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URBAN LEBEN - PROJEKTE. ENTWICKLUNG. INNOVATIONEN

Published by INVENTIO Projectpartner GmbH, 2019-05-31 05:30:10

Description: Wie wollen bzw. wie werden die Menschen in Zukunft wohnen? Welche Anforderungen an die Entwicklung von Wohnimmobilien ergeben sich daraus? Wird sich der Druck auf die Metropolen weiter verstärken? Sind Hochhäuser oder gar das Wohnen auf dem Wasser Lösungsansätze für die Wohnungsmisere? Muss steigende Nachfrage mit sinkender architektonischer Qualität einhergehen? Wie verändert die Idee vom Smart Home die Bau- und die Immobilienbranche? Und welche Einflüsse haben all diese Themen auf die Arbeitsweise und das Berufsbild von Immobilienvertrieben und Projektentwicklern in der heutigen Zeit? Wenn man wie wir Wohnungsbauprojekte bis zur Vermarktungsreife mitentwickelt und verkauft, sammelt man viele Eindrücke, stellt sich Fragen, entwickelt Ideen und beobachtet Missstände. So ist die Idee entstanden, einige besonders virulent erscheinende Themen aus dem Bereich des Wohnungsbaus genauer unter die Lupe zu nehmen und mit ausgewiesenen Fachleuten zu diskutieren.

Keywords: inventio,berlin,münchen,projektentwicklung,projectpartner,innovation,immobilien,architektur

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„Wir spornen unsere Architekten bis 2012 gebaut haben. Schon die Idee haben Aussenbereiche, die Blicke in die Innenhöfe an, jedes Detail einer Wohnung wir zusammen mit Euroboden entwickelt und in die Nachbarschaft eröffnen. Gleich- so gut zu entwickeln, dass es und uns dann gemeinsam gefragt, wen man zeitig lässt sich jede Wohnung gut in meh- wehtun muss, das zu ändern.“ sich in dieser Gegend und in diesem Gebäude rere kleine Zimmer aufteilen. Man kann vorstellt. Daraus hat sich dann der Gedanke Unterteilungen hineinbauen oder heraus- von Wohnlandschaften mit verschiedenen nehmen, ohne dass die Gesamtidentität des Terrassierungen entwickelt, mit denen sich Hauses dadurch verloren ginge. Die Fassade das Haus von außen nach innen weiterent- mit den organischen Lamellen unterstützt wickelt. Wir haben den Käufern zwei Aus- diesen Gedanken. Wir haben auf Straßen- führungsvarianten angeboten, heller und seite und in den Höfen immer eine vollver- dunkler. Das ist erst mal das, was man kauft. glaste Fassade, um möglichst viel Licht in Wenn man diese beiden Standards nicht die Wohnungen zu bekommen und um Zim- wollte, hat man entweder uns oder einen mertrennwände bei Wohnungsveränderun- externen Architekten beauftragt. Das sind gen flexibel an die Fassade anschließen zu dann separate Budgets, um die individuel- können. Mit den Aluminium-Lamellen, die len Wünsche transparent zu halten. Gerade 50 Zentimeter vor der Glasfassade ange- in Bereichen mit höherpreisigen Wohnun- bracht sind, schaffen wir in dieser städti- gen erwarten viele Käufer, dass gemäß ihren schen Nachbarschaft dann die gewünschte Wünschen alles angepasst werden kann. Seit Privatheit in den Wohnungen. neuestem gibt es deshalb noch einen ande- ren Ansatz: Die Wohnungen werden erst ein- H von G: Mich würde noch interessieren, wie mal ein Jahr lang vermietet und erst dann sehr Kunden oder Käufer überhaupt in der verkauft – und so mancher Sonderwunsch Lage sind, innovative, gute Architektur als relativiert sich von selbst. Man hat aus der solche zu erkennen. Erfahrung bei größeren Wohnneubauten PCS: Ich glaube da sieht es im Allgemeinen gelernt, dass man bei 80 oder 120 Wohnun- schlecht aus. Die durchschnittliche Bildung, gen als Bauträger genauso wie als Architekt was Architektur anbelangt, ist in Deutsch- schon mal an seine kooperativen Grenzen land nicht so hoch. Das beruht im Wesent- stößt, wenn jede Wohnung mit individuellen lichen darauf, was man selbst kennt oder Anpassungen realisiert werden soll. persönlich erlebt hat. Das Arbeitsumfeld SH: Wir haben in der Regel sehr wenig Son- hat großen Einfluss, denn dort lernt man ei- derwünsche seitens unserer Käufer, weil un- nige unterschiedliche Umgebungen kennen. ser Produkt einfach schon so weit ausentwi- Hinzu kommen die eigene Wohnvergan- ckelt ist. Wir spornen unsere Architekten an, genheit und die Wohnungen von Freunden jedes Detail einer Wohnung so gut zu entwi- und Bekannten. Restaurants spielen auch ckeln, dass es wehtun muss, das zu ändern. eine Rolle, und Hotels. Übernachtungen im Wie bei einer Altbauwohnung – da kommt Hotel können prägen und Wohnwünsche auch niemand auf die Idee, das Fischgrä- inspirieren. Wer beispielsweise in einem in- tenparkett rauszunehmen oder den Stuck ternationalen Hotel in einem Hochhaus war, von der Decke zu schlagen, weil er jetzt ge- der ist vielleicht offener für das Wohnen rade einen anderen Style besser fände. Was im Hochhaus – und kauft auf einmal auch gut geplant ist, wird wertgeschätzt. Es gibt eine Hochhauswohnung. Wenn der Woh- ja immer noch die Einrichtung, das Interi- nungsinteressent etwas nicht aus eigenem or-Layer, wo man sich als Käufer einer Woh- Erleben kennt, kommt dem Vertrieb eine nung individuell ausleben kann ohne Ende. Schlüsselrolle zu, denn er muss das Produkt JMH: Im Grunde ist es wichtig, eine gute übersetzen und dem Kunden das Konzept Raumkonfiguration mit optionalen Woh- näherbringen. nungsaufteilungen zu schaffen. Präzise, aber mit Veränderungsmöglichkeiten. Die H von G: Vielen Dank für das Gespräch. großzügigen Wohnungen in unserem Pro- jekt Johannis 3 für Euroboden leben von ihrer Individualität. Jeder Grundriss ist un- terschiedlich. Es gibt Sitzkuhlen und viele 51





ARCHITEKTONISCHE QUALITÄT OE BERLIN Architektonische Qualität kann sich in historisch gewachsener, an- Adresse Koenigsallee 17a | Berlin-Grunewald spruchsvoller Umgebung auch anders beweisen als in der Anpas- Bauherr Objekt Koenigsallee brixx Beteiligungs GmbH & Co. KG sung an das Bestehende. Das zeigt der dezidiert zeitgenössische Initiator brixx projektentwicklung GmbH Entwurf von Axthelm Rolvien Architekten in einer weiträumigen Architekten Axthelm Rolvien Parkanlage in unmittelbarer Nachbarschaft einer alten Villa. So de- Grundstück 3.000 m² finiert die extrovertierte Architektur den Typus des Villenhauses in Wohnfläche 1.150 m² entsprechender Umgebung im Sinne des 21. Jahrhunderts. Jeder Einheiten 6 der sechs Kuben soll sich anfühlen wie ein eigenes Haus und wird Fertigstellung voraussichtlich 2021 einen eigenen Rahmen erhalten. Die Transparenz der Architektur mit Leistungsspektrum INVENTIO Vermarktung und Bauherrenberatung ihren zurückgesetzten Balkonen macht einen fließenden Übergang (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing & Vertrieb) zwischen innen und außen möglich. 54 ARCHITEK TONISCHE QUALITÄT

Jeder der Kuben des Projektes „oe“ in Berlin-Grunewald umschließt ein Wohnunikat. 55

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Puristische Architektur auf histori- schem Areal, entworfen von Annette Axthelm und Henner Rolvien 57



