Important Announcement
PubHTML5 Scheduled Server Maintenance on (GMT) Sunday, June 26th, 2:00 am - 8:00 am.
PubHTML5 site will be inoperative during the times indicated!

Home Explore Verlag Uwe Plate

Verlag Uwe Plate

Published by Uwe Plate, 2016-05-11 18:05:19

Description: Hahnemanns Arbeitsweise

Keywords: Homöopathie,Hahnemann,klassische Homöopathie,Arzneimittellehre,Krankenjournale

Search

Read the Text Version

Hahnemann DF 5, Arthur Christille1 Husten - Stechen 6 Schlaf alle - Klagen2 Husten - Brust 7 Husten - Kehlkopf, Trachea3 •Ohr inneres - Stechen 8 Husten - Reißen4 •Stimme heiser 95 Zerstreutheit 10 1 2 3 4567 8 9 10 KALI-C 3 9 8 7/8 ALUM 3 5 9 5 3 53 1 7/7SULPH 9 18 7 6/8 LACH 5 11 2 683 3 6/8 14 6 6/8 SEP 9 11 8 6 3 72 2 6/8 PHOS 5 4 7 6/8 CALC 3 10 5 7 15 1 4 4 6/7 9 7 6/7 LYC 3 7 2 6 5 51 1 5/8 BOR 6 8 10 5/7CAUST 2 7 6 3 3 51 1 5/7 NAT-M 7 5 5/7 ZINC 4 4 7 4 4 71 2 5/7 NUX-V 2 11 3 5/6 BELL 2 8 2 5 7 62 4/8 ARS 5 4 2 4/7 PULS 3 8 3 3 41 3 4/6 BRY 4 4 4 4/6 NAT-C 2 6 2 6 7 34 1 4/6 LAUR 7 1 4/5 CON 3 4 5 7 8 41 2 4/5 3 3 3/8 SIL 12 2 3 2 31 3/7NIT-AC 8 8 3/7 10 5 1 3 33 3/6 ARN 6 4 8 3/6 AM-C 2 3 2 3 3 31 3/6STANN 3 PSOR 1 3 32 PH-AC 1 CHAM 1 3 23 1 4 1 42 86 1 81 61 313 465 42 1 2 21 2 5 8 21 3 1 21 1 31 1 142 1 6 51 50

Sulph hat das Stechen beim Husten mit 9 Symptomen hochsignifi-kant, während es bei Kali-c, Alum, Calc und Lyc mit nur je 3 Symptomegerade einmal signifikant ist. Das Simile ist die am besten passendeArznei im Vergleich zu allen anderen und bei diesem Vergleich isthochsignifikant besser als signifikant. 9 Symptome sind sicherer als3 Symptome. Wobei zwischen signifikant und hochsignifikant ein deutli-cher Unterschied bestehen muss. Aber Sepia hat auch 9 SymptomeStechen beim Husten und passt nur wegen des einen SymptomsReißen beim Husten und Kehlkopfschmerzen beim Husten (Spalte 7und Spalte 8) schlechter als Sulph und das ist ein sehr kleiner Unter-schied. Phos hat immerhin 5 Symptome mit Stechen beim Husten und kannmit Sulph und Sep konkurrieren, aber Phos hat nur 3 Symptome Hei-serkeit, gegenüber je 6 Symptomen von Sulph und Sep. Mit Lachesishat Hahnemann nicht gearbeitet. Das Simile wird im Vergleich zu allen anderen Arzneien bestimmt,es ist im Vergleich besser passend als alle anderen Mittel und das isthier Sulph, ganz dicht gefolgt von Sepia. Und wer nicht akzeptierenkann, dass hochsignifikant besser ist als signifikant, dass 9 Symptomebesser als 3 Symptome sind und danach das Simile bestimmt wird,der sollte die Arzneimittellehre studieren! 51

Studium der ArzneimittellehreAlumina hat 3 Symptome mit Stechen beim Husten. Studiert man aber dieSymptome im Detail, zeigen sich Unterschiede, denn Alum hat zwei Sympto-me reißendes Stechen beim Husten und nur einmal Stechen beim Husten. 52

Studium der ArzneimittellehreAlum ist mit 3 Symptomen zwar für Reißen beim Husten in den Kollektaneenausgezeichnet und Sulph mit 2 Symptomen nicht (siehe Auswertung), aberdas ist mit einem Symptom mehr für Alum kein großer Unterschied. Die Aus-zeichnungen in den Kollektaneen wurden für einen besseren Überblick ge-macht, es besteht aber keine absolute Grenze zwischen 3 Symptomen (ausge-zeichnet) und 2 Symptomen, dass etwa 3 Symptome mit Sicherheit von derArznei stammen und zwei Symptome mit Sicherheit nicht. 3 Symptome sindnur etwas wahrscheinlicher als 2 Symptome. 53

Studium der Arzneimittellehre:Phos hat im Vergleich zu Sulph zwar weniger Symptome, aber Phos ist durch-aus signifikant für Stechen beim Husten und kann mit Sulph konkurrieren.Aber es sind nur 4 und nicht 5 Symptome, weil das eine Symptom ein stechen-der Hustenreiz ist. Die Sicherheit für Stechen beim Husten ist bei Phos aberdeutlich geringer als bei Sulph. Nach welchen deutlich einzusehenden Grün-den sollte hier also Phos und nicht Sulph genommen werden? 54

Studium der ArzneimittellehrePhos hat 3 Symptome mit Heiserkeit, aber wer will festlegen, dass mit Sicher-heit alle drei Symptome von der Arznei stammen? Ein Symptom stammt von„Ng“ und das ist eine zweifelhafte Arzneiprüfung von Hartlaub/Trinks. Die Hei-serkeit von Ng wird zwar durch ein Symptom von Hahnemann bestätigt, aberwer will ausschließen, dass dieses eine Symptom Hahnemanns keine Falsch-beobachtung ist? Dazu müsste es durch weitere Symptome bestätigt werden,aber das Symptom von Ng wäre als Bestätigung ein Zirkelschluss. Bleibt nurdas dritte Symptom, aber das ist eine Heiserkeit bei einem Katarrh. Kann Phoseinen Katarrh hervorbringen? Dieses Beispiel zeigt, dass auch drei Symptomemöglicherweise falsch sein können. Sicherer sind da allemal die 6 Symptomevon Sulph, auch wenn die zwei Symptome von Ng falsch sein sollten, es blei-ben immer noch 4 weitere Symptome. 55

Studium der ArzneimittellehreCalc hat tatsächlich nur 2 Symptome Stechen beim Husten. Die Wahrschein-lichkeit, dass diese beiden Symptome gar nicht von Calc stammen ist ungleichgrößer, als die Wahrscheinlichkeit, dass die 9 Symptome nicht von Sulph stam-men. Wer würde jetzt mit welcher Begründung Calc wählen? 56

Studium der ArzneimittellehreAuch Lyc hat nur zwei Symptome Stechen beim Husten, die Stiche im Hals,die zum Husten zwingen, werden von der Software aufgeführt, weil ein Compu-ter zwar suchen, aber nicht verstehen kann. Solche Falschsymptome lassensich derzeit nicht verhindern. Sie sind aber nur ein Problem, wenn der zweiteHauptfehler der Homöopathie gemacht wird. Das ist die Arzneiwahl nachRepertorien (oder Kollektaneen), ohne das Studium der Arzneimittellehre(Hahnemann, Die Chronischen Krankheiten S. 150). Diese zwei Symptomekönnen niemals mit Sulph konkurrieren. Und wenn es drei wären, könnte Lycimmer noch nicht mit Sulph mithalten. 57

Studium der ArzneimittellehreZwischen Sulph und Sep gibt es für Stechen beim Husten keinen Unterschied,beide Arzneien passen gleich gut. Auch Hahnemann konnte nicht eindeutigzwischen Sulphur und Sepia entscheiden. Und weil die Mutter ungefähr eineTagesreise entfernt von Paris wohnte, gab er dem Jungen in der PraxisSulphur und der Mutter hat er Sepia mitgegeben. 58

Hahnemann verlässt sich nicht auf die Symptome Schmerzen imKehlkopf beim Husten (Spalte 7) und Reißen beim Husten (Spalte 8),wo Sulph je 2 Symptome und Sep nur je 1 Symptom hat. Ein Symptomist unsicher und deswegen würde Sulph hier besser passen, aber die-ser Unterschied ist nicht entscheidend, denn diese zwei Symptomevon Sulph können nicht den Ausschlag geben, wenn Sep auch hoch-signifikant 9 Symptome Stechen beim Husten hat. Die beiden Sympto-me Kehlkopfschmerzen und Reißen beim Husten von Sulph könnenauch falsch sein und dann passt Sep genau so gut wie Sulph. Warumsonst hat Hahnemann dem Jungen Sulph gegeben und der MutterSepia mitgegeben? Oder die Mutter hat Sep von sich aus gegeben, dann muss sie eineherausragende Homöopathin gewesen sein und woher hat sie die Arz-nei bekommen? Hat sie sich Sep auch noch selbst hergestellt? Undwarum war sie mit ihrer Familie in Hahnemanns Behandlung, zumalsie eine weite Anreise hatte? Sechs Monate später kommt die Mutter mit dem Jungen wieder indie Praxis und im Krankenjournal ist verzeichnet: Arthur Christille:„Ereifert sich sehr beim Laufen – danach raue und trockne Stimme – 59

