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URBAN LEBEN - PROJEKTE. ENTWICKLUNG. INNOVATIONEN

Published by INVENTIO Projectpartner GmbH, 2019-05-31 05:30:10

Description: Wie wollen bzw. wie werden die Menschen in Zukunft wohnen? Welche Anforderungen an die Entwicklung von Wohnimmobilien ergeben sich daraus? Wird sich der Druck auf die Metropolen weiter verstärken? Sind Hochhäuser oder gar das Wohnen auf dem Wasser Lösungsansätze für die Wohnungsmisere? Muss steigende Nachfrage mit sinkender architektonischer Qualität einhergehen? Wie verändert die Idee vom Smart Home die Bau- und die Immobilienbranche? Und welche Einflüsse haben all diese Themen auf die Arbeitsweise und das Berufsbild von Immobilienvertrieben und Projektentwicklern in der heutigen Zeit? Wenn man wie wir Wohnungsbauprojekte bis zur Vermarktungsreife mitentwickelt und verkauft, sammelt man viele Eindrücke, stellt sich Fragen, entwickelt Ideen und beobachtet Missstände. So ist die Idee entstanden, einige besonders virulent erscheinende Themen aus dem Bereich des Wohnungsbaus genauer unter die Lupe zu nehmen und mit ausgewiesenen Fachleuten zu diskutieren.

Keywords: inventio,berlin,münchen,projektentwicklung,projectpartner,innovation,immobilien,architektur

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Für den Bau der Tiefgaragen auf der Humboldt-Insel mussten die Beton­ arbeiten in der aus Stabilitätsgründen gefluteten Baugrube unter Wasser ausgeführt werden. Rechts: Blick über die Humboldt-Insel 102 WOHNEN AM WA SSER

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WOHNEN AM WA SSER WATERWORLD Tilo Hellinger Gewässer ziehen Menschen seit jeher in den Bann. Wasser ist die Grundlage unseres Lebens. Zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Viele Pflanzen und Tiere finden hier ihren Lebensraum. Als die Menschen sesshaft wurden, siedelten sie vielfach direkt am Was- ser. Bis heute übt das Wasser eine besondere Faszination auf den Menschen aus: Wasser ist für uns etwas Starkes und Unergründliches. Mit ihm ist die größte aller Sehnsüchte verbun- den, die Sehnsucht nach Freiheit. Ob See, Fluss oder Meer: Wohnen direkt am oder auf dem Wasser stellt eine besondere Qua- lität dar. Wasser weckt die Erinnerung an den letzten Urlaub, an Sonnenwärme und Wind. All diesen Bedürfnissen kommen drei Formen von Wasserarchitektur unmittelbar entgegen: Häuser am Wasser, Häuser, die ganz oder teilweise im Wasser auf Pfahlgründungen stehen, und schließlich die sogenannten Floating Houses. Ufergrundstücke Seit vielen Generationen ist ein Haus am Wasser oder ein Wassergrundstück der größte Traum vieler Menschen. Anders als in früheren Jahrhunderten, als eine Stadt wie Berlin bekanntermaßen „aus dem Kahn gebaut“ und das Leben am Wasser praktischen Notwen- digkeiten wie Transport oder Fischerei geschuldet war, wurde die Wohnlage mit Blick aufs Wasser und Zugang zum Ufer seit dem 19. Jahrhundert zum Luxus. In Berlin und Potsdam beispielsweise wurden die Ufer des Wannsees oder des Heiligen Sees schon in der Kaiser- zeit zu begehrten Wohnlagen entwickelt. Durch solche großbürgerlichen Vorbilder wurde die Sehnsucht nach einem Wohnen am Wasser zum Wunsch ganzer Generationen von Im- mobilienkäufern. Doch nicht jede Stadt besitzt den Vorzug, wie Berlin, Hamburg oder Amsterdam von natür- lichen Wasserwegen durchzogen zu werden. In einer Stadt wie München sind kaum Wasser- grundstücke zu finden. Deshalb wurden dort die Seen im Umland zu begehrten Wohnlagen. Zuweilen entstehen auch neue Seen, um die Attraktivität eines Ortes zu steigern. So war das südliche Stadtrandgebiet von Leipzig zu DDR-Zeiten bekannt für zahlreiche Braunkohle-Ta- gebaue. Einer davon befand sich vor den Toren der Stadt, in Markkleeberg im Bereich des seit 1974 abgebaggerten Dorfes Cospuden. Nachdem dort im Jahre 1990 der letzte Kohlezug aus dem Tagebau gefahren war, begannen bereits ein Jahr später die Rekultivierungsarbeiten. Zwischen 1993 und 2000 wurde der heute bei der Leipziger Bevölkerung außerordentlich populäre Cospudener See geflutet. Neben Tauch-, Surf- und Kiteschulen sowie Marinas für Segelboote sind im direkten Umfeld des Sees zahlreiche Wohn- und Ferienprojekte entstan- den, die ihren Reiz im Wesentlichen aus der Nähe zum Wasser ziehen. Doch auch innerhalb der Städte werden für den Traum vom Wohnen am Wasser immer neue Areale erschlossen – begünstigt durch die Tatsache, dass viele künstliche Wasserstraßen und Hafenanlagen heute kaum noch für ihre einstigen Transport- und Industriezwecke ge- braucht werden. Speicherbauten und Fabriken am Wasser werden frei für eine Umnutzung, wenn ihre historische Funktion entfällt. Die hier im Buch abgebildete Neubebauung an der Insel Eiswerder in Berlin-Spandau ist ein Beispiel dafür, ebenso wie die Entwicklung ehema- liger Industrieareale an Wasserstraßen im Ruhrgebiet. Die im Wandel begriffene Metropol- region verfügt z. B. über stolze 572 Kilometer Kanal- und Flussufer – eine Menge Platz also für Liebhaber des maritimen Lebensstils. Bereits heute gibt es dort zahlreiche neue Wohn- bauten an Ruhr, Emscher und Rhein-Herne-Kanal sowie an ehemaligen Häfen oder neu an- gelegten Gewässern wie dem Dortmunder Phoenix-See. 105