URBANE DÖRFER NEUE ENSEMBLES Ein Gespräch über Nachverdichtung in der Vorstadt und die Vorteile der Mischnutzung mit Prof. Dr. Matthias Ottmann, TU München „W ir müssen in den ­suburbanen H von G: Herr Ottmann, wir möchten mit rechtfertigen – weder städtebaulich noch Bereichen eine ganz starke Ihnen über prägende Phänomene des Städ- ökonomisch. Wir müssen in den suburbanen V­ erdichtung verfolgen.“ tebaus der heutigen Zeit sprechen: Urbani- Bereichen wie Harlaching eine ganz starke sierung von Randlagen in Großstädten und Verdichtung verfolgen. Nachverdichtung. Und zwar am Beispiel des Projekts Will N° 16 an der Willroider Straße H von G: Was ist Ihr Eindruck: Wie stark wer- in München-Harlaching, das von den Pro- den die Möglichkeiten im konkreten Fall jektentwicklern 6B47 Germany realisiert ausgereizt? wird. Das alte Villengrundstück ist so groß, MO: Nach meinem Eindruck der Renderings dass sich in Zukunft ein Ensemble von fünf nicht so stark wie es rechtlich möglich Häusern um ein inneres Zentrum gruppie- wäre. Das hat natürlich auch etwas mit ren wird. Tilo Hellinger beschreibt es gar dem Kontext zu tun. Es gibt durchaus eine als „urbanes Dorf“. Traditionell stellt man Grenze in der Baudichte, wo man den sub- sich in einem Villenviertel wie der Menter- urbanen Charakter sprengen würde, wo schwaige vor, dass einzelne Grundstücke eine solche Anlage dann sehr städtisch, zu mit einzelnen Häusern bebaut werden. So städtisch wirken würde. Und solche Über- war es historisch hier ja auch: Der Tannhof schreitungen sind ein regelmäßiges, auch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und auch legitimes Konfliktthema in den politischen sein kleinerer Nachfolger aus den späten Gremien, sprich also z.B. im Bezirksaus- 1950er-Jahren standen ja ganz allein auf schuss. Denn wir erleben gerade überall am dem wahrhaft riesigen Grundstück. Nun Rand der Großstädte eine rasante Nachver- entsteht hier etwas ganz anderes – fast dichtung, die den hohen Bodenpreisen ge- schon eine kleine Siedlung. Ist das in diesem schuldet ist. Kontext eine Bebauungsstruktur, die für unsere Zeit typisch ist, die es so früher nicht H von G: Ist das dann nicht eine Gratwande- gegeben hat? rung? Den baulichen Charakter eines Vier- MO: Zunächst einmal werden durch das tels bewahren, auch im eigenen Interesse, Baurecht Vorgaben gemacht, die die Be- denn der Käufer in Harlaching sucht ja et- baubarkeit eines solchen Grundstücks maß- was, das seiner Vorstellung von diesem Ort geblich bestimmen. Es gibt eine Grundflä- entspricht, und zugleich so verdichten, dass chenzahl, und eine Geschossflächenzahl, das Projekt wirtschaftlich tragfähig ist? und im Zusammenspiel definieren beide, MO: Mit dem Projekt Will N° 16 ist eine intel- wie viel gebaut werden darf. Dadurch wird ligente Lösung gefunden worden. Man ver- aber nur das mögliche Gesamtvolumen vor- dichtet das Grundstück nicht bis zur Grenze gegeben. Damit ist nicht geklärt, in welcher des Möglichen, sondern geht einen Schritt Form ich diesen Ort aufwerten will – in al- zurück. Dafür erhält man eine besonders len Bedeutungen dieses Wortes. Das Ziel hohe Wohnqualität, die auch damit zu tun ist Nachverdichtung – also die effiziente hat, dass man dem Außenraum eine beson- Ausnutzung des vorhandenen Grundes. Sie ders große Bedeutung zuerkennt. Das ist haben sicher recht, dass man früher in Vier- aber nur ökonomisch, wenn es sich in einem teln wie Harlaching großzügiger gebaut hohen Preis niederschlägt. hat, wobei der Tannhof und sein Nachfolger schon besondere Fälle einer ungewöhnlich H von G: Welche Rolle spielen der Außen- extensiven Nutzung waren. Heute könnte raum, also der Garten und die grünen Zwi- man diese Form der Bebauung nicht mehr schenzonen zwischen den Häusern dort? 59

MO: Wenn man in ein Grundstück von 9.000 dem Grundstück zwischen den individuellen „Es muss unser Anliegen sein, den Quadratmetern nicht mehr als diese fünf und den gemeinschaftlichen Bereichen. harten, funktional getrennten Kuben einzeln hineinsetzt, nehmen die Städtebau der vergangenen Freiflächen eine hohe Bedeutung ein. H von G: Kann man die Frage, wie „dörflich“ Jahrzehnte aufzubrechen.“ eine solche Struktur ist, denn unabhängig von H von G: Die Renderings betonen diesen Au- der umgebenden Stadt denken? Auch wenn ßenraum auch sehr stark. Sagt das etwas es sich um ein inneres Zentrum gruppiert, ist darüber aus, wie sich der Bauherr die Nut- es ja nicht autark. Der Städtebau-Professor zung vorstellt? Hanns Paul Bahrdt schrieb schon 1969: „Es MO: Mir fällt auf, dass in den Renderings der kann nicht unser Ziel sein, urbane Typologien Freibereich, den man selbst nutzt, fließend zu bauen, die ländliche Verhaltensweisen in in die gemeinschaftlichen Bereiche über- die Stadt bringen. Es ist wichtig, mit den ur- geht, die alle Bewohner betreten und nut- banen Typologien urbanes Leben und urba- zen können. Das suggeriert Großzügigkeit, nes Verhalten zu generieren und dies muss es verweist darauf, dass die Menschen, die vor allem der Tatsache gerecht werden, dass hier leben werden, eine ähnliche Werte- man in der Stadt Distanz halten und in ihrer sprache sprechen. Psychologisch haben Anonymität verschwinden kann.“ solche Bilder eine ganz erhebliche Kraft: MO: Es gibt in Will N° 16 keinen Einzelhandel. Verletze bitte nicht meinen Privatraum, Dafür ist die Baumasse aber auch zu klein. dafür lasse ich dein Auge in meine eigenen Natürlich sind wir noch in einem urbanen Freiräume rein. Umfeld, aber es ist, jetzt muss ich einen ganz kleinen Abstecher machen, trotzdem kein H von G: Glauben Sie, dass das in der Realität „urbanes Gebiet“ im Sinne des Baugesetz- funktionieren wird? buchs. Ich persönlich bin ein großer Freund MO: Je homogener die Käufergruppe ist, urbaner Gebiete. also die Nutzergruppe, umso besser. Dieser Bildsprache der Renderings ist auch eine H von G: Was ist die Definition eines urbanen Nutzersprache zugeordnet. Der Bauträger Gebietes? positioniert sich also gemäß der Konsum- MO: Mischnutzung – Wohnen, Arbeiten und theorie. Je klarer die Bildsprache, je ein- Gewerbe. Ein Projekt wie Will N° 16 hat hin- deutiger die Produktsprache, desto größer gegen eine Monofunktion – es dient allein die Chance, eine äquivalente Zielgruppe zu dem Wohnen. Ich glaube aber, dass urbane erreichen – eine Zielgruppe, die nicht nur Gebiete die Zukunft sind, zumindest wenn ein ähnlich hohes Einkommen hat, sondern es um neue Stadtviertel geht. Es muss un- auch ein gemeinsames Wertebewusstsein. ser Anliegen sein, den harten, funktional getrennten Städtebau, wie wir ihn in den H von G: Wird durch die Renderings nicht zu- vergangenen Jahrzehnten hatten, aufzu- mindest ein Ansatz von Gemeinschaftsidee brechen. Und da kann ich mir dann auch so vermittelt? Etwa dadurch, dass auf jedem etwas vorstellen wie eine „dörfliche“ Mitte Rendering immer noch ein zweites Haus mit in den jeweiligen Quartierszentren, die ja abgebildet ist? Damit wird doch von vorn- auch neu gebildet werden müssen. Aber so herein transportiert, dass hier noch andere etwas funktioniert erst ab einer bestimm- Bewohner sein werden, denen man im All- ten Größenordnung, also ab mindestens tag des öfteren begegnen wird. Vermitteln 1.000 Wohneinheiten. die Renderings also, dass man hier in einer Struktur leben wird, die vage dorfähnliche H von G: Aber Dorf heißt ja nicht nur Infra- Züge hat? struktur, sondern mit der Idee des Dorfes MO: Ob man das als dörflich wahrnimmt, verbindet sich ja auch eine oft romantisier- hängt vom eigenen Empfinden ab. Aber ein te Vorstellung von Gemeinschaft. Sie spra- Dorf hat heterogene soziale Strukturen, die chen im Zusammenhang der Renderings zu wird es hier wohl nicht geben, sonst funktio- Will N° 16 von der Notwendigkeit Bewohner niert, wie gesagt, das Zusammenleben nicht, mit einem gemeinsamen Wertebewusst- speziell nicht in den Übergangszonen auf sein anzusprechen. Wie findet man die? 60 URBANE DÖRFER