Reißen in der Kehle – der Husten wird in der Stirn erwidert – Neigungzum Asthma – seine Zähne von 7 Jahren vergilben – Entzündung desunteren Zahnfleisch – im Bett legt er seine Hände unter den Kopf – sei-ne Mutter ist der Onanie wegen in Sorge – tatsächliche Steifigkeit derArme. Seine Mutter hat ihm Sepia verabreicht – gegen den Husten,mit Erfolg. Dazu kommentiert Matthias Wischner: „Trotz des guten, allerdingsnicht näher beschriebenen Erfolgs mit Sepia blieb Hahnemann beiSulphur, vielleicht weil er davon aus ging, dass der Schwefel denkurzen Anfang von Heilung noch nicht vollendet hatte.“ Es gibt keinen Erfolg! Sepia war eine falsche Arznei. An der Heiser-keit und dem chronischen Husten hatte sich nichts geändert, imGegenteil, der Husten hatte sich verschlimmert, denn jetzt hatte derJunge eine Neigung zu Asthma entwickelt. Was ist passiert? Hat Sepiadie Krankheit „unterdrückt“? Homöopathische Arzneien können nachdem Prinzip similia similibus nicht unterdrücken! Das geht nur nachdem Prinzip contraria contrariis, nämlich gegen die Symptome derKrankheit und davor warnt Hahnemann. Er warnt vor dem Heilprinzipcontraria contrariis, aber niemals vor dem similia similibus. Aber der Junge hatte nach Sepia eine Neigung zu Asthma. Ist daskeine Unterdrückung? Sepia hat nicht geheilt, aber das ist keine Unter-drückung. Das ist einfach ein Fortschreiten der Krankheit und hier im-merhin sechs Monate lang. Wäre der Junge nach drei Wochen zuHahnemann gekommen, wäre der Husten nicht so weit fortgeschrittenund er hätte keine Neigung zu Asthma entwickelt. Aber nach sechsMonaten ist der Husten einfach chronischer geworden und das wäreer auch ohne Sepia. Von „Unterdrückung“ kann keine Rede sein. Manhätte auch Zitronenbonbons geben können und nach sechs Monatenhätte er dieselbe Neigung zu Asthma gehabt, allerdings weiterhin mitStechen beim Husten anstatt Stirnkopfschmerz. 60

Sepia hat nichts unterdrückt, Sepia hat nur nicht geheilt. Sepiapasst zwar charakteristisch auf die stechenden Schmerzen beimHusten (in der Brust und im Ohr), und das wurde von Sepia auch ge-heilt, denn das Stechen ist verschwunden, aber nicht der Husten.Sepia hat das Stechen beim Husten „geheilt“ (in der Brust und imOhr), weil Sepia für Stechen beim Husten charakteristisch ist, aberSepia hat nicht die ganze Krankheit geheilt. Sepia hat die Symptoma-tik nur verschoben, von Stechen beim Husten zu Stirnkopfschmerzbeim Husten. Hier wurde nicht unterdrückt, hier wurde verschoben. Der Schmerz in der Stirn beim Husten ist ein neues Symptom unddas muss jetzt zur Arzneiwahl mit herangezogen werden. Ob „Steifig-keit der Arme“ ein neues Symptom ist oder ob es Hahnemann zu An-fang übersehen hatte, geht aus den Aufzeichnungen nicht hervor, esspielt aber auch keine Rolle, weil es nicht charakteristisch ist (in derArzneimittellehre gibt es dafür keine signifikanten Arzneien) und dannwird es zur Arzneiwahl auch nicht benutzt. Und wir wissen nicht, wasHahnemann unter „Asthma“ verstand. Nach den Beschwerden müsstees eine Atemnot mit Beklemmung sein. Hahnemann gab wiederSulphur, das dann auch alles geheilt hat. Nach den Regeln der Klassischen Homöopathie“ mit dem Materia-Medica-Vergleich Symptom gedeckt durch Symptom konnte MatthiasWischner keine Ähnlichkeit zwischen den Symptomen des Kindes undSulphur finden. Nach Hahnemanns Grundsätzen der Arzneiwahlkommen für diesen Fall Sulphur und Sepia infrage und beide Arzneienhatte er auch eingesetzt. Hahnemann hat Sulphur nach den charakte-ristischen Symptomen gewählt wie er es gelehrt hat. Allerdings ist sei-ne Lehre in der heutigen Homöopathie nicht mehr bekannt, wieWischners Analyse zeigt. 61

Hahnemann DF 5, Arthur Christille 21 Husten - Kopf 62 Husten - •Kopf - Stirn 73 •Stimme heiser 84 Atemnot - Beklemmung 95 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10SULPH 13 3 6 8 4/4CALC 5 1 4 11 3/4SEP 3 1 6 7 3/4NAT-M 3 1 7 4 3/4PHOS 3 37 3/3CARB-V 2 75 2/3LACH 5 71 2/3LYC 6 52 2/3NIT-AC 2 47 2/3ALUM 3 62 2/3ARS 2 36 2/3CAUST 1 63 2/3CON 2 36 2/3KALI-C 1 54 2/3HEP 5 3 1 2/3BRY 3 41 2/3GRAPH 2 34 2/3LAUR 85 2/2OP 5 8 2/2MAG-M 64 2/2MAG-C 34 2/2CANTH 33 2/2CARB- 33 2/2STANANN 33 2/2ARN 4 1 1 2 1/4MEZ 1 1 2 4 1/4PULS 1 1 1 3 1/4NUX-V 1 19 1/3 62

Man kann diesen Fall aus Hahnemanns Krankenjournal auch miteinem Repertorium bearbeiten. Sulphur ist immer irgendwie dabei,aber was besagt das? Kent Repertorium (Radar) Wenn nicht in jedem Krankheitsfall das oberste Mittel mit absoluterSicherheit das Simile ist, was soll dann nach dieser Repertorisationgemacht werden? Wie geht es weiter? Wie wird das Simile bestimmt?Etwa mit einem „Materia-Medica-Vergleich“? Ganz verbohrte KritikerHahnemanns werden jetzt argumentieren, dass Lyc die bessere Arzneigewesen wäre. Das kann man immer behaupten. Ist die erste Arzneieiner Repertorisation immer und in jedem Fall das Simile? Oder istKents Repertorium hierfür vielleicht die „falsche Methode“? Eine Repertorisation mit dem Therapeutischen Taschenbuch vonBönninghausen hilft aber auch nicht weiter. Auch hier stellt sich diesel-be Frage, was nach der Repertorisation gemacht werden muss. Oderman gibt einfach immer die oberste Arznei, die Erfolge in der Praxissind dementsprechend. Deswegen bezeichnet Hahnemann die Arznei-wahl nach Repertorien als den zweiten Hauptfehler (CK S. 150), als„unhomöopathische Arzneiwahl“ nicht nach den Regeln und Grundsät- 63

zen der Homöopathie. Und dazu gehören auch die so genannten „Hei-lungsbestätigungen“ über die Hahnemann sagt, dass sogar Schriftstel-ler zu diesem Fehlwege raten. In den Repertorien haben wir zahlrei-che Heilungserfahrungen für diesen Fall. Helfen sie weiter? Kann manfür Arthur Christille irgend etwas damit anfangen? Bönninghausen Therapeutisches Taschenbuch 2000 Das bedeutet aber nicht, dass Repertorien nicht zu gebrauchenwaren (ob sie es heute noch sind ist ein anderes Thema), denn Hahne-mann hatte ja Bönninghausen bei der Erstellung des ersten Repertori-ums der Homöopathie tatkräftig unterstützt. Aber es kann das Studiumder Arzneimittellehre nicht ersetzen, weil in keinem Repertorium dieSignifikanzen aufgeführt sind. Deswegen können Repertorien dasStudium der Arzneimittellehre nicht ersetzen, sie können nur daraufhinweisen, und zwar auf eine gewisse Auswahl an Arzneien, die nachder Repertorisation studiert werden müssen. Bei der Repertorisation mit dem Therapeutischen Taschenbuch wä-ren das Phos, Puls, Bry, Lyc, Sulph, Calc, Sep, Merc (und noch ande-re), die in die engere Wahl kommen und jetzt in der Arzneimittellehre(besser im Symptomenlexikon) studiert werden müssen. Der Sinn undVorteil der Repertorisation liegt darin, dass eben nicht alle Arzneien 64

der Materia medica für jede Zeichenkombination studiert werden müs-sen, sondern nur noch einige wenige. Das ist schon einmal eine bedeu-tende Arbeitserleichterung. Phos, Lyc und Calc haben wir bereits stu-diert (und sie passen nicht so gut wie Sulph und Sep). Jetzt werdenals Beispiel aus dieser Repertorisation noch Puls und Bry studiert, diezwar nicht bei der Auswahl mit den Kollektaneen aber bei dieser Reper-torisation in die engere Wahl kommen. 65

