Wechselschichten ohne feste Pausen). Dies ist im Rahmen der Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Festlegung von Pausen zu berücksichtigen. Verkürzung der regelmäßigen tarifichen Arbeitszeit Ungeachtet der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der vorübergehenden Verkürzung der betrieblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eröffnen die Tarifverträge den Betriebsparteien häufg aus Gründen der Beschäftigungssiche- rung die Möglichkeit, die regelmäßige Arbeitszeit vorübergehend zu verkürzen (vgl. z. B. § 3.1 TV Beschäftigungssicherung BaWü). Die Beschäftigten bleiben dabei zwar Vollzeitbeschäftigte (a. a. O.), sie verlieren im Umfang der Arbeitszeitverkürzung jedoch grundsätzlich den Vergütungsanspruch. Gegenüber der Kurzarbeit ist eine Regelung zur vorübergehenden Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit insofern ungünstiger, als der Anspruch auf Kurzarbeitergeld entfällt. Entsprechende Rege- lungen sollten daher erst getroffen werden, wenn die Möglichkeiten zur Einführung von Kurzarbeit bzw. zum Bezug von Kurzarbeitergeld nicht mehr gegeben sind. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 92 29.10.2013 11:16:53
Betriebsverfassung und Handlungs möglichkeiten des Betriebsrats 93 Sonstige Arbeitszeitregelungen, die eine Betriebsvereinbarung voraussetzen Auch darüber hinaus enthalten die Tarifverträge Bestimmungen, nach denen die Arbeitszeitgestaltung im Betrieb vom Abschluss einer entsprechenden Betriebs- vereinbarung abhängt. Teilweise stellen entsprechende Regelungen nur eine Klarstellung des ohnehin nach § 87 BetrVG bestehenden Mitbestimmungsrechts dar (z. B. § 4.2 EMTV NRW bzgl. der Vereinbarung von Schichtplänen). Sie haben jedoch dann eine darüber hinaus gehende Bedeutung, wenn bestimmte Zuläs- sigkeitskriterien aufgestellt werden, die in der Betriebsvereinbarung einzuhalten sind, oder schließen es über den Grundsatz der Freiwilligkeit aus, dass bei Nicht- einigung der Betriebsparteien ersatzweise ein Spruch der Einigungsstelle oder eine Entscheidung der tarifichen Schlichtungsstelle ergehen kann. § 7.5.3 MTV NW/NB schreibt z. B. vor, dass über die Verteilung der Arbeitszeit sowie Beginn und Ende der Ausgleichszeiträume Betriebsvereinbarungen abzu- schließen sind (ebenso einschließlich der Pausen § 4.2 EMTV NRW). Die Vereinbarung von Langzeitkonten ist auf der Grundlage von Tarifverträgen nur Betriebsvereinba- in wenigen Bereichen und Tarifgebieten zulässig (z. B. in der Metall- und Elektroin- rung Langzeitkonten dustrie in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen). Nach § 7.7 MTV NW/NB können fexible Arbeitszeit- und Langzeitkonten (vgl. Kap. III.2.9) nur durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung, d. h., nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden. Hierbei legt der MTV bestimmte Kriterien fest, die bei Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung einzuhalten sind (§§ 7.7.1 1 und 7.7.2.1 f.). AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 93 29.10.2013 11:16:53
94 VI. Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 1. Vorbemerkung Auch unabhängig von tarifichen Regelungen zur Mitbestimmung des Betriebs- rats bei Fragen der Arbeitszeit (vgl. Kap. IV.3 bis IV.9) hat der Betriebsrat auf der Grundlage von § 87 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Voraussetzungen eines der dort aufgeführten Tatbestände erfüllt sind. Das Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Arbeitszeit steht grundsätzlich dem örtlichen Betriebsrat (nicht dem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat) zu. 177 Es erstreckt sich dabei auf alle (auch Auch Leiharbeitneh- AT-)Stammarbeitnehmer und Leiharbeitnehmer, die auch bei Arbeitszeitfragen mer werden erfasst gleichbehandelt werden müssen. 