„Der Projektentwickler kann MO: Das passiert nicht von alleine. Hier neh- de mit Sicherheit jemanden, der das besser E­ influss nehmen, indem er men der Projektentwickler und auch das Im- versteht.“ Das hat mit Produkthaltung zu Grundlagen des Zusammen­ mobilienmarketing eine wichtige Rolle ein. tun. Ich kann mir vorstellen, dass Inventio lebens definiert.“ Zunächst stellt sich die Frage, wie man die diese Haltung einnimmt. Das scheint mir Käufer anspricht und über das Projekt infor- auch ihr Credo zu sein, sich nicht allein von miert. Weiterhin ist es die Aufgabe des Pro- Seiten der Nachfrage bestimmen zu lassen: jektentwicklers, Regeln zu definieren und „Wir von unserer Seite aus haben eine Idee, sie potentiellen Käufern auch zu kommuni- an die wir glauben, die wir umsetzen möch- zieren. Der Projektentwickler kann Einfluss ten.“ Das sind unsere Regeln und Du kannst nehmen, indem er Grundlagen des Zusam- Dich drauf einlassen, oder Du bist eben nicht menlebens definiert – wozu er auch die Mög- unser Kunde. lichkeit hat. Er kann zum Beispiel festlegen, welche Teile des Grundstücks öffentliche H von G: Für eine solche aktive, gestalteri- Anlagen und damit frei begehbar sind, und sche Auffassung der Projektentwicklung welche Räume der individuellen Nutzung müssten die Zeiten im Moment doch günstig vorbehalten sind. Das ist sicherlich nicht ein- sein, oder? Wo der Druck in die Städte hinein fach zu konzipieren – die Akzeptanz solcher groß ist und man die Käufer entsprechend Regeln ist bei Eigentümergemeinschaften auswählen kann, oder? vermutlich auch schwieriger zu erreichen als MO: Theoretisch ja. In der Praxis kann das etwa bei Mietverhältnissen, bei denen der dann auch wieder anders aussehen. Im Verwalter die Regeln klar definieren kann. Hochpreissegment, von dem wir hier spre- Entscheidend ist, dass die Regeln vorab defi- chen, werden die Kunden ihre eigenen Er- niert sind, ein „Nachher“ gibt es nicht. wartungshaltungen durchaus formulieren können. Und diese können sehr unterschied- H von G: Wie würden Sie das einschätzen lich ausfallen. Je höher das Preisniveau, – welcher Grad an Gemeinschaft ist denn desto heterogener die Wünsche. Die Käufer von Käufern einer Wohnung in einer solchen sind in diesem Preissegment homogen in ih- Anlage gewünscht? Oder ist Gemeinschaft rer Heterogenität. nur ein notwendiges Übel, weil man bei den heutigen Grundstückspreisen in Harlaching H von G: Vielen Dank für das Gespräch. akzeptieren muss, sich ein Grundstück mit anderen zu teilen? MO: Das ist eine ganz zentrale Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Es hängt sehr viel davon ab, inwieweit der Projekt- entwickler die Kunden führt. Inwieweit er die Nachfrage daraufhin ausrichtet, indem er sein Konzept erklärt und Überzeugungs- arbeit leistet, und dies nachhaltig vertritt. Dann kann ein Geben und Nehmen auf Sei- ten der Nutzer entstehen. Und dann hat so ein Projekt Aussicht auf Erfolg. Als Projekt- entwickler machst Du Deine persönlichen Erfahrungen mit Deinen Kunden. Und die- jenigen, die möglicherweise nicht offen ge- genüber einem Konzept sind, die vielleicht auch sagen: „Das ist mein Grundstück und hier möchte ich meinen Zaun haben“, die werden dieses Konzept nicht goutieren. Der Projektentwickler kann darauf eingehen, mit der Gefahr, dass er sein Gesamtkonzept versaut, oder er bleibt bei seiner Haltung: „Nein, du bist hier nicht mein Kunde, ich fin- 61





Blicke in den Innenhof des Ensembles URBANE DÖRFER INBALANCE MÜNCHEN München wächst, München verdichtet sich. Um Urbanität und Le- bensqualität in Einklang zu bringen, wurde hier ein langgestreckter Riegel in Blockrandbebauung zur Balanstraße sowie 6 Punkthäuser errichtet. Insgesamt sind auf dem ehemaligen Gelände der Hans Mörtlbauer Bauunternehmung 144 Wohnungen und Apartments sowie eine Kindertagesstätte entstanden. Hinter dem Riegel zur Straße verbergen sich ruhig die sechs freistehenden Häuser mit 60 Eigentumswohnungen. Im nördlichen Teil wurden 84 Studenten- und Business-Apartments realisiert. Im Blockinneren blieb der alte Baumbestand erhalten, so dass hier für ein Ensemble mit unter- schiedlichen Bewohnern die Aufenthaltsqualität eines alten Dorf- platzes geschaffen wurde. Mit ihrer einheitlichen Architekturspra- che im Stil der klassischen Moderne leistet die große Anlage einen guten Beitrag zur städtebaulichen Aufwertung einer sich rasch ur- banisierenden Umgebung. Adresse Kaiserslauterner Platz | München-Ramersdorf Bauherr KLP GmbH & Co. KG (Nymphenburger Beteiligungs AG, IKR Bauträger und Beteiligungsgesellschaft Kuschel GmbH, Inventio Projectpartner GmbH) Initiator Optima-Aegidius-Firmengruppe Architekten Maier Neuberger Architekten Grundstück 6.584 m² Wohnfläche 6.160 m² Einheiten 144 Fertigstellung 2015 Leistungsspektrum INVENTIO Projektkoordination inkl. Vermarktung (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing & Vertrieb, Sonderwunsch­ management, Bemusterung) 64 URBANE DÖRFER

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Auf dem Grundstück stand bis in die 1950er-Jahre die historische Villa „Tannhof“. Das prächtige Eingangs- tor aus dieser Zeit wird in das neue Konzept integriert. URBANE DÖRFER WILL N° 16 MÜNCHEN Das Grundstück befindet sich in einer der besten Lagen Münchens. In erster Reihe am Isarhochufer im Herzen des Villenviertels Men- terschwaige entstehen auf dem ca. 9.000 m² großen Grundstück 28 exklusive 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen in einem Ensemble von fünf Häusern. Die Bauten heben sich mit ihrer klaren Geometrie aus dem Kontext heraus. Kubatur und Raumkonzept der Villen wurden so gewählt, dass sie Einzelhauscharakter erlangen und individuelle, nicht einsehbare Freiräume entstehen. Großzügig fügen sie sich in das vollendete Gartenidyll ein, das von der repräsentativen Umfas- sungsmauer mit ihrem historischen Tor eingefriedet wird. Adresse Willroiderstrasse 16 | München-Harlaching Bauherr 6B47 WILL No 16 GmbH Initiator 6B47 Germany GmbH Architekten Blocher Partners Architekten Grundstück 8.960 m² Wohnfläche 3.364 m² Einheiten 28 Fertigstellung voraussichtlich 2021 Leistungsspektrum INVENTIO Vermarktung und Bauherrenberatung (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing & Vertrieb) 66 URBANE DÖRFER

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Ein Grundstück – drei Epochen – drei Baustile: Der „Tannhof“ aus den 1910er-Jahren wurde nach 1960 durch eine kleinere Villa ersetzt. Rechts eines der Häuser des künfti- gen Ensembles Will N° 16. 70 URBANE DÖRFER

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Die kubisch-modernen Bauten werden großzügig auf dem alten Villengrundstück um einen zentralen Platz angeordnet. 72 URBANE DÖRFER

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Der exklusive Charakter des ­Anwesens bleibt auch in der neuen Interpretation der Villen erhalten. Illustration einer Wohnsituation im neuen Ensemble 74 URBANE DÖRFER

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Blick über das Anwesen am I­sarhochufer, das sich durch seinen alten Baumbestand und die ruhige Lage auszeichnet 77