Bry und Puls passen für Stechen beim Husten nicht besser alsSulph und Sep und auch für das Stechen im Ohr sind Bry und Pulsnicht charakteristisch. Das geht aber aus dem Therapeutischen Taschenbuch nicht hervor!Da ist zwar Puls für „Stechen in inneren Teilen“ und „Ohr inneres“jeweils im höchsten Grad eingetragen, aber das besagt nur, dass Pulsmindestens zweimal ein Stechen irgendwo in einem „inneren Teil“geheilt hat, das muss aber nicht das Ohr gewesen sein, und dass Pulsirgendwelche Beschwerden im inneren Ohr geheilt hat, das muss aberkein Stechen gewesen sein. Diese „Heilungserfahrungen“ bringen fürden konkreten Fall gar nichts. 66

Der zweite Hauptfehler der Homöopathie, die Arzneiwahl nur nachRepertorien und Heilungserfahrungen ohne Studium der Arzneimittel-lehre, ist nicht Hahnemanns Homöopathie. Er hat nie allein mit Reper-torien die Arznei bestimmt. Darüber schreibt sein Schüler und Mitarbei-ter G.H.G. Jahr in der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung (1855):„Ganz zuletzt bediente Hahnemann sich häufig des Textes meinesSymptomen-Kodex, der allerdings die Reine Arzneimittellehre so ge-treu wiedergibt, als nur möglich, und als Repertorium nahm er, wieDr. Gross ganz richtig bemerkt, Bönninghausen, wenn anders er nichtsein eigenes vortreffliches Manuscript [Symptomenlexikon], welchesalle Symptome alphabetisch geordnet in Extenso wiedergibt, zu Rathezog …Denn war ihm etwas in den Repertorien Gefundenes nicht klar,oder erinnerte es ihn nicht genugsam an die Kenntnisse, die er vomCharakter des Mittels hatte, so gab er dasselbe nie, ohne vorher diePrüfungssymptome desselben nochmals durchgelesen zu haben …“ 67

ANTON ROHRERSupplement ChristilleDiese Fallanalyse zeigt sehr deutlich den Unterschied zwischen demMateria-medica-Vergleich, wie er in der klassischen Homöopathie ge-lehrt wird und der Herstellung einer Ähnlichkeitsbeziehung durch signi-fikante Zeichenkombinationen, wie es Hahnemann lehrt. Der „Sympto-menvergleich“ führt bei Arthur Christille nicht zum Simile, wohl aberHahnemanns Arzneiwahl nach Indikationen.Zum Symptomenvergleich schreiben Genneper/Wegener im Lehrbuchder Homöopathie (S. 20): „Für die Suche nach der ähnlichsten Arzneiist die primäre Materia medica nicht geeignet. Sie findet neben demStudium von Arzneimitteln vor allem beim Materia-medica-VergleichVerwendung. Bei der Endauswahl des homöopathischen Heilmittelskönnen mit der primären Materia medica die Symptome des Patientenim Wortlaut verglichen werden. Sie dient nach der Vorauswahl mit demRepertorium der Differentialdiagnose des Simile“. Der Autor führt alsBeispiel für den Materia-medica-Vergleich eine Patientin mit Dysme-norrhoe an und schreibt: „Ein auffallendes Begleitsymptom zu dernächtlichen Dysmenorrhoe sind heftige Muskelkrämpfe in den Ober-schenkeln.“ Als Vergleichsbeweis der Ähnlichkeit führt er das Symp-tom von Manganum CK IV Nr. 380 an: „Im Oberschenkel ein kneipen-des Zwängen an der vordern Fläche, als wollte es die Haut in dieHöhe ziehen, im Freien; die Stelle schmerzt noch lange (Ng.)“ Esgehört viel Phantasie und Kreativität dazu, „heftige Muskelkrämpfe“und „kneipendes Zwängen, als wollte es die Haut in die Höhe ziehen“in das Prokrustesbett der Ähnlichkeit zu zwingen. Aber abgesehen vonder mehr oder minder großen Ähnlichkeit im Symptomenvergleich gehtes um etwas anderes. Dass es nicht um die Übereinstimmung ganzer 68

Symptome geht, zeigt Hahnemanns Beispielfall 1 der Lohnwäscherinsehr deutlich: Ihre Hauptbeschwerde ist ein Stechen in der Herzgrube(Epigastrium) beim Auftreten und „am schlimmsten bei jedem Fehltrit-te“. Das Pulsatilla Symptom Nr. 387 lautet: „Stiche in der Herzgrubebeim Fehltreten auf ungleichem Straßenpflaster usw.“ Was kann es füreine größere „Ähnlichkeit“ geben als eine wortwörtliche Übereinstim-mung zwischen Prüfungssymptom und Patientenbeschwerde? Dieser„Materia-medica-Vergleich“ müsste jeden überzeugen! Und trotzdemgibt Hahnemann Pulsatilla nicht! Es kommt eben nicht auf diese Artder Ähnlichkeit an, sondern auf die Ähnlichkeit mit signifikanten Zei-chenkombinationen. Es geht nicht um das Decken von Symptomen,sondern um das Decken von Indikationen (Anzeigen). 69

UWE PLATEAlaryMade. Alary – 45 Jahre – bekommt noch ihre Menstruation – 8 Kinder– 7 und eine Fehlgeburt 12. Juni (Eintragung von Melanie Hahne-mann) starkes Seitenstechen, auf der rechten Seite – das sie am Atemholen hindert. Weitere Eintragung von Hahnemann: Seit 14 Tagen, sehr starkeStiche bei jedem Atemzug, außer nachts, wenn sie schläft. Ihre Men-struation verfrüht sich um einige Tage, die letzte am 7. Juni. Melanie: Seit 20 Monaten starkes Jucken am After, krisenweise, mitBrennen – der harte Stuhl verursacht Schmerzen und Blut – blasseGesichtsfarbe – seit der letzten Entbindung vor 3 Jahren, hat sie 2 malreines Blut ausgeworfen – beim zweiten Mal 8 Blutegel – seit man ihram After Blutegel angesetzt hat, spürt sie dieses Jucken an dieserStelle – wenn die Menstruation bevorsteht, ist das Jucken viel stärkerund wenn sie zu Stuhl geht – seit 3 Tagen schlechter Geschmack nachGalle im Mund – schläft nachts, aber beunruhigt – seit der Grippe,hustet sie ein wenig bei einem Stich, seit 14 Tagen, seit diesem Seiten-stechen. Sie glaubt Fieber zu haben, Puls schnell und ruckweiseTranspiration – seit sie das Seitenstechen verspürt starker Durst. Hahnemann trägt weiter ein mit Vermerk auf die vorhergehendeEintragung des harten Stuhls mit Blut und Schmerzen: Sie vermeidetdas, indem sie jeden Tag einen Einlauf nimmt, das läßt sie jeden Tagzu Stuhl gehen, aber wenig, ohne Blut, viel Durst, trinkt Kaffee – sollihn aussetzen. Kaffee hat in seiner Erstwirkung Stuhldrang, folglich inder Nachwirkung verminderten Stuhlgang. 70

Zur Analyse müssen erst einmal die Zeichen des Falles zusammen ge-stellt werden, aus denen dann die Zeichenkombinationen bestimmtwerden.Zeichen (akut)1. Stechen2. Lebergegend (Seitenstechen rechts)3. Atmen (Stiche „am Atem holen hindert“)4. Husten (auch ein Stich beim Husten)5. Schweiß anfallsartig (ruckweise Transpiration)6. Durst7. Gesichtsblässe8. Gallegeschmack9. schneller PulsZeichen (chronisch)Jucken (am After)Brennen (am After)After (Jucken und Brennen)Stuhl hartMenses (verfrüht)Die Zeichen werden von oben nach unten kombiniert, sofern die Kom-bination einen Sinn ergibt und auf den Fall passt.Zeichenkombinationen (akut):Stechen + LebergegendStechen + AtmenStechen + HustenStechen mit Schweiß und den anderen Zeichen ergibt keinen Sinn.Lebergegend + AtmenLebergegend + Husten 71

Alle weiteren Kombinationen mit Lebergegend ergeben keinen Sinn.Atem ist bereits kombiniert, alle weiteren Kombinationen ergeben kei-nen Sinn. Ebenso Husten, der bereits kombiniert ist. Es gibt keinenSchweiß beim Husten, keine Gesichtsblässe beim Husten usw.Schweiß + anfallsartigAlle weiteren Kombinationen mit Schweiß ergeben keinen Sinn.Die Zeichen Durst, Gesichtsblässe, Gallegeschmack und schnellerPuls liegen allein vor, ohne Verbindung mit anderen Zeichen. Es gibtnicht „Durst mit Gesichtsblässe“ oder Durst mit Gallegeschmack, dassind unabhängige einzelne Krankheitssymptome. Und die akutenZeichen haben auch keine Verbindung zu den chronischen. Es gibtnicht „Stechen mit Jucken“ für das Stechen in der Lebergegend unddas Jucken am After. Oder Durst mit hartem Stuhl, Gallegeschmackmit Jucken am After usw.Zeichenkombinationen (chronisch):Jucken + BrennenJucken + AfterJucken + StuhlJucken + MensesBrennen + AfterBrennen + StuhlBrennen mit Menses liegt nicht vor, es juckt vor der Menses.After + Stuhl hartAfter + MensesMenses zu früh 72

