»Oh, die Unselige!« rief dieser. »Wie? Was sagt Ihr da? Von wem sprecht Ihr? Hoffentlichnicht von meiner Frau?« »Doch, gerade von ihr. Ich muß schon sagen, Eure Lage wirdimmer hübscher!« »Ja, um Gottes willen«, rief der Krämer verzweifelt, »sagtmir doch nur, wieso sich meine Lage verschlechtern kann,wenn meine Frau etwas anstellt, während ich im Gefängnissitze!« »Weil alles, was sie tut, nur die Folge eines teuflischen Pla-nes ist, den ihr gemeinsam ausgeheckt habt!« »Ich schwöre Euch, Herr Kommissar, Ihr seid da in einemgroßen Irrtum! Ich habe keine Ahnung von dem, was meineFrau tun wollte, ich weiß auch nicht das geringste von dem,was sie getan hat, aber wenn sie irgend etwas angestellt hat,so will ich sie verleugnen und verfluchen.« »Herrgott«, sagte Athos zu dem Kommissar, »wenn Ihrmich hier nicht mehr braucht, dann schafft mich irgendwoanders hin! Dieser Herr Bonacieux ist gräßlich langweilig.« »Bringt die Gefangenen wieder in ihre Zellen!« sagte derBeamte. »Und daß sie mir strengstens bewacht werden!« »Aber«, wandte Athos mit gewohnter Ruhe ein, »wenn Ihrmit Herrn d’Artagnan zu tun habt, sehe ich eigentlich nichtein, warum ich ihn vertreten soll.« »Tut, was ich gesagt habe!« schrie der Kommissar. »Undstrengste Verschwiegenheit, verstanden?« Achselzuckend folgte Athos den Wachen, während Bona-cieux in ein Wehgeschrei ausbrach, das selbst einen Tiger zuTränen gerührt hätte. Man brachte den Krämer in dieselbe Zelle zurück, in derer die vergangene Nacht zugebracht hatte, und ließ ihn hierden ganzen Tag. Den ganzen Tag weinte Bonacieux, wie nurein Krämer weinen kann, denn wie er es selber gesagt hatte,war er kein Mann des Degens. Gegen acht Uhr abends, als ersich gerade schlafen legen wollte, hörte er Schritte im Flur.Die Schritte kamen näher, die Tür ging auf, und Wachen er-schienen. »Kommt mit!« sagte ein Polizeiwachtmeister, der hinterden anderen auftauchte.150
»Mitkommen?« rief Bonacieux entsetzt. »Um diese Stundemitkommen? Ja wohin denn, um Gottes willen?« »Wohin wir Befehl haben, Euch zu führen.« »Das ist doch keine Antwort.« »Aber die einzige, die wir Euch geben dürfen.« »Ach Gott, ach Gott!« murmelte der unglückliche Krämer.»Diesmal bin ich verloren!« Und widerstandslos folgte er denWachen. Man führte ihn durch denselben Korridor, durch den ergekommen war, dann über einen Hof und durch ein zweitesGebäude; schließlich kamen sie zum Hauptportal, wo einvon vier Berittenen bewachter Wagen wartete. Man ließ ihneinsteigen, der Wachtmeister setzte sich neben ihn, dannwurde die Tür von außen zugeschlossen, und beide befan-den sich in einem rollenden Gefängnis. Langsam wie ein Leichenwagen setzte sich das Gefährt inBewegung. Durch das verschlossene Gitter konnte der Ge-fangene nur die Häuser und das Straßenpflaster sehen, aberals echter Pariser erkannte er jede Straße an den Ecksteinen,an den Schildern und Laternen. Als sie nach Saint-Paul kamen,wo die Verurteilten der Bastille hingerichtet wurden, war ereiner Ohnmacht nahe und bekreuzigte sich zweimal. Er hatteschon geglaubt, der Wagen wolle halten, aber er fuhr weiter.Kurz darauf erfaßte ihn wiederum ein gewaltiger Schreck, alssie am Friedhof Saint-Jean vorüberkamen, wo man die Staats-verbrecher beerdigte. Nur ein Umstand beruhigte ihn ein we-nig, daß man sie nämlich, bevor man sie verscharrte, ge-meinhin einen Kopf kürzer machte und daß seiner noch festauf den Schultern saß. Als er aber merkte, daß der Wagen dieRichtung zum Place de la Grève einschlug, und als er die spit-zen Giebel des Rathauses sah, glaubte er, jetzt sei alles aus,wollte dem Wachtmeister beichten und schrie, als der ihnabwies, so jämmerlich, daß sein Begleiter drohte, er werdeihm einen Knebel in den Mund stecken, wenn er weiter sobrülle. Diese Ankündigung beruhigte Bonacieux wieder etwas.Wenn man ihn wirklich hier hinrichten wollte, brauchte manihn nicht mehr zu knebeln, da man ja schon fast am Ziel war.Richtig überquerte der Wagen, ohne anzuhalten, den unheil- 151
vollen Platz. Nun war nur noch das Croix-du-Trahoir zufürchten, und genau dorthin fuhr der Wagen. Diesmal war kein Zweifel mehr möglich, man brachte ihnzur Richtstätte der Verbrecher minderen Ranges. Bonacieuxhatte sich geschmeichelt, er sei des Saint-Paul- oder des Grève-platzes würdig, statt dessen sollte diese Fahrt und damit seinLeben bei dem Croix-du-Trahoir enden! Doch konnte er dasunselige Kreuz nicht sehen, aber er fühlte es sozusagen aufsich zukommen. Als die Entfernung nur noch etwa zwanzigSchritt betragen konnte, vernahm er Lärm, und der Wagenhielt an. Das war zuviel für den armen Bonacieux, den schondie vorangegangenen Aufregungen arg mitgenommen hatten:Mit einem schwachen Seufzer, der wie der letzte Atemzugeines Sterbenden klang, sank er in Ohnmacht. Der Mann aus MeungDie Menschenmenge, die den Wagen zum Halten gebrachthatte, wartete nicht auf jemand, der noch gehenkt werdensollte, sondern besichtigte einen bereits Gehenkten. Der Wagen setzte sich also gleich wieder in Bewegung,fuhr mitten durch das Gewühl, rollte noch ein paar Straßenweiter und hielt endlich vor einem niedrigen Tor. Man öffnetedie Wagentür, und zwei Gardisten nahmen Bonacieux, dervon dem Wachtmeister hinausgeschoben wurde, in Empfang,dann ging es durch einen Korridor, über eine Treppe undschließlich in ein Vorzimmer. Der Krämer ließ das alles willenlos mit sich geschehen. Erging wie im Traum, sah alle Dinge wie durch dichten Nebelund hörte, ohne etwas zu verstehen. In diesem Augenblickhätte man ihn getrost hinrichten können, ohne daß er sich ge-wehrt oder um Gnade gefleht hätte. Und ebenso willenlos saßer nun an die Wand zurückgelehnt und mit hängenden Armenauf der Bank, wo ihn die Gardisten hingesetzt hatten. Als er jedoch um sich blickte, konnte er nichts Bedrohlichesfeststellen, nichts, was auf eine unmittelbare Gefahr hindeu-tete, vielmehr war die Bank angenehm gepolstert, die Wand152
mit feinem Korduanleder bespannt, schwere rote Damastvor-hänge, die von goldenen Kordeln zur Seite gerafft wurden, hin-gen vor den Fenstern, und da merkte er allmählich, daß seineFurcht übertrieben war, und drehte den Kopf neugierig nachallen Seiten. Durch diese Bewegung, die ihm niemand ver-wehrte, faßte er wieder etwas Mut und wagte, zuerst das eine,dann das andere Bein vorzuziehen; schließlich stützte er beideHände auf die Bank und richtete sich vorsichtig auf. In diesem Augenblick zog ein gut aussehender Offiziereine Portiere zurück und wandte sich, nachdem er noch einpaar Worte mit einer im Nebenraum befindlichen Person ge-wechselt hatte, an den Gefangenen. »Bonacieux, seid Ihr das?« »Ja, Herr Offizier, zu Diensten«, stammelte der Krämer,mehr tot als lebendig. »Dann tretet ein!« Und er machte dem Krämer Platz, derwortlos gehorchte und an ihm vorbei in das Zimmer trat, indem man ihn offenbar erwartete. Es war ein großer geschlossener und stickiger Raum, des-sen Wände allerlei Waffen schmückten und in dessen Kaminein paar mächtige Holzscheite brannten. Ein viereckiger, mitBüchern und Papieren bedeckter Tisch, auf dem ein riesigerStadtplan von La Rochelle ausgebreitet lag, nahm die Mittedes Zimmers ein. Vor dem Kamin stand ein mittelgroßer Mann mit stolzer,hochmütiger Miene, stechenden Augen, breiter Stirn undeinem hageren Gesicht, das durch den Knebelbart noch längerwirkte. Obgleich dieser Mann erst sechs- oder siebenund-dreißig Jahre alt war, fingen Haar und Bart schon an zu er-grauen. Auch ohne Degen sah er ganz wie ein Kriegsmann aus,und seine noch leicht mit Staub bedeckten Büffellederstiefelließen erkennen, daß er an diesem Tag schon geritten war. Das war Armand-Jean Duplessis, Kardinal von Richelieu,nicht so, wie man ihn uns meistens vorführt: hinfällig wie einGreis, leidend wie ein Märtyrer, mit gebrochenem Körper underloschener Stimme, in einen großen Lehnstuhl vergraben wiein ein vorzeitiges Grab, allein durch unerhörte Willenskraftnoch am Leben und nur durch pausenlose Anstrengungen sei-nes Geistes imstande, den Kampf gegen Europa fortzuführen; 153
