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URBAN LEBEN - PROJEKTE. ENTWICKLUNG. INNOVATIONEN

Published by INVENTIO Projectpartner GmbH, 2019-05-31 05:30:10

Description: Wie wollen bzw. wie werden die Menschen in Zukunft wohnen? Welche Anforderungen an die Entwicklung von Wohnimmobilien ergeben sich daraus? Wird sich der Druck auf die Metropolen weiter verstärken? Sind Hochhäuser oder gar das Wohnen auf dem Wasser Lösungsansätze für die Wohnungsmisere? Muss steigende Nachfrage mit sinkender architektonischer Qualität einhergehen? Wie verändert die Idee vom Smart Home die Bau- und die Immobilienbranche? Und welche Einflüsse haben all diese Themen auf die Arbeitsweise und das Berufsbild von Immobilienvertrieben und Projektentwicklern in der heutigen Zeit? Wenn man wie wir Wohnungsbauprojekte bis zur Vermarktungsreife mitentwickelt und verkauft, sammelt man viele Eindrücke, stellt sich Fragen, entwickelt Ideen und beobachtet Missstände. So ist die Idee entstanden, einige besonders virulent erscheinende Themen aus dem Bereich des Wohnungsbaus genauer unter die Lupe zu nehmen und mit ausgewiesenen Fachleuten zu diskutieren.

Keywords: inventio,berlin,münchen,projektentwicklung,projectpartner,innovation,immobilien,architektur

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ZUKUNFT DES WOHNENS SMART HOME – ZUKUNFTSTECHNOLOGIE ODER RISIKO? Tilo Hellinger Wie können Technologien des Smart Home das Bauen und Wohnen in Zukunft sinnvoll be- reichern? Grundsätzlich betrifft die digitale Aufrüstung des Hauses drei Bereiche: Sie ver- sprechen mehr Sicherheit, größeren Wohnkomfort und eine verbesserte Energieeffizienz. Smart Home bedeutet, dass die technischen Funktionen in einem Eigenheim wie Licht, Hei- zung, Dusche, Unterhaltungselektronik, Sonnenschutz, Alarmanlage usw. zentral steuerbar werden. Voraussetzung dafür ist der Einbau eines zentralen Nervensystems in das Haus, mit dem die Geräte verschiedener Anbieter kompatibel sind. Das hier gezeigte Berliner Mus- terloft des Architekten Hartmut Cammisar, dessen Ausstattung auf dem Firmenverbund Connected Comfort basiert, beruht beispielsweise auf dem KNX-Standard, auf den sich verschiedene Hersteller in Deutschland verständigt haben. Doch wie sicher ist ein solches System? Da