Die Zeichenkombinationen werden mit dem Symptomenlexikonzusammen gestellt, aber es können nur 10 in die Auswertung übernom-men werden, so dass eine Auswahl getroffen werden muss. Selbst-verständlich werden nicht charakteristische, für die es keine signifikan-ten Arzneien gibt, nicht übernommen. Und das Symptom ruheloserSchlaf wird nicht übernommen, weil es keine Zeichenkombinationen istund im Prinzip alle Arzneien dafür signifikant sind (Organon §153).Diese Einzelzeichen nehmen nur Platz in Anspruch, führen aber beider Arzneiwahl nicht weiter. Die Fiebersymptome wurden übernommenund das ergibt eine Analyse der Gesamtheit der akuten Symptome. 73

Hahnemann DF 5, Alary 1. Auswertung1 Husten - Stechen 6 •Gesichtsblässe2 Atmen < - Stechen 7 Fieber - Durst mit3 Geschmackssinn - Bitter 8 Schweiß - Durst mit4 Schweiß - Anfallsartig 95 •Lebergegend - Stechen 10 12 3 4567 8 9 10 11 7/8SULPH 9 7 7 2 5 54 3 7/8 4 7/8SEP 9 7 22 3 6 64 2 7/7 15 6/8CALC 3 11 6 4 7 43 1 6/7 9 5/8PULS 3 3 9 4 64 3 5/8 10 5/7CHIN 2 11 3 1 3 74 4 5/6 6 5/6KALI-C 3 7 7 4 12 11 1 5/6 3 5/5LYC 3 9 8 1 3 10 1 1 4/7 4 4/7PHOS 5 3 5 3 2 10 2 2 4/6 2 4/6ARS 5 4 3 1 11 3 1 4/6 4 4/6MAG-M 1 3 6 35 8 4/5 4/4ALUM 3 4 3 144 4/4 3 3/8RHUS-T 3 3 3 23 3 3/8 4 3/8ZINC 4 8 10 56 3/7 1 3/7NAT-C 2 6 5 136 2 3/7CON 3 3 4 21 1SIL 6 2 1 54CAUST 2 7 353ANAC 1 7 24 3NAT-M 3 1 3 32MAG-C 1 3 57LAUR 7 3 12 3CHAM 3 34BELL 2 3 2 1 10 1 2NUX-V 2 6 5 1 22 1CARB-V 2 5 1 1 41 1MERC 2 8 115 1PLUMB 6 2 8 91 1CANTH 2 4 1 2 11 1 74

Hahnemann DF 5, Alary 2. Auswertung1 Husten - Stechen 6 •After - Jucken2 Atmen < - Stechen 7 •After - Brennen3 Geschmackssinn - Bitter 8 Jucken - Brennen4 •Lebergegend - Stechen 9 •Menses früh5 •Gesichtsblässe 10 •Stuhl hart - •After 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10ALUM 3 4 6 4 4 5 4 11 3 3 10 / 10KALI-C 3 7 6 12 11 4 9 9 6 1 9 / 10SULPH 9 7 11 5 5 2 8 12 5 2 8 / 10CALC 3 11 4 7 4 2 6 16 4 1 8 / 10NAT-C 2 6 8 3 6 2 9 7 3 3 8 / 10PHOS 5 3 9 2 10 4 4 5 5 2 8 / 10ZINC 4 8 3 5 6 6 6 4 2 1 8 / 10MAG-C 1 3 6 5 7 7 7 11 5 8 / 9LYC 3 9 9 3 10 5 1 6 4 8/9SEP 9 7 7 6 6 2 3 3 7 8/9NAT-M 3 4 3 3 3 5 4 7 2 8/9NIT-AC 8 4 5 1 2 2 4 7 6 1 6 / 10CARB-V 2 5 4 1 4 5 10 5 2 2 6 / 10MAG-M 1 3 3 3 5 2 10 9 2 2 6 / 10ARS 5 4 10 11 2 8 9 2 1 6 / 9NUX-V 2 6 3 1 2 5 5 12 6 6/9CANTH 2 4 5 2 11 3 5 4 1 6/9CAUST 2 7 2 5 3 4 4 7 1 6/9SIL 6 5 1 5 2 5 3 3 1 6 / 9GRAPH 2 5 3 5 3 3 5 2 1 6/9CHIN 2 11 15 3 7 2 5 6 6/8LACH 5 3 2 4 34 7 1 6/8LAUR 7 12 3 5 7 3 1 6/7MERC 2 8 10 1 5 1 6 9 1 5/9BRY 4 6 5 1 1 2 10 4 5/8BELL 2 3 3 1 10 4 13 5/8CARB- 2 352 1 343 5/8 AN 3 3 22 6 51 5/6 PULS 75

Die vermeintlich akute Krankheit ist das Stechen in der Leberge-gend beim Atmen und Husten, Fieber mit Durst, anfallsartigerSchweiß, Gesichtsblässe und bitterer Mundgeschmack. Würde mandas als „grippalen Infekt“ ansehen und nur diese Symptome auswer-ten, wären Sulph und Sep die am besten passenden Arzneien, zwi-schen denen eine klare Unterscheidung nicht möglich ist (1. Auswer-tung). Nach Hahnemanns Psoralehre handelt es sich aber um einechronische Krankheit und alle Symptome der Patientin, akute und chro-nische, gehören zu ein und derselben Krankheit Psora. Dafür musseine passende Arznei gefunden werden und jetzt passt Sulph besserals Sep. Alumina steht zwar in der Auswertung an erster Stelle, passtaber nicht besser als Sulphur. Für Afterbeschwerden bei hartem Stuhlhat Sulph nur 2 Symptome, aber das ist kein wirklicher Unterschied zuAlumina, denn es gibt keine plötzliche Trennung zwischen charakteristisch ab 3 Symptomen und nicht charakteristisch mit 2 Symptomen.3 Symptome sind nur etwas wahrscheinlicher, als 2 Symptome. Beidem Afterjucken gibt es einen Unterschied zwischen den 5 Sympto-men Aluminas und den 2 Symptomen Sulphurs und hier passt Alumbesser, aber für Stechen beim Husten passt wieder Sulph besser. UndAlum passt im Gegensatz zu Sulph nicht auf die Fiebersymptomatik(siehe 1. Auswertung), die nur aus Platzgründen nicht in die 2. Auswer-tung aufgenommen werden konnte. Sepia hat zwar auch hochsignifi-kant 9 Symptome für Stechen beim Husten und Sepia passt auch aufdie Fiebersymptomatik (1. Auswertung), aber Sep hat nicht die Afterbe-schwerden bei hartem Stuhl und das Jucken mit Brennen nur schwachsignifikant, während Sulph mit 12 Symptomen hochsignifikant ist. Wie auch immer die Auswertung zusammengestellt wird, beispiels-weise indem die Gesichtsblässe weggelassen wird, weil dafür fast alleArzneien infrage kommen, und auch die frühe Menses, weil sie viel-leicht mit der Krankheit direkt nichts zu tun hat, Sulph bleibt die ambesten passende Arznei, weil das Simile im Vergleich mit allen ande- 76

ren Arzneien bestimmt wird. Und da spielt es keine Rolle, ob Sulph inder Auswertung an erster Stelle steht oder nicht. Die Signifikanzen derinfrage kommenden Mittel bringen die Entscheidung, nicht der Rang inder Auswertung. Aber die Signifikanzen sind relativ. Der Unterschiedbei „Stuhl hart + After“ (Spalte 10) ist ein anderer als bei „Husten +Stechen“ (Spalte 1). Für Stechen beim Husten gibt es mit 9 Sympto-men hochsignifikante Arzneien, die es bei den Afterbeschwerden nichtgibt. Hier ist die höchste Signifikanz 5 Symptome und das ist ein ganzanderes Verhältnis zu 2 Symptomen (Sulph), als 9 Symptome (Sulph)zu den 3 Symptomen (Alum). Nat-c hat mit 3 Afterbeschwerden bei har-tem Stuhl nur 1 Symptom mehr als Sulph, so dass hier die 2 Sympto-me von Sulph nicht viel unsicherer sind. Aber bei den 2 SymptomenStechen beim Husten von Nat-c gegenüber den 9 Symptomen vonSulph beträgt der Unterschied 7 Symptome, während es beim hartenStuhl nur 1 Symptom ist. 2 Symptome in Spalte 1 sind nicht vergleichbar mit 2 Symptomen inSpalte 10. Für Stechen beim Husten (Spalte 1) sind 2 Symptome garnichts, für Afterbeschwerden bei hartem Stuhl (Spalte 10) sind 2 Sym-ptome durchaus eine Konkurrenz zu 3 Symptomen. 3 Symptome ju-ckendes Brennen (Sepia Spalte 8) sind im Vergleich zu den 12 Symp-tomen nichts, während 3 Symptome bei Afterbeschwerden mit hartemStuhl fast an der Spitze stehen, weil es nicht viel Besseres gibt. Deswe-gen passt Alum hier mit 3 Symptomen nicht viel besser als Sulph, aberAlum passt mit 3 Symptomen in Spalte 1 sehr viel schlechter als Sulphmit 9 Symptomen. Aber 1 Symptom ist immer unsicher, weil man nichtweiß, ob es von der Arznei stammt. Ein Symptom ist im Prinzip nichtmehr als kein Symptom. Kein Symptom bedeutet, die Arznei hat esnicht hervorgebracht, aber 1 Symptom bedeutet nicht die Arznei hat eshervorgebracht. Sicher hervorgebracht hat eine Arznei eine Wirkungnur, wenn sie signifikant ist. Hahnemann hat Sulphur gegeben. 77