sondern so, wie er damals wirklich war, das heißt ein ge-schickter und galanter Kavalier, wohl bereits körperlich etwasschwach, aber aufrechterhalten von jener Energie, die ihn zueiner der außerordentlichen Gestalten der Geschichte gemachthat. Dieser Mann, der gerade wieder einmal über einem Planbrütete, um die Engländer von der Insel Ré zu verjagen unddie letzte Hugenottenfeste, La Rochelle, zu belagern, verrietäußerlich durch nichts den Kardinal, und wer ihn nicht vonAnsehen kannte, vermochte auf den ersten Blick unmöglichzu sagen, vor wem er stand. Der unglückliche Krämer blieb an der Tür stehen, währendder Mann, den wir eben beschrieben haben, ihn eindringlichmusterte, als wolle er mit einem einzigen Blick sein ganzesLeben ergründen. »Ist das dieser Bonacieux?« fragte er nach kurzem Schwei-gen. »Ja, Monseigneur«, erwiderte der Offizier. »Gut, dann gebt mir die Papiere und laßt uns allein!« Der Offizier nahm die gewünschten Papiere vom Tisch,reichte sie dem Kardinal, verneigte sich bis zur Erde und ging. Bonacieux erkannte in diesen Papieren die Protokolle sei-ner Verhöre in der Bastille. Von Zeit zu Zeit blickte der Mannam Kamin von seinen Schriftstücken auf und sah ihn durch-bohrend an. Wenige Minuten Lektüre und wenige Sekunden Beobach-tung genügten, und das Urteil des Kardinals stand fest. Dieser Kerl ist nie im Leben ein Verschwörer, sagte er sich,doch was tut’s? Nehmen wir ihn uns erst mal vor! »Ihr seid des Hochverrats angeklagt«, begann er langsam. »Das hat man mir bereits gesagt, Monseigneur«, antwor-tete Bonacieux und bediente sich aufs Geratewohl der An-rede, die er von dem Offizier gehört hatte. »Aber ich schwöreEuch, daß ich von alledem nichts wußte!« Der Kardinal unterdrückte ein Lächeln. »Ihr habt mit Eurer Frau, mit Madame de Chevreuse unddem Herzog von Buckingham eine Verschwörung angezettelt.« »All diese Namen habe ich in der Tat schon einmal vonmeiner Frau gehört, Monseigneur.«154
»Und bei welcher Gelegenheit?« »Sie sagte, daß der Kardinal Richelieu den Herzog nachParis gelockt hat, um ihn und die Königin zu verderben.« »Das hat sie gesagt?« rief der Kardinal heftig. »Ja, Monseigneur, aber ich habe ihr darauf gesagt, sie sollnicht solche Reden führen, und Seine Eminenz ist gewiß un-fähig …« »Schweigt!« unterbrach ihn der Kardinal. »Ihr seid einTrottel.« »Das hat meine Frau auch gesagt.« »Wißt Ihr, wer Eure Frau entführt hat?« »Nein, Monseigneur.« »Aber Ihr habt einen Verdacht?« »Ja, Monseigneur, aber dieser Verdacht scheint den HerrnKommissar ziemlich verdrossen zu haben, und darum hegeich ihn jetzt nicht mehr.« »Eure Frau ist entflohen. Wußtet Ihr das?« »Nein, Monseigneur, ich habe es erst im Gefängnis erfahren,und zwar aus dem Munde des Herrn Kommissars, der über-haupt sehr freundlich zu mir war.« Wieder unterdrückte der Kardinal ein Lächeln. »Dann wißt Ihr also auch nicht, was aus Eurer Frau seit ihrerFlucht geworden ist?« »Nein, nicht das mindeste, Monseigneur; aber sie wirdwohl wieder im Louvre sein.« »Heute nacht um eins war sie noch nicht zurück.« »Mein Gott! Was mag nur mit ihr geschehen sein?« »Seid unbesorgt, wir werden es schon erfahren! Vor demKardinal kann man nichts verbergen, er weiß alles.« »Wenn es so ist, ob da wohl der Kardinal mir sagen kann,was aus meiner Frau geworden ist, was meint Ihr, Monseig-neur?« »Vielleicht, doch zunächst müßt Ihr alles gestehen, was Ihrüber die Beziehungen Eurer Frau zu Madame de Chevreusewißt.« »Aber ich habe keine Ahnung, Monseigneur! Ich habe sienie gesehen.« »Wenn Ihr Eure Frau vom Louvre abholtet, kehrte sie dannimmer gleich nach Hause zurück?« 155
»Fast nie. Sie hatte immer noch mit Wäschehändlern zutun, und da habe ich sie hinbegleitet.« »Wieviel Wäschehändler waren es denn?« »Zwei, Monseigneur.« »Und wo wohnten die?« »Der eine in der Rue de Vaugirard, der andere in der Ruede La Harpe.« »Gingt Ihr mit zu den Händlern hinein?« »Nein, Monseigneur, ich wartete immer vor der Tür.« »Und was für eine Ausrede gebrauchte sie, damit sie alleinhineingehen konnte?« »Gar keine. Sie hieß mich warten, und so wartete ich eben.« »Ihr seid ein angenehmer Ehemann, mein lieber Bonacieux!«sagte der Kardinal. Er nennt mich »lieber Bonacieux«, sagte sich der Krämer;Teufel, die Sache macht sich! »Würdet Ihr dort wieder hinfinden?« »Ja.« »Wißt Ihr die Hausnummern?« »Ja. Einmal Rue de Vaugirard Nr. 25 und dann Rue de LaHarpe Nr. 75.« »Gut«, sagte der Kardinal, nahm eine silberne Glocke undläutete, worauf der Offizier von vorhin wieder eintrat. »Holt mir Rochefort«, sagte er leise, »er soll sofort kom-men, wenn er zurück ist!« »Der Graf ist schon da«, antwortete der Offizier, »und erwünscht dringend Eure Eminenz zu sprechen.« »Um so besser!« rief Richelieu lebhaft. »Laßt ihn herein!« Mit der Eilfertigkeit, die alle Untergebenen des Kardinalsan den Tag legten, entfernte sich der Offizier. »Eure Eminenz!« wiederholte Bonacieux flüsternd undblickte verstört um sich. Noch waren keine fünf Sekunden seit dem Abgang des Of-fiziers verstrichen, da öffnete sich die Tür, und jemand trat ein. »Das ist er!« rief Bonacieux. »Wer? Was?« fragte der Kardinal. »Der Mann, der meine Frau entführt hat!« Der Kardinal läutete ein zweites Mal. Wieder erschien derOffizier.156
»Bringt diesen Mann zu seinen Wächtern zurück! Er sollwarten, bis ich ihn wieder rufen lasse.« »Nein, Monseigneur, er ist es doch nicht!« jammerte Bona-cieux. »Nein, ich habe mich getäuscht, es ist ein anderer, under sieht ihm auch gar nicht ähnlich! Dieser hier ist ein Ehren-mann!« »Schafft diesen Trottel hinaus!« Der Offizier packte Bonacieux am Arm und führte ihn indas Vorzimmer zurück, wo er wieder seine Gardisten fand. Der soeben Eingetretene blickte dem Krämer ungeduldignach, bis dieser verschwunden und die Tür wieder geschlos-sen war. Dann trat er rasch auf den Kardinal zu und sagte: «Sie haben sich gesehen!« »Wer?« »Sie und er.« »Die Königin und der Herzog?« fuhr Richelieu auf. »Ja.« »Und wo?« »Im Louvre.« »Seid Ihr sicher?« »Vollkommen.« »Von wem habt Ihr es?« »Von Madame de Lannoy, die, wie Ihr wißt. Eurer Emi-nenz ganz ergeben ist.« »Warum hat sie es Euch nicht früher gemeldet?« »Zufällig oder aus Mißtrauen hat ihr die Königin Madamede Surgis ins Zimmer gelegt, und so war sie die ganze Zeitunter Aufsicht.« »Gut, wir sind geschlagen. Versuchen wir jetzt, die Scharteauszuwetzen!« »Ich bin von ganzem Herzen dabei, Monseigneur.« »Und wie hat sich die Sache abgespielt?« »Eine halbe Stunde nach Mitternacht war die Königin nochin Gesellschaft ihrer Damen …« »Wo?« »In ihrem Schlafgemach …« »Gut.« »Da überbrachte man ihr plötzlich ein Taschentuch vonihrer Wäschebeschließerin …« 157
»Und?« »Die Königin verriet sogleich eine große Erregung, und ob-wohl sie viel Rot aufgelegt hatte, sah man, wie sie erbleichte.« »Weiter, weiter!« »Jedenfalls stand sie auf und sagte mit tonloser Stimme:›Meine Damen, wartet hier, ich bin in zehn Minuten wiederzurück!‹ Damit verschwand sie durch die Alkoventür.« »Warum hat man Euch jetzt nicht sofort benachrichtigt?« »Es war ja noch nichts bestimmt; zudem hatte die Köni-gin ausdrücklich gesagt, die Damen sollten auf sie warten,und Madame de Lannoy wagte nicht, ungehorsam zu sein.« »Und wie lange blieb die Königin fort?« »Drei Viertelstunden.« »Und keine ihrer Damen war während dieser Zeit bei ihr?« »Nur Donna Estefana.« »Und dann kam sie wieder zurück?« »Ja, aber nur, um ein kleines Rosenholzkästchen zu holenund gleich wieder zu verschwinden.« »Hat sie das Kästchen später wieder mitgebracht?« »Nein.« »Weiß Madame de Lannoy, was sich darin befand?« »Ja, die Diamantnadeln, die Seine Majestät der Königin ge-schenkt hat.« »Dann glaubt also Madame de Lannoy, daß die Königindiese Nadeln dem Herzog gegeben hat?« »Sie ist davon überzeugt.« »Wieso?« »Im Laufe des Tages hat Madame de Lannoy in ihrer Eigen-schaft als Kammerfrau der Königin nach dem Kästchen ge-sucht, und als sie es nicht fand, tat sie sehr beunruhigt und hatschließlich die Königin danach gefragt.« »Und die Königin?« »Errötete sichtlich und sagte, eine der Nadeln wäre ihr ge-stern zerbrochen, und darum hätte sie das Kästchen zumGoldschmied geschickt.« »Man muß sofort hin und sich vergewissern, ob es sich soverhält!« »Ich war schon da.« »Na, und was sagt der Goldschmied?«158
»Er weiß von nichts.« »Sehr schön, Rochefort, noch ist nicht alles verloren, undwer weiß … vielleicht steht alles zum besten!« »Ich zweifle in der Tat nicht daran, daß das Genie EurerEminenz …« »Die Fehler seines Gehilfen wiedergutmacht, nicht wahr?« »Genau das wollte ich sagen.« »Wißt Ihr inzwischen, wo Madame de Chevreuse und derHerzog von Buckingham sich verborgen hielten?« »Nein, Monseigneur, darüber haben meine Leute nichtsBestimmtes in Erfahrung bringen können.« »Aber ich.« »Ihr, Monseigneur?« »Ja, oder ich vermute es doch zumindest. Sie wohnten in derRue de Vaugirard Nr. 25 und in der Rue de La Harpe Nr. 75.« »Befehlen Eure Eminenz, daß ich die beiden sofort ver-haften lasse?« »Dazu dürfte es zu spät sein, sie sind sicher schon abgereist.« »Und wenn! Auf jeden Fall kann man sich Gewißheit ver-schaffen.« »Nehmt zehn Mann von meiner Leibwache und durch-sucht die beiden Häuser!« »Zu Befehl, Eure Eminenz.« Und Rochefort eilte hinaus. Der Kardinal blieb einen Augenblick sinnend stehen, dannläutete er zum drittenmal, und wieder erschien der Offizier. »Laßt den Gefangenen herein!« Meister Bonacieux wurde aufs neue hereingeführt, und aufeinen Wink des Kardinals zog sich der Offizier zurück. »Ihr habt mich getäuscht!« sagte der Kardinal streng. »Ich?« rief Bonacieux. »Wie könnte ich Eure Eminenz täu-schen?« »Eure Frau hat in der Rue de Vaugirard und in der Rue deLa Harpe gar keine Wäschehändler aufgesucht!« »Gerechter Gott, bei wem war sie denn?« »Sie war bei Madame de Chevreuse und beim Herzog vonBuckingham.« »Ja«, sagte Bonacieux, der angestrengt in seiner Erinnerungsuchte, »ja, das stimmt. Eure Eminenz haben recht. Ich habe einpaarmal zu meiner Frau gesagt, ich fände es eigentlich sonder- 159