Daneben gibt es jedoch auch neue Großsiedlungen am Wasser – so etwa in Hamburg die Ha- fencity mit der Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron in unmittelbarer Nachbarschaft zur historischen Speicherstadt, in Berlin die in den 1990er-Jahren geplante Wasserstadt Spandau mit bis zu 7.500 Wohnungen und die aus derselben Zeit stammende Siedlung an der Rummelsburger Bucht auf der Halbinsel Stralau, wo inzwischen mehr als 5.000 Men- schen leben. Diese Beispiele zeigen, dass der Trend zum Wohnen am Wasser kein Spleen von Individualisten ist. Vielmehr verbinden solche Projekte die individuellen Bedürfnisse von Wohnungssuchenden mit städtebaulichen Entwicklungen auf ehemaligen Industriebrach- flächen und stellen in vielen Städten einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung neuen Wohnbaulandes als Antwort auf das permanente Bevölkerungswachstum dar. Auf der anderen Seite wurden in den letzten Jahren auch kleinere, exklusivere Wohnanlagen am Wasser gebaut. Ein gutes Beispiel mit mehreren Wohnbauten ist zwischen 2009 und 2011 auf dem Areal eines ehemaligen Bahnhofs der Isartalbahn am Mühlbach, einem Seitenarm der Isar, entstanden. Für München ist dies eine echte Unikatlage, weil Wohnen am Wasser durch die restriktive Haltung der Stadt an den Isarufern kaum möglich ist. Einige Gebäude stammen aus der Feder des Berliner Büros GKK+ Architekten. In der Folge haben wir unser Inventio-Logo davon abgeleitet: Es zeigt die prägenden versetzten Ebenen, die von Etage zu Etage versprin- gen. Das Thema des Wohnen am Wasser gehört also sozusagen zu unserer DNA. Auch an dem Projekt Humboldt-Insel am Tegeler See im Norden von Berlin war Inventio ­beteiligt. Als echte Privatinsel stellt die langgestreckte, schmale Humboldt-Insel zwischen Tegeler Hafen und Tegeler Fließ eine in Berlin vermutlich einzigartige Situation dar. Unmit- telbar am Ufer wurden in den Jahren 2014–2018 unter anderem 16 Steg-Doppelhaushälften errichtet. Bei diesen Häusern kommt ein neuer Aspekt zum Tragen: Statt des bloßen Blicks auf das Wasser sind die Häuser mit direktem Wasserzugang ausgestattet. Terrassen-Stege über der Wasserfläche samt Anlegemöglichkeit für ein Boot erschließen das Wasser in neuer Weise. Der Bau eines Ensembles von Wohnbauten samt neuer Zufahrtsbrücke und insbeson- dere einer Tiefgarage brachte große Herausforderungen mit sich. Dabei wurden die Flanken der Insel in der ersten Bauphase lediglich von den im Boden des Tegeler Fließ’ verankerten Spundwänden gehalten. Die Bauarbeiten selbst wurden von Tauchern ausgeführt, die unter Wasser Tiefgaragen und Keller betonierten – eine bautechnische Meisterleistung. Inzwischen ist das Thema Wohnen am Wasser so positiv besetzt, dass einige Entwickler Wasser in die Städte holen und so weit gehen, künstliche Seen anzulegen. So hat z. B. 2010– 2014 der Berliner Entwickler Stofanel für ein Projekt am Griebnitzsee in Potsdam mit 50 Vil- len und Häusern einen künstlichen See im Zentrum des neu gebauten Projektes „Tilia Living Resort“ realisiert, damit alle Häuser einen Wasserbezug haben und nicht nur die Gebäude in der ersten Reihe am Griebnitzsee von der Nähe zum Wasser profitieren. Noch weiter ging derselbe Entwickler beim Projekt „Fünf Morgen“ mit 129 Wohneinheiten in Berlin-Zehlen- dorf. Dort war weit und breit kein Wasserbezug vorhanden. Aufgrund des großen Erfolges am Griebnitzsee wurde jedoch entschieden, einen komplett künstlichen See anzulegen, um den die Gebäude herumgruppiert sind. Die Kosten solcher Maßnahmen sind natürlich ver- gleichsweise hoch, doch die Resonanz der Käufer und die Bereitschaft, für diese außerge- wöhnliche Wohnsituation am See in der Stadt einen deutlich höheren Kaufpreis zu zahlen, rechtfertigen diese Investitionen. Water Houses Water Houses sind Wohnobjekte, die nicht am, sondern auf dem Wasser stehen. Diese spe- ziell im asiatischen Raum traditionsreiche Wohnform wird auch bei uns immer attraktiver. Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde 2013 in Hamburg realisiert: Zur Internationalen Bauausstellung wurden dort fünf Wohnhäuser mit insgesamt 34 Eigentumswohnungen als moderne Pfahlbauten in einem großen Wasserbecken errichtet. Dieses wird durch Re- genwasser gespeist und befindet sich in Wilhelmsburg-Mitte, und zwar in einem Bereich, der stetig durch Hoch- und Grundwasser gefährdet ist. Das Leben mit dem Wasser ist hier sozusagen Fluch und Segen gleichermaßen. Water Houses können somit auch ein Weg sein, 106 WOHNEN AM WA SSER