Hahnemann DF 5, Alary 3. Auswertung1 Husten - Stechen 6 •After - Brennen2 Atmen < - Stechen 7 Jucken - Brennen3 Geschmackssinn - Bitter 8 •Stuhl hart - •After4 •Lebergegend - Stechen 9 Fieber - Durst mit5 •After - Jucken 10 Schweiß - Durst mit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10SULPH 9 7 11 5 2 8 12 2 4 3 8 / 10ALUM 3 4 6 4 5 4 11 3 8/8CALC 3 11 4 7 2 6 16 1 3 1 7 / 10KALI-C 3 7 6 12 4 9 9 1 1 7/9CHIN 2 11 15 3 2 5 6 4 4 7/9SEP 9 7 7 6 2 3 3 4 2 7/9ZINC 4 8 3 5 6 6 4 1 7/8PHOS 5 3 9 2 4 4 5 2 2 2 6 / 10ARS 5 4 10 2 8 9 1 3 1 6/9MAG-M 1 3 3 3 2 10 9 2 8 6/9NAT-C 2 6 8 3 2 9 7 3 2 6/9LYC 3 9 9 3 5 1 6 1 1 6/9NAT-M 3 4 3 3 54 2 2 6/8MAG-C 1 3 6 5 77 5 6/7RHUS-T 3 3 7 1 10 3 3 6 / 7PULS 3 3 22 5 4 3 6/6CARB-V 2 5 4 1 5 10 5 2 1 1 5 / 10NUX-V 2 6 3 1 5 5 12 2 1 5/9NIT-AC 8 4 5 1 2 4 7 1 1 5/9GRAPH 2 5 3 3 3 5 1 1 1 5/9SIL 6 5 1 2 5 3 1 4 5/8LACH 5 3 2 3 47 2 1 5/8CAUST 2 7 2 5 4 4 7 5/7MERC 2 8 10 1 1 6 9 1 1 4/9AM-M 2 1 3 1 1 3 5 1 3 4/9CON 3 3 4 4 2 1 2 1 1 4/9BRY 4 6 5 1 2 10 1 1 4/8STANN 3 10 7 1 13 1 1 4/8 78

16. Juni besser - sie hat eine Anhäufung von weißen Würmern aus-geschieden - nachdem sie Sulph eingenommen hatte - sie spürte einKribbeln und eine Verstimmung im Oberbauch, und seitdem fühlt siesich in diesem Teil befreit, damit verging gleichzeitig der abscheulicheGeschmack im Mund - Schmerzen von einer wunden Stelle über derHüfte in der Lebergegend - Seitenstechen - noch immer Durst tags-über - immer noch Jucken am After - schläft sehr gut jetzt - Hahne-mann notiert weiter: ein wenig gehustet, die Menstruation ist gestern,am 15., ein wenig wiedergekommen. Hat auf den Kaffee verzichtet.Fortfahren. Sulphur wird beibehalten. Nach Sulphur waren Würmer abgegangen und der Patientin ging esdeutlich besser. Der Husten war besser („hat wenig gehustet“), dieBeschwerden im rechten Oberbauch gingen zurück („fühlt sich indiesem Teil befreit“), es war nur noch ein leichter Wundheitsschmerzvorhanden, und der gallige Mundgeschmack war auch vergangen. VonFieber und Schweiß ist keine Rede mehr. Vielleicht vergehen dieletzten Beschwerden auch noch? Hahnemann bleibt bei Sulphur. Am 5. Juli notiert Melanie: „Verstopfung – aber sie hat beim Stuhl-gang weniger Schmerzen. Jucken am After – sehr stark – besser, sehrpositiv – ein wenig Husten und Beklemmung – besonders abends –sie hatte eine Sehkraftschwäche und gegenwärtig sieht sie viel besser– morgens Gallegeschmack – viel weniger Durst.“ Hahnemannschreibt dazu: „Kein Seitenstechen mehr, soll die Einläufe vermeiden.“ Die Verstopfung besteht weiter, Jucken am After, das sehr stark war,ist vergangen („besser, sehr positiv“), es ist noch ein wenig Hustengeblieben, aber ohne Seitenstechen und morgens noch Gallege-schmack, aber weniger Durst. Und eine Sehschwäche hat sich gebes-sert. Die Beschwerden gehen deutlich zurück, die Patientin ist auf demWeg der Besserung. Sulphur wird in der C24 gegeben, danach gibt esim Krankenjournal keinen Eintrag mehr. 79

In Hahnemanns Krankenjournale gibt es keine Einträge, wenn einFall abgeschlossen war. Manchmal ist der Name des Patienten ver-zeichnet, aber ohne jeglichen Eintrag. Hahnemann hatte so gut wie nieim Krankenjournal vermerkt, dass keine Beschwerden mehr vorhan-den waren, wenn die Behandlung abgeschlossen war, denn welcheSymptome hätte er notieren sollen? Nach Sulphur waren Würmer abgegangen, es handelte sich alsoum die chronische Krankheit Psora, über die Hahnemann im Organonsagt: „Einen Anschein von Nothwendigkeit hat die Auspurgirung derWürmer bei so genannten Wurmkrankheiten. Aber auch dieser An-schein ist falsch. Einige wenige Spulwürmer findet man vielleicht beimehren Kindern, bei nicht wenigen auch einige Madenwürmer. Aberalle diese, so wie eine Uebermenge von einer oder der andern Artrühren stets von einem allgemeinen Siechthume (dem psorischen) her,gepaart mit ungesunder Lebensart. Man bessere letztere und heiledas psorische Siechthum homöopathisch, was in diesem Alter amleichtesten Hülfe annimmt, so bleiben keine dieser Würmer übrig, unddie Kinder, wenn sie auf diese Art gesund geworden sind, werden nichtmehr davon belästigt, während sie sich nach bloßen Purganzen, selbstmit Cinasamen verbunden, doch bald wieder in Menge erzeugen.“ Alum ist mit 5 Symptomen charakteristisch für Jucken am After, imGegensatz zu Sulph mit 2 Symptomen. Dieses Jucken kann aberdurch die Würmer hervorgerufen werden. Wenn Hahnemann denWurmbefall aufgrund der Symptomatik (Gesichtsblässe usw.) gleich er-kannt hat, wird er das Jucken nicht genommen haben, denn es ist keinKrankheitssymptom. Für eine homöopathische Arzneiwahl sind medizi-nische Kenntnisse erforderlich. 80

ANTON ROHRERSupplement AlaryEs handelt sich um ein akutes und chronisches Krankheitsbild. Es dürf-te sich um eine Tuberkulose handeln („zweimal reines Blut ausgewor-fen“), zusätzlich Hämorrhoidenblutungen und Spulwurmbefall. Dieakuten Beschwerden (Fieber, Stechen beim Atmen) lassen entwederauf eine Pleuritis, Cholezystitis oder einen subphrenischen Abszessschließen. Welche schwere Erkrankung es auch immer war, sie wurdevon Hahnemann erfolgreich geheilt. 81

UWE PLATELelievreHahnemann: Ernest Lelievre (30 Jahre), 3 Kinder, das jüngste ist7 Jahre. Hat beinahe jedes Frühjahr, wenn die trockene Kälte vorüber wareinen Husten mit Auswurf – ausgenommen letztes Jahr, als sie einengroßen Schmerz an der rechten Wange hatte, mit Fieber. Dieses Jahr fing der Husten am 5. Feb. wieder an, nach 6 Wochenwar der Husten beinahe vergangen – aber sie erkältete sich, weil siesich 5 Stunden ununterbrochen in der Kälte aufhielt, (vor drei Tagenhatte sie unterwegs wieder schmerzen an der Wange, während sieschlief, verging der Schmerz) nun beinahe jeden Tag Fieber – mor-gens fühlt sie sich wie zerschlagen und abends, um 4,5 Uhr ein leich-ter Schüttelfrost im Rücken, dann allgemeine Hitze, legt sich beson-ders auf die Augenlider, die ihr einige Stunden brennen, dann hustetsie mehr und ist beklemmter. Gegenwärtig sehr kurzatmig. Seit 3,4Tagen hört das Fieber unterwegs auf. Morgens und abends Kitzeln imRachen, dann muss sie mehr husten, hat Geräusche in der Brust(abends hört sich dieses Geräusch wie das Ticken einer Uhr an). Dannund wann in den 6 Wochen war es ein Pfeifen von dem sie hustenmusste. Das Pfeifen ist linksseitig auf Brusthöhe. Jede Nacht hat sieam Oberkörper Transpiration, sogar Schweiß, seit sie eine Flanellwe-ste auf der Haut trägt (vor diesem Flanell musste sie nie schwitzen). Hustenanfälle nachts sehr wenig, 2.3 mal – aber tagsüber, je mehrsie spricht, desto mehr hustet sie – der Auswurf ist reichlich, beson-ders morgens. Niemals Hautausschlag – augenblicklich Verstopfung,sie hat manchmal 4 oder 5 Tage keinen Stuhlgang, dann ist der Stuhleinige Tage ziemlich gut, niemals Durchfall. 82