das eigene Heim ein sehr sensibler Bereich ist und die Exklusivität des Zugriffs auf das Netzwerk dementsprechend wichtig, arbeiten die Hersteller an Schutzsystemen, die dies gewährleisten sollen. Welche Anwendungen von Smart Home man haben möchte, ist stets eine individuelle Entscheidung. Doch empfehlen viele Hersteller, schon beim Bau die Verkabelung vorzunehmen, die es grundsätzlich möglich macht, entsprechende Kompo- nenten an das System anzuschließen. Andere wiederum propagieren flexible Systeme, die über W-LAN oder Funksignale kommu- nizieren und keine zusätzliche Verkabelung benötigen. Solche Systeme, wie sie z.B. von di- gitalStrom angeboten werden, verfolgen die Vision, dass jede Wohnung und jedes Gerät, ob Altbau oder Neubau, ob analog oder digital, integriert werden können. Aktuell tobt also ein Kampf unterschiedlicher Systeme und Technologien – die große Frage ist, ob sich am Ende eine Lösung durchsetzen wird, auf die sich die maßgeblichen Hersteller verständigen kön- nen. In jedem Fall müssen die Anwendungen noch benutzerfreundlicher und intuitiver wer- den. Momentan bedarf es oft noch eines Ingenieurstudiums oder Systemadministrators, um einfachste Anpassungen vornehmen zu können. Einige große Hersteller von Haushaltsgeräten haben dies inzwischen ebenfalls verstanden, so dass sie sich dem Thema intensiv widmen, um nicht die Kundenbeziehung zu verlieren. Hier wird am Kühlschrank geforscht, der eigenständig erkennt, wenn die Butter zur Neige geht und dann auch gleich nachbestellt. Ein Onlineportal liefert dann Produkte, von denen die Bewohner noch nicht einmal wussten, dass diese bestellt wurden. Google, Amazon und Co drängen ebenfalls in diesen Markt. Mit dem Einzug der Spracher- kennung in viele Bereiche unseres Lebens ersetzen Siri und Alexa stillschweigend den guten alten Siemens- oder Miele-Kundenservice: Wenn zukünftig der Kühlschrank kaputt geht, er- hält Alexa dann nur noch den Befehl: „Alexa, der Kühlschrank ist kaputt, kümmere dich um die Reparatur.“ Ob Alexa dann wirklich noch den Kundendienst des Herstellers kontaktiert? Oder vielleicht doch eher ein Unternehmen, an dem Amazon beteiligt ist? Mit Dank für Informationen und einen Rundgang durch das Cammisar-Loft an Raphael Tkacz, Connected Comfort. 151