Wohnbauten an scheinbar ungeeigneten Orten zu errichten. Sie können also auch bei der Nachverdichtung unserer Städte eine positive Rolle spielen. Besonders in Ländern oder Regionen, wo aufgrund der natürlichen Gegebenheiten viele Wasserflächen existieren, ist diese Wohnform en vogue. In den Niederlanden sind Städte wie Rotterdam, Amsterdam oder Arnheim prädestiniert für diese Art zu leben. Dort entste- hen teilweise ganze Wohnviertel auf dem Wasser. Ein gutes Beispiel sind die 20 Häuser, die die Architektin Marlies Rohmer im Amsterdamer Stadtteil Ijburg im Markermeer auf Pfahl- gründungen gebaut hat. Floating Houses Von diesen immer noch mit dem Grund verbundenen Bauten ist es der nächste Schritt, schwimmende Häuser, sogenannte Floating Houses, zu errichten. Floating Houses schwim- men direkt auf der Wasseroberfläche. Viele Anbieter verwirklichen so den Traum vom Leben am Wasser als Superlativ. Das klassische Hausboot ist in der modernen Version ein Floating Home und hat mit seinem Vorläufer nur noch die Schwimmfähigkeit gemein. Wie aber kann ein Haus schwimmen? Ist es dafür nicht zu schwer und unförmig? Die entspre- chenden Häuser aus Holz, Metall und Glas werden auf Schwimmpontons gesetzt, etwa auf Fundamente aus Styropor, die mit einem Spezialbeton ausgegossen und umhüllt werden, oder auf hohle Betonwannen mit Auftrieb. Das schwimmende Heim hat den großen Vorteil, dass es auch in Gewässern liegen kann, in denen der Wasserstand schwankt. Sie werden le- diglich an Stahlpfähle angekettet, die im Boden des jeweiligen Gewässers verankert sind. So kann das Haus bei Hochwasser mehrere Meter nach oben steigen ohne Schaden zu nehmen oder abgetrieben zu werden. Die schwimmenden Behausungen sind über die Anlegestege an Strom, Kanal, Wasser und Gas angeschlossen – flexible Leitungen machen es möglich. Auf der bereits genannten Humboldt-Insel in Berlin sind neben den bereits bestehenden Häusern am Wasser auch mehrere Floating Houses in Planung. Hier begegnen wir einer be- sonderen Herausforderung: Die Floating Houses werden nicht über ein klassisches Grund- buchblatt verfügen, sondern lediglich über die Anbindung der Medien und den Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie Parkplätzen, Müllentsorgung und Gehwegen Bestandteil der Wohnungseigentümergemeinschaft sein. Unabhängig davon sind die schwimmenden Häuser im Schiffsregister registriert, weil sie sich nicht nur im Fall der Humboldt-Insel, son- dern auch an den meisten anderen Standorten, die es weltweit für Floating Houses gibt, im Bereich öffentlicher Wasserstraßen befinden und wie Schiffe bewegt werden können. Dementsprechend werden sie wie Boote betrachtet bzw. eingestuft. Mehr als ein Dutzend solcher Siedlungs-Projekte konnte allein in Deutschland in den letz- ten Jahren umgesetzt werden, viele weitere sind in Planung. Dazu beigetragen haben auch romantische Inszenierungen des Wohnens auf dem Wasser – wie das gemütliche schwim- mende Heim, in dem Tom Hanks in dem Hollywoodfilm „Schlaflos in Seattle“ von 1993 mit seinem Sohn lebte. Bei den Floating Houses sind die Niederlande der Vorreiter: In Arnheim z. B. ist 2006/07 die Floating City Maasbommel mit mehr als 40 Floating Homes entstanden und im bereits ge- nannten neuen Amsterdamer Stadtteil Ijburg ist ein ganzes Viertel aus schwimmenden Häu- sern entstanden, die untereinander mit Stegen verbunden sind. Dieses Wasserviertel ist das bisher größte Projekt seiner Art. Wo liegt in Deutschland die Zukunft der Floating Houses? Auffallend ist ihr Erfolg im touris- tischen Segment: Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Atmosphäre werden sie an Standorten wie Seen oder Flüssen gerne für Kurzurlaube gebucht. Ob sie hingegen in großer Zahl, als Floating Villages oder gar Floating Cities zu einem Element des Städtebaus werden können, bleibt abzuwarten, da es dafür zumindest hierzulande an „bebaubarer“ bzw. frei verfügbarer Wasserfläche mangeln dürfte. Einstweilen zeigen die vielen vorbildlichen Projekte in den Niederlanden, an der Westküste der USA oder in Großstädten wie London und Kopenhagen zumindest das enorme Potenzial, das das Floating House für ein freies und ungebundenes Leben auf dem Wasser besitzt. 107