WOHNTÜRME MÜNCHEN BLEIBT MODERAT Ein Gespräch über die Wohnungsmisere in der bayerischen Landeshauptstadt und die Zukunft des Hochhauses mit Prof. Dr. Elisabeth Merk, Stadtbaurätin von München „W ir wollen kein Mainhattan und H von G: Frau Professor Merk, München hat einer Stadt sprechen, meinen die Menschen keine Londoner City werden.“ ein Wohnungsproblem – es gibt zu weni- fast immer die Altstadt. ge Wohnungen für zu viele Zuzügler und zu wenig bebaubare Flächen. Als ein möglicher H von G: Warum haben Hochhäuser in der Ausweg erlebt das Hochhaus in den öffent- Vorstellung der Münchner von München lichen Debatten eine rasante Renaissance. keinen Platz? München ist jedoch eine Stadt, die traditi- EM: Städte, die mit Hochhaustypologien onell wenige Hochhäuser zulässt, in der In- gut zurechtkommen, sind oft Städte, die nenstadt gibt es nahezu gar keine … große Wasserflächen haben. Hamburg, Elisabeth Merk: Ich möchte dazu ein wenig Rotterdam, Vancouver, New York, Tokio, ausholen: In Deutschland kam der Hoch- Barcelona. Offensichtlich suggeriert Was- hausbau nach 1945 in Gang, und zwar vor ser einen Freiraum, auch wenn ich nicht allem in Städten, die schwer zerstört wa- darauf herumspazieren kann, den ich hier ren. Einige von ihnen haben sich dabei ty- nicht so einfach generieren kann. Wir haben pologisch neu orientiert – zum Beispiel den Alpenblick. Frankfurt, Stuttgart oder Köln. München hingegen ist eine Stadt mit großer städ- H von G: Trotzdem ist es ja nicht so, dass tebaulicher Kontinuität. Beim Wiederauf- München gar keine Hochhäuser hätte … bau der Altstadt ist man beim ehemaligen EM: Sicherlich, angefangen beim Städti- Stadtgrundriss geblieben, auch was die schen Hochhaus von 1929, in dem wir hier Höhe der Häuser angeht. Dass man sich in sitzen. Dann die beiden Sternhäuser von Frankfurt entschieden hat, die zerstörte Siemens aus den 1950er-Jahren. Die erste Altstadt nur an wenigen Stellen wieder auf- größere Setzung ist die Siedlung Neuper- zubauen, beschert der Stadt heute eine Rö- lach aus den frühen 1970er-Jahren, auch merberg-Debatte. Bei uns gab es immer den wenn die Hochhäuser dort Teil eines grö- Konsens, dass die Frauenkirche in der Höhe ßeren Ensembles sind. Ebenfalls aus den dominiert und Hochhäuser, also Bauten von 1970er-Jahren haben wir bedeutende Büro- über 100 Metern Höhe, ihr nicht zu nahe rü- hochhäuser wie den BMW-Vierzylinder oder cken sollen. Dass wir auch heute kein Main- das ­Hypo-Hochhaus. hattan, keine Londoner City werden wollen, liegt auch daran, dass dies Orte eines reinen H von G: Wie sieht es mit der Akzeptanz für Kapitalismus sind. Der öffentliche Raum ge- diese bestehenden Hochhäuser in der Stadt hört dort nicht mehr der öffentlichen Hand. aus? EM: Es spielt nach meinem Dafürhalten eine H von G: Woher kommt die Festlegung auf große Rolle, wer ein Hochhaus errichtet. die Frauenkirche als Maßstab? Folgt das Das BMW-Hochhaus beispielsweise ist un- einer von der Kirche selbst formulierten umstritten, denn es gehört zur Geschichte ­Forderung? Münchens. Man ist hier kollektiv sehr stolz EM: Nein, mit der Kirche hat das nichts zu auf BMW. Anders kann es aussehen, wenn tun. Bei aller Liebe zum Katholizismus in ein Hochhaus von einem internationalen Bayern, so potent ist die katholische Kirche Investor errichtet wird, womöglich auch nicht. Es hat vielmehr mit der geschichtlich noch an der falschen Stelle. Ein Beispiel da- gewachsenen Wahrnehmung der Stadtge- für ist das frühere O2-Hochhaus, das heu- stalt zu tun, mit den inneren Bildern der Ein- te Uptown München heißt und 2004 in der wohner. Und wenn wir von inneren Bildern Achse des Siegestores gebaut wurde. Das 79

kam nicht gut an. In den 90er- und frühen EM: An Orten, die außerhalb des Mittleren „Es ist durchaus möglich, 2000er-Jahren haben die Investoren die Rings liegen und über eine sehr gute Ver- ­Hochhäuser mit Akzeptanz Lage falsch eingeschätzt: Man dachte, man kehrsanbindung und soziale Infrastruktur der Münchner zu bauen.“ könnte solche Bauten an beliebige Stel- verfügen. Es ist nämlich durchaus möglich, len außerhalb des Innenstadtrings stellen. Hochhäuser mit Akzeptanz der Münchner Eine Stadt wie München aber, die eine kom- zu bauen. Die Kritik am Hochhaus ist oft pakte Struktur hat, spürt solche Verände- Ausdruck anderer Befürchtungen, etwa rungen mehr. Und dann musste man zur vor Gentrifizierung oder vor mehr Verkehr. Kenntnis nehmen, dass die Bürger ein gutes Wenn Hochhäuser hingegen öffentliche Selbstbewusstsein und ein Gefühl für ihre Nutzungen anbieten und sich mit ihrem Stadt haben. Umfeld vernetzen, werden sie ganz anders akzeptiert. Ein positives Beispiel ist das H von G: Gemeinsam mit den Highlight To- ADAC-Hochhaus. wers war das O2-Haus der Auslöser für die „Initiative Unser München“ des ehemaligen H von G: Zurück zur Ausgangsfrage – kön- Oberbürgermeisters Georg Kronawitter, der nen Wohntürme München in seinem Wohn- damit 2004 ein erfolgreiches Bürgerbegeh- raummangel helfen? ren gegen weitere Hochhäuser startete. EM: Mit Wohnhochhäusern werden wir die EM: Das Bürgerbegehren hat eine beste- Wohnungsfrage in München nicht lösen. hende Leitlinie – keine Hochhäuser in der Trotzdem können sie ein guter Beitrag sein. Altstadt – noch einmal bekräftigt und eine Man muss differenzieren: Wenn ich eine freie weitere etabliert: keine Hochhäuser in den Fläche X habe, dann ist die Struktur mit der Sichtachsen historischer Landmarken. Das besten Ausnutzung und größten ökonomi- hatte konkrete Folgen: Als der Planer Finn schen Effizienz nicht ein Wohnturm mit sa- Geipel mehrere Hochhäuser am Gleiskor- gen wir 20 Geschossen, sondern ein Gebäu- ridor vom Hauptbahnhof bis nach Pasing de mit ungefähr 8 Stockwerken, was an den vorschlug, jeweils rund 100 Meter hoch, höheren Anforderungen an Bauwerke liegt, wurden diese wegen der Sichtachsen zum die höher als 23 Meter sind. Dennoch gibt es Nymphenburger Schloss nicht gebaut. Kontexte, in denen ein moderates Hochhaus sinnvoll ist. Denn mit seinem Bau kann man H von G: Sie haben 2007, also nur wenige Fläche einsparen, auf der man dann einen Jahre nach dem erfolgreichen Bürgerbe- Park anlegen und damit einen neuen öffent- gehren, Ihr Amt angetreten. Wie sah es da- lichen Raum für die ganze Nachbarschaft mals mit dem Hochhausbau in München aus? schaffen kann. Solche Mehrwerte müssen EM: Vor 2010 wollte niemand Hochhäuser viel stärker in die Gesamtberechnung ein- bauen. Aber das lag nicht am Bürgerbegeh- bezogen werden. Gerade weil Wohntürme ren, sondern an der Finanzkrise. Erst dann, in der Errichtung für sich betrachtet immer als der Bauboom begann, wurden wieder noch unverhältnismäßig teuer sind. vermehrt Hochhäuser gebaut, z.B. der Sie- mens-Campus mit fünf Wohntürmen von H von G: Nun arbeiten Sie derzeit an einer rund 80 Metern Höhe – nun weit im Süden Hochhausstudie für München. Gibt es da der Stadt, so dass es von Seiten der Bür- schon erste Ergebnisse? ger keine Kritik gegeben hat. In den letzten EM: Wir wollen den Beweis antreten, dass 12 Jahren, seit ich hier bin, haben wir sehr es eine andere Art von Hochhaus geben gute Erfahrungen mit Hochhäusern ge- könnte, die für den Wohnungsbau auch macht. Wir haben auch eine Fülle von An- wirtschaftlich tragfähiger ist. Es gibt in trägen, aber eben nicht über die genannte jüngster Zeit Versuche in Hamburg, Berlin Höhe hinaus. und Wien mit Hochhäusern in Holzbauwei- se. Auch bei uns wird mit Holzbauten ex- H von G: Die Debatte ist also durch die be- perimentiert, selbst wenn wir erst bei 5 bis wusstere Wahl der Standorte entschärft 7 Geschossen sind. Bei solchen Projekten worden. Wo können in München demzufol- könnte man auch andere Formen der Trä- ge Hochhäuser errichtet werden? gerschaft erproben: Wir könnten uns gut 80 WOHNTÜRME