Melanie: Vor 2 Monaten hatte sie einmal Durchfall gehabt. WenigerAppetit und Ekel vor milder Nahrung, wie Milch und Eier, sie mochtesie früher – zerreißender Schmerz, wenn sie hustet oder ausspuckenwollte – hielt zwei Tage an, (nichts Neues, sie hat das schon mehrereMale gehabt) dieser Schmerz vermindert sich durch Druck – seitlangem war sie an der Lunge beengt, wenn sie auf der linken Seite lag– das hat sie jetzt nicht mehr. Hahnemann: Nach der Menstruation dauert der weiße Fluss einigeTage an. Seit diesen 6 Wochen fast jeden Tag grundloses Weinen. Melanie: Sei den letzten 3 Monaten verzögerte sich die Menstruati-on und brachte weniger Blut hervor. Menstruation am 24. MaiHahnemann gibt Sulphur. Die Frau hat seit Jahren immer im Frühjahr eine Bronchitis, diesesJahr bekam sie durch eine „Erkältung“ einen Rückfall des bereits aus-geheilten Hustens. Fieber und Schüttelfrost, mit anschließender Hitze.Während der Hitze brennen die Augen. Sie hat Nachtschweiß, abermöglicherweise wegen der zu warmen Flanellweste. Aus den Aufzeich-nungen geht nicht hervor, ob die Weste nachts getragen wird. „Husten mit Auswurf, nachts kaum.“ Deswegen hustet sie den ange-sammelten Schleim tagsüber aus, besonders reichlich morgens. Dabeiist sie „beklemmt“. Wir wissen nicht, was Hahnemann darunter verstan-den hat? Wahrscheinlich hat sie durch den Schleim in den Bronchieneine Art Druck und der Schleim verursacht Atemgeräusche und Kurzat-migkeit. Sprechen verschlimmert den Husten. Sie hat eine Obstipation und Weißfluss nach der Menses. DieMenses ist verzögert und schwach. Nach Hahnemanns Psoratheorie sind die jährlichen Bronchitidenkeine akuten Krankheiten, sondern Manifestationen der chronischenKrankheit Psora. Zur Psora gehört aber auch die Obstipation, der 83

Weißfluss und die schwache, verzögerte Menses Diese Symptomemüssen (nach Hahnemann) folglich in die Arzneiwahl einbezogenwerden. Fieber: Die Kälte im Rücken sollte über die Kombination der Rubri-ken Kälte aller Art + Rücken gewählt werden, weil aus den Prüfungs-symptomen nicht immer eindeutig hervorgeht, ob eine „Kälte imRücken“ zu Kälte einzelner Teile gehört (wie z.B. kalte Füße) oder zumallgemeinen Frieren. In der Rubrik „Kälte aller Art“ sind sämtliche Kälte-symptome aufgeführt, egal ob es eine örtliche Kälte ist oder eine allge-meine. Dazu die Rubrik Schüttelfrost sowie Augen + Brennen für dasBrennen in den Augen. Ob ein Nachtschweiß vorliegt, ist wegen derFlanellweste nicht sicher. Husten: Hier stellt sich die Frage, ob „Husten mit Auswurf“ odermorgendlicher Auswurf genommen werden kann? Ist Hustenauswurfein pathologisch anatomisches Symptom? Wie sollte bei einer Arznei-prüfung an gesunden Prüfern ein Hustenauswurf entstehen? Und wasist ein Auswurf bei Prüfungen an Kranken? Wenn eine Prüfarznei beieinem Patienten einen Auswurf hervorgebracht hat, war das einPrüfungssymptom oder vielleicht eine Besserung des festsitzendenSchleims? Viele Homöopathen benutzen Auswurfsymptome für dieArzneiwahl, fragen sich aber nicht, ob und wie sie in Arzneiprüfungenhervorgerufen werden können. Solange wir darauf keine Antwort ha-ben, sollten Auswurfsymptome sicherheitshalber als unsichere patholo-gisch anatomische Symptome angesehen und mit entsprechenderVorsicht benutzt werden und dazu gehören eigentlich auch die Atemge-räusche. Kurzatmigkeit ist gut, aber die Rubrik „Atemnot“ allein führtnicht weiter. Und wenn Atemgeräusche keine funktionellen Störungensind (Schleim in den Bronchien), ist auch „Atemgeräusche + Atemnot“unsicher. 84

In die Auswertung wurden nur Zeichenkombinationen übernommen,für die es auch signifikante Arzneien gibt. Sulph passt am besten, aberPhos und Alum müssen auch studiert werden. Die anderen Arzneienhaben zu wenig Signifikanzen um eine Konkurrenz zu sein, diese Mit-tel müssen nicht mehr studiert werden. Auch die Kollektaneen gebenwie jedes Repertorium nur Hinweise auf die zu studierenden Arzneien. 85

Hahnemann DF 5, Lelievre1 Kälte aller Art - Rücken 6 Druck > - Reißen2 ••Kälte Schüttelfrost 7 Husten - Reißen3 Augen - Brennen 8 •Menses spät4 Nacht < - Schweiß 9 •Menses schwach5 Morgen < - Zerschlagenheit 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10SULPH 11 8 16 13 3 4 2 4 2 7/9PHOS 4 11 10 13 3 4 1 4 1 7/9ALUM 3 5 11 3 2 3 3 1 5 7/9MAG-C 2 3 10 5 3 1 45 6/8KALI-C 2 3 9 11 2 4 1 3 2 5/9MAG-M 1 4 9 10 4 7 21 5/8CAUST 7 3 7 10 2 13 5/7KALI-N 3 5 10 9 3 2 1 5/7LYC 5 4 7 6 1 51 5/7NUX-V 7 5 4 12 7 2 5/6SEP 3 2 7 10 1 1 1 3 1 4/9RHUS-T 3 4 6 16 1 1 1 1 4/8SIL 5 3 3 15 2 1 11 4/8NAT-C 1 3 8 4 3 2 21 4/8CHIN 4 13 1 6 3 1 1 4/7PULS 8 3 4 9 2 1 2 4 / 7ZINC 1 3 7 4 3 1 1 4/7KREOS 5 4 3 3 1 11 4/7AGAR 1 5 5 5 3 4/5DIG 4 34 31 4/5ARS 3383 4/4NAT-M 6 1 5 9 2 1 2 1 2 3/9CARB- 2 2 4 9 1 3 11 3/8IGANN 2 3 2 5 4 3/8 111CALC 5 2 6 8 1 1 2 3/7BOV 1 3 2 3 3 21 3/7MERC 1 5 7 12 2 1 3/6CANTH 2 9 3 5 1 1 3/6 86

Hahnemann DF 5, Lelievre 21 Kälte aller Art - Rücken 6 Druck > - Reißen2 ••Kälte Schüttelfrost 7 Husten - Reißen3 Augen - Brennen 8 •Menses spät4 Nacht < - Schweiß 9 •Menses schwach5 Morgen < - Zerschlagenheit 10 Morgen < - •Husten m. Auswurf 12 3 4 5 6 7 8 9 10 3ALUM 3 5 11 13 2 3 3 1 5 3 8 / 10 13SULPH 11 8 16 5 3 4 2 4 2 1 7 / 10 6PHOS 4 11 10 12 3 4 1 4 1 2 7 / 10 11MAG-C 2 3 10 15 31 4 5 1 6/9 10LYC 5 4 7 9 1 5 1 3 6/8 10NUX-V 7 5 4 10 7 2 3 6/7 16KALI-C 2 3 9 4 2 4 1 3 2 1 5 / 10 8SIL 5 3 3 9 21 1 1 3 5/9 4MAG-M 1 4 9 3 47 21 5/8 6KALI-N 3 5 10 6 3 2 1 1 5/8 4CAUST 7 3 7 5 2 13 5/7 8SEP 3 2 7 9 1 1 1 3 1 2 4 / 10 9RHUS-T 3 4 6 5 1 11 1 2 4/9 3NAT-C 1 3 8 16 32 2 1 1 4/9CALC 5 2 6 1 12 5 4/8PULS 8 3 4 2 1 2 2 4/8ZINC 1 3 7 3 1 1 1 4/8KREOS 5 4 3 1 1 1 1 4/8CHIN 4 13 1 3 11 4/7AM-C 1 3 1 4 1 3 4/7DIG 4 3 31 1 4/6AGAR 1 5 5 3 4/5ARS 33 3 4/4NAT-M 6 1 5 2 1 2 1 2 1 3 / 10CARB- 2 2 4 13 1 1 2 3/9 IGANN 2 3 2 4 1 1 1 3/8BOV 1 3 2 3 21 3/7BELL 4 2 4 1 2 3/6 87