WOHNEN AM WA SSER STADTLANDFLUSS BERLIN Die Funktion der Wasserwege in den Städten hat sich stark gewan- delt – waren sie früher Verkehrsadern und Transportwege der In- dustrie, dienen sie heute der Erholung und werden zu besonders be- gehrten Wohnlagen. Dabei kann sich ein Projekt wie S­ tadtLandFluss an der Havel in Berlin-Spandau zunutze machen, dass das Industrie- zeitalter Bauten am Ufer hinterlassen hat, die einem neuen Wohna- real eine besondere Note verleihen. Dabei gilt es den alten Charme zu bewahren und neue Werte zu schaffen. Der eindrucksvolle Was- serturm und ein Teil der alten Königlichen Pulverfabrik werden lie- bevoll restauriert und innen nach modernsten Standards ausge- baut. Die neuen Mehrfamilienhäuser nehmen Elemente der alten Fabrikarchitektur auf und interpretieren sie zeitgemäß. Nach derzei- tiger Planung erfolgt die Bebauung des Areals mit sechs Bauteilen, in denen rund 195 Wohneinheiten realisiert werden. Adresse Kleine Eiswerderstraße 14 | Berlin-Spandau Bauherr 6B47 B nEIS GmbH Initiator 6B47 Germany GmbH Architekten meyer schmitz-morkramer Grundstück 11.450 m² Wohnfläche 15.930 m² Einheiten 195 Fertigstellung voraussichtlich 2022 Leistungsspektrum INVENTIO Vermarktung und Bauherrenberatung (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing & Vertrieb) Der historische Wasserturm wird im Zentrum des zukünftigen Ensembles stehen. Folgende Doppelseite: Der Wasser­ turm wird zu einer Wohneinheit mit ca. 155 Quadratmetern Wohnfläche umgebaut. 110 WOHNEN AM WA SSER

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VON DER FABRIK ZUM WOHNLOFT LICHT INS DUNKEL DER FABRIKETAGE Ein Gespräch mit dem Architekten Oliver Collignon über Transformation und die Frage, was schöne Räume auszeichnet H von G: Herr Collignon, wir würden ger- H von G: Bleiben wir noch beim Altbau. Wie ne mit Ihnen über die Transformation von sind Sie mit den Innenräumen umgegangen? Industriearchitektur in Wohnbauten spre- OC: Man hätte hier ohne große bauliche chen. Sie haben ja vor einigen Jahren ein Eingriffe riesige Künstler-Wohnlofts schaf- Fabrikgebäude in Charlottenburg in die fen können, aber das ist nicht vermarktbar. Spreelofts umgebaut, in dem historisch zu- Also wurden Zwischenwände eingezogen, nächst Schreibmaschinen gebaut wurden um akzeptable Wohnungsgrößen von 60 bis und später die Heliowatt-Werke unterge- 260 Quadratmetern zu erhalten. Dazu ge- bracht waren. Wie sind Sie zu dem Projekt hörte auch, zwei neue Treppenhäuser mit gekommen? Aufzügen in die alte Struktur einzubauen. Oliver Collignon: Das war um das Jahr 2012. Spannend war der Umgang mit der räum- Das Gebäude stellte für den Bauherrn, die lichen Struktur, denn bei diesem Ensemble H’Group aus München, ein Problem dar. gibt es zwei gute Seiten: Die eine ist nach In der bestehenden Form war die Helio- Süden, zur Sonne, gerichtet, die andere, watt-Fabrik nicht geeignet, um darin Wohn- nach Norden, hat den schönen Blick auf die raum zu schaffen. So kam ich ins Spiel, um Spree. Also haben wir es so konzipiert, dass einen attraktiven und wirtschaftlichen Plan die meisten Wohnungen durchgesteckt sind zu entwickeln. und möglichst über zwei Balkone verfügen. „D as Gebäude stellte für den H von G: Was war das Problem? H von G: Wie viel ist dann von der alten Fab- Bauherrn ein Problem dar.“ OC: Die große, für Industriebauten durch- rik geblieben? aus typische Gebäudetiefe. Eine Fabrik OC: Wir haben die Außenwände, die tra- braucht große Flächen: für Maschinen, An- gende Struktur und die Hauptpfeiler über- lieferung, Lagerung. Im Wohnungsbau hin- nommen. Trotzdem merkt man dem Altbau gegen geht man üblicherweise nicht über an, dass wir dort mit der alten Struktur von 15 Meter Tiefe hinaus. Und man braucht Ziegelwänden und Industrietragwerk um- mehr Licht. Meine Idee war es, entspre- gehen mussten. Dadurch ist der besonde- chend dem Hof des Nachbargrundstücks re Charme des Industriebauwerks erhalten ein Stück aus dem tiefen Gebäuderiegel he- geblieben und gleichzeitig sind zum Teil rauszuschneiden und damit einen gemein- sehr ungewöhnliche Räume und Grundris- samen, größeren Hof zu schaffen, der Licht se entstanden. in das Gebäude bringt und dadurch kleinere Wohnungen ermöglicht. Zudem haben wir H von G: Wer entscheidet, mit welchen den zurückgesetzten Altbau zur Straße hin Grundrissen eine solche Fabriketage neu symmetrisch mit Neubauten erweitert und konfiguriert wird? Der Architekt? damit die historische Blockkante „repa- OC: Wir reden ja hier bei aller gestalteri- riert“. Diese Planung hat auch dem Char- schen Bedeutung der Architektenarbeit von lottenburger Stadtplanungsamt gefallen, einem Produkt, das verkauft werden muss. worauf sie uns dann auch noch die Pent- Und deshalb gibt es jemanden, der sagt, ich häuser auf dem Dach genehmigten, die we- bin derjenige, der dieses Produkt herstellt sentlich zur Wirtschaftlichkeit des Projekts und verkaufen will, und ich definiere dem- beigetragen haben. zufolge, wie das Produkt auszusehen hat. In diesem Fall hat die H’Group Inventio ins Boot geholt: Ihr seid die, die sich mit dem ausken- nen, was der Markt an Wohnungen braucht, 115