178 Liegen die Voraussetzungen eines mitbestim- mungspfichtigen Sachverhalts vor, kann der Arbeitgeber die von ihm gewünschte Arbeitszeit nicht einseitig durchsetzen. Er ist vielmehr darauf angewiesen, die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen oder die erwünschte Zustimmung durch einen Spruch der Einigungsstelle bzw. einer tarifichen Schiedsstelle ersetzen zu lassen. Solange keine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber erzielt wird oder ersatzweise der Spruch einer Einigungsstelle vorliegt, sind die Beschäftigten nicht verpfichtet, Anordnungen des Arbeitgebers in mitbestimmungspfichtigen Angelegenheiten zu folgen. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die einseitige Regelungsmacht des Arbeitgebers zu begrenzen und die Interessen der Arbeitnehmer bei Regelungen zur Arbeitszeit bzw. bei Anordnungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dabei darf die Ausübung des Mitbestimmungsrechts oder eine betrieblichen Verein- barung nicht auf einen Verzicht des Betriebsrats auf das Mitbestimmungsrecht hinauslaufen oder auf ein bloßes Beteiligungsrecht reduziert werden. 179 Ver- einbarungen, die dem Arbeitgeber (z. B. im Rahmen von Arbeitszeitkonten) ein einseitiges Bestimmungsrecht bei der Lage der Arbeitszeit einräumen, verstoßen gegen diesen Grundsatz und können nach § 23 Abs. 1 BetrVG zur Aufösung des Betriebsrats führen. Das Mitbestimmungsrecht beschränkt sich nicht darauf, einseitig vom Arbeitge- ber gewünschte Maßnahmen abzuwehren. Vielmehr kann der Betriebsrat im Rah- 177 Zu Ausnahmen z. B. bei Schichtrahmenplänen vgl. BAG v. 19. 6. 2012 – 1 ABR 11/11 – AuR 2012, 456. 178 BAG v. 19. 6. 2001 – 1 ABR 43/00 – BB 2001, 2582; Ulber/zu Dohna-Jaeger, AÜG, § 14 Rn. 54. 179 BAG v. 8. 6. 1999 – 1 AZR 76/04 – AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 94 29.10.2013 11:16:53
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 95 men von § 87 BetrVG selbst die Initiative ergreifen, um Regelungen zur Arbeitszeit zu erreichen (Initiativrecht). Stimmt der Arbeitgeber nicht zu, kann der Betriebsrat seinerseits die Einigungsstelle anrufen, um eine Regelung zu erreichen. Die Besonderheit des Mitbestimmungsrechts nach § 87 BetrVG liegt auch darin, dass eine Zustimmungsverweigerung zu einer vom Arbeitgeber gewünschten Maßnahme keiner besonderen Begründung bedarf und die Zustimmungsver- weigerungsgründe nicht – wie bei § 99 Abs. 2 BetrVG – auf bestimmte Gründe beschränkt sind. Für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts bedeutet dies, dass der Betriebsrat die eigenen Vorstellungen zur Gestaltung der Arbeitszeit in den Entscheidungsprozess einbringen kann und daher auch immer die Interes- sen der Arbeitnehmer bei der Gestaltung der Arbeitszeit berücksichtigt werden müssen. Daneben ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG auch ein strategisches Mitbestimmungs- Instrument, um generell Forderungen des Betriebsrats betrieblich zu regeln. recht strategisch Das Mitbestimmungsrecht besteht zwar nur, wenn einer der abschließend in nutzen den Nr. 1 bis 13 aufgeführten Tatbestände erfüllt ist; der Betriebsrat kann jedoch seine Zustimmung auch davon abhängig machen, dass Regelungen in Bereichen getroffen werden, für die kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht besteht und die ansonsten nur freiwillig getroffen werden können. Er kann z. B. die Zustim- mung zur Mehrarbeit von Leiharbeitnehmern davon abhängig machen, dass der Arbeitgeber verpfichtet wird, die Leiharbeitnehmer/Leiharbeitnehmerinnen zu einem späteren Zeitpunkt zu übernehmen oder Neueinstellungen vorzunehmen oder Regelungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu treffen (sog. Koppelungsgeschäft 180 ). Auch ist es zulässig, in einer Betriebsvereinbarung die Mitbestimmungsrechte zu erweitern. 