bar, daß Wäschehändler in solchen Häusern wohnen, in Häu-sern, an denen gar keine Schilder sind, aber sie hat dazu bloßgelacht. Ach, Monseigneur«, und damit warf sich Bonacieuxdem Kardinal zu Füßen, »ach, man merkt doch gleich, daß Ihrder Kardinal seid, der große Kardinal, der geniale Mann, den alleWelt verehrt!« So lächerlich auch der Triumph war, den er über einen sogewöhnlichen Menschen wie Bonacieux davongetragenhatte, so freute sich der Kardinal doch einen Augenblick; undals sei ihm plötzlich ein neuer Gedanke gekommen, lächelteer auf einmal und reichte dem Krämer die Hand. »Steht auf, mein Freund! Ihr seid ein wackerer Mann.« »Der Kardinal hat meine Hand berührt!« rief Bonacieux.»Ich habe die Hand Seiner Eminenz berührt! Der großeMann hat mich seinen Freund genannt!« »Ja, mein Freund«, sagte der Kardinal in jenem väterlichenTon, den er manchmal anzunehmen verstand, der jedoch nurjemand täuschen konnte, der ihn nicht kannte, »und weil manEuch zu Unrecht verdächtigt hat, habt Ihr Anspruch auf eineEntschädigung. Hier, nehmt diesen Beutel mit hundert Du-katen und verzeiht mir!« »Ich Euch verzeihen, Monseigneur?« protestierte Bonacieuxund zögerte, den Beutel anzunehmen, da er offenbar fürchtete,das angebliche Geschenk sei nur ein schlechter Scherz. »Aberes stand durchaus in Eurer Macht, mich verhaften, mich fol-tern, ja mich hängen zu lassen. Ihr seid der Herr, und ich hättenicht das kleinste Wörtchen dagegen sagen dürfen. Euch ver-zeihen, Monseigneur? Nein, das kann nicht Euer Ernst sein!« »Oh, mein lieber Bonacieux, Ihr beweist Großmut, wie ichsehe, und ich danke Euch dafür! Ihr nehmt also diesen Beu-tel und verlaßt mich ohne Groll?« »Ich gehe als der seligste Mensch von hier fort, Monseig-neur!« »Lebt denn wohl oder vielmehr auf Wiedersehen, denn ichhoffe, wir sehen uns wieder!« »Sooft Eure Eminenz befehlen, ich stehe ganz zu EuernDiensten!« »Es soll oft geschehen, verlaßt Euch darauf! Die Unter-haltung mit Euch hat mir außerordentlich gefallen.«160
»Oh, Monseigneur!« »Auf Wiedersehen, mein lieber Bonacieux, auf Wieder-sehen!« Der Kardinal winkte ihm zu, woraufhin der Krämer sich biszur Erde verneigte und rückwärts unter wiederholten Bück-lingen der Tür zustrebte. Im Vorzimmer hörte der Kardinal ihnbegeistert rufen: »Es lebe Seine Eminenz! Hoch lebe der großeKardinal!« Lächelnd lauschte er dieser geräuschvollen Kund-gebung von Meister Bonacieux’ hochgestimmten Gefühlen,und als sich das Geschrei in der Ferne verloren hatte, murmelteer befriedigt: »Wieder einer, der für mich durchs Feuer geht.«Und damit beugte er sich aufmerksam über die Karte von LaRochelle, um mit einem Bleistift die Linie einzuzeichnen, woetliche Monate später der berühmte Damm verlaufen sollte,der den Hafen der belagerten Stadt vom Meer abschnürte. Aus diesen strategischen Überlegungen wurde er erneut ge-rissen, als die Tür aufging und Rochefort sich zurückmeldete. »Nun?« fragte der Kardinal lebhaft und richtete sich miteiner Schnelligkeit auf, die erkennen ließ, welche Bedeutunger dem Auftrag beimaß, den er dem Grafen erteilt hatte. »In den von Eurer Eminenz angegebenen Häusern habentatsächlich eine Frau von sechsundzwanzig bis achtundzwan-zig und ein Mann von fünfunddreißig bis vierzig Jahren ge-wohnt, und zwar vier beziehungsweise fünf Tage; aber die Frauist schon in der Nacht abgereist und der Mann heute morgen.« »Das waren sie!« rief der Kardinal mit einem Blick auf dieUhr. »Aber jetzt ist es zu spät, um noch hinter ihnen herzu-jagen. Die Herzogin wird schon in Tours sein und der Her-zog in Boulogne. Wir müssen ihnen eben bis London nach.« »Was befehlen Eure Eminenz?« »Kein Wort über das Vorgefallene! Die Königin muß sich invölliger Sicherheit wiegen, sie darf nicht wissen, daß wir ihrGeheimnis kennen, sie soll denken, wir spüren irgendeinerVerschwörung nach. Schickt mir den Siegelbewahrer Seguier!« »Und was haben Eure Eminenz mit dem Kerl gemacht?« »Mit welchem Kerl?« »Nun, mit diesem Bonacieux?« »Das Beste, was man daraus machen konnte: den Spionseiner Frau!« 161
Graf de Rochefort verneigte sich als einer, der die Überlegen-heit seines Meisters anerkennt, und entfernte sich. Der Kardinal setzte sich, schrieb einen Brief, den er mitseinem persönlichen Siegel verschloß, und läutete. »Schickt mir Vitray«, befahl er dem eintretenden Offizier,»und sagt ihm, er soll sich auf eine längere Reise vorbereiten!« Bald darauf stand der Betreffende gestiefelt und gesporntvor ihm. »Vitray«, sagte er, »Ihr müßt sofort und auf dem schnellstenWege nach London. Ohne jeden Aufenthalt! Dort übergebtIhr Mylady diesen Brief. Hier ist eine Anweisung auf zweihun-dert Dukaten, holt Euch das Geld bei meinem Schatzmeister!Wenn Ihr in sechs Tagen wieder zurück seid und Eure Sachegut erledigt habt, wartet auf Euch noch einmal die gleicheSumme.« Der Bote verneigte sich wortlos, nahm den Brief und dieAnweisung auf die zweihundert Dukaten an sich und trat ab. Der Brief hatte folgenden Wortlaut:»Mylady,findet Euch auf dem ersten Ball ein, den auch der Herzog vonBuckingham besucht. Er wird an seinem Wams zwölf Dia-mantnadeln tragen; drängt Euch in seine Nähe und schneidetzwei davon ab! – Sobald sich die Nadeln in Euerm Besitz be-finden, gebt mir unverzüglich Nachricht!« Beamte und SoldatenAls an dem Tag, der den geschilderten Ereignissen folgte,Athos noch immer nicht wieder aufgetaucht war, meldetend’Artagnan und Porthos Herrn de Treville das Verschwindenihres Freundes. Was Aramis angeht, so hatte er sich fünf TageUrlaub erbeten und war dem Vernehmen nach in Familien-angelegenheiten nach Rouen gereist. Herr de Treville war seinen Soldaten ein wahrer Vater. DerGeringste unter ihnen konnte, sobald er den Uniformrocktrug, seiner Hilfe und seines Beistands genauso sicher sein,als wäre er sein leiblicher Sohn. Er begab sich also unver-162
züglich zum Kriminalrichter. Man ließ den Offizier rufen,der die Wache am Croix-Rouge befehligte, und jetzt endlicherfuhr man, daß Athos in der Bischofsfeste in Haft war. Athos hatte die gleiche Prozedur über sich ergehen lassen,die auch Bonacieux, wie wir gesehen haben, erdulden mußte.Wir haben die Gegenüberstellung der beiden Gefangenen er-lebt. Bis dahin hatte Athos geschwiegen, damit man nicht auchd’Artagnan behelligte und ihm die Ausführung seines Vorha-bens unmöglich machte; jetzt aber erklärte er offen, daß ernicht d’Artagnan, sondern Athos heiße. Er fügte hinzu, daß erweder Herrn noch Frau Bonacieux kenne und mit keinem vonbeiden jemals gesprochen habe; er habe Herrn d’Artagnan, sei-nen Freund, gegen zehn Uhr abends besuchen wollen, nach-dem er sich bis dahin im Hause des Herrn de Treville aufge-halten und dort auch diniert habe, wofür er gut und gernezwanzig Zeugen anführen könne, und er nannte mehrere an-gesehene Edelleute, darunter den Herzog de La Tremouille. Der zweite Untersuchungsrichter war nicht weniger er-staunt als der erste über die einfachen und festen Aussagendieses Musketiers, an dem er, wie alle Beamten im Hinblickauf die Soldaten, so gern sein Mütchen gekühlt hätte; aberdie Namen Treville und Tremouille ließen einige Vorsicht ge-boten erscheinen. Athos wurde gleichfalls zum Kardinal gebracht, doch derbefand sich unglücklicherweise gerade im Louvre beim König. In ebendiesem Augenblick aber traf auch Herr de Treville,nachdem er Athos weder beim Kriminalrichter noch beimGouverneur der Bischofsfeste gefunden hatte, im Louvre ein.Als Hauptmann der Musketiere konnte Herr de Treville sichjederzeit beim König melden lassen. Wir kennen bereits die Voreingenommenheit des Königs ge-gen die Königin und wissen, wie geschickt er in dieser Vorein-genommenheit vom Kardinal bestärkt wurde, der in punctoIntrigen den Frauen sehr viel mehr zutraute als den Männern.Eine der Hauptursachen dieser Voreingenommenheit war dieFreundschaft Anna von Österreichs mit Madame de Che-vreuse. Die beiden Frauen beunruhigten den König mehr alsalle Kriege mit Spanien, alle Zwistigkeiten mit England und alleGeldnöte. In seinen Augen und nach seiner Überzeugung un- 163