und deshalb habt Ihr wesentlichen Einfluss OC: Das ist ein interessanter Hinweis, weil es „Es ist architektonisch viel darauf, wie diese Wohnungen aussehen sol- ein trauriger Hinweis ist. In solchen Objekten a­ ttraktiver, die Struktur len. Die Grundrisse und Innenräume nach liegen in der Tat viele Risiken. Für uns Archi- zu öffnen.“ diesen Bedürfnissen kreativ zu entwickeln, tekten sind historische Industriebauten die ist dann meine Aufgabe als Architekt. Was Quelle sehr attraktiver Projekte, aber auch schöne, lebenswerte Räume angeht, habe extrem zeitaufwändig. Die ganzen Kom- ich starke Vorstellungen, viel Erfahrung plikationen sind häufig nicht vorhersehbar und, so denke ich, auch ein gutes Händchen. und werden oft nicht richtig abgebildet. Nur ein Beispiel: Wir mussten feststellen, dass H von G: Hat der potentielle Wohnungs- die alte Fabrik der Spreelofts aus zwei ver- käufer hier überhaupt noch ein klassisches schiedenen Bauphasen stammt. Die Boden- Industrie-Loft im Kopf? Dies wurde ja in höhe wich innerhalb der Etagen leicht von- den 1960er- und 1970er-Jahren zuerst in einander ab. Auch innerhalb der Bauteile gab der Kunstszene New Yorks populär und zum es kleine Abweichungen. Jetzt konnten die Symbol von Freiheit und Selbstverwirkli- Wohnungen aber nicht überall kleine Stufen chung. Oder ist es heute schon selbstver- haben. Eine Mitarbeiterin war rund einen ständlich, dass ein Loft nicht mehr eine zu- Monat damit beschäftigt, Lösungen dafür gige Etage ist, auf der ein Künstler alleine zu finden, wie durchgehend ebene Fußbö- auf 400 Quadratmetern lebt, sondern zu den geschaffen werden konnten. Trotz all einem Begriff des Immobilienmarketings dieser Schwierigkeiten rechnen sich solche geworden ist, um Wohnen in stark umge- Projekte aber, sonst würden es die Bauträ- bauten Industriebauten zu verkaufen? ger nicht immer wieder machen. OC: Natürlich findet ein Image-Transfer statt: Ich kaufe mir eine 80-Quadratme- H von G: Wäre es nicht ökonomischer, abzu- ter-Wohnung und träume, dass ich in ei- reißen und mit derselben Grundfläche neu nem Loft in New York bin. Aber ich denke, zu bauen? dass man bei den Spreelofts die Wirkung OC: Theoretisch ja, praktisch nein. Weil man des Grundgerüsts der alten Fabrik nicht un- diese Baumasse, die im 19. Jahrhundert für terschätzen darf. So ist die Klinkerfassade gewerbliche Nutzung zulässig war, heu- der Heliowatt-Fabrik nach Süden genauso te nicht mehr neu bauen könnte. Das wür- geblieben wie die schon immer verputzte de niemals genehmigt werden. Und der Hoffassade, die Fensterformate und nicht Charme der Altbauten mit all ihren „Ecken zuletzt die starken Pfeiler. Sie entfalten auch und Kanten“ ließe sich nicht reproduzieren. in den Innenräumen eine starke Präsenz. H von G: Auf dem Berlin-Stadtplan von H von G: Ist die Erhaltung historischer Spu- Straube aus dem Jahr 1910 kann man gut ren im Inneren auch ein Problem der Ge- sehen, dass auch der vordere Teil des Grund- währleistung? stücks ursprünglich mit einem Fabrikgebäu- OC: Abgesehen davon, dass das viele Käufer de bebaut war. Es wäre aber nicht zulässig gar nicht wünschen, ist es beispielsweise gewesen, dort die ursprüngliche Bebau- bei der Erhaltung alter Ziegelwände im In- ungsstruktur wiederherzustellen, oder? neren in der Tat ein Motiv, lieber eine neue OC: Nein, das wäre nach heutigen Regulari- Wand einzuziehen. Die alte Wand wäre in en viel zu eng. Es war aber auch architekto- ihrer Qualität nicht genormt, und ein Käufer nisch viel attraktiver, die Struktur zu öffnen könnte sie später erfolgreich bemängeln. – Licht und Ausblicke zu schaffen – und zwei Flügel zu bauen, die den nun zur Straße hin H von G: Bei einem anderen Projekt mit Be- offenen Hof zwischen sich bergen. teiligung der Inventio, den Opernlofts in Berlin-Mitte, hielt die alte Fabrik unliebsa- H von G: Wie sind demgegenüber die Woh- me Überraschungen bereit – so stellte man nungen in den beiden Neubauflügeln zur fest, dass Teile auf einem Granitfelsen stan- Straße hin gestaltet? den, der den Bau der Tiefgarage sehr auf- OC: Sehr viel gradliniger und effizienter, wendig machte. aber räumlich hochattraktiv. Ich finde es 116 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

auch gerade in diesem Kontext klasse, dass ten. Im Sockel haben wir auch das Thema jetzt zur Straße hin diese klar strukturierten des Klinker aus dem Altbau aufgenommen. Häuser stehen. Der Altbau wirkt natürlich Aber der Neubau versucht nicht, auf alt oder auf die Gestaltung dieses Neubaus ein, etwa Fabrik zu machen. in der Höhe der Geschosse, was wiederum mit der gemeinsamen Erschließung zu tun H von G: Vielen Dank für das Gespräch. hat. Er ist auch insofern beeinflusst, weil wir hier diesen Loft-Charakter durch die Horizontalität der Fassaden betonen woll- 117