181 Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht auch in sog. Eilfällen. 182 Eil- und Notfälle Wünscht der Arbeitgeber z. B. wegen eines kurzfristig auftretenden erhöhten Arbeitsanfalls die Leistung von Mehrarbeit, kann er ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats (auch nicht nur vorläufg) Arbeitnehmer nicht zu Mehrarbeit her- anziehen. Dasselbe gilt grundsätzlich auch in Notfällen, d. h. in Situationen, in denen plötzlich, unvorhersehbar und unplanbar ein Ereignis eintritt, das bei Nicht- durchführung des Mitbestimmungsverfahrens zu einem erheblichen Schaden für die Beschäftigten oder den Betrieb führt (vgl. z. B. § 14 Abs. 1 und 2 ArbZG). Aus- 180 Zur Zulässigkeit vgl. HessLAG v. 13. 10. 2005–5/9 TaBV 51/05 – AuR 2007, 315. 181 BAG v. 14. 8. 2001 – 1 AZR 744/00 – AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede. 182 BAG v. 17. 11. 1998 – 1 ABR 12/98 – AP Nr. 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 95 29.10.2013 11:16:53
96 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) nahmen sind hier nur in Extremsituationen (z. B. Brand, Explosion) möglich, aber auch nur, wenn die Situation unvorhersehbar war. 183 Auf freiwilliger Basis können die Betriebsparteien für Eil- und Notfälle vorsorglich eine Rahmenvereinbarung treffen, in der es dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen gestattet wird, vorläufge unvermeidbare Anordnungen auch ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats zu treffen. Die Vereinbarung darf den Arbeitgeber aber nicht pauschal ermächtigen, Überstunden anzuordnen. 184 Ein derartiger Verzicht würde gegen den Zweck des Mitbestimmungsrechts aus § 87 BetrVG verstoßen, die Inte- ressen der Belegschaft umfassend zu berücksichtigen. 2. Vorrang von gesetzlichen und tarifichen Regelungen Dem Betriebsrat steht in allen Fragen der Arbeitszeit, die soziale Angelegenheiten i. S. v. § 87 BetrVG betreffen, ein unverzichtbares Mitbestimmungsrecht zu. Die- ses dient dem Zweck, die einseitige Regelungsbefugnis des Arbeitgebers bei der Arbeitszeit zum Schutz der Beschäftigten zu begrenzen. Soweit nach § 87 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht besteht, kann der Arbeitgeber keine Anordnungen tref- fen, ohne das Mitbestimmungsverfahren durchgeführt zu haben. Regelungssperre von § 77 Abs. 3 BetrVG Vorrang tarificher Besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG, kommt die Regelungssperre Regelung beachten von § 77 Abs. 3 BetrVG nicht zur Anwendung 185 (vgl. hierzu Kap. IV.1). § 87 BetrVG ist gegenüber § 77 Abs. 3 BetrVG die speziellere Norm. 186 Die Ausübung der Mit- bestimmung und die Regelungsmacht der Betriebsparteien sind nur dadurch begrenzt, dass keine abschließende und zwingende gesetzliche oder tarifiche Regelung (ohne Öffnungsklausel) bestehen darf, an die Arbeitgeber und Betriebs- rat gebunden sind. Auf die Tarifbindung der Beschäftigten kommt es insoweit nicht an. Das Mitbestimmungsrecht begrenzt die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien nicht auf solche Sachverhalte, die in § 87 BetrVG ausdrücklich der Mitbestim- mung unterworfen werden. Auf freiwilliger Basis können die Betriebsparteien 183 LAG Baden-Württemberg v. 23. 11. 2000 – 4 Sa 81/00 – AuR 2001, 512. 184 BAG v. 17. 11. 1998 – 1 ABR 12/98 – AuR 1999, 145. 185 BAG (GS) v. 3. 12. 1991 – GS 2/90 – AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung. 186 DKKW-Klebe, BetrVG, § 77 Rn. 132. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 96 29.10.2013 11:16:54