Beim Betreten des Badezimmers Das Bad ist heutzutage nicht nur ein wird die Glaswand automatisch Ort der Körperpflege, sondern der intransparent. Entspannung. Dementsprechend hält man sich hier länger auf als früher. 152 ZUKUNF T DE S WOHNENS Bäder sind größer und komfortab- ler geworden. Smart Home kann im Bad beispielsweise bedeuten, dass die Dusche in der Lage ist, nach persönlich festgelegten Programmen zu funktionieren, oder dass die Musik von der Badewanne aus gesteuert werden kann.



Im Musterloft sind Steuerungsele- Der große Serverschrank ist für eine mente des deutschen Herstellers Wohnung mit dem ­umfassenden Gira verbaut, von denen aus sich A­ usstattungsstandard des Cammisar-­ alle verschiedenen Funktionen in Lofts unabdingbar. Es erscheint der Wohnung auf einer einzigen jedoch unwahrscheinlich, dass eine Bedienoberfläche einfach und intuitiv technische Aufrüstung des Eigen- steuern lassen. Dieses Display kann heims in diesem Ausmaß zum allge- zudem auch vom eigenen Smart- meinen Standard wird. phone oder Tablet aus angesteuert werden. So kann z. B. bereits auf dem Rückweg vom Skiurlaub zu Hause die Heizung hochgefahren werden oder per Videoüberwachung kontrolliert werden, wer die Wohnung ggf. unbe- fugt betritt. Alles ist programmierbar, und die Unterhaltungselektronik kann nach eigenem Belieben in der ­Wohnung angeordnet werden. Betritt man den Raum zu einer Zeit, in der die Lieblingssendung läuft, kann sich b­ eispielsweise der im Spiegel integrierte Bildschirm einschalten. Feiert man mit Freunden, kann man festlegen, dass die Musik in allen Räumen, aber nicht überall in gleicher Lautstärke gespielt wird. 154 ZUKUNF T DE S WOHNENS