terstützte Madame de Chevreuse die Königin nicht nur in ihrenpolitischen Ränken, sondern auch, und das war für den Könignoch quälender, bei ihren Liebesangelegenheiten. Beim ersten Wort des Kardinals, daß die nach Tours ver-bannte Madame de Chevreuse nach Paris gekommen sei undsich hier der Polizei zum Trotz fünf Tage aufgehalten habe,geriet der König in furchtbaren Zorn, und doch wollte er, derLaunische und Unzuverlässige, um jeden Preis »Ludwig derGerechte« und »Ludwig der Keusche« genannt werden. Als aber der Kardinal hinzufügte, Madame de Chevreuse seinicht nur nach Paris gekommen, sondern auch auf dem Wegeeines geheimen Briefwechsels, einer sogenannten Kabale, mitder Königin in Verbindung getreten, und als er weiter ver-sicherte, er selber sei schon nahe daran gewesen, die verbor-gensten Fäden dieser Intrige zu entwirren, doch gerade in demAugenblick, da man die Vermittlerin zwischen der Königin undder Verbannten mit allen Beweisen in den Händen auf frischerTat ertappt hatte und festnehmen wollte, habe ein Musketiersich unterstanden, der Gerechtigkeit in den Arm zu fallen undmit gezogenem Degen über die Gerichtsdiener herzufallen, diebeauftragt waren, die ganze Angelegenheit unparteiisch zu un-tersuchen und dann Seiner Majestät zu unterbreiten; als derKönig dies alles erfuhr, hielt er nicht mehr an sich; mit jenerbleichen, stummen Wut, die bei diesem Fürsten so leicht inkalte Grausamkeit umschlug, machte er einen Schritt auf dasGemach der Königin zu. Und dabei hatte der Kardinal denHerzog von Buckingham noch mit keiner Silbe erwähnt. In diesem Augenblick trat kalt, höflich und in untadeligerHaltung Herr de Treville auf den Plan. Die Anwesenheit desKardinals und die sichtliche Erregung des Königs ließen ihnsofort begreifen, was vorgefallen war. Ludwig XIII. hatte dieHand schon an der Türklinke, doch auf das Geräusch desEintretenden hin wandte er sich um. »Ihr kommt gerade recht, Herr Hauptmann!« rief der Kö-nig, außerstande, seine Gefühle zu verbergen. »Von EuernMusketieren hört man ja schöne Sachen!« »Und ich«, erwiderte Treville gelassen, »habe schöne Sa-chen von Euern Beamten gehört, die ich Eurer Majestät zurKenntnis bringen möchte.«164
»Bitte!« »Ich habe die Ehre, Eurer Majestät mitzuteilen, daß meh-rere Prokuratoren, Kommissare und Polizisten, also durch-aus ehrenwerte, wenn auch offenbar gegen unsere Uniformbesonders aufgebrachte Leute, sich erlaubt haben, einen mei-ner oder vielmehr Eurer Musketiere in einem Hause zu ver-haften, ihn als Gefangenen durch die Straßen zu führen undin die Bischofsfeste zu werfen; dies alles auf Grund eines Be-fehls, den man sich weigerte, mir vorzuzeigen. Der Mannaber, mit dem so verfahren wurde, ist ein Soldat von untade-liger Führung und allerbestem Ruf, den auch Majestät ingutem Gedächtnis haben werden: Athos.« »Athos«, sagte der König mechanisch. »Vielleicht darf ich Majestät daran erinnern, daß Herr Athosjener Musketier ist, der bei dem leidigen Duell, von dem Ihr jawißt, das Unglück hatte, Herrn de Cahusac schwer zu ver-wunden. – Übrigens, Monseigneur«, wandte sich Treville anden Kardinal, »Herr de Cahusac ist doch wohl wieder ganz her-gestellt, nicht wahr?« »Danke!« sagte der Kardinal und biß sich wütend auf dieLippen. »Herr Athos wollte also einen seiner Freunde besuchen«,fuhr Treville fort, »einen jungen Bearner, der als Kadett inder Kompanie des Essarts dient, traf ihn jedoch nicht an;kaum aber hatte er die Wohnung seines Freundes betretenund ein Buch zur Hand genommen, um seine Rückkehr zuerwarten, als ein ganzes Rudel von Häschern und Soldatenins Haus stürmte, die Türen einrannte …« Der Kardinal bedeutete dem König durch ein Zeichen, daßes sich um die eben besprochene Angelegenheit handelte. »Wir wissen das alles«, erwiderte der König, »denn es ge-schah auf meine Veranlassung.« »Dann geschah es auch auf Veranlassung Eurer Majestät,daß man einen unschuldigen Musketier wie einen Verbrechervon zwei Gardisten durch eine freche Volksmenge schleppenließ, einen Edelmann, der schon so oft sein Blut für Euchvergossen hat und immer wieder dazu bereit sein wird?« »Ach«, entgegnete der König, unsicher geworden, »hatsich die Sache wirklich so zugetragen?« 165
»Herr de Treville sagt nur nicht«, warf der Kardinal mit allerGelassenheit ein, »daß dieser unschuldige Musketier und Edel-mann eine Stunde vorher vier Untersuchungsbeamte, die vonmir mit der Aufklärung eines höchst wichtigen Falles betrautworden waren, mit seinem Degen traktiert hat.« »Das zu beweisen dürfte Eurer Eminenz schwerfallen!«rief Treville mit dem Freimut des Gascogners und der Derb-heit des Soldaten. »Eine Stunde vorher nämlich erwies mirHerr Athos die Ehre, mein Gast beim Abendessen zu seinund anschließend in meinem Salon mit dem Herzog de LaTremouille und dem Grafen de Chalus zu plaudern.« Der König sah den Kardinal an. »Ein Protokoll ist ein Beweis«, antwortete der Kardinallaut auf die stumme Frage, die in diesem Blick lag, »und dieMißhandelten haben eins aufgesetzt, das Eurer Majestät zuüberreichen ich hiermit die Ehre habe.« »Gilt das Protokoll eines Beamten genausoviel wie dasWort eines Soldaten?« rief Treville stolz. »Nun, nun, Treville, mäßigt Euch!« sagte der König. »Wenn Seine Eminenz einen meiner Musketiere verdäch-tigt, dann verlange ich im Vertrauen auf die bekannte Ge-rechtigkeit des Herrn Kardinals selber eine Untersuchung.« »In dem Haus, in dem die Polizei ihre Nachforschungen an-gestellt hat«, fuhr der Kardinal unbewegt fort, »wohnt, Ihr sag-tet es selbst, ein mit dem Musketier befreundeter Bearner.« »Eure Eminenz meinen Herrn d’Artagnan.« »Ich meine einen jungen Mann, dessen Ihr Euch beson-ders angenommen habt, Herr de Treville.« »Ja, Eure Eminenz, so ist es.« »Wäre es nicht denkbar, daß der junge Mann ihm einenschlechten Rat gegeben …« »Wem? Athos, der doppelt so alt ist?« unterbrach ihn Tre-ville. »Ausgeschlossen, Monseigneur! Übrigens war auchHerr d’Artagnan an dem Abend bei mir.« »Ach, diesen Abend hat wohl ganz Paris in Euerm Hauszugebracht?« »Zweifelt Seine Eminenz etwa an meinem Wort?« versetzteTreville, dem die Zornröte auf die Stirn trat. »Gott bewahre! Aber um welche Zeit war er denn bei Euch?«166
Die Königin stand noch, als er eintrat; kaum hatte sie ihnerblickt, als sie sich in ihren Sessel niederließ und auch ihrenDamen bedeutete, sich wieder auf ihre Kissen und Hocker zusetzen. Dann fragte sie in einem Ton äußerster Herablassung: »Was wünscht Ihr? Zu welchem Zweck kommt Ihr hier-her?« »Um im Namen des Königs und in aller Ehrfurcht, die ichEurer Majestät schulde, eine genaue Durchsuchung EurerBriefschaften vorzunehmen.« »Was denn? Eine Durchsuchung meiner Briefschaften?Aber das ist eine Zumutung!« »Ich bitte untertänigst um Vergebung, aber ich bin hier nurdas Werkzeug, dessen sich der König bedient. War nicht SeineMajestät noch eben hier und hat Euch darauf vorbereitet?« »Also durchsucht schon alles! Ich bin, wie es scheint, eineVerbrecherin. Estefana, gebt ihm die Schlüssel!« Der Kanzler durchsuchte nur der Form halber Tisch undSekretär, denn er konnte sich denken, daß die Königin denwichtigen Brief, den sie erst vor wenigen Stunden geschrie-ben hatte, nicht dort aufbewahrte. Nachdem er wohl zwan-zigmal die Schubfächer geöffnet und wieder geschlossenhatte, mußte er, wie sehr er auch zögerte, zu einem Endekommen, das heißt die Königin selbst visitieren. Er trat alsovor sie hin und sagte stockend und ziemlich verlegen: »Nun habe ich noch die wichtigste Durchsuchung vorzu-nehmen.« »Ja, was denn für eine?« fragte die Königin, die nicht ver-stand oder vielmehr nicht verstehen wollte. »Seine Majestät ist überzeugt, daß Ihr heute einen Briefgeschrieben habt und daß dieser noch nicht abgeschicktwurde. Nun habe ich ihn aber weder in Euerm Tisch noch inEuerm Sekretär gefunden, und doch muß er noch hiersein.« »Ihr wagt es, Hand an Eure Königin zu legen?« erwiderteAnna von Österreich hoch aufgerichtet und maß den Kanz-ler mit einem fast drohenden Blick. »Ich bin ein getreuer Untertan des Königs, Madame, undführe nur aus, was er mir befiehlt.« »Nun wohl, es stimmt«, sagte Anna von Österreich, »dieSpione Seiner Eminenz haben gut gearbeitet. Ich habe in der176