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 97 auch Regelungen treffen, die nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterliegen. Bei Regelungsgegenständen, die nicht mitbestimmungspfichtig sind, haben sie jedoch die Regelungssperre von § 77 Abs. 3 BetrVG zu beachten, wonach der Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Arbeitsentgelte und sonstige Arbeits- bedingungen ausgeschlossen ist, wenn diese in einem Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden. Gesetzlich zwingende Vorschriften Gesetzliche Regelungen sowie Rechtsverordnungen zum Arbeitsschutz sind grundsätzlich zwingend und können von den Betriebsparteien nur zu Gunsten der Beschäftigten verändert werden. Dies gilt insbesondere für die Bestimmungen des ArbZG zur zulässigen Höchstdauer der täglichen und wöchentlichen Arbeits- zeit (vgl. Kap. III.2.1). Nur soweit das Gesetz den Betriebsparteien ausdrücklich die Befugnis einräumt, auch zu Lasten der Arbeitnehmer von den Bestimmun- gen des ArbZG abzuweichen (z. B. Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zehn Stunden nach § 3 Satz 2 ArbZG), besteht ein Gestaltungsspielraum für die Betriebsparteien. Tarifvertragliche Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts Auswirkungen auf die Mitbestimmung nach § 87 BetrVG können sich auch aus tarifichen Regelungen zur Arbeitszeit ergeben. Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist. 187 Die Tarifverträge enthalten eine Vielzahl von Bestimmungen, die die Regelungsmacht der Betriebsparteien einschränken oder erweitern. Die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats unterliegt dabei keinen rechtlichen Bedenken. 188 Einschränkungen der Mitbestimmungs- rechte als solche können dagegen nicht tarifich vereinbart werden. 189 Sie können sich jedoch daraus ergeben, dass der Tarifvertrag eine abschließende Regelung zu der jeweiligen Arbeitszeitfrage enthält oder verbindliche Voraussetzungen oder Bedingungen formuliert, die die Regelungsmacht der Betriebsparteien zu dem mitbestimmungspfichtigen Sachverhalt beschränken. Derartige Einschrän- kungen können sich zum einen aus Ansprüchen, die den Beschäftigten einge- räumt werden, ergeben. Sie können jedoch auch bestimmte materielle Grenzen 187 BAG v. 22. 3. 2005 – 1 ABR 64/03 – NZA 2006, 383. 188 BAG v. 23. 2. 2010 – 1 ABR 65/08 – AP Nr. 100 zu § 77 BetrVG. 189 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 5. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 97 29.10.2013 11:16:54
98 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) betreffen, die den Regelungsspielraum der Betriebsparteien eingrenzen oder eine freiwillige Betriebsvereinbarung bzw. eine einvernehmliche Regelung vorausset- zen, die nicht durch Spruch der Einigungsstelle oder Entscheidung der tarifichen Schlichtungsstelle ersetzt werden kann (z. B. Langzeitkonten nach § 7.7.2 MTV NW/NB). Bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts hat der Betriebsrat diese Grenzen einzuhalten. 2.1 Mitbestimmung bei Beginn und Ende, Pausen sowie Verteilung Alle Formen der Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Festlegung von Beginn Arbeitszeit werden und Ende der Arbeitszeit einschließlich der Pausen und der Verteilung der erfasst Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Davon werden alle Arbeitnehmer (einschließlich etwaiger Leiharbeitnehmer) des Betriebs und alle Formen der Arbeitszeit (z. B. auch Rufbereitschaft oder Bereit- schaftsdienst) erfasst. Üblicherweise wird in einer Betriebsvereinbarung geregelt, welche Formen der Arbeitszeit im Betrieb für alle Arbeitnehmer bzw. für