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WANDEL DER BRANCHE IMMOBILIENMARKETING NACH DEM DIGITAL TURN Ein Gespräch mit Tilo Hellinger (Inventio) und Sebastian Höft (Property Company) „Ich werde nie eine Immobilie H von G: Herr Höft, Herr Hellinger, Sie sind tionen hat man per Brief mit gedruckten über das Internet verkaufen – beide schon lange im Immobiliengeschäft – Broschüren verschickt. Dann fing es an, das habe ich nicht nur einmal jeweils rund 20 Jahre. Richten wir zunächst dass sich analoge und digitale Welt ver- von Bauträgern gehört.“ den Blick einmal zurück ins analoge Zeital- mischten, z.B. mit Immobilienscout. Die ter. Sind Ihnen Kürzel wie DG, EB oder GEH arbeiteten anfangs, als kaum jemand eine überhaupt noch geläufig? E-Mailadresse hatte, noch so, dass sie die Sebastian Höft: Klar. Dachgeschoss, Erstbe- Exposés zu Objekten rausgefaxt haben an zug, Gasetagenheizung. Das sind Abkürzun- die ­Interessenten … gen, wie man Sie in unserer Branche früher im Immobilienteil von Zeitungen wie dem H von G: Die Digitalisierung brauchte wage- Tagesspiegel oder der Morgenpost verwen- mutige Investoren, die an das Potential der dete. Als jede Zeile Geld kostete und man neuen Technologien glaubten. Wann gab es sich dementsprechend kurz fassen muss- denn im Immobilienbereich in Deutschland te. Heute schmunzele ich, wenn ich daran die ersten größeren Investments in die On- zurückdenke. Im Netz gibt es keine Begren- line-Vermarktung? zung mehr – man sollte sich aber dennoch TH: „Ich werde nie eine Immobilie über das beschränken. Internet verkaufen“ – das habe ich nicht nur Tilo Hellinger: Die Zeit, in der diese Abkür- einmal von Bauträgern gehört. Um 2000 zungen zu unserem Berufsalltag gehörten, arbeitete ich schon bei einem Start-Up: ist ja gefühlt noch gar nicht so lange her: Der PlanetHome. Deren Gründungsgeschichte Umschwung von den Printmedien zur On- ist durchaus typisch für den fundamen- line-Vermarktung hat erst vor rund zwanzig talen Wandel, der sich damals vollzog: Sie Jahren angefangen, z.B. mit der Gründung sind aus der HVB-Immobilien hervorgegan- von Scout24. gen, einer klassischen Bankentochter. Dann hat ein Unternehmensberater dem Vor- H von G: Was hat der Digitalisierung den ers- stand der HVB ein Konzept zur Online-Ver- ten Schub gegeben? marktung von Immobilien präsentiert. Bis TH: Zu Beginn lag der Reiz vor allem darin, heute hält sich die Geschichte, dass das dass es so günstig war. Die Print-Anzeigen, Meeting damit endete, dass sich die Vor- auf denen der ganze Markt zuvor basierte, stände nach der Präsentation ansahen und waren, speziell in München, extrem teuer. ihn fragten: Würden sie das denn auch für Ich habe Anfang der 2000er Jahre bei einem uns umsetzen können? Anschließend wur- großen Bauträger gearbeitet und wir haben de ein Budget im hohen zweistelligen Mil- jedes Jahr mehrere hunderttausend Euro lionenbereich zur Verfügung gestellt und für Anzeigen z. B. an die Süddeutsche Zei­ der Unternehmensberater, der bis dahin tung überwiesen. Das war damals das Medi- nur beraten aber nie umgesetzt hatte und um, von dem in München alles abhing. Und darüber hinaus kaum über Praxiserfahrung das wusste die SZ natürlich auch. im Bereich der Immobilienvermarktung SH: Ich erinnere mich, dass wir 1998 natür- verfügte, bekam mehr oder weniger freie lich auch schon mit Rechnern gearbeitet Hand. So wurde PlanetHome gegründet – haben. Die hatten aber noch keine Verbin- und die gibt es heute noch. Die Jahre um dung zum Internet. Und E-Mail hatte man 2000 waren schon die Zeit, in der aus heu- auch noch nicht. Der Austausch mit den tiger Sicht die Claims abgesteckt wurden. Kunden fand im wesentlichen per Telefon Und in der auch schon einige Große mit viel statt, bestenfalls per Fax. Alle Informa- Geld unterwegs waren. 157