Tat heute einen Brief geschrieben, und dieser Brief ist nochnicht fort. Er ist hier.« Und die Königin legte ihre schöneHand an ihr Mieder. »Dann gebt ihn mir, Madame!« »Ich werde ihn nur dem König geben.« »Wäre dies des Königs Wille gewesen, so hätte er ihn selbstvon Euch verlangt. Aber ich wiederhole, er hat mich damitbeauftragt, ihn Euch abzufordern, und wenn Ihr ihn mirnicht aushändigt …« »Was dann?« »So habe ich den Auftrag, ihn Euch abzunehmen.« »Wie? Was wollt Ihr damit sagen?« »Daß mein Auftrag sehr weit geht, Madame, und daß ichVollmacht habe, bei Eurer Majestät notfalls eine Leibesvisi-tation vorzunehmen.« »Das ist ungeheuerlich!« »Es steht bei Euch, Madame, das Verfahren zu vereinfa-chen.« »Dieses Vorgehen ist eine schändliche Vergewaltigung,wißt Ihr das, Kanzler?« »Majestät wollen verzeihen, aber der König befiehlt.« »Ich leide es nicht, nein, lieber sterben!« rief die Königin,in der sich das kaiserliche Blut ihrer spanischen und öster-reichischen Ahnen empörte. Der Kanzler verneigte sich tief, dann trat er, in der unver-kennbaren Absicht, keinen Zoll von der Erfüllung seinesAuftrages zurückzuweichen, wie ein Henkersknecht aufAnna von Österreich zu, deren Augen sich mit Tränen ohn-mächtiger Wut füllten. Die Königin war, wie bereits erwähnt, eine außerordentli-che Schönheit. Der Auftrag konnte also als durchaus delikatgelten, doch Ludwig XIII. hatte sich so sehr in seine Eifer-sucht gegen den Herzog von Buckingham verrannt, daß erauf keinen anderen mehr eifersüchtig war. Sicherlich suchte der Kanzler in diesem Augenblick nachjenem berühmten Glockenstrang seiner Mönchszeit; da erihn aber nicht fand, streckte er entschlossen die Hand nachdem Mieder der Königin aus, wo sich ihren eigenen Wortenzufolge der verdächtige Brief befinden sollte. Blaß wie der 177
Tod, wich Anna von Österreich einen Schritt zurück, stütztesich mit der Linken auf eine Tischkante, um nicht zu fallen,zog mit der Rechten aus der Tiefe ihres Ausschnittes ein Pa-pier und reichte es dem Siegelbewahrer. »Hier habt Ihr den Brief«, rief sie bebend mit versagenderStimme, »und jetzt befreit mich von Euerm widerwärtigenAnblick!« Der Kanzler, der ebenfalls eine leichtbegreifliche Erregungverriet, nahm den Brief, grüßte ehrerbietig und zog sich zu-rück. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als dieKönigin halb ohnmächtig in die Arme ihrer Damen sank. Der Kanzler eilte mit dem Brief, ohne auch nur einen Blickdarauf geworfen zu haben, schnurstracks zum König. Der er-griff ihn mit zitternder Hand, wurde sehr blaß, als er vergeb-lich nach einer Anschrift suchte, und entfaltete ihn langsam;als er jedoch aus den ersten Worten ersah, daß der Brief an denKönig von Spanien gerichtet war, las er sehr schnell. Es warein regelrechter Feldzugsplan gegen den Kardinal. Die Köni-gin forderte ihren Bruder und den Kaiser in Wien auf, sie soll-ten, verletzt, wie sie sich durch die ständig auf eine Erniedri-gung des Hauses Österreich hinzielende Politik Richelieusfühlen mußten, Frankreich zum Schein den Krieg erklären undsodann als Friedensbedingung den Rücktritt des Kardinals for-dern. Von der Liebe aber stand in dem ganzen Schreiben keinWort. Höchst vergnügt erkundigte sich der König, ob der Kar-dinal noch im Louvre sei, und als er hörte, daß er in seinemArbeitszimmer auf die Befehle Seiner Majestät wartete, be-gab er sich sofort zu ihm. »Hier lest, Herzog!« sagte er. »Ihr hattet recht, und ichhatte unrecht. Das Ganze ist eine politische Intrige, vonLiebe ist in dem Brief überhaupt nicht die Rede. Dafür stehtum so mehr über Euch darin.« Richelieu nahm den Brief und las ihn aufmerksam durch.Nachdem er fertig war, las er ihn noch ein zweites Mal, erstdann sagte er: »Nun, Eure Majestät sehen jetzt, wie weit meine Feindegehen. Man bedroht Euch mit zwei Kriegen, wenn Ihr michnicht wegschickt. An Eurer Stelle, Sire, würde ich einem so178
mächtigen Drängen doch nachgeben, und was mich angeht,so würde ich mich mit Freuden von allen Staatsgeschäftenzurückziehen.« »Was redet Ihr da, Herzog?« »Ich will sagen, Sire, daß die erbitterten Kämpfe und dasÜbermaß an Arbeit auf die Dauer meine Gesundheit ruinie-ren. Höchstwahrscheinlich werde ich den Strapazen einer Be-lagerung von La Rochelle nicht mehr gewachsen sein, unddarum ist es wirklich besser, Ihr macht Condé, Bassompierreoder sonst einen tüchtigen Mann, dessen Beruf das Krieg-führen ist, zu Euerm Minister und verzichtet auf mich, derich ein Mann der Kirche bin, wenn ich auch immer wiedermeiner eigentlichen Berufung entfremdet werde, um michAufgaben zu widmen, die mir ganz und gar nicht liegen. Ihrwerdet so gewiß im Lande selbst glücklicher dran sein, Sire,und ich zweifle nicht, daß Ihr auch nach außenhin stärker er-scheinen werdet.« »Herr Herzog«, erwiderte der König, »ich verstehe Euch,aber seid unbesorgt, alle, die in diesem Brief genannt sind,erhalten ihre verdiente Strafe, auch die Königin!« »Aber Sire, da sei Gott davor, daß der Königin um meinet-willen irgendeine Unannehmlichkeit entsteht! Sie hält michvon jeher für ihren Feind, obgleich Eure Majestät bezeugenkönnen, daß ich stets aufs wärmste für sie eingetreten bin,selbst Euch gegenüber. Ja, wenn sie sich gegen Eure Ehre ver-gangen hätte, das wäre etwas anderes, und ich wäre der erste,der Euch dann zuriefe: ›Keine Gnade, Sire, keine Gnade fürdie Schuldige!‹ Zum Glück ist es nicht an dem, Eure Maje-stät haben ja soeben eine neue Bestätigung dafür erhalten.« »Das ist wahr, Kardinal, und Ihr hattet wie immer recht;dennoch verdient die Köngin meinen ganzen Zorn.« »Nein, Sire, Ihr habt Euch den ihren zugezogen, und wennsie jetzt Eurer Majestät ernstlich zürnt, so kann ich dasdurchaus begreifen, denn Ihr habt sie mit einer Strenge be-handelt …« »Die ich gegen jeden meiner Feinde, auch gegen die Euren,anwenden werde, Herzog, sie mögen von noch so hohemRang sein!« »Die Königin ist meine Feindin, nicht die Eure, Sire. Sie ist 179
Euch im Gegenteil eine ergebene, gehorsame und untadeligeGemahlin. Laßt mich also ein gutes Wort für sie einlegen!« »Schön, mag sie sich demütigen und den Anfang machen,indem sie zu mir kommt!« »Umgekehrt, Sire, Ihr müßt das Beispiel geben, denn Ihrhabt sie zu Unrecht verdächtigt!« »Ich sollte den ersten Schritt tun? Nie und nimmer!« »Sire, ich bitte Euch inständig.« »Übrigens, wie sollte denn dieser Schritt überhaupt aus-sehen?« »Ihr müßtet etwas tun, worüber sie sich freut.« »Und das wäre?« »Gebt einen Ball! Ihr wißt, wieviel die Königin für so et-was übrig hat. Ich bin überzeugt, einer solchen Aufmerk-samkeit wird ihr Groll nicht standhalten.« »Aber Ihr wißt, Kardinal, daß mir derlei Vergnügungenhöchst zuwider sind.« »Da die Königin diese Eure Abneigung kennt, wird sie Euchnur um so dankbarer sein. Übrigens hat sie auf diese Weiseauch eine Gelegenheit, die schönen Diamantnadeln zu tragen,die Eure Majestät ihr neulich geschenkt haben und die sie bis-her noch nicht einweihen konnte.« »Wir wollen sehen, Herr Kardinal«, sagte der König, dender Umstand, daß er der Königin nur ein Vergehen, das ihmziemlich gleichgültig war, nicht aber eins, das er über allesfürchtete, vorzuwerfen hatte, heiter und durchaus geneigtstimmte, sich mit ihr auszusöhnen. »Wir wollen sehen, dochauf mein Wort, Ihr seid wirklich zu nachsichtig.« »Sire«, entgegnete der Kardinal, »überlaßt die Strenge EuernMinistern! Nachsicht ist die Tugend der Könige. Übt sie, undIhr werdet sehen, wie gut Ihr Euch dabei befindet!« In diesem Augenblick schlug die Uhr elf, der Kardinal ver-neigte sich tief und bat, sich zurückziehen zu dürfen, wobeier den König nochmals beschwor, sich mit der Königin aus-zusöhnen. Anna von Österreich, die nach der Beschlagnahme ihresBriefes mit Vorwürfen gerechnet hatte, war nicht wenig er-staunt, als der König am nächsten Tag merkliche Versuchezu einer Annäherung unternahm. Ihre erste Regung war ab-180