unter- schiedliche Beschäftigtengruppen gelten sollen. Soweit die Lage der Arbeitszeit im Rahmen einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, löst eine vom Arbeitgeber gewünschte Abweichung oder Verlegung von Arbeitsbeginn oder -ende erneut das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit Durch die Befugnis, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit mitzube- stimmen, unterliegt mittelbar auch die Dauer der täglichen Arbeitszeit der Mit- bestimmung des Betriebsrats. Die Dauer der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist jedoch auch im Rahmen von § 87 BetrVG der Rege- lungsmacht der Betriebsparteien entzogen. 190 Etwas anderes gilt nur, wenn der Tarifvertrag Abweichungen von der Dauer der Arbeitszeit durch die Betriebspar- teien ausdrücklich zulässt 191 (z. B. bei Arbeitsbereitschaft; vgl. Kap. IV.7.1). Mit- telbar kann der Betriebsrat zwar über das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch die Dauer der Arbeitszeit (und die entsprechende Vergütung) mitbestimmen. Dies gilt jedoch nicht für Veränderungen bei der regelmäßigen 190 BAG v. 22. 7. 2003 – 1 ABR 28/02 – NZA 2004, 507. 191 BAG v. 22. 7. 2008 – 1 AZR 259/07 – EzA Nr. 7 zu § 4 TVG Versicherungswirtschaft. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 98 29.10.2013 11:16:54
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) 99 Arbeitszeit, sondern nur bei der vorübergehenden Verlängerungen oder Verkür- zungen der regelmäßigen Arbeitszeit, die hiervon unberührt bestehen bleibt. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit Sowohl der Zeitpunkt, zu dem die Beschäftigten die Arbeit aufzunehmen haben, als Was beinhalten auch der Zeitpunkt, zu dem sie die Arbeit beenden, unterliegt der Mitbestimmung »Beginn« und des Betriebsrats. Mittelbar wird der Betriebsrat hierdurch in die Lage versetzt, die »Ende« der tägli- chen Arbeitszeit? Betriebs- und Ladenöffnungszeiten mitzubestimmen. 192 Vor- und Abschlussarbei- ten sind Bestandteil der vertraglich geschuldeten Arbeit und daher für Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit maßgeblich. Wasch- und Umkleidezeiten zählen jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen zur vergütungspfichtigen Arbeits- zeit 193 (vgl. Kap. III.1). Das Mitbestimmungsrecht umfasst sowohl die Einführung fexibler Arbeitszeitsysteme als auch die hierbei geltenden Regelungen zur Lage der täglichen Arbeitszeit. Ohne das Mitbestimmungsverfahren durchzuführen, kann der Arbeitgeber daher weder die gleitende Arbeitszeit, noch sonstige fexible Formen der Arbeitszeit – wie Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Schichtarbeit – einführen. Die Zeitpunkte von Arbeitsbeginn und -ende brauchen nicht minutengenau fest- gelegt zu werden. Zulässig ist es auch, einen Rahmen zu vereinbaren, innerhalb dessen der Arbeitnehmer berechtigt oder verpfichtet ist, die Arbeit aufzunehmen Bei Vereinbarung bzw. zu beenden. Insbesondere bei Systemen gleitender Arbeitszeit kann daher eines Rahmens für ein zeitlicher Rahmen zum Beginn der Arbeitszeit (z. B. zwischen 6.00 Uhr und Beginn und Ende Einhaltung der 9.00 Uhr) und zu deren Beendigung (z. B. zwischen 15.00 Uhr und 18.00 Uhr) Höchstdauer der vereinbart werden. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Höchst- Arbeitszeit über- dauer der gesetzlich oder tarifich geltenden täglichen Arbeitszeit eingehalten prüfen wird. Hierzu muss ein Zeiterfassungssystem vorhanden sein, das entsprechend § 16 Abs. 2 ArbZG eine Dokumentation aller geleisteten Arbeitszeiten gewähr- leistet (vgl. Kap. V.1.2). Insbesondere bei der Vertrauensarbeitszeit sind Vorkeh- rungen zu treffen, die Verstöße gegen die Höchstarbeitszeiten und die zeitliche Überforderung der Beschäftigten ausschließen. 