„Ich bin skeptisch, ob das freie vorstellen, dass eine Genossenschaft ein kleinteilig verteilt sind. Wir haben alle Bahn- K­ apital funktionierende Hochhaus aus Holz baut. Dann bekommt flächen und alle Kasernen umstrukturiert, M­ ischungen erzeugen kann.“ man auch eine andere Nutzungsmischung. wir haben den Flughafen-Riem stillgelegt Die privaten Investoren wollen in der Regel und bebaut, wir haben die Messe verlagert. ja eine reine Büro- oder Wohnnutzung. Es Langsam bleibt nicht mehr viel übrig. stellt sich ja grundsätzlich die Frage, ob das freie Kapital funktionierende Mischungen H von G: Die Lage ist also hoffnungslos? erzeugen kann, ob Investoren dazu über- EM: Das nun auch wieder nicht … ich sehe haupt bereit sind. Ich bin da skeptisch. schon noch Potentiale: Wenn Sie z.B. die Ausfallstraße nach Dachau nehmen, fin- H von G: Wird die Hochhausstudie darüber den Sie dort kilometerweise Fachgeschäf- hinaus Festlegungen treffen, wo und wie te in zweigeschossiger Bauweise. Zugleich hoch gebaut werden kann? werden diese Gegenden mit S- und U-Bahn EM: Diese Fragen werden zur Zeit diskutiert, erschlossen. Wir haben also schon noch auch im Zusammenhang laufender Geneh- sehr viele Gebiete, in denen eine Umstruk- migungsverfahren. Bei den Wohntürmen turierung und Nachverdichtung möglich sehe ich eine Grenze bei circa 80 Metern, ist, wenn auch in sehr kleinteiligen Struk- bei den Bürohochhäusern würden einige In- turen mit vielen Eigentümern. Mein Credo vestoren gerne 130 Meter hoch bauen. Wir ist immer: Wir wollen das pflegen, wofür haben jetzt ein Projekt für ein Bürohoch- wir so viel Lob erhalten: Die soziale Durch- haus der Bayerischen Versorgungskammer mischung, die wir durch entsprechende Re- an der Richard-Strauss-Straße. An sich ist es gularien den Investoren abverlangen, führt unumstritten, aber als es im Stadtrat zum dazu, dass wir in der Vermeidung von Seg- Schwur kam, ob der Wettbewerb eine Höhe regation am besten abschneiden von allen von über 100 Meter ausloben sollte, war die deutschen Großstädten. Unsere Konzepte Stimmung sehr verhalten. Das hat natürlich mögen nicht sofort wirken, aber auf Dauer auch etwas mit dem Wahlkampfjahr 2019 tun sie es. München hat aus meiner Sicht in zu tun, mit der Sensibilität, wie man heute der Vergangenheit keine großen Fehler ge- noch mit dem Bürgerbegehren von 2004 macht. Einige sagen, wir waren nicht mutig umgeht. Und so kommt unsere Hochhaus- genug, waren zu vorsichtig. Aber alles, was studie genau im richtigen Moment, denn wir machen, hat Bestand. der Stadtrat will ihr Ergebnis abwarten. Es könnte auch sein, dass wir vorschreiben, H von G: Vielen Dank für das Gespräch. dass das oberste Geschoss immer eine öf- fentliche Nutzung haben muss. H von G: Welche Hochhäuser taugen für Sie als Positivbeispiel? EM: Neuperlach. Die Leute leben dort sehr gerne, gerade auch im Alter, da schneidet es besser ab als irgendwelche Gründerzeit- viertel, wegen der Nahversorgung, den kur- zen Wegen und den Aufzügen. H von G: Ist München in der Lage, noch ein- mal ein so großes Projekt zu stemmen? EM: Der Zugriff auf Boden und Flächen ist heute sehr viel schwieriger als es damals bei Neuperlach der Fall war, auch weil es nicht mehr einen großen Eigentümer gibt, mit dem man verhandelt. Auf dem Stadt- plan kann man unschwer erkennen, dass die noch freien Flächen im Stadtgebiet sehr 81



WOHNTÜRME „ES LOHNT SICH, DEM PROJEKTENTWICKLER AUCH EINMAL ZU VERTRAUEN.“ Ein Gespräch über den IN-Tower und die Zukunft des Wohnturms mit Kai-Uwe Ludwig, 6B47 Germany „Ingolstadt hat durchaus H von G: Herr Ludwig, 6B47 hat als Pro- Natürlich liegt das auch am vorhandenen Mut bewiesen.“ jektentwickler den ersten Wohnturm in In- Grundstück. Zudem sind die Ausmaße des golstadt seit etwa 40 Jahren gebaut. Das Treppenhauses in einem Hochhaus, wel- Gebäude ist ein Erfolg, alle Wohnungen ches bedingt durch Brandschutzauflagen wurden verkauft und die Begeisterung für als Sicherheitstreppenhaus auszuführen ist, dieses dezidiert moderne Gebäude in der deutlich größer. Das hat negative Auswir- Stadt ist groß. Dabei waren mehrere ver- kungen auf die Effizienz. Damit wir nichts gebliche Anläufe anderer Unternehmen von den kostbaren Außenseiten und den vorausgegangen, an dieser Stelle einen Ausblicken, die sie bieten, verschenken, ha- Wohnturm genehmigt zu bekommen. Was ben wir den Treppenkern in die Gebäude- zeichnet aus Ihrer Sicht den IN-Tower aus? mitte gelegt, das heißt, Treppen- und Auf- Kai-Uwe Ludwig: Lassen Sie mich zunächst züge liegen in der Mitte und die Wohnungen sagen, dass die Stadt Ingolstadt durchaus gruppieren sich darum herum. Mut bewiesen hat, den Bau an dieser Stelle zu genehmigen. Ich denke, der architektonische H von G: Sie haben schon die unterschiedli- Entwurf von ATP hat überzeugt. Das ist keine che Aufteilung angesprochen. Wie sieht das puristische, monolithische und steinerne Ar- Konzept bezüglich Wohnungsgrößen und chitektur, wie sie die heutzutage schlecht be- Grundrissen konkret aus? werteten Wohntürme aus den 1970er-Jahren KLU: Wir haben im Turm ein weites Spek­ besaßen. Die weißen Balkone und Brüstungen trum, vom kleinen Apartment bis zur 5-Zim- umschlingen wie Bänder den Turm und sei- mer-Wohnung. Tendenziell werden die nen breiteren Sockel. Besonders interessant Wohnungen nach oben hin größer. Die Woh- finde ich das von ATP entwickelte Konzept, nung im obersten Geschoss nimmt sogar die die Lage der Balkone immer wieder zu variie- gesamte Etage ein. ren – so zeigt der Turm auch nach außen, dass die Wohnungen unterschiedlich geschnitten H von G: Wann und wie bestimmt man, wie und nicht nach Schema F strukturiert sind. ein solcher Neubau aufgeteilt wird? Zugleich entsteht dadurch an der Fassade ein KLU: Das haben wir gemeinsam mit dem Ver- faszinierendes Licht- und Schattenspiel. Das trieb, also mit Inventio, entwickelt. Es geht alles spricht für die Qualität des Gebäudes. darum, den perfekten Mix von Einzimmer-, Eineinhalbzimmer-, Zweizimmer-Wohnun- H von G: Hat dieser architektonische An- gen und so weiter für das jeweilige Gebäude spruch die Baukosten in die Höhe getrieben? und den jeweiligen Standort zu finden. Wel- KLU: Sicherlich wird ein Bau durch stärkere che Zielgruppe will man ansprechen, wel- Detaillierung und Individualisierung teurer. che Zielgruppe lässt sich mit dem konkre- Aber Wohntürme sind im Bau an sich teue- ten Standort überhaupt ansprechen? Und rer – unabhängig von der konkreten Ausge- welche Bedürfnisse hat diese? Sodann ist es staltung. Das liegt wesentlich an höheren Aufgabe des Architekten, ein entsprechend Brandschutzauflagen, aber auch daran, dass konfiguriertes Gebäude zu planen. ein Hochhaus von der Ausnutzung der Flä- chen nicht das effizienteste Modell ist. H von G: Welche Zielgruppen hatten Sie denn für den IN-Tower im Auge? H von G: Wie zeigt sich das am IN-Tower? KLU: Eine Zielgruppenanalyse muss am je- KLU: Er ist mit seiner Grundfläche von ledig- weiligen Standort ansetzen. Ingolstadt hatte lich 16 mal 16 Metern im Turm sehr schlank. in den letzten Jahren extreme Wachstums­ 83