H von G: Nehmen wir noch einmal Immobi- H von G: Wird das von allen Kunden glei- „Wer vom Bild nicht angezogen lienscout, das ja bis heute das bekannteste chermaßen genutzt? wird, springt sofort weiter.“ Portal ist. Sind in seiner Entwicklung nicht SH: Grundsätzlich würde ich zwischen zwei auch die Konjunkturen der Immobilienbran- Typen von Interessenten unterscheiden, die che in den beiden vergangenen Jahrzehn- auch unterschiedliche Angebotsformate ten ablesbar? verlangen. Die einen wollen möglichst viele SH: Ja, ich denke schon. Ein Marktplatz bil- Informationen: zur Größe, zur Lage, zur Aus- det Angebot und Nachfrage ab – und beides stattung usw. Wenn man ihnen all diese In- hat sich sehr verändert. In Berlin beispiels- formationen auf der Webseite liefert, kann weise fokussierte sich bei Immoscout in den das aber auch Nachteile haben. 2000er-Jahren alles auf Altbauten und auf den Osten. Neubauten gab es kaum, und die H von G: Welche? City-West spielte eine viel geringere Rolle. SH: Der Kunde trifft dann in der Regel eine TH: Der Aufstieg der Online-Portale lief in einsame Entscheidung. Ich erfahre aber Berlin zeitlich parallel mit dem Ende des nicht, warum er sich für oder gegen das Ob- Berlin-Hypes der Nachwendezeit – als man jekt entschieden hat, ob er es wirklich ver- noch dachte, dass Berlin in Kürze fünf Mil- standen hat. Der andere Typus ist jener, der lionen Einwohner haben würde. Ich bin am sich nicht durch viele Informationen, son- 1. Januar 2000 nach Berlin gekommen, um dern von einem tollen Rendering oder Foto hier Neubauwohnungen zu vermarkten, ansprechen lässt und den Impuls bekommt, aber da hatte ich mir die falsche Stadt und mehr wissen zu wollen, und dann anruft den falschen Moment ausgesucht … oder schreibt. Je höherwertiger eine Woh- SH: Da kamst Du entweder zwei Jahre zu nung ist, desto wichtiger ist dieser persön- früh. Oder zwei zu spät … liche Austausch. TH: Genau. Es gab 2000 praktisch keine Geschosswohnungs-Neubauten in Berlin. H von G: Werden Anzeigen im Netz also nach Ich erinnere mich an einen Grundstücks- dem Prinzip künstlicher Informationsver- markt-Bericht des Gutachterausschusses knappung gestaltet? aus dem Jahr 2004 oder 2005, in dem zu SH: Das ist nicht nur Verkaufsstrategie, son- lesen war, dass in einem ganzen Jahr in Ber- dern hat auch viel damit zu tun, dass Kunden lin ganze 165 Neubauwohnungen verkauft heute andere Devices für ihre Suche nutzen. worden waren. Damals hatten wir zwei Früher saß man mehr zu Hause vor dem gro- Stadtvillen im Grunewald mit 16 Wohnun- ßen Monitor und konnte sich dementspre- gen im Angebot. Damit hatten wir einen chend intensiver damit beschäftigen. Heute Marktanteil von 10 Prozent – das muss man sieht man eher unterwegs auf dem Smart- sich mal vorstellen. Nur mal zum Vergleich: phone nach, was es auf dem Markt Neues Heute werden in Berlin über 10.000 Woh- gibt. 60 Prozent der Immobiliensuche wer- nungen jährlich gebaut und verkauft. Diese den heute mit dem Smartphone oder Tablet Entwicklung hat aber erst 2010 begonnen, erledigt. Und wer da vom Bild nicht angezo- als der Markt richtig angesprungen ist. gen wird, springt sofort weiter. H von G: Wie haben sich denn danach die Ver- H von G: Wie wichtig ist die eigene Firmen- marktungswege in Ihrer Branche verändert? webseite überhaupt noch als Vermark- SH: Der Wandel von Print zu digital ist auch tungskanal? der Wandel von Text zu Bild. Das wichtigste TH: Die eigene Firmenwebsite ist nach wie sind heute die Visualisierungen, die bildli- vor eine Visitenkarte, oft die erste im Netz. chen Darstellungen eines Objekts. Wir mer- Die sozialen Netzwerke haben allerdings ken, dass immer weniger gelesen wird. Dafür an Bedeutung gewonnen. Wobei man dort werden Bilder und auch Filme immer wich- noch viel weniger Zeit hat, um den Kunden tiger. Das nächste ist jetzt die 360-Grad-Be- anzusprechen. Die Struktur von Facebook, gehung, bei der man vom Rechner zu Hau- Instagram usw. ist so angelegt, dass die se verschiedene Wohnungen und Räume Nutzer dort nicht gezielt nach Immobilien durchgehen und im Detail vergleichen kann. suchen, sondern eher angeteasert werden. 158 WANDEL DER BR ANCHE