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VON DER FABRIK ZUM WOHNLOFT SPREELOFTS BERLIN Hinter den modernen Fassaden zweier neu errichteter Baukörper in erster Reihe zur Spree verbirgt sich das umfangreich sanierte, histo- rische Industrieensemble der ehemaligen Heliowatt-Werke. Insgesamt entstanden in den Spreelofts 57 Wohnungen, Town- houses, Etagen-Lofts und Penthouses mit Wohnungsgrößen von 58 bis 259 Quadratmetern. Wohnen in einer Anfang des 20. Jahrhun- derts erbauten Fabrik weckt Erinnerungen an die Industrielle Revo- lution, an Aufbruch und Wohlstand. Das Alte mit Frische, Komfort und Funktionalität aufleben zu lassen, den historischen Charakter zu bewahren und mit selbstbewussten Neubauten zu ergänzen – das war die Herausforderung an die Kreativität der Architekten. Adresse Charlottenburger Ufer 17 | Berlin-Charlottenburg Bauherr H‘Group Spreelofts GmbH Architekt Collignon Architektur und Design Grundstück 2.339 m² Wohnfläche 7.000 m² Einheiten 57 Fertigstellung 2016 Leistungsspektrum INVENTIO Projektkoordination inkl. Vermarktung (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing & Vertrieb, Sonderwunsch­ management, Bemusterung) 121

An der nach Süden gerichteten R­ ückfassade ist die Fabrik­architektur noch deutlich ablesbar. 122 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

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Von den Penthouse-Wohnungen blickt man über die Spree zum ­Heizkraftwerk Charlottenburg. 124 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

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VON DER FABRIK ZUM WOHNLOFT „DAS NEUE MACHT MÖGLICH, DASS DAS ALTE AM LEBEN BLEIBT.“ Ein Gespräch über den Mythos Berlin und den Wandel der Stadt am Beispiel der Opernlofts mit dem Architekten Ingo Pott „V iele vom Potential H von G: Der Berlin-Mythos lebt von leer- te als Kulisse vor sich, und egal, was die Stadt wunderschöne Altbauten stehenden Industriearchitekturen, die zu erleben wird, wie sie sich weiter verändern sind in Berlin in den 90er- Spielwiesen der Kreativszene wurden. Ir- wird, ob die Hochhäuser am Alexanderplatz Jahren totsaniert worden.“ gendwann waren diese Bauten alle saniert. kommen oder nicht, man wird immer in der Die Fabrik, aus der die Opernlofts wurden, ersten Reihe sitzen und dieses Panorama war einer der letzten Bauten dieser Art in vor sich haben. Wenn man vorne in den Hof Berlin-Mitte, und Sie haben Sie entdeckt. hineingeht, rechnet man nicht im Gerings- Wie war das? ten mit diesem Erlebnis, dass man oben ei- Ingo Pott: Die Opernlofts sind das Ergebnis nen Blick hat wie sonst nur vom Reichstag. eines Sonntagsspaziergangs in Berlin-Mit- te im Jahr 2010. Ich bin eher zufällig in die H von G: Wie sind Sie gedanklich an das Pro- Zehdenicker Straße am Weinbergspark ge- jekt Opernlofts herangegangen? gangen. Diese beeindruckende Industrie- IP: Mein Ansatz ist immer: Das ist eine Nut- architektur liegt ja versteckt hinter einem zung auf Zeit. Wir bauen ein Haus jetzt viel- unattraktiven 50er-Jahre-Wohnblock. Nach leicht so um, dass es für die nächsten 50 1945 waren dort die Werkstätten der Komi- Jahre einem bestimmten Zweck dient. Aber schen Oper untergebracht. Deshalb gab es vielleicht ist es in 50 Jahren wieder ein In- darin große, teilweise zweigeschossige Ate- dustriegebäude. Man sollte nicht denken, lierräume und Krananlagen, um die fertigen dass man derjenige ist, der etwas für die Bühnenbilder in den Hof herunterzulassen. Ewigkeit macht. Ich hatte schon immer ein großes Faible für solche Höfe, denn dort spielt sich in Berlin H von G: Welche Rolle spielten für die Ent- das wahre Leben ab. Insofern erinnerte mich wicklung die von Ihnen konzipierten Pent- der Ort an die frühen 90er-Jahre, als die Li- häuser? nienstraße noch aussah wie zerbombt und IP: Sie haben das Projekt – ökonomisch be- wir noch alle im „Obst und Gemüse“ saßen. trachtet – überhaupt möglich gemacht. Es ist ja finanziell ein Riesenaufwand, ein sol- H von G: Warum lag das Gebäude so lange ches Gebäude denkmalgerecht zu sanieren. im Dornröschenschlaf? Daran ist der Voreigentümer gescheitert. IP: Es war ja ein Fabrikgebäude, in dem lange Das ist immer das Problem mit alten Häu- noch gearbeitet wurde. Ich habe eine Idee sern: Wenn man mit ihnen behutsam um- für die neue Nutzung entwickelt und die In- geht, kostet das viel Geld. Und dieses Geld vestoren gefunden. muss ich als Bauherr irgendwo wieder her- ausholen. Oftmals muss man eine Symbiose H von G: Was ist für Sie das Besondere an der aus Alt- und Neubauten entwickeln, die es Immobilie? ermöglicht, das Alte zu bewahren und doch IP: Man ist mittendrin im Epizentrum, und Gewinn zu machen. Und so sind die Opern- doch in einer Oase der Ruhe. Daraus hat sich lofts eine Symbiose aus einem Industrie- am Ende auch ergeben, wer in dem Haus gebäude mit Loftwohnungen und zweige- lebt. Das sind Menschen, die ein Schutzbe- schossigen Penthäusern mit Dachterrassen. dürfnis haben, die bewusst nicht in der ers- ten Reihe sind und die es lieben, in diesem H von G: Und die Denkmalpflege hat dem ruhigen Hofareal zu sein. Das zweite ist der einfach zugestimmt? 360-Grad-Panoramablick von den oberen IP: Nein, wir hatten durchaus lange Gesprä- Geschossen über Berlin. Man hat Berlin-Mit- che. Das Landesdenkmalamt ist – nachvoll- 127