raten, was Kaufkraft und Zuzug angeht. Das ren kaum auswärtige Kapitalanleger dabei, „Wenn man etwas Besonderes sind makroökonomische Parameter, die ei- etwa aus dem Münchener Raum, womit wir bietet, ein Novum, kann man nen Projektentwickler dazu bewegen, sich eigentlich gerechnet hatten. mit den Verkaufspreisen an aus den sieben A-Städten in Deutschland … den oberen Rand des Markt­ H von G: Sollte der IN-Tower durch die Lage niveaus gehen.“ H von G: … also beispielsweise München, direkt am Nordbahnhof nicht auch Be- Berlin und Frankfurt … rufspendler nach München ansprechen? KLU: … hinauszubewegen und eine kleinere KLU: Das hat beim Verkauf kaum eine Rolle Stadt wie Ingolstadt in Betracht zu ziehen. gespielt. Die Käufer kommen nicht nur aus Ingolstadt ist für eine Stadt der D-Kate- Ingolstadt, sie arbeiten meist auch dort. gorie mit 135.000 Einwohnern äußerst un- gewöhnlich, denn es wird geprägt durch H von G: Wie mobil ist der moderne Mensch Firmenzentralen großer Unternehmen wie denn generell, wenn es um seine Wohnsitu- Audi und MediaMarktSaturn. Das wirkt sich ation geht? natürlich auf das lokale Lohnniveau aus. KLU: Mit dieser Frage beschäftige ich mich Audi kann es sich beispielsweise nicht leis- schon seit vielen Jahren. Auf der einen Sei- ten, seinen Ingenieuren weniger zu zahlen te steht der Trend Urbanität, der für viele als BMW in München. Also waren Audianer Menschen definitiv wichtig ist. Dem ste- definitiv eine Zielgruppe für den IN-Tower. hen aber die teils unbezahlbaren Preise und Dementsprechend haben wir die eine oder der Mangel an adäquaten Angeboten etwa andere kleinere Wohneinheit für den Mana- in der bayerischen Landeshauptstadt ent- ger vorgesehen, der vielleicht nur unter der gegen. Also wäre es in der Theorie schon Woche in Ingolstadt arbeitet und nicht im denkbar, dass Menschen von München nach Hotel leben will. Auf der anderen Seite ge- Ingolstadt übersiedeln, auch wegen der hörte auch das reifere Ehepaar zur Zielgrup- guten Zug- und Autobahnverbindung. Aber pe, das den Tower als neues Domizil für sich es ist offenbar für die allermeisten Men- sieht, weil die Kinder aus dem Haus sind. schen immer noch ein zu großer Sprung, aus München wegzuziehen, wenn man dort H von G: Wenn das Lohnniveau bei Audi dem noch sein urbanes Leben und seinen ganzen von BMW in München entspricht, können Freundeskreis hat. Die Mobilität ist nicht so Sie dann für Wohnungen im IN-Tower auch groß, wie man vielleicht denken könnte. Preise wie in München verlangen? KLU: Nein. Die Wohnungen im IN-Tower H von G: Öffnet ein realisierter Bau wie der mussten ja auf dem lokalen Markt konkur- IN-Tower die Tür für weitere Turmbauten in renzfähig sein. Aber: Wenn man etwas Be- einer Stadt? sonderes bietet, ein Novum, etwas, was es KLU: Ob ein solcher Bau eine Vorbildwirkung an dem Ort noch nicht gegeben hat, kann hat, hängt von seiner Qualität ab. Gerade man mit den Verkaufspreisen an den obe- Städte im süddeutschen Raum sind durch ren Rand des Marktniveaus gehen. Dieses Hochhäuser mit einfallsloser Architektur Konzept hat funktioniert, was wir daran negativ vorbelastet. Wobei man diese nicht gemerkt haben, dass wir einen katapul- immer den Projektentwicklern anlasten tartigen Vertriebsstart hatten. Wir hatten kann: Oft gab es vielleicht einen ambitio- in den ersten drei Monaten eine sehr hohe nierteren Entwurf, der dann im Aushand- Abschlusszahl, auch dank des großen Inter- lungsprozess mit der Verwaltung glattge- esses der lokalen Medien. Unter den ersten strichen wurde. Das kann man aus einem Käufern waren viele, die bewusst gewartet erfolgreichen Bau wie dem IN-Tower lernen: hatten, weil sie unbedingt eine Wohnung im Hier konnten wir als Projektentwickler un- IN-Tower besitzen wollten. sere Vorstellung verwirklichen. Das Beispiel zeigt, dass es sich für Städte lohnt, dem Pro- H von G: Was hat Sie beim Verkauf der Woh- jektentwickler auch einmal zu vertrauen. nungen überrascht? KLU: Dass die Käufer im Wesentlichen aus H von G: Von Seiten der Stadtbauverwal- dem Umland von Ingolstadt kamen. Es wa- tungen wird im Bezug auf Wohntürme ge- 84 WOHNTÜRME

„N icht nur Wohnraum, auch fordert, dass sie auch etwas „für die Stadt KLU: Grundsätzlich glaube ich nicht, dass Büroraum wird in den Städten tun“ müssten, etwa durch öffentlich zu- Hochhäuser das Problem alleine lösen wer- zunehmend knapp.“ gängliche Dachterrassen oder durch eine den. Dafür sind die Baukosten zu hoch. Der belebte Erdgeschosszone. Wie stehen Sie zu Wohnturm hilft also genau an der ­Stelle solchen Forderungen? nicht, an der der Mangel am größten ist, KLU: Die darin verborgene Definition von Ge- beim leistbaren Wohnen. Das ist die eine Sei- meinwohl greift mir etwas zu kurz. Mit einem te. Die andere ist, dass es Städte gibt, die na- gut gebauten und architektonisch attrak- hezu keine Expansionsflächen mehr haben, tiven Hochhaus wird ein nachhaltiger Wert da bleibt nur die Lösung, weiter in die Höhe geschaffen. Das ist bereits ein Mehrwert für zu bauen. Ich finde allerdings nicht, dass es die Stadt. Natürlich können Dachterrassen immer gleich ein Hochhaus sein muss. Neh- oder Restaurants im obersten Stockwerk men wir einmal Paris: Dort sind die Häuser in wunderbar sein, denn sie lassen alle Besu- der Regel zwei Etagen höher als in München cher an dem Erlebnis von Freiheit, das ein oder Düsseldorf. Aber man soll sich nicht der Hochhaus bietet, teilhaben. Es hängt aber Illusion hingeben, dass man durch Aufsto- davon ab, was in den Etagen darunter zu fin- ckungen günstigen Wohnraum schafft. Wir den ist. Auf gemischt genutzten Immobilien stecken derzeit in einem Dilemma. wie Hotel- oder Bürotürmen kann das gut Und ich sehe noch ein weiteres Problem: funktionieren. Vorausgesetzt die Lage des Nicht nur Wohnraum, auch Büroraum wird Turms ist die richtige. Generell finde ich es in den Städten zunehmend knapp, nicht zu- in Kombination mit Wohnnutzung schwierig, letzt, weil man in den vergangenen 10 Jah- beim IN-Tower wäre also eine Dachterras- ren alles Richtung Wohnungsbau gelenkt se mit Café keine gute Idee. Im Erd- oder im hat. Nun merken wir plötzlich, dass kein Untergeschoss Geschäfte unterzubringen, Platz mehr da ist für die Arbeit und diese zu- funktioniert hingegen sehr gut. nehmend nach außen abwandert. H von G: Kann der IN-Tower den Anstoß für H von G: Rechnen Sie damit, dass in den weitere Hochhäuser in Ingolstadt geben? nächsten Jahren in Städten wie Düsseldorf, KLU: Ja, aber nur, wenn sie zu einem inte­ München oder Köln massiv mehr Hochhäu- grativen Bestandteil des Städtebaus wer- ser gebaut werden? den. Man kann eine Stadt nicht mit Hoch- KLU: Das wird eine Herausforderung für uns häusern pflastern. Wir wollen nicht überall Projektentwickler in der Zusammenarbeit wie in Frankfurt leben. Verstehen Sie mich mit den Städten sein. Wo kann man Hoch- nicht falsch: Natürlich ist Frankfurt eine punkte setzen, wo kann man sie feinfühlig spannende Stadt. Trotzdem hat es an vie- integrieren? Wie vermeiden wir es, wie- len Stellen etwas kaltes und lebloses. Ich der ein negatives Image zu generieren? Wie bin ein großer Freund der Kombination von schaffen wir nachhaltige Orte, an denen man Wohnen, Arbeiten und Leben. Von Quartie- gerne leben möchte? Das sind die Aufgaben. ren, die zu jeder Tageszeit leben. Und das fehlt mir dort, auch weil es neben den Bü- H von G: In welchen Städten können Sie sich rotowern kaum Wohntürme gibt. Wenn man Wohntürme besonders gut vorstellen – und nach Asien blickt, wird das anders gelöst. wo nicht? Dort gibt es viele Hochhäuser, die eine in sich KLU: In einer Innenstadt wie München, die gemischte Nutzung haben. Da wächst dann nicht in die Höhe gerichtet ist, würde jeder aus dem Shoppingcenter ein Turm heraus, neue Turm erstmal wie ein Fremdkörper mit Büros und ganz oben Long-Stay-Apar- wirken. In Berlin ist das anders, da kann ich tements oder Wohnungen. Urbanität wird mir an der einen oder anderen Stelle durch- dort schon ganz anders gelebt als bei uns. aus Wohnhochhäuser vorstellen. Bislang gibt es in der City-West nur Hotel- oder H von G: Wie stehen Sie zu der These, dass Bürohochhäuser. Warum nicht am Harden­ Wohntürme ein Gegenmittel gegen zu hohe bergplatz einen Wohnturm errichten? Bodenpreise und einen Mangel an bebauba- Das fände ich perfekt, weil es mehr Leben ren Flächen in Städten darstellen? ­bringen würde. 85