Wird das pathologisch anatomische Symptom morgens Husten mitAuswurf in die Auswertung übernommen, kommen Sulph und Alum indie engere Wahl. Sulph passt besser für die späte Menses (Spalte 8)und Alum für die schwache Menses (Spalte 9). Alum passt mit 3 Sym-ptomen nicht besser für Reißen beim Husten als Sulph mit 2, denn dasist nur ein Unterschied von einem Symptom, genauso wie die Zerschla-genheit bei Sulph mit 3 Symptomen nicht besser ist als bei Alum mit2 Symptomen. Aber Sulph ist für Kälte im Rücken mit 11 Symptomengegenüber Alum hochsignifikant (Spalte 1). Jetzt müssen die Sympto-me verglichen werden und da könnte man sicherheitshalber auch nochPhos studieren. Phos und Alum haben je 3 Symptome Kälte im Rücken und Sulphhat mit 7 Symptomen mehr als doppelt so viele. Dazu kommt noch derNachtschweiß, für den Sulph im Gegensatz zu Alum hochsignifikantist. Das wäre ein zusätzlicher Sicherheitsaspekt, falls die Flanellwestedoch nicht für den Nachtschweiß verantwortlich ist. Wobei Alum auchnur in Konkurrenz mit Sulph kommt, wenn das unsichere pathologischanatomische Symptom morgendlicher Auswurf hinzugenommen wird,für den Alum besser passt als Sulph. Allerdings hat die Patientin „vielAuswurf, besonders morgens“. Es ist also nicht nur ein morgendlicherAuswurf. Und für Husten mit Auswurf passt Sulph mit 9 Symptomenwieder genauso gut wie Alum mit 8 Symptomen. Der pathologisch ana-tomische morgendliche Auswurf führt hier letztlich nicht weiter. Alum und Sulph passen auf alle Zeichenkombinationen gleich gutund eine Hierarchie, ob die schwache Menses wichtiger ist als die spä-te Menses, kann nicht aufgestellt werden. Aber Sulph ist für die Kälteim Rücken hochsignifikant und das ist der Unterschied zu Alum. 88

Studium der Arzneimittellehre 89

Man könnte spekulieren, dass Sulph mit 1969 Prüfungssymptomenrund 800 Symptome mehr hat als Alum mit 1161 und Alum bei weite-ren 800 Prüfungssymptomen noch mehr Kälte im Rücken hervorbrin-gen würde, aber das wäre reine Spekulation. Denn wir wissen nicht,was eine Arznei hervorbringen würde. Phos hatte auch einmal 1100Prüfungssymptome und vielleicht ein Symptom mit Kälte im Rücken.Heute hat Phos mit 1915 Prüfungssymptomen so viele wie Sulph, aberPhos hat nur 3 Kältesymptome im Rücken. Da ist nichts hinzugekom-men. Und Kali-c hat mit 1650 Prüfungssymptomen immerhin rund 500mehr als Alum, aber auch Kali-c hat nur 2 Symptome Kälte im Rücken.Die 500 Symptome haben hier nichts mehr hervorgerufen. Solche statistischen Spekulationen führen nicht weiter und sindalles andere als eine Arzneiwahl nach deutlich einzusehenden Grün-den. Wir können uns bei der Arzneiwahl nur auf das verlassen, was wirin der Arzneimittelehre haben. Und es ist auffallend, dass Sulph 8Symptome Kälte im Rücken hat und Phos nur 3, obwohl Phos so vielePrüfungssymptome hat wie Sulph. Soll das „Zufall“ sein? 90

ANTON ROHRERSupplement LelievreHahnemann notiert: „Seit diesen 6 Wochen fast jeden Tag grundlosesWeinen“. Er schreibt im §211 Organon, dass der Gemütszustand desKranken „oft am meisten den Ausschlag gibt“ und dass dieser Gemüts-zustand dem „genau beobachtenden Arzte am wenigsten verborgenbleiben kann“. Auch in seinen beiden Beispielfällen, die Hahnemann inder Vorerinnerung zu RAML Band 2 publiziert, wird der Gemütszu-stand beschrieben: Frau Sch., die Lohnwäscherin im Beispielfall 1, istvon „heftigem, zu Zorn geneigtem Gemüte“. In der Arzneibegründungführt er aus: „Eins der Hauptsymptome bei Krankheiten (s. Org.d.H.§ 210) ist die „Gemüthsbeschaffenheit“ und da Zaunrebe [Bryonia]auch dieses Symptom in voller Ähnlichkeit vor sich erzeugt“. Der amSchreibtisch beschäftigte Herr W-e im Beispielfall 2 ist von „milder,sanfter, duldender Gemütsart“. Er wird durch Pulsatilla geheilt,„welchen ... diese ... Pflanze ausgezeichnet verlangt“, wie Hahnemannbegründet. Der Gemütszustand ist also etwas, das dem „genau beobachtendenArzte am wenigsten verborgen bleiben kann“. Beim Lesen heutigerAnamnesen hat man dagegen oft den Eindruck, man bräuchte einepsychotherapeutische Zusatzausbildung um den Gemütszustand erfas-sen zu können. Hahnemann hat unter „Gemütszustand“ etwas ande-res gemeint als heute darunter verstanden wird. Hahnemann meintdamit, was Bönninghausen als Gemütsverfassung im Taschenbuchanführt: Angst, Gereiztheit, Gleichgültigkeit, Misstrauen, Hoffnungslo-sigkeit, Traurigkeit, etc. Das sind allgemeine Stimmungen und diesekönnen wirklich leicht vom Arzt beobachtet werden. 91

Im Kentschen Repertorium dagegen werden Rubriken für ganz spe-zifische Geist-Gemütssymptome zusammengestellt. Angst als Stim-mungszustand wird bei Kent zu Furcht vor Dunkelheit, Furcht vorGespenstern, Angst im Freien, Angst beim Gehen, vor dem Schlaf, imLiegen, vor Stuhlgang, etc. Weinerliche Stimmung wird zu Weinen beiKopfschmerzen, beim Essen, im Zimmer, etc. Die Neigung zu Phanta-sieren wird in ganz spezifische Wahnideen aufgesplittert, weil dasAuffallende, Sonderliche (Charakteristische), das Hahnemann im §153nennt, bei Kent als absonderlich und seltsam interpretiert wird, das esgilt in der Anamnese herauszufinden (Originalton Künzli: „was einenfrappiert“), so versucht man in der Anamnese auch das absonderliche,seltsame Geistes- und Gemütssymptom zu finden, das dann als wich-tigstes unter den wahlanzeigenden Symptomen gilt. Im KentschenRepertorium werden ganz spezifische Gemüts-Symptome aufgesucht,im Unterschied zu Hahnemann, der allgemeine Gemüts-Zuständemeint. Unter dem Diktat, dass die Gemütssymptome für die Arzneiwahl diewichtigsten sind, wird in der Anamnese oft krampfhaft nach Sympto-men geforscht und oft nicht zwischen gesund und krank unterschie-den. So schreibt W. Klunker in der Fallanalyse über eine Patientin:„... unserer Patientin fehlen keineswegs individuelle Züge seelischenVerhaltens, die sie mehr oder weniger mit vielen anderen gesundenMitmenschen teilt und die sich ebenso psychologisch beschreibenlassen, wie sie pathologisch ohne Bedeutung sind. Sie ärgert sichschnell und braust leicht auf. Auch weint sie „etwas zu schnell“. Wasist daran krankhaft? Und wenn daran nichts Krankhaftes ist, kann esdann Symptom im Sinne der Homöopathie sein, wo Symptom wesens-mäßig das Kranke des Patienten selbst bedeutet? ... Es ist eine Verfeh-lung der Grenze zwischen gesund und krank, wenn heute unter demEinfluss der Psychowelle das dem Patienten „Egosyntone“ (Meeuwis)zum wahlanzeigenden Symptom gemacht wird und die Materia medica 92

durch Einbezug zwar individuellen, aber normalen Verhaltens aufge-bläht wird. Solche Charakterzüge des normalen Lebens dürfen nichtals wahlanzeigende Symptome verwendet werden. ... Auf die Unkennt-nis dieser elementaren Grundsätze der Homöopathie gehen in der Tatviele falsche Verordnungen zurück, die man dann mit immer neuentheoretischen Entgrenzungen der Homöopathie kompensieren möch-te. Eine gesunde Homöopathie kann sich an die schlicht sich aufdrän-genden, ausweisbaren krankhaften Symptome halten, die der direkteWeg zum Mittel sind ... Die wahlanzeigenden Symptome dürfen nichtmit unsicheren Nebensymptomen gemischt werden. Heute besteht dieGefahr einer psychologisierenden Verkennung von gesunden seeli-schen Lebensäußerungen als Symptome“ (Will Klunker, Lektionen fürAnfänger. ZKH 38/1994 S. 203-5). Jetzt, mehr als 20 Jahre später, giltdas von Klunker Geschriebene mehr denn je. 93