ziehbarer Weise – sehr restriktiv gewor- H von G: Warum? „In diesem Teppich gibt es den. Es ist ein gebranntes Kind: Viele vom IP: Weil es baulich einfacher ist. Man hätte noch viele Löcher.“ Potential wunderschöne Altbauten sind in die ganzen zusätzlichen Treppen nicht bau- Berlin in den 90er-Jahren totsaniert wor- en und die Etagen nicht zerteilen müssen. den. Insofern war ich sehr glücklich, dass Momentan werden in Berlin zudem hände- die Denkmalpflege den Penthäusern zuge- ringend Büroräume gesucht, gerade in den stimmt und gewürdigt hat, dass das Neue früheren Ost-Bezirken. 80 Prozent unserer hier das Alte nicht erschlägt. Im Gegenteil: Projekte sind Bürobauten. Wohnungsbau Das Neue macht möglich, dass das Alte am findet viel zu wenig statt. Was man jetzt Leben bleibt. auch wieder hinterfragen kann: Wie kann das sein? Die Stadt wächst jedes Jahr um H von G: Die modernen Akzente stehen be- 40.000 Menschen. Nur finden die Investo- wusst sehr kontrapunktisch zum Altbau, ren offenbar, dass es lohnender ist, gewerb- oder? liche Bauten zu errichten. IP: Wir haben die Penthäuser als raumschiff­ artiges Kupferobjekt gestaltet, das mit sei- H von G: Wie sehen Sie grundsätzlich die nen riesigen Panoramaverglasungen über Entwicklung Berlins? dem Weinbergspark schwebt. Diese Heran- IP: Als wir die Opernlofts begonnen haben, gehensweise hat für mich unter anderem war Berlin – ich weiß, der Spruch ist durch – ihren Grund darin, dass man es heute oh- arm, aber sexy. Außer der Fashion Week und nehin nicht mehr so bauen kann wie im 19. der Idee einer Creative City gab es wenig. Jahrhundert. Wenn ich jemanden hätte, der Viel Herzblut, wenig Substanz. In den letz- mir wirklich eine preußische Kappendecke in ten fünf Jahren hat sich Berlin sehr verän- der Qualität des 19. Jahrhunderts einbaut, dert, es ist viel Geld in die Stadt gekommen. dann würde ich das in Auftrag geben, weil diese Decken toll sind – sowohl ästhetisch H von G: Kann die Stadt sich angesichts des- als auch bautechnisch. Aber heute gibt es sen so entwickeln, wie sie es müsste? höchstens Handwerker, die sagen: „Kein IP: Sicherlich, es ist ja die größte Flächen- Problem, ich komme mit drei Stuckateuren stadt Europas. In diesem Teppich gibt es und einer Ladung Gipskarton und ahme das noch viele Löcher. Berlin könnte seine Be- nach.“ Aber das ist genau das Problem unse- völkerung verdoppeln, ohne dass es so eng rer Zeit: der Fake. Das ist nicht authentisch. würde wie in London. Aber in der Realität Wenn man etwas im Stil des Alten neu bauen gibt es zu viele Absurditäten wie den Mehr- will, dann muss man sehr konsequent sein. heitsbeschluss, auf dem Tempelhofer Feld Bei der Dresdner Frauenkirche ist es gelun- keinerlei Bebauung zuzulassen. Auf der gen. Beim Hotel Adlon ist es nicht gelungen. einen Seite mag das nicht unklug sein, es schafft Lebensqualität, aber es bleibt ein H von G: Wenn man heute das Gebäude der urbaner Luxus, der von denjenigen nicht Opernlofts entdecken würde, was würde als Problem erkannt wird, die ihrer eigenen vielleicht anders laufen? Klientel – den Wohnungssuchenden – scha- IP: Damals haben wir das Haus in viele Ein- den. Was mir in Berlin derzeit fehlt, sind heiten zerteilt. Heute ist die Marktsitua- Foren, in denen über die Zukunft der Stadt tion in Berlin so, dass man es nicht mehr in diskutiert und Visionen entwickelt werden. relativ kleine Einheiten unterteilen müss- Und ein Gefühl, das man die Probleme in der te. Und noch etwas ist heute ganz anders: Stadtentwicklung und auf dem Wohnungs- Die Opernlofts wären heute beim Verkauf markt, die ja noch zunehmen werden, ge- der Wohnungen sicherlich viel internatio- meinsam anpackt. Stattdessen wird Sym- naler positioniert. Aber im Grunde glaube bolpolitik gemacht und mit dem Finger auf ich, dass es heute gar nicht mehr als Wohn- Einzelne gezeigt. Wir brauchen mehr Dialog. gebäude entwickelt würde, sondern als Loft-Büro-Gebäude. H von G: Vielen Dank für das Gespräch. 128 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T