weisend, zu tief hatte man sie in ihrem Stolz als Frau und inihrer Würde als Königin verletzt; aber auf Zuraten ihrer Hof-damen gab sie sich endlich doch den Anschein, als beginnesie zu vergessen. Dieses erste Zeichen ihrer Sinnesänderungbenutzte der König, um ihr zu eröffnen, daß er ein Fest gebenwolle. Für die arme Anna von Österreich war ein Fest etwas soSeltenes, daß bei dieser Ankündigung – ganz wie der Kardi-nal vorausgesehen hatte – die letzte Spur von Groll, wennnicht aus ihrem Herzen, so doch zumindest aus ihrem Ge-sicht schwand. Sie erkundigte sich, für wann dieses Fest ge-plant sei, aber der König antwortete, darüber müsse er sicherst mit dem Kardinal verständigen. Wirklich fragte der König jeden Tag seinen Minister, wanndas Fest stattfinden solle, doch immer wieder verstand es derKardinal, die Festsetzung des Termins unter irgendeinemVorwand hinauszuschieben. So verging eine Woche. Am achten Tag nach dem geschilderten Vorfall empfingder Kardinal einen versiegelten Brief aus London, der nur dienachstehenden Zeilen enthielt:»Ich habe sie; aber ich kann London nicht verlassen, da mir dasGeld ausgegangen ist. Schickt mir fünfhundert Dukaten, undvier, fünf Tage nach Erhalt bin ich wieder in Paris!« Auch an diesem Tag richtete der König die gewohnte Fragean den Kardinal. Richelieu zählte an seinen Fingern und überlegte dabei:Vier, fünf Tage nach Empfang des Geldes kann sie hiersein,ebensolange braucht das Geld bis nach London, das sindzehn Tage. Rechnen wir nun noch widrige Winde, mißlicheZufälle und weibliche Schwäche hinzu, so kommen wir aufzwölf Tage. »Nun, Herr Herzog«, fragte der König, »seid Ihr mit Eu-rer Rechnung fertig?« »Ja, Sire. Wir haben heute den 21. März; die Ratsherrenunserer Stadt geben am 3. April ein großes Fest. Das trifftsich glänzend, denn auf diese Weise merkt man nicht, daß eseine versöhnliche Geste gegenüber der Königin sein soll. – 181
Übrigens«, fügte er nach einer Pause hinzu, »vergeßt nicht,Ihrer Majestät am Abend vor dem Fest zu sagen, daß Ihr zusehen wünscht, wie ihr jene Diamantnadeln stehen!« Herr und Frau BonacieuxEs war das zweitemal, daß der Kardinal die Diamantnadelnerwähnt hatte. So viel Beharrlichkeit machte den König stut-zig, und er sagte sich, daß hinter dieser Empfehlung irgend-ein Geheimnis stecken müsse. Schon häufig hatte es den König gedemütigt, daß sein Mi-nister, dessen Polizei ausgezeichnet arbeitete, wenn sie auchnoch nicht die Perfektion unserer heutigen besaß, besser alser selbst über die intimsten Vorgänge in seinem eigenen HausBescheid wußte. So hoffte er denn, durch eine Unterhaltungmit Anna von Österreich irgend etwas Neues zu erfahren,um den Kardinal mit dieser Kenntnis überraschen zu kön-nen, auf jeden Fall aber, mochte sie ihm nun neu sein odernicht, erheblich in seiner Achtung zu steigen. Er suchte also die Königin auf und eröffnete die Unter-haltung, wie es seine Gewohnheit war, mit neuen Drohungengegen ihre Umgebung. Anna von Österreich hielt den Kopfgesenkt und ließ wortlos den Sturm über sich ergehen, in derHoffnung, er werde schon einmal ein Ende nehmen; geradedas aber wollte der König nicht, der sich vielmehr einen hef-tigen Wortwechsel wünschte, um auf diese Weise irgendei-nen Anhaltspunkt zu gewinnen, war er doch überzeugt, daßder Kardinal einen Hintergedanken hatte und eine seiner bö-sen Überraschungen vorbereitete. Durch die Hartnäckigkeit,mit der er immer neue Anwürfe vorbrachte, erreichte er end-lich auch, was er wollte. »Aber Sire«, rief Anna von Österreich, müde der dunklenAndeutungen, in denen sich der König erging. »Ihr sagt mirnicht alles, was Ihr auf dem Herzen habt. Was habe ich denngetan? Sagt, welches Verbrechen habe ich begangen? EureMajestät können unmöglich so aufgebracht sein, nur weil icheinen Brief an meinen Bruder geschrieben habe.«182
Auf einen so zielstrebigen Gegenangriff wußte der Könignicht, was er sagen sollte. Da kam ihm der Gedanke, dies seider richtige Augenblick für jenen Hinweis, den ihm der Kar-dinal allerdings erst für den Vorabend des geplanten Festesempfohlen hatte. »Madame«, sagte er hoheitsvoll, »im Rathaus wird dem-nächst ein großer Ball stattfinden. Ich erwarte, daß Ihr, um un-sere wackeren Ratsherren zu ehren, dort in Euerm Festgewanderscheint und auch nicht vergeßt, jene Diamantnadeln anzu-stecken, die ich Euch jüngst geschenkt habe. Das ist meineAntwort.« Eine furchtbare Antwort. Anna von Österreich glaubte,der König wisse alles und habe lediglich auf Veranlassung desKardinals, dem dies durchaus zuzutrauen war, acht Tage langKomödie gespielt. Sie wurde wachsbleich, stützte sich miteiner Hand auf eine Konsole und starrte den König er-schrocken an, ohne auch nur ein Wort über die Lippen zubringen. »Habt Ihr mich verstanden, Madame?« fragte der König,der ihre offenkundige Verlegenheit voll auskostete, wenn erauch nicht die eigentliche Ursache erriet. »Ja, habt Ihr michverstanden?« »Ich habe verstanden, Sire«, stammelte die Königin. »Und Ihr erscheint auf diesem Ball?« »Ja.« »Mit den Diamantnadeln?« »Ja.« Die Königin wurde womöglich noch blasser, und Lud-wig XIII. weidete sich daran mit jener kalten Grausamkeit,die einer seiner übelsten Charakterzüge war. »Gut, dann ist es also abgemacht«, sagte der König. »Mehrhatte ich Euch auch nicht zu sagen.« »Aber wann soll denn dieser Ball stattfinden?« Ihre fast ersterbende Stimme ließ den König instinktivempfinden, daß er diese Frage nicht beantworten durfte. »Sehr bald, Madame«, erwiderte er, »aber das genaue Datumist mir entfallen, ich werde den Kardinal fragen.« »Also hat der Kardinal diesen Ball festgesetzt?« »Ja«, antwortete der König erstaunt. »Warum?« 183
»Und auf seine Veranlassung hin habt Ihr mich aufgefor-dert, die Diamantnadeln zu tragen?« »Das heißt, Madame …« »O ja, Sire, das war seine Idee!« »Nun, wenn schon! Ob er oder ich diesen Gedanken hatte,was ist daran so schlimm?« »Nichts, Sire.« »Ihr kommt also zu dem Fest?« »Ja, Sire.« »Gut denn, ich verlaß mich darauf«, sagte der König undwandte sich zum Gehen. Anna von Österreich verneigte sich tief, nicht so sehr, weiles die Etikette vorschrieb, sondern weil ihre Knie versagten. Der König entfernte sich in bester Stimmung. »Ich bin verloren«, murmelte die Königin. »Der Kardinalweiß alles, nur er steckt hinter dem Ansinnen des Königs,der noch nichts weiß, aber bald alles erfahren wird. MeinGott, mein Gott, ich bin verloren!« Sie kniete auf ein Kissen nieder und betete, den Kopf inihre zitternden Arme vergraben. Ihre Lage war in der Tatschrecklich. Buckingham war nach London zurückgekehrt,Madame de Chevreuse befand sich wieder in Tours. Strengerdenn je überwacht, ahnte die Königin dunkel, daß eine ihrerFrauen sie verriet, wußte jedoch nicht welche. La Porte durfteden Louvre nicht verlassen, und sie hatte sonst keinen Men-schen, dem sie sich anvertrauen konnte. Angesichts des dro-henden Unheils und der eigenen Verlassenheit brach sie un-vermittelt in Tränen aus. »Kann ich denn gar nichts für Eure Majestät tun?« ertönteplötzlich hinter ihr eine Stimme, sanft und voller Mitgefühl. Die Königin wandte sich lebhaft um, denn diese Stimmeließ keinen Zweifel zu: hier sprach eine Freundin. In einerder Türen, die in die Nebengemächer führten, stand die hüb-sche Frau Bonacieux; sie hatte gerade Kleider und Wäschegeordnet, als der König eingetreten war, und da sie das Zim-mer nicht mehr verlassen konnte, hatte sie alles mit angehört.Die Königin sah sich ertappt und schrie auf, denn in ihrerVerwirrung erkannte sie nicht gleich die junge Frau, die ihrLa Porte empfohlen hatte.184
»Oh, fürchtet nichts, Madame!« sagte die junge Frau,selbst dem Weinen nahe, und rang die Hände. »Ich bin Eu-rer Majestät mit Leib und Seele ergeben, und so tief ich auchunter Euch stehe, so gering meine Stellung auch ist, glaubeich doch einen Weg gefunden zu haben, Eure Majestät die-ser Pein zu entheben.« »Ihr? O Himmel!« rief die Königin. »Aber seht mir erst indie Augen! Ringsum lauert Verrat. Kann ich Euch denntrauen?« »Bei meiner Seele, ich bin bereit, für Euch zu sterben!« ent-gegnete die junge Frau und fiel auf die Knie. Wieder hatteihre Stimme diesen reinen Ton, der jeden Zweifel an ihrerEhrlichkeit ausschloß. »Ja, es gibt hier Verräter, aber beimheiligen Namen der Jungfrau schwöre ich Euch, daß EureMajestät keine treuere Dienerin haben als mich! Diese Dia-mantnadeln, die der König zu sehen verlangt, habt Ihr dochdem Herzog von Buckingham gegeben, nicht wahr? Sie be-fanden sich in einem Kästchen aus Rosenholz, das er unterdem Arm trug, oder täusche ich mich? Sagt, so ist es doch?« »O mein Gott, mein Gott!« murmelte die Königin, derenZähne vor Angst aufeinanderschlugen. »Die Nadeln müssen auf jeden Fall wieder her!« »Gewiß, ja«, rief die Königin, »aber wie soll das angehen?« »Man muß jemand zum Herzog schicken.« »Aber wen? … Wen? … Auf wen kann ieh mich denn nochverlassen?« »Habt nur Vertrauen zu mir, o Königin! Ich finde schonden Boten.« »Muß ich da nicht etwas schreiben?« »Ja, das ist allerdings unerläßlich. Zwei Worte von EurerHand und Euer Siegel.« »Aber diese beiden Worte sind mein Verdammungsurteil,sind Scheidung und Exil!« »Ja, wenn sie Verrätern in die Hände fallen! Aber ich steheEuch dafür, daß sie in die richtigen Hände gelangen.« »O Gott! Ich muß also mein Leben, meine Ehre und mei-nen Ruf Euch anvertrauen?« »Es muß sein, Madame, nur so kann ich Euch helfen.« »Aber wie? Sagt mir doch nur, wie?« 185