UWE PLATEBurlandZu den schwierigsten Fällen in der Homöopathie gehört naturgemäßdie Behandlung von Kleinkindern. Sie haben dieselben Empfindungenund Schmerzen wie Erwachsene, können sie aber nicht benennen undda liegt das Problem. Diese Fälle sind deswegen fast immer sympto-menarm und wenn Symptome eruiert werden können, sind es oft unsi-chere pathologisch anatomische Symptome. Manchmal gibt es auchpathologische funktionelle Symptome wie Herzklopfen, Erbrechen,Schwäche, Atemnot, aber wieder nicht in Verbindung mit Empfindun-gen, so dass oft sehr viele Arzneien in die engere Wahl kommen, dienicht unterschieden werden können. Viele greifen dann zu den uncha-rakteristischen seltenen Symptomen, „als Zünglein an der Waage“ unddie Arzneiwahl wird noch unsicherer. Kinder werden aber in der Homö-opathie nach denselben Regeln behandelt wie Erwachsene, denn dieRegeln der Arzneiwahl, die charakteristischen Symptome und Signifi-kanzen, ändern sich nicht mit dem Alter der Patienten. Amedee Burland - 20 Monate, 27. Mai (Melanie notiert): schönesKind, gut gebaut – es saugt noch – hustet besonders gegen 10 Uhr bisMittag, schleimiger Husten – manchmal wirft es Schleim aus – hustetnachts wenig – hustet anfallsweise – gegen 4 oder 5 wird es wiedermunter – als es den Husten bekam, hatte es 48 Stunden Fieber – esist gelb – ein Zugpflaster mit 7 Monaten – vor einem Jahr hatte es einGeschwür am Hals, neben dem Ohr – vor 14 Tagen hatte es dort einzweites gehabt, man hat es mit einem Stich der Lanzette geöffnet. Hahnemann fügt hinzu: Wird vorübergehend gelb, oft kleine Drüsen-schwellungen am Hals, aus den Poren seines Körpers sickert ein Saft,wie aus kleinen Pickeln. Die Amme soll auf den Kaffee verzichten. 94

Melanies Schrift: Hat nie Durchfall und hat einmal am Tag Stuhlgang.Hahnemann: Hep 1 Streukügelchen C30 in 15 1/2 Eßlöffel Spiritusvini, die Amme soll dreimal täglich 1/2 Eßlöffel einnehmen und dasKind morgens 1/2 Kaffeelöffel 1. Juni: Außerordentlich besser, hat viel mehr Kraft, seither wollte esnicht laufen und jetzt läuft es ununterbrochen – seine Haut brennt nichtmehr – das Fieber hat am 29 aufgehört – selbst der Amme geht es vielbesser. Erst bei der zweiten Konsultation wird vermerkt, dass das Kind Fie-ber hatte. „Die Haut brennt nicht mehr“ soll wohl bedeuten, dass sienicht mehr heiß ist, denn das Kleinkind wird kaum über ein Brennender Haut geklagt haben. Und weil das Kind seine Empfindungen oderSchmerzen nicht äußern kann, haben wir nur pathologisch anatomi-sche Symptome. Das ist eine sehr unsichere Arzneiwahl, aber das istdas Problem bei Kleinindern. 95

Hautnässen: Das Nässen der Haut des Kindes ist in dieser Rubriknicht passend vertreten, weil es da fast nur um nässende Hautaus-schläge geht und hier liegt kein Ausschlag vor. Husten: Hustet besonders 10 Uhr bis Mittag, nachts selten, mitschleimigem Auswurf und anfallsweise. Es ist ein Husten mit Auswurf,der nachts kaum vorhanden ist. Deswegen sammelt sich der Schleimund wird vormittags vermehrt ausgeworfen. Man könnte die Zeichen-kombination Husten vormittags nehmen, aber dafür gibt es in derArzneimittelehre mit insgesamt gerade einmal 17 Symptomen keinecharakteristischen Arzneien. Bleibt nur Husten mit Auswurf. Dass derAuswurf schleimig ist, kann nicht verwertet werden, weil jeder Auswurf„schleimig“ ist. Ob Hahnemann (oder Melanie) hier eine spezielle Artvon Schleim gemeint hat kann nicht geklärt werden. Oder hat es nurMelanie so formuliert, damit auch wirklich nichts unerwähnt bleibt? Drüsenschwellungen sind als pathologisch anatomisches Sym-ptom ohne Empfindung sehr unsicher. Und wir wissen nicht, wasHahnemann mit „Drüsenschwellungen am Hals“ gemeint hat? Zählenzu den Drüsenschwellungen auch die Tonsillen? Damals wurden inden Prüfungssymptomen Tonsillen oft nicht von Lymphknoten unter-schieden, wenn es nur „Halsdrüsen“ heißt oder „Unterkieferdrüse“. Furunkel: Ein Zugpflaster mit 7 Monaten. Das wird ein Zugpflasterfür ein Furunkel gewesen sein um es „zur Reife zu bringen“. Vor einemJahr ein Geschwür am Hals. Wahrscheinlich auch ein Furunkel, dasschon geöffnet war. Vor 14 Tagen ein zweites Geschwür, man hat esdurch einen Stich mit der Lanzette geöffnet. Das war wieder ein Furun-kel, das geöffnet wurde. Hier liegt also eine Furunkulose vor. Melanieschreibt Geschwür für Furunkel, aber die Rubrik Geschwür wäre hierfalsch. 96

Hahnemann DF5, Amedee Burland1 Gelbsucht 62 •Furunkel 73 •Husten m. Auswurf 84 •Hitze fieberartig 95 Drüsen - Geschwulst 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10CALC 3 7 17 7 16 5/5LYC 3 7 18 5 13 5/5SEP 3 3 22 11 7 5/5NIT-AC 6 5 7 7 12 5/5HEP 4 6 8 5 3 5/5SIL 2 6 13 6 13 4/5PHOS 2 4 16 7 7 4/5BELL 1 4 3 17 7 4/5NAT-M 1 8 7 3 6 4/5SULPH 1 2 9 6 11 3/5GRAPH 1 4 3 2 16 3/5KALI-C 1 2 6 4 11 3/5MERC 1 4 7 2 9 3/5NUX-V 1 5 11 4 1 3/5NAT-C 1 4 7 2 5 3/5RHUS-T 1 2 4 5 4 3/5DIG 3 1 5 1 3 3/5CARB- 1 2 10 1 3 2/5PH-AANC 2 241 3 2/5CARB-V 1 2 6 2 2 1/5IGN 1 1 1 2 4 1/5MERC-V 2 1 2 1 1 /5ARS 8 7 14 4 4/4ALUM 4843 4/4PULS 2 16 8 4 3/4AM-C 8827 3/4IOD 5 13 1 5 3/4ZINC 3714 3/4 97

Studiert man die Furunkelsymptome der Arzneien fällt auf, dassHep mehrere Symptome mit der Empfindung „als ob“ hat, also eineEmpfindung wie bei einem Furunkel. Calc hat nur ein Symptom! Die„Beule vor dem Ohr, welche wie Blutschwär schmerzt“, wird ein echtesFurunkel gewesen sein. 98

Der Erfolg von Hepar Sulph war eindeutig. Hep war eine sehr gut ge-wählte Arznei. Vielleicht hätten Calc, Lyc oder Nit-ac dasselbe bewirkt?Diese Frage kann nicht beantwortet werden, aber es stellt sich eine an-dere Frage: Warum hat Hep geholfen, wenn es nach den Signifikan-zen gar nicht die am besten passende Arznei ist? Was war das Heilen-de? Bei diesem Kleinkind gibt es nur unsichere pathologisch anatomi-sche Symptome und keine Empfindungen. Es gibt aber mit den „als-ob-Symptomen“ Empfindungen, die von Arzneien auch ohne vorhande-ne Furunkel der Prüfer hervorgebracht werden. Mit diesen als-ob-Symptomen ist Hep die am besten passende Arznei. Das würde erklä-ren, warum Hahnemann Hep gegeben hat. Ein Fehler wäre eine Auswertung mit nicht charakteristischen Sym-ptomen (für die es in der Arzneimittellehre keine signifikanten Arzneiengibt), z.B. Fieber mit Husten und Auswurf, nach einer falschen Gesamt-heit der Symptome. Wer das als „Zünglein an der Waage“ benutzt, ummit mehr Symptomen die infrage kommenden Arzneien zu differenzie-ren, der bewertet einzelne unsichere Symptome höher als charakteristi-sche Symptome. Dieses Beispiel soll Hahnemanns Aussage in §104 verdeutlichen,wo er sagt: „Ist nun ... das Bild der Krankheit irgend einer Art einmalgenau aufgezeichnet, so ist auch die schwerste Arbeit geschehen.Der Heilkünstler hat es dann ... auf immer vor sich, kann es in allenseinen Theilen durchschauen und die charakteristischen Zeichenherausheben...“ Aus der Gesamtheit der Symptome des Patienten soll der Homöo-path die „charakteristischen Zeichen herausheben“, er soll nicht alleaufgezeichneten Symptome zur Arzneiwahl benutzen, sondern nur diecharakteristischen. Und das sind differenzierte Zeichenkombinationen,für die es Arzneien gibt, die sie charakteristisch (signifikant) hervorge-bracht haben. Gibt es keine charakteristischen Arzneien, werden dieseZeichenkombinationen nicht benutzt. Oder man würde nach einer fal- 99


Like this book? You can publish your book online for free in a few minutes!
Create your own flipbook