VON DER FABRIK ZUM WOHNLOFT OPERNLOFTS BERLIN Das Gebäude und sein spektakulärer Umbau spiegeln die Geschichte Berlins nach der Wende von 1989, als zahlreiche leerstehende Fa- briken in der Innenstadt einer neuen Nutzung zugeführt wurden. Der neue Name Opernlofts ist aus der jüngeren Geschichte der ein- drucksvollen Klinkerarchitektur abgeleitet: Von 1947 bis Anfang der 2000er Jahre wurde das Gebäude von der Komischen Oper Berlin als Werkstatt für die Requisiten und Bühnenbilder genutzt. Doch ist der Bau noch um einiges älter: Die zwei Höfe einfassende Gewerbehof- anlage wurde zwischen 1890 und 1900 als Fabrik für Herrenwäsche errichtet. Durch das Architekturbüro von Ingo Pott wurde die alte Fabrik für modernes Wohnen auf höchstem Niveau umgebaut und auf dem Hauptgebäude eine spektakuläre Penthouse-Aufstockung errichtet. Neben 7 Penthouses und 5 Townhouses entstanden in den alten Fabriketagen des Hauptgebäudes und der beiden Seitenflügel 25 Lofts, die diese Bezeichnung auch verdienen. Im zweiten Innen- hof entstanden 2 weitere Townhouses als Solitär-Neubauten. Mit diesem Projekt startete Inventio 2011 die Berliner Aktivitäten, welche letztendlich zur Eröffnung der Berliner Niederlassung im Jahr 2013 führten. Adresse Zehdenicker Straße 12b | Berlin-Mitte Bauherr Opernloft GmbH (Nymphenburger Beteiligungs AG, IKR Bauträger und Beteiligungsgesellschaft Kuschel GmbH, Inventio Projectpartner GmbH) Initiator Optima-Aegidius-Firmengruppe Architekt Pott Architects Grundstück 3.400 m² Wohnfläche 5.735 m² Einheiten 39 Fertigstellung 2014 Leistungsspektrum INVENTIO Projektkoordination inkl. Vermarktung (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing, Vertrieb, Sonderwunsch­ management, Bemusterung) Im Dornröschenschlaf: das alte ­Fabrikgebäude vor dem Beginn des Umbaus zu den Opernlofts im Jahr 2011. 132 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

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Entwicklung des Souterrains vor, während und nach Abschluss der Sanierungsarbeiten. 136 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

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Der Altbestand wurde weitestgehend in das neue Konzept integriert. 138 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

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Der repräsentative Eingangsbereich der Opernlofts 140 VON DER FABRIK ZUM WOHNLOF T

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INTERIOR DESIGN DREI KUBEN IN EINEM LOFT Der Architekt László Ambrus erläutert auf den folgenden Seiten sein Konzept für das Loft, welches er im Auftrag der Inventio für einen privaten Bauherrn im Gebäude der Opernlofts entwickelt hat. Bis Anfang der 2000er-Jahre wurden hier Bühnenbilder und Requisiten für die Komische Oper gebaut und gelagert. 142



„Für mich liegt der Charme eines in den Musterlofts beibehalten. Der alten Industriegebäudes unter ande- Länge nach wurden die Fabriketa- rem in der Weite und Dimension des gen in jeweils sechs Einheiten mit je Raumes. Wenn man ein Loft ausbaut, vier Fensterachsen aufgeteilt. Die gilt es diese Merkmale zu bewah- Mittelwand definiert dort die ganze ren. Durch Unterteilen einer großen Wohnungsstruktur: In den meisten Halle in mehrere Räume entstehen Wohnungen liegt nach dem Ausbau nicht ohne Weiteres gut organisierte auf der einen Seite ein 60 m² großer Wohnungen. Das Bild zeigt die Trag- Wohnbereich mit offener Küche, auf struktur der alten Fabrik von Wolff der anderen die Schlafräume und Bä- & Glaserfeld vor dem Umbau zu den der. Mein Auftraggeber wollte jedoch Opernlofts. Man sieht deutlich die unbedingt die Großzügigkeit des Rau- Tragstruktur – die beiden Außenwän- mes erhalten, ohne auf Komfort und de und die mittlere Ebene, bestehend Behaglichkeit einer gut organisierten aus Mauerwerk und Stützen. Die Wohnung zu verzichten.“ Mittelwand wurde üblicherweise 144 INTERIOR DE SIG N

„Meine Grundidee basiert darauf, die Funktionsbereiche in verschiedene Kuben zu organisieren und diese kompakt in die Raummitte zu stellen. Dadurch bleiben die Dimensionen des ursprünglichen Raumes erlebbar. Der industrielle Raum wird zum ‚Loft‘. Durch die Konzentration der Kuben in der Mitte verliert die tragende Wand ihre Dominanz und wird integriert. Strukturbestimmend sind nun die Kuben in ihren verschiedenen Aus- prägungen.“ 145

„Die Kuben wurden entsprechend den funktionalen Erfordernissen ‚ausge- höhlt‘. So legen sie ihr ‚Inneres‘ frei. Sie unterscheiden sich in ihrer Ma- terialität, Dimension und Farbe. Der graue Betonkubus öffnet sich zum Wohnbereich mit der Küchenzeile. In seinem Inneren nimmt er Nebenräu- me auf. Lebendigkeit verkörpert der leuchtgrüne Kubus. Die unregelmä- ßigen Einschnitte mit beleuchtetem Schwarzglas vermitteln Vitalität. Sie beherbergen die Geräte für das Home-Entertainment. Der industriel- le Raum bleibt auch deshalb erlebbar, weil der Eichendielenfußboden und die Sichtbetondecke durchgehend wahrgenommen werden können.“ 146 INTERIOR DE SIG N

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„Außen hart – innen weich. So lässt sich mein Konzept für die außen r­ ostige und innen warm-helle Schlaf- box am besten beschreiben. Aus der Raummitte ‚weggedreht‘ und mit geringerer Höhe beherbergt sie den intimen Bereich und scheint förmlich zu schweben.“ 148 INTERIOR DE SIG N

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