WOHNTÜRME IN TOWER INGOLSTADT Wohntürme erleben derzeit in vielen Städten eine Renaissance, so auch in Ingolstadt, wo nach Jahrzehnten erstmals wieder ein Hoch- haus errichtet wurde. Der 50 Meter hohe IN-Tower prägt als neue, moderne Landmarke die Silhouette der Stadt. Geplant wurde der skulpturale Bau nach dem Gewinn des Realisierungswettbewerbs (2014) durch die Architekten von ATP München. Der IN-Tower besteht aus einem schlanken Hochhaus und einer breiten, viergeschossigen Sockelzone mit Lobby und Geschäften. Mit Building Information Modeling (BIM) konnte ATP das stringente Entwurfskonzept mit der Vorgabe einer maximalen Flächennutzung bei hoher Wirtschaftlich- keit zu marktüblichen Herstellungskosten realisieren. Aufgrund der Grundfläche des Turms von nur 16 x 16 Metern mussten Grundrisse und Erschließung besonders funktional angelegt werden. Durch die Verschiebung des Kerns in das Turminnere entstanden jedoch gut geschnittene Wohnungen mit offenen Wohnräumen. Ein flexibles Grundrisskonzept ermöglicht unterschiedliche Wohnungsgrößen, vom Apartment bis zur 5-Zimmer-Dachterrassenwohnung, ein ver- tikales Schachtkonzept den Ausbau von Nassräumen und Küchen in verschiedenen Varianten. Bis zu ca. 2 Meter herausschwingende Balkone vergrößern den Wohnraum zusätzlich. Adresse Am Nordbahnhof 2 | Ingolstadt Bauherr 6B47 IN-Tower GmbH Initiator 6B47 Germany GmbH Architekten ATP München Grundstück 3.173 m² Wohn- und Gewerbefläche 7.250 m² Einheiten 82 Fertigstellung 2018 Leistungsspektrum INVENTIO Vermarktung und Bauherrenberatung (Marktanalyse, Produktdefinition, Marketing & Vertrieb) Ansicht des IN-Tower in I­ngolstadt mit seiner charakteristisch ­asymmetrischen Fassade 86 WOHNTÜRME



Die Wohnungen im IN-Tower sind individuell gestaltet, was an der vor- und zurückspringenden Fassade ablesbar ist. Die weißen Balkone und Brüstungen umschlingen den 16-geschossigen Turm wie Bänder. 88 WOHNTÜRME

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WOHNTÜRME „DAS IST DER MASSSTAB, DER IN UNSERE STADT PASST.“ Ein Gespräch über die Renaissance der Wohntürme mit Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle und Ulrike Brand, Referat für Stadtentwicklung Ingolstadt „W enn bei uns wieder H­ ochhäuser H von G: Frau Preßlein-Lehle, Sie leiten die sein darf. Da spielen die Blickbeziehungen möglich sein sollen, müssen sie Bauverwaltung einer florierenden Stadt. eine große Rolle. Der IN-Tower sollte nicht Qualität haben.“ 1989 hatte Ingolstadt 100.000 Einwohner, das dominante Schrägdach des Münsters, jetzt sind es schon 135.000 Menschen. Bis- das historische Wahrzeichen unserer Stadt, lang gab es hier nur sehr wenige Hochhäu- überragen – ein Dach, das den 30-jährigen ser, die alle aus den 1970er-Jahren stam- Krieg überdauert hat und die Geschichte men. Nun wurde mit dem IN-Tower ein der Stadt symbolisiert, darf nicht von einem neues Kapitel in der Stadtentwicklung auf- Wohnturm überragt werden. Wir haben ge- geschlagen. Von wem ging die Initiative für merkt, wie schwierig so eine Debatte ist, diesen Bau aus? dass es dabei um Werte und die Identität un- Renate Preßlein-Lehle: Schon in den 2000er serer Stadt geht. So kam es zum Entschluss, Jahren gab es für den heutigen Standort den IN-Tower nicht isoliert zu betrachten, des IN-Towers den ersten entsprechenden sondern eine Hochhausstudie zu erstellen, Vorschlag von Seiten eines Investors. Der die 2016 fertig gestellt wurde. damalige Entwurf ist am Widerstand des Stadtrats gescheitert. H von G: Welche Ziele verfolgten Sie mit Ih- Ulrike Brand: Dann wechselte mehrfach rer Hochhausstudie? der Investor, und Planer erarbeiteten neue UB: Sinn der Studie ist es, die Planung von Hochhausentwürfe unterschiedlicher Qua- Hochhäusern zu steuern und Kriterien fest- lität für dieselbe Stelle. zulegen – darunter die Höhe, die Fassaden- RPL: Zugleich setzte vor einigen Jahren die gestaltung, die Einbindung in den städtebau- Debatte um die Zukunft des Wohnens in der lichen Kontext, die Rücksicht auf bestehende Stadt und die Notwendigkeit der Nachver- Sichtachsen. Wir haben auch festgelegt, dass dichtung ein. Daraufhin haben wir gesagt, jedes künftige Hochhausvorhaben im Ge- wenn bei uns wieder Hochhäuser möglich staltungsbeirat behandelt werden muss. sein sollen, müssen sie Qualität haben. Und RPL: Ein wichtiges Thema ist auch die Aus- wir haben angefangen, darüber nachzuden- bildung der Erdgeschosszone: Dort muss es ken, welche Standorte in der Stadt dafür in eine öffentliche oder gewerbliche Nutzung Frage kämen. geben, z.B. ein Café. Jedes neue Hochhaus muss auch etwas für den städtischen Raum H von G: Welche Rolle spielte dabei der kon- leisten. krete Entwurf, den die Investoren, 6B47 aus Düsseldorf, vorgelegt haben? H von G: Aber der IN-Tower steht an einer RPL: Er hat architektonisch und städtebau- Stelle, an der von urbanem Raum kaum die lich so überzeugt, dass wir dem Stadtrat Rede sein kann – nämlich jenseits des Grün- guten Gewissens empfehlen konnten, das gürtels, der infolge der früheren Festungs- Projekt zu befürworten. nutzung die historische Altstadt umgibt? RPL: Das mag sein, aber wir sehen ihn dort H von G: Wie schwer tat sich die Stadt grund- als substantiellen Beitrag zur Entwicklung sätzlich damit, nach Jahrzehnten erstmals eines neuen urbanen Raumes – unmittel- wieder ein Hochhaus zu genehmigen? bar gegenüber dem vielgenutzten Nord- RPL: Es stimmt, wir hatten 30 Jahre keinen bahnhof. Das ist jetzt immer noch nicht der Hochhausneubau mehr gehabt. Insofern ha- Münchner Marienplatz, aber es ist etwas ben wir intensiv darüber nachgedacht, wie ganz anderes als die Brachlandschaft, die hoch so ein Hochhaus unweit der Altstadt dort früher zu finden war. 93