SH: Das sehe ich auch so. Eine zunehmende TH: Bis vor zwei oder drei Jahren haben wir Rolle spielen auch Plattformen wie Pinte- bei Inventio dafür auch mit Architekturmo- rest. Das ist ja kein Immobilienportal, son- dellen gearbeitet. Jetzt nutzen wir stattdes- dern ein Ort, wo ich mich inspirieren lasse, sen 3-D-Modelle oder Brillen, Renderings aus wo ich Ideen sammle. Die steigende Bedeu- verschiedenen Perspektiven und Luftbilder. tung der sozialen Netzwerke geht damit In vielen Fällen ist das auch ein Ausprobieren einher, dass die Käuferschicht, zumindest in und Testen. Und nicht alles, was heute er- Berlin, jünger geworden ist. probt wird, wird es in 10 Jahren noch geben. „D as sind nun alles Menschen, H von G: Woran liegt das? H von G: Helfen die Visualisierungen auch die mit Facebook, Instagram und SH: Das sind verschiedene Faktoren: erstens bei der Bemusterung, also bei der Wahl Pinterest aufgewachsen sind. die Erbengeneration, zweitens die Start- von Fußbodenbelägen oder Badezimmer­ Und deren Erwartungshaltung Up-Gründer, drittens die Tatsache, dass ausstattungen? ist: Hol mich da ab.“ man jetzt auch in Berlin sehr gut bezahlte SH: Absolut. Man kann alles wunderbar am Jobs finden kann. Und das sind nun alles Computer durchspielen. Will man den Par- Menschen, die mit Facebook, Instagram und kettboden dunkel oder hell, welche Arma- Pinterest aufgewachsen sind. Und deren Er- turen im Bad und so weiter. Früher musste wartungshaltung ist: Hol mich da ab. man von einer Bad-Ausstellung zur nächs- ten laufen. Das wird jetzt bildlich darge- H von G: Die jüngere Generation hat ja durch stellt, man spart dadurch viel Zeit. Es kommt das Netz auch eine andere visuelle Vorstel- eine andere Dynamik rein. lungskraft entwickelt. Wer regelmäßig Fe- TH: Das Prinzip kommt aus der Automo- rienwohnungen bei Airbnb bucht, kann sich bilindustrie. Da gibt es den Car Configura- schon vorher vorstellen, wie eine Wohnung tor. In der Immobilienbranche ist es jetzt aussehen wird, die er nur von Bildern kennt. der Flat-Configurator. Der Kunde wählt Brauchen solche bildkompetenten Men- beispielsweise die „Puristische Linie“. Und schen überhaupt noch eine klassische Woh- dann bekommt er nach dieser Festlegung nungsbesichtigung? entsprechende Böden, Türklinken, Licht- TH: Ich glaube, dass die Besichtigung des schalter und so weiter angeboten, die er per Projektes vor Ort und, sofern möglich, auch Klick auswählt. Und schließlich sieht er seine die Wohnungsbesichtigung mindestens für Wohnung in der von ihm ausgewählten Aus- Eigennutzer weiterhin unverzichtbar ist. stattung. Und es wird gleich noch angezeigt, Nur so versteht man, wie der Kiez und die wie viel Aufpreis für Sonderwünsche anfällt, Wohnung funktionieren. Und ich glaube, das weil z. B. irgendein Material gewählt wurde, wird auch in 20 Jahren noch so sein. das nicht zur Standardausstattung gehört. Im Moment ist das aber noch relativ auf- H von G: Aber bei Neubau-Projekten in wendig zu programmieren und macht erst Städten wie München oder Berlin ist das ab einer gewissen Projektgröße Sinn. Trotz doch in der Realität gar nicht möglich. Fast all dieser Entwicklungen haben wir im Büro jede Wohnung ist ja verkauft bevor sie ge- immer noch einen Bemusterungsschrank, baut wird. Da sind wir wieder bei den Visua- wo der Kunde die Materialien in Augen- lisierungen. Sind sie auch deshalb heute so schein nehmen kann. Das haptische Erlebnis wichtig? Weil die Käufer auch unter diesen oder Gefühl, eine Diele oder einen Natur- Umständen eine gewisse Sicherheit haben stein anzufassen, das lässt sich immer noch wollen, wie ihr Haus oder ihre Wohnung nicht rendern. Aber die Kunden, die Wert auf aussehen werden? diese Details legen, werden weniger. SH: Ja, das stimmt. Das hat einen großen Einfluss. Die Leute interessiert beispiels- H von G: Welche Rolle spielen Showrooms weise immer der Blick aus ihrer Wohnung, im Zeitalter digitaler Vermarktung? was früher bedeutete, dass vor dem Kauf TH: Wir kommen ja aus einer Zeit, wo der mindestens der Rohbau stehen musste. Verkäufer oder der Vertrieb in der klassi- Heute ist es durch aufwendig produzierte schen Blechkiste auf der Baustelle gesessen Visualisierungen lösbar. hat. Wenn er Glück hatte, war es ein ver- 159