194 Eine Betriebsvereinbarung sollte mindestens die Regelung enthalten, dass der Arbeitnehmer die Arbeit mit Erreichen der gesetzlichen und tarifichen täglichen Höchstarbeitszeit einzustel- len hat und sowohl Beginn als auch Ende der Arbeitszeit durch ein vom Arbeit- 192 Vgl. BAG v. 31. 8. 1982 – 1 ABR 27/80 – AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. 193 BAG v. 19. 9. 2012 – 5 AZR 678/11 – AuR 2013, 48 unter Aufgabe seiner früheren Auffassung in BAG v. 11. 10. 2000 – 5 AZR 122/99. 194 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 116. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 99 29.10.2013 11:16:54
100 Mitbestimmung bei der Arbeitszeit (§ 87 BetrVG) nehmer nicht beeinfussbares Zeiterfassungssystem dokumentiert werden. Der Betriebsrat kann die Dokumentation von Vertrauensarbeitszeit im Rahmen eines Zeiterfassungssystems auf Grund seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 6 BetrVG erzwingen. 195 Flexibilisierung der Arbeitszeit Lage und Verteilung Flexible Arbeitszeitsysteme betreffen immer Lage und Verteilung der Arbeitszeit der Arbeitszeit: und unterliegen daher der Mitbestimmung des Betriebsrats. Bei der Lage und Einhaltung tarifi- Verteilung der Arbeitszeit ist (insbesondere bei der Vertrauensarbeitszeit) darauf cher Regelungen kontrollieren zu achten, dass die tarifich geregelte Dauer der Arbeitszeit eingehalten wird. 196 Bei der Vertrauensarbeitszeit sind stets Kontrollmechanismen zu vereinbaren, mit denen der Schutz der Beschäftigten und die Einhaltung der Arbeitszeitregelungen gewährleistet werden. 197 Ein hiergegen verstoßender Spruch einer Einigungs- stelle ist unwirksam. 198 Soweit keine andere tarifiche Regelung besteht, umfasst das Mitbestimmungs- recht auch die Festlegung der Wochentage, an denen die Beschäftigten zur Arbeit herangezogen werden können oder die arbeitsfrei sein sollen. 199 Durch das Mit- bestimmungsrecht bei der Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage werden daneben alle Systeme fexibler Arbeitszeiten der Mitbestimmung des Betriebs- Umfang der rats unterworfen. Im Rahmen der gesetzlichen und tarifichen Höchstgrenzen täglichen wöchent- der Arbeitszeit kann so der Umfang der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit lichen Arbeitszeit vom Betriebsrat mitbestimmt werden. Entsprechend dem Schutzzweck des Mit- mitbestimmen und Interessen der bestimmungsrechts sind bei der Festlegung der Arbeitszeit insbesondere die Arbeitnehmer an unterschiedlichen Interessen der Arbeitnehmer an einer fexiblen Gestaltung fexibler Arbeitszeit- der Arbeitszeit und deren Persönlichkeits- und Schutzinteressen zu berücksich- gestaltung berück- tigen. 200 Hierzu gehört auch die Berücksichtigung familiärer Verpfichtungen (vgl. sichtigen z. B. § 7.9 MTV NW/NB). Eine Präambel in einer Betriebsvereinbarung, die vor- sieht, dass die Gestaltung der Arbeitszeit sowohl den Interessen der Arbeitneh- mer als auch den Interessen des Betriebs an einer fexiblen Arbeitszeitgestaltung und dem Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen (§ 1 Nr. 1 ArbZG) Rechnung 195 DKKW-Klebe, BetrVG, § 87 Rn. 62. 196 BAG v. 22. 6. 1993 – 1 ABR 62/92 – AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972. 197 LAG Berlin v. 29. 11. 2005 – 7 TaBV 1471/05. 198 LAG Berlin v. 29. 11. 2005 – 7 TaBV 1471/05. 199 Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 109. 200 BAG v. 29. 9. 2004 – 5 AZR 559/03 – AP Nr. 111 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit. AIB_Jentgens_Ulber_Bund_Ausgabe.indd 100 29.10.2013 11:16:54
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