»Mein Mann ist vor drei Tagen in Freiheit gesetzt worden,allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, ihn wieder-zusehen. Er ist ein biederer, ehrlicher Mensch, der nieman-den haßt und niemanden liebt. Er tut mir jeden Willen. EinWort von mir genügt, und er reist mit dem Brief ab, ohne zuwissen, daß er von Euch ist, und liefert ihn bei der angege-benen Adresse zuverlässig ab.« Die Königin ergriff in jäher Freude die Hände der jungenFrau, sah sie aufmerksam an, als wollte sie ihr bis auf denGrund des Herzens schauen, und schloß sie, da sie in ihrenschönen Augen nur Aufrichtigkeit las, liebevoll in die Arme. »Tue das«, rief sie, »und du rettest mir Leben und Ehre!« »Oh, wollt den Dienst, den ich Euch leisten darf, nicht zuhoch veranschlagen! Eure Majestät sind nur das Opfer nieder-trächtiger Komplotte.« »Ja, das stimmt, mein Kind, da hast du recht.« »Die Zeit drängt, Madame, schreibt rasch den Brief!« Die Königin eilte an einen kleinen Tisch, schrieb ein paarZeilen, versiegelte sie mit ihrem Petschaft und gab den BriefFrau Bonacieux. »Und jetzt«, sagte die Königin, »hätten wir beinahe etwassehr Wichtiges vergessen.« »Was denn?« »Das Geld.« Frau Bonacieux errötete. »Ja, richtig, und ich muß Eurer Majestät gestehen, daßmein Mann …« »Daß er keins hat, willst du wohl sagen?« »Das nicht, im Gegenteil, aber er ist sehr geizig. Doch dasbraucht Eure Majestät nicht zu beunruhigen, wir werdenschon welches auftreiben …« »Ich selbst habe nämlich auch keines«, sagte die Königin,»aber warte!« Sie eilte zu ihren Schmucksachen und kehrtegleich darauf mit einem Ring zurück. »Hier, nimm das! Essoll ein sehr wertvolles Stück sein, und da es ein Geschenkmeines Bruders, des Königs von Spanien, ist, kann ich freidarüber verfügen. Nimm diesen Ring und mach ihn zu Geld,damit dein Mann reisen kann!« »In einer Stunde wird alles soweit sein.«186
»Du siehst die Adresse«, sagte die Königin so leise, daß eskaum zu verstehen war, »an Mylord Herzog von Bucking-ham in London.« »Der Brief wird ihm persönlich übergeben werden.« »Hochherziges Kind!« rief Anna von Österreich. Frau Bonacieux küßte der Königin die Hände, verbarg denBrief in ihrem Mieder und enteilte geschwind wie ein Vogel. Wenige Minuten später war sie in der Rue des Fossoyeurs.Wie sie der Königin gesagt hatte, war sie mit ihrem Mann seitseiner Freilassung noch nicht wieder zusammengetroffen,und so ahnte sie natürlich nichts von seiner veränderten Ein-stellung zum Kardinal, einer Einstellung, in der er sich umso mehr bestärkt sah, als Rochefort ihn seitdem mit seinerFreundschaft und gelegentlichen Besuchen beehrte, in derenVerlauf es dem Grafen nicht schwergefallen war, dem Krä-mer einzureden, bei der Entführung seiner Frau habe es sichlediglich um eine politische Vorsichtsmaßregel gehandelt. Frau Bonacieux fand ihren Mann allein. Der Ärmste mühtesich redlich ab, um wieder etwas Ordnung in die Wohnungzu bekommen, deren Möbel er fast gänzlich zertrümmertund deren Schränke er fast gänzlich geleert vorgefundenhatte, da ja die Justiz bekanntlich nicht zu den drei Dingengehört, von denen König Salomo sagte, daß sie keine Spurhinterlassen. Die Magd war gleich bei der Verhaftung ihresHerrn davongerannt, und der Schreck hatte sie so über-mannt, daß sie nicht eher anhielt, als bis sie wieder in ihrerburgundischen Heimat war. Gleich nach seiner Rückkehr hatte der wackere Krämer sei-ner Frau Nachricht gegeben, und sie hatte ihm geantwortet,daß sie ihm Glück wünsche und ihn, sobald sich ihr eine Ge-legenheit dazu biete, besuchen werde. Diese Gelegenheit ließallerdings mehrere Tage auf sich warten, was Herrn Bonacieuxunter anderen Umständen wohl recht lange erschienen wäre,aber seine Unterredung mit dem Kardinal und die Besuchedes Grafen von Rochefort lieferten ihm hinreichend Stoffzum Nachdenken, einer Beschäftigung also, bei der, wie manweiß, die Zeit wie im Fluge vergeht. Dies um so mehr, als Mei-ster Bonacieux’ Überlegungen sich in den rosigsten Bahnenbewegten. Rochefort nannte ihn seinen Freund, seinen lieben 187
Bonacieux und betonte immer wieder, daß der Kardinal großeStücke auf ihn hielt. Der Krämer sah sich bereits auf dem Wegzu Ruhm und Reichtum. Auch Frau Bonacieux hatte in dieser Zeit viel nachgedacht,allerdings waren es, wie wir gestehen müssen, alles andere alsehrgeizige Gedanken. Unwillkürlich kam ihr immer wiederjener hübsche und mutige junge Mann, der so verliebt schien,in den Sinn. Mit achtzehn Jahren verheiratet, hatte Frau Bo-nacieux bisher nur im Kreise ihres Mannes und seiner Be-kannten gelebt, einer Umgebung, die einer jungen Frau mithochfliegendem Herzen wenig geben konnte und für derenplumpe Verführungen sie daher auch gänzlich unempfind-lich geblieben war. Nun aber übte, zumindest damals, der Ti-tel eines Edelmannes eine große Anziehungskraft auf dasBürgertum aus, und d’Artagnan war Edelmann; zudem warer, wie gesagt, schön, jung und verwegen und sprach vonLiebe wie nur ein Liebender, der nach Gegenliebe dürstet.All das war mehr als genug, um einer Einundzwanzigjährigenden Kopf zu verdrehen, und Frau Bonacieux hatte just diesesglückliche Alter erreicht. So kam es, daß die beiden Gatten, obwohl sie einander seitmehr als einer Woche nicht gesehen und inzwischen allerleierlebt hatten, sich mit ziemlicher Befangenheit gegenüber-traten. Immerhin verriet Herr Bonacieux ehrliche Freudeund ging mit offenen Armen auf seine Frau zu. Frau Bonacieux bot ihm ihre Stirn. »Laßt uns miteinander reden!« sagte sie. »Wie?« fragte er verwundert. »Ja doch, ich muß dir etwas Hochwichtiges mitteilen.« »Auch ich habe ein paar sehr ernste Fragen an dich zu rich-ten. Erzähl mir doch bitte, wie das mit deiner Entführung war!« »Darum handelt es sich im Augenblick nicht.« »Und worum sonst? Etwa um meine Verhaftung?« »Ich hörte noch am selben Tag davon; aber dich traf ja keineSchuld, und du wußtest auch nichts, was dich oder einen an-deren belasten konnte, und darum habe ich die Sache nichtwichtiger genommen, als sie wirklich war.« »Du hast gut reden«, versetzte Bonacieux, den die geringeAnteilnahme seiner Frau kränkte. »Weißt du denn nicht, daß188
ich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht in der Bastilleeingekerkert war?« »Ein Tag und eine Nacht gehen rasch vorüber. Lassen wirjetzt deine Gefangenschaft und kommen wir endlich zu dem,was mich hergeführt hat!« »Wie? Führt dich denn etwas anderes hierher als derWunsch, deinen Gatten wiederzusehen, von dem du so langegetrennt warst?« rief er, aufs äußerste verletzt. »Einmal dieser Wunsch, dann aber auch noch ein zweites.« »Und was?« »Etwas sehr Wichtiges, von dem vielleicht unser künftigesGeschick abhängt.« »Unser Geschick hat sich merklich gewandelt, seit wir unsdas letztemal sahen, und ich würde mich gar nicht wundern,wenn uns in einigen Monaten viele Leute beneiden.« »Gewiß, vor allem, wenn du den Auftrag erfüllst, den ichfür dich habe.« »Du für mich?« »Ja, ich für dich. Es handelt sich um eine gute und edle Tat,bei der es außerdem noch viel Geld zu verdienen gibt.« Frau Bonacieux wußte, daß sie ihren Mann an seiner schwa-chen Stelle packte, wenn sie von Geld sprach. Aber auch einKrämer ist, wenn er einmal zehn Minuten mit dem KardinalRichelieu gesprochen hat, nicht mehr derselbe Mensch. »Viel Geld zu verdienen?« sagte Bonacieux und schob dieLippen vor. »Ja, viel.« »Wieviel ungefähr?« »Vielleicht tausend Dukaten.« »Dann ist das also ein sehr bedeutender Auftrag?« »Ja.« »Was muß ich tun?« »Du reist sofort ab; ich gebe dir einen Brief mit, den du dirunter keinen Umständen abnehmen läßt und nur dem Emp-fänger selbst übergibst.« »Und wohin soll ich reisen?« »Nach London.« »Ich, nach London? Geh, du machst schlechte Witze! Ichhabe doch in London nichts zu schaffen.« 189
»Du sollst ja auch für andere dort hinreisen.« »Wer sind diese anderen? Ich sage dir gleich, ich machenichts mehr mit Scheuklappen vor den Augen, ich will wis-sen, was für einer Gefahr ich mich aussetze und vor allem fürwen.« »Eine hochgestellte Person sendet dich, und eine hochge-stellte Person erwartet dich; ihr Dank wird alle deine Wünscheübersteigen. Das ist alles, was ich dir im Augenblick sagenkann.« »Also wieder Intrigen! Immer nur Intrigen! Danke, davonhabe ich nun wirklich genug, der Herr Kardinal hat mich darestlos aufgeklärt!« »Der Kardinal!« rief Frau Bonacieux. »Du warst beim Kar-dinal?« »Er hat mich rufen lassen«, antwortete der Krämer stolz. »Und du in deiner Beschränktheit mußtest natürlich hin-gehen.« »Offen gestanden, hatte ich gar keine Wahl, denn ich wurdevon zwei Gardisten hingeführt. Auch will ich nicht leugnen,daß ich damals liebend gern auf diesen Besuch verzichtethätte, denn ich kannte ja Seine Eminenz noch nicht.« »Er hat dich also mißhandelt? Er hat dich bedroht?« »Er hat mir die Hand gegeben und mich seinen Freund ge-nannt, seinen Freund, verstehst du? Ich bin der Freund desgroßen Kardinals.« »Des großen Kardinals!« »Willst du ihm etwa diesen Titel streitig machen?« »Ich will ihm gar nichts, ich sage nur, daß die Gunst einesMinisters etwas sehr Vergängliches ist und daß man schonein Narr sein muß, um auf derlei zu bauen. Es gibt nochMächte über ihm, die nicht von der Laune eines Menschenoder dem Ausgang eines Ereignisses abhängen, und an dieseMächte muß man sich halten.« »Tut mir leid, aber ich kenne keine andere Macht als die desgroßen Mannes, dem zu dienen ich die Ehre habe.« »Du dienst dem Kardinal?« »Ja, und als sein Diener kann ich nicht erlauben, daß dudich in Anschläge gegen die Sicherheit des Staates einläßtund die Intrigen einer Frau unterstützt, die keine Französin190