glaster Pavillon. Wenn er Pech hatte, war anders ab. Laien fehlt in diesem Bereich oft „Wir kommen ja aus einer Zeit, es halt ein Baucontainer. Und da fand dann das Vorstellungsvermögen. Das funktio- wo der Verkäufer oder der alles statt. Draußen stand das Dixi-Klo. Mein niert nicht im oberen Preissegment, dort ­Vertrieb in der klassischen Erweckungserlebnis, wie es anders laufen haben die Käufer oft eigene Ideen, aber im B­ lechkiste auf der Baustelle kann, war 2008 ein Projekt von Stofanel, die mittleren Bereich doch erstaunlich häufig. g­ esessen hat.“ Wohnanlage „Marthashof“ in Berlin-Prenz- lauer Berg. Die hatten als Showroom ein H von G: Wie verstehen Sie ihre Rolle gegen- lilafarbenes UFO landen lassen, mit einer über dem Bauträger? Fläche von etwa 300–400 Quadratmetern. TH: Das Markt-Know-How bringt ja zum gro- Und dort haben sie für potentielle Käufer ßen Teil der Vertrieb mit. Bei Neubau-Pro- komplette Wohnsituationen abgebildet. jekten fragen die Bauträger viele Dinge bei Jeder Kleinwagen wird x-mal probegefah- uns ab: Wer ist die Zielgruppe? Wie ist der ren und mit der ganzen Familie begutachtet, Wettbewerb? Wie soll der Wohnungs-Mix bevor der Kauf vollzogen wird, aber für die sein? Welche Kaufpreise kann ich erzielen? Kaufentscheidung einer Eigentumswoh- SH: Und wie erreiche ich diese Zielgruppe … nung hatten die Menschen früher oft nur TH: Das Markt- und Fachwissen des Vertrie- ein paar bunte Bilder, einen Grundriss und bes ist wichtig für den ­Projektentwickler, eine Baubeschreibung, die meist schwer zu es beeinflusst die Planungsvorgaben an die verstehen ist. Architekten maßgeblich. Genau deshalb be- In dem Showroom von Marthashof konn- auftragen uns Bauträger und Projektent- te sich der Kunde dagegen vorstellen, wie wickler: weil wir über das Jahr Hunderte eine Wohnung, eine Küche, ein Bad konkret von Kundengesprächen führen. Wir sind live aussehen könnte. Zudem schafft es Ver- dabei, wenn ein Paar sich den Grundriss an- trauen: Wenn der Bauträger in der Lage ist, schaut und darüber diskutiert, ob das Wohn- einen solchen ambitionierten Showroom zimmer vielleicht doch größer sein sollte hinzustellen, dann besitzt er wohl auch die oder die Küche nicht offen. Natürlich ist die Kompetenz, das Gebäude zu errichten. Aus enge Zusammenarbeit mit dem Bauträger solchen Gründen haben wir zu jener Zeit unser ureigenes Interesse: Wir wollen das unser früheres Budget für Print-Anzeigen Produkt gerne in einer Weise mitgestalten, nahezu komplett in Musterwohnungen und die dazu beiträgt, es bestmöglich abverkau- Showrooms, z. B. ab 2010 bei den Nymphen- fen zu können. burger Höfen in München, und natürlich in Onlineportale umgelenkt. H von G: Was wünschen Sie sich in der Zu- sammenarbeit mit Bauträgern und Projekt- H von G: Was macht einen guten Showroom entwicklern? aus? TH: Frühzeitig eingebunden zu werden, SH: Er ist die Visitenkarte eines Projekts: gerne schon in der Phase des Ankaufs eines Wird man nett empfangen, ist der Ansprech- Grundstücks. Dann können wir zur Konkur- partner kompetent, gibt es eine Spielecke renzsituation, zur Zielgruppe, zum Woh- für die Kids, so dass man sich ungestört un- nungs-Mix recherchieren. Auf dieser Basis terhalten kann, im Warmen und ohne Zuhö- wird dann mit den Architekten das Produkt rer? All das strahlt positiv auf ein Projekt aus. konfiguriert. Das hat nicht nur ökonomi- sche, sondern auch psychologische Grün- H von G: Welche Rolle spielen Musterhäuser de: Wenn Du von Anfang an dabei bist, ist und Musterwohnungen? es auch dein Baby – und entsprechend stark TH: Sie sind für viele Käufer Orientierungs- identifizierst Du Dich damit. Ich wünsche hilfen. Oft sagen Kunden in einer Muster- mir Bauherren und Auftraggeber mit Mut zu wohnung sogar: Nehme ich. Genau so. Vor- guter Architektur. Weil ich glaube, dass Mut hänge drin lassen, alle Möbel stehen lassen. auch belohnt wird. Die hätten sich das nie so eingerichtet. Aber SH: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich in dem Moment, wo ein Profi das gestaltet wünsche mir immer bessere Tools für eine hat und ein gewisser roter Faden beim De- umfassende Betreuung und Beratung des sign zu erkennen ist, holt man die Leute ganz Käufers. 160 WANDEL DER BR ANCHE