H von G: Wie sind Sie bei der Erstellung der H von G: Die Städtebauforschung kommt „Jedes neue Hochhaus Studie vorgegangen? recht einheitlich zum Ergebnis, dass fünf- muss auch etwas RPL: Am Anfang stand eine Bestandsauf- bis achtgeschossige Häuser sowohl öko- für den städtischen nahme – wo haben wir schon Hochhäu- nomisch als auch in punkto städtebauliche Raum leisten.“ ser, wo haben wir Kirchtürme, welche Dichte und Urbanität das Ideal sind. War- Sichtachsen gibt es überhaupt in der Stadt? um also werden überhaupt heute wieder Allein das brachte schon hochinteressante Hochhäuser gebaut? Wie viel Irrationalität Erkenntnisse. steht hinter diesen Entscheidungen? Geht UB: Dann wurden Eignungsräume definiert. es nicht sehr stark darum, architektonisch Wir wollten nicht zulassen, dass überall, wo etwas darzustellen? gerade ein Grundstück zur Verfügung steht, RPL: Natürlich spielt dieser Faktor eine Rol- ein Hochhaus gebaut werden kann. Das le. Jetzt, wo der IN-Tower so ein großer Er- wäre dann schnell nicht mehr in den Griff zu folg ist, sagen viele in der Stadt, „Mensch, bekommen. das ist ja doch toll, wenn wir auch mal ein RPL: Zugleich definierten wir eine maxima- modernes Gebäude haben, das so viel her- le Höhe von 50 Metern, die die symbolische macht“. Daraus ist auch eine politische Eu- Wirkung des Langhauses des Münsters nicht phorie entstanden, ein Stolz, dass Ingol- beeinträchtigen. Es hat sich allerdings im stadt so etwas vorweisen kann. Dennoch Nachhinein gezeigt, dass Hochhäuser bis muss man sich die Frage stellen: Warum 35 Meter wirtschaftlich kaum rentabel zu haben die Hochhausprojekte der 70er-Jah- bauen sind. Von Investorenseite besteht re so lange kaum Nachfolge gefunden? Ich also kaum Interesse an solchen Gebäuden. weiß hier, wovon ich spreche, denn ich habe Auf der anderen Seite dürfen es auch kaum selbst viele Jahre in einem Wohnturm aus mehr als 60 Meter sein, weil es dann für das dieser Zeit gelebt – und in Stuttgart auch in Wohnen ungeeignet wird. Bis zu dieser Höhe einem Hochhaus studiert. Wenn Sie Planer kann man noch im obersten Geschoss oder fragen, wie viel persönliche Hochhauser- in der Penthousewohnung gut Balkone und fahrung sie haben, werden Sie feststellen, Dachterrassen nutzen. dass viele noch nie in einem solchen Ge- bäude gelebt haben. Wir müssen die Leh- H von G: Gilt diese Höhenbeschränkung ren aus den Fehlern von damals ziehen: Wir auch weiter außerhalb, etwa in den Indus­ wollen keine die Stadt zerteilenden Hoch- triebezirken an der Autobahn? hausscheiben mehr, sondern urbane Stand- UB: Nein, für diese industriell geprägten orte, direkt im öffentlichen Raum ohne Stadtbereiche sind auch Bauhöhen über „Abstandsgrün“. Als Planer muss man sich 50  Meter möglich, konkret haben wir in ei- fragen: „Würde ich selbst da drin wohnen nem Bebauungsplan 75 Meter als Grenze wollen?“ So kommt man zu Punkthochhäu- ­definiert. Dort gibt es keinen Konflikt mit sern wie dem IN-Tower, in denen sich jeder dem Münster. verorten kann. Das ist der Maßstab, der in RPL: Im Bereich der Autobahn sprechen wir unsere Stadt passt. aber nicht von Wohn-, sondern von Bürotür- men. Ich finde Hochhäuser dort noch unter H von G: Wie viele Bauten wie der IN-Tower einem ganz anderen Aspekt interessant: Im werden in den nächsten Jahren in Ingol- Moment ist die Situation so, dass viele, die stadt hinzukommen? dort vorbeifahren, gar nicht wissen, dass RPL: Wenn die Entwicklung so weitergeht, wir eine architektonisch und städtebaulich werden meiner Erwartung nach sicher noch bedeutende Altstadt haben. Wer Ingolstadt fünf Wohnhochhäuser in den nächsten heute von der Autobahn aus sieht, mag den- 10 Jahren hinzukommen. Mehr werden es ken, die Stadt sei nur ein erweitertes Raf- glaube ich nicht sein. fineriegelände. In diesem Sinne wäre eine anspruchsvollere Architektur wie ein guter H von G: Einige sind ja bereits jetzt in Vorbe- Büroturm dort für uns durchaus attraktiv, reitung, und zwar interessanterweise in Re- im Sinne einer Visitenkarte der Stadt. gie der Kommune. Sie planen derzeit Hoch- 94 WOHNTÜRME

„Wir müssen die Lehren häuser mit Sozialwohnungen. Was wollen H von G: Wie ist Ihr Fazit zum derzeitigen aus den Fehlern der Sie dort anders machen als beim hochprei- Stand des Hochhausbaus in Ingolstadt? 1970er-Jahre ziehen.“ sigen IN-Tower? RPL: Durch unsere Studie sind wir gewapp- RPL: Im sozialen Wohnungsbau erreichen net für alle weiteren Bauanträge für Hoch- Hochhäuser schnell die Grenze der Wirt- häuser. Wir können diese kanalisieren und schaftlichkeit. Kosten werden dadurch re- steuern. Das hat auch große Vorteile für die duziert, dass der soziale Wohnungsbau bei Investoren, die nun wissen, welche Projekte uns andere Anforderungen an die Zahl der sie in Ingolstadt entwickeln können. Und es PKW-Stellplätze hat. Die Baukosten einer entspricht dem Wunsch der Politik, die Ge- Tiefgarage sind enorm, wenn man im sozi- genwart in der Stadtsilhouette in Form von alen Wohnungsbau die Stellplätze um die Hochhäusern zu repräsentieren. Hälfte reduziert, wird die Wirtschaftlichkeit verbessert. Das ist natürlich beim IN-Tower H von G: Vielen Dank für das Gespräch. nicht so, weil der unseren regulären Stell- platzschlüssel anwenden musste. 95





WOHNEN AM WA SSER HUMBOLDT-INSEL BERLIN Berlin hat viele Wasserwege und Inseln, aber die wenigsten davon können dem Wohnen am Wasser dienen. Insofern ist die schmale, langgestreckte Humboldt-Insel zwischen Tegeler Fließ und altem Tegeler Hafen ein seltener Glücksfall. Häuser mit direktem Was- serzugang zeigen, wie der moderne Städtebau sich dem Wasser in neuer Form zuwendet. Neben den 16 Steghäusern direkt an der Uferkante mit eigenen Bootsanlegeplätzen wurden 56 Wohnungen realisiert. Die vier Floating Houses, die auf Schwimmpontons im frü- heren Hafenbecken ankern, sind derzeit in Planung. Das innovative Energiekonzept mit eigenem Blockheizkraftwerk und Elektromobi- lität entspricht den Anforderungen an eine moderne und nachhalti- ge Architektur. Adresse Humboldtinsel | Berlin-Tegel Bauherr Martrade Immobilien GmbH & Co. KG Architekt Baumhauer Architekten Grundstück 16.475 m² Wasserfläche 2.829 m² Wohnfläche 11.160 m² Einheiten 76 Fertigstellung 2018 Leistungsspektrum INVENTIO Vermarktung und Bauherrenberatung 98 WOHNEN AM WA SSER

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Von ihren Terrassen haben die B­ ewohner der Humboldt-Insel d­ irekten Zugang zum Wasser und zu eigenen Bootsanlegern. 100 WOHNEN AM WA SSER


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