und im Herzen eine Spanierin ist. Zum Glück ist der großeKardinal da, sein scharfes Auge wacht über allem und dringtjedem bis auf den Grund des Herzens.« Bonacieux wiederholte Wort für Wort einen Satz, den er vonRochefort aufgeschnappt hatte. Die arme Frau aber, die festauf ihren Mann gerechnet und sich in dieser Hoffnung bei derKönigin für ihn verbürgt hatte, zitterte nicht wenig bei demGedanken an die Gefahr, die ihr beinahe zum Verhängnis ge-worden wäre, und an die Ohnmacht, in der sie sich jetzt befand.Indessen kannte sie die Schwäche und vor allem die Geldgierihres Mannes, und so gab sie die Hoffnung nicht auf, ihn dochnoch für ihre Zwecke zu gewinnen. »So, du bist Kardinalist geworden!« rief sie. »Du hältst esmit denen, die deine Frau mißhandeln und deine Königin ver-höhnen!« »Die Privatinteressen haben vor den Allgemeininteressenzurückzutreten. Ich halte es mit denen, die den Staat retten!«entgegnete Bonacieux pathetisch. Auch das war ein Ausspruch des Grafen von Rochefort,den der einfältige Krämer sich gemerkt hatte und nun vollerStolz anbrachte. »Und weißt du denn, was dieser Staat ist, von dem du re-dest?« fragte seine Frau und zuckte die Achseln. »Sei zufrie-den, daß du ein einfacher Bürger bist, und halte dich an dieSeite, die dir die meisten Vorteile bietet!« »So, so«, sagte Bonacieux und klopfte an einen wohlge-füllten Beutel, in dem es angenehm klimperte. »Und was sagtdie Frau Predigerin dazu?« »Wo hast du das Geld her?« »Errätst du es nicht?« »Vom Kardinal?« »Von ihm und meinem Freund, dem Grafen Rochefort.« »Rochefort? Aber das ist ja derselbe, der mich entführthat!« »Das kann schon sein.« »Und von diesem Menschen nimmst du Geld an?« »Hast du mir nicht gesagt, daß diese Entführung eine reinpolitische Angelegenheit war?« »Ja, aber sie zielte darauf ab, mich zum Verrat an meiner 191
Herrin zu bewegen und mir auf der Folter Geständnisse zuentreißen, die die Ehre und vielleicht sogar das Leben meinererlauchten Gebieterin gefährdet hätten.« »Deine erlauchte Gebieterin ist eine perfide Spanierin, undwas der Kardinal tut, ist wohlgetan.« »Mann!« rief die junge Frau. »Ich wußte ja, daß du feige,dumm und geizig bist, aber ich wußte nicht, daß du auch einSchuft bist!« »Was sagst du da?« stotterte Bonacieux, der seine Frau nochnie wütend gesehen hatte und vor ihrem Zorn zurückwich. »Ich sage, daß du ein elender Wicht bist!« erwiderte FrauBonacieux, der nicht entging, daß sie wieder etwas Einflußauf ihren Mann gewann. »Politik willst du treiben, und dazunoch kardinalistische Politik! Für ein bißchen Geld verkaufstdu dich mit Leib und Seele dem Teufel!« »Nein, aber dem Kardinal!« »Das ist dasselbe! Wer Richelieu sagt, der sagt Satan.« »Sei doch still, um Gottes willen! Wenn dich einer hört!« »Du hast recht, ich müßte mich dann ja deiner Feigheitschämen.« »Aber was soll ich denn tun?« »Ich hab dir ja schon gesagt, du machst dich unverzüglich aufden Weg und erledigst getreulich den Auftrag, den ich dir über-mittle; nur unter dieser Bedingung will ich alles vergessen unddir verzeihen, ja will ich dir auch wieder meine Freundschaftschenken!« Und sie hielt ihm ihre Hand hin. Bonacieux war feige undgeizig, aber er liebte seine Frau und wurde weich. Ein Fünf-zigjähriger kann einer Frau von Einundzwanzig nicht langeböse sein. Seine Frau merkte, daß er zögerte. »Nun, hast du dich entschlossen?« »Aber meine Liebe, bedenk doch auch ein bißchen, was duvon mir verlangst! Eine Reise nach London ist kein Spazier-gang, und vielleicht ist der Auftrag, den du für mich hast,nicht ganz ungefährlich.« »Gefahren kann man aus dem Wege gehen.« »Nein, nein, Frau!« sagte der Krämer. »Ich kann das nicht,diese Intrigen machen mir angst. Ich habe die Bastille ken-nengelernt. Brrr! Ein fürchterlicher Ort. Ich brauche nur192
daran zu denken, schon kriege ich eine Gänsehaut. Man hatmir die Folter angedroht. Weißt du, was das ist? Man treibtdir Holzklötze zwischen die Beine, bis die Knochen krachen!Nein, ich reise nicht, auf keinen Fall! Und überhaupt, warumfährst du nicht selber? Ich glaube nämlich, ich hab mich bis-lang in dir getäuscht, mir scheint, du bist ein Mann und nochdazu ein ganz wilder!« »Und du bist ein Weib, ein elendes, dummes und gefühl-loses Weibstück. Du hast also Angst? Nun gut, wenn du dichnicht augenblicklich auf den Weg machst, lasse ich dich aufBefehl der Königin verhaften und in die Bastille werfen, diedu so fürchtest.« Bonacieux versank in tiefes Grübeln; er wog im Geiste reif-lich den Zorn des Kardinals gegen den der Königin ab, undder des Kardinals erwies sich als weitaus schwerer. »Gut, laß mich im Namen der Königin verhaften«, sagte erendlich, »dann werde ich mich eben auf Seine Eminenz be-rufen!« Nun sah Frau Bonacieux ein, daß sie zu weit gegangen war.Nicht ohne Bangigkeit betrachtete sie einen Augenblick die-ses dümmliche Gesicht, das sich so entschlossen gab – wiealle Schwachköpfe, die Angst haben. »Tue, was du willst!« sagte sie. »Vielleicht hast du nicht ein-mal unrecht, Männer verstehen eben doch mehr von Politikals Frauen, und besonders du, denn du hast ja sogar mit demKardinal gesprochen. Allerdings ist es ziemlich hart, daß meinMann, auf dessen Liebe ich glaubte rechnen zu dürfen, michderart ungnädig behandelt und so wenig auf meine Launeneingeht.« »Nur, weil deine Launen zu weit führen können«, versetzteder Krämer triumphierend, »und da bin ich eben mißtrauisch.« »Gut, ich verzichte ja schon«, sagte die junge Frau seufzend.»Reden wir nicht mehr davon!« »Wenn du mir wenigstens sagen würdest, was ich in Londontun soll«, entgegnete Herr Bonacieux, der sich ein bißchen spätdaran erinnerte, daß ihm Rochefort empfohlen hatte, er mögeversuchen, hinter die Geheimnisse seiner Frau zu kommen. »Was brauchst du das noch zu wissen?« sagte seine Frau,die ein unwillkürliches Mißtrauen zurückweichen ließ. »Es 193
handelte sich um eine Bagatelle, wie Frauen sie sich manch-mal wünschen, um eine Besorgung, bei der man viel hätteverdienen können.« Aber je ausweichender seine Frau antwortete, desto mehrsagte sich Bonacieux, daß sie ihm etwas sehr Wichtiges ver-heimlichte. Daher faßte er den Entschluß, unverzüglich denGrafen Rochefort aufzusuchen und ihm mitzuteilen, daß dieKönigin einen Boten suche, um ihn nach London zu schicken. »Entschuldige, liebe Frau«, sagte er, »aber ich muß jetztleider gehen; ich wußte ja nicht, daß du heute kommen wür-dest, und da habe ich mich mit einem meiner Freunde ver-abredet. Doch ich bin gleich zurück. Warte nur ein paar Mi-nuten, dann habe ich die Sache mit meinem Freund erledigtund kann dich, da es ja schon spät genug ist, wieder zum Lou-vre bringen.« »Ach, danke!« erwiderte Frau Bonacieux. »Bei deiner Tap-ferkeit kannst du mir schwerlich von Nutzen sein, da geh ichlieber allein in den Louvre zurück.« »Wie du willst. Sehen wir uns bald wieder?« »Sicher. In der nächsten Woche läßt mir der Dienst hof-fentlich mehr Zeit, dann kann ich hierherkommen und un-sere Sachen in Ordnung bringen, die ein bißchen arg durch-einandergeraten sind.« »Gut, ich erwarte dich also. Du bist mir doch nicht böse?« »Ich? Aber keine Spur!« »Dann bis auf nächste Woche?« »Bis nächste Woche!« Bonacieux küßte seiner Frau die Hand und eilte hinweg. Herrjeh, dachte Frau Bonacieux, als sich die Haustür hin-ter ihrem Mann geschlossen hatte, das fehlte noch, daß die-ser Strohkopf ein Anhänger des Kardinals werden mußte!Und da habe ich mich für ihn bei der Königin verbürgt, habemeiner armen Herrin versprochen … Mein Gott! Nun wirdsie mich auch für eine dieser elenden Kreaturen halten, vondenen es im Schloß nur so wimmelt und die alle nur dazu dasind, ihr nachzuspionieren! Ach, Bonacieux, ich habe dich janie sonderlich geliebt, aber jetzt ist es noch