PROJEKTÜBERSICHT NYMPHENBURGER HÖFE MÜNCHEN, SEITE 26 OE BERLIN, SEITE 52 JOHANNIS 3 BERLIN, SEITE 40 INBALANCE MÜNCHEN, SEITE 62 162 PRO JEK TÜBER SICHT

WILL N° 16 MÜNCHEN, SEITE 66 STADTLANDFLUSS BERLIN, SEITE 108 IN TOWER INGOLSTADT, SEITE 86 SPREELOFTS BERLIN, SEITE 118 HUMBOLDT-INSEL BERLIN, SEITE 96 OPERNLOFTS BERLIN, SEITE 130 163



ZUM HERAUSGEBER Tilo Hellinger ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der INVENTIO Project- partner GmbH. 2009 startete das Unternehmen am Standort München, 2013 kam Berlin als zweiter Standort hinzu. INVENTIO entwickelt, vermarktet und koordiniert mit 10 festen und freien Mitarbeitern individuelle und architektonisch anspruchsvolle Wohnbauprojekte mit Schwerpunkten in München und Berlin. Daneben gehört die Beratung von Projektentwick- lern, Bauträgern und Investoren zu den Kernkompetenzen des Unternehmens. Bei einzelnen Projekten agiert Inventio als Co-Investor auf Ebene der Projektgesellschaften und ist direkt in die Themen der Projektentwicklung eingebunden. Vor der Gründung von INVENTIO war der gebürtige Leipziger unter anderem mehrere Jah- re Geschäftsführer des Projektentwicklers und Bauträgers Concept Bau – Premier GmbH, Leiter des Immobilienvertriebs Berlin / Neue Bundesländer der Planethome AG und bei HVB Immobilien sowie im Immobilien-Center der Deutschen Bank als Gutachter und Sachver- ständiger tätig. In seiner beruflichen Laufbahn hat er also an Wohnungsbau und Wohnungs- markt aus verschiedenen Perspektiven mitgewirkt und lässt dieses umfassende Know-how in die INVENTIO einfließen. 165





BILDNACHWEIS IMPRESSUM S. 4/5, 14/15, 26/27, 29–31, 40, 41, 44, 45, 62–65, Herausgeber 66/67, 68, 69, 70/71 (Mitte), 86/87, 96/97, 98, 98/99, Tilo Hellinger 100, 100/101, 110/111, 112, 113, 120/121, 122/123, 124, Inventio Projectpartner GmbH 125, 130–141, 142/143, 144, 144/145 (oben), 146–149, 152–155, 165: Harf Zimmermann, Berlin Büro München Türkenstraße 5 S. 28 (links): Stefan Müller-Naumann Fotodesign, 80333 München München +49 89 54726588-0 S. 32/33: Nürnberg Luftbild / Hajo Dietz Büro Berlin Heinrich-Roller-Straße 16b S. 42, 43: Ludger Paffrath, Berlin 10405 Berlin +49 30 4431995-0 S. 52–57: brixx projektentwicklung GmbH, München; Illustrator: xoio GmbH, Berlin [email protected] www.inventio.de S. 66, 70 (links): Max Neumann und seine Werke. Text von Dr. Ing. Gustav Steinlein, Architekt, Interviews / Redaktion M­ ünchen, München: Bruckmann ohne Jahr H von G [um 1930], S. 6, 29 Katrin Hiller von Gaertringen Dr. Hans Georg Hiller von Gaertringen S. 71, 72/73, 74/75, 76/77: 6B47 Germany GmbH, www.hvong.de Düsseldorf; Illustrator: Filippo Bolognese Images Fotografie S. 88 (links), 88/89, 90/91: Becker Lacour, München Harf Zimmermann, Berlin www.harfzimmermann.com S. 102 (links): euroluftbild.de, Berlin / Robert Grahn und S. 102/103: Martrade Immobilien GmbH & Co. KG, Becker Lacour, München Düsseldorf Jan Bitter, Berlin Hajo Dietz / Nürnberg Luftbild, Nürnberg S. 108/109: 6B47 Germany GmbH, Düsseldorf; Ingrid Firmhofer, München Illustrator: EVE Images GmbH, Berlin Robert Grahn / Euro Luftbild, Berlin Arwid Lagenpusch, Berlin S. 118/119: Hanna Lippmann Photographie, Berlin, Hanna Lippmann, Berlin im Auftrag der H-Group, München Stefan Müller-Naumann Fotodesign, München Ludger Paffrath, Berlin S. 121 (rechts), 122 (links): Jan Bitter, Berlin Lithographie S. 142 (links): Arwid Lagenpusch, Harf Zimmermann, Berlin Archiv Komische Oper, Berlin Druck S. 145 (unten): László Ambrus, Heenemann GmbH & Co. KG, Berlin ambrus+co plan.werk gmbh Gestaltung S. 166/167: Ingrid Firmhofer, München Naroska, Berlin www.naroska.de 1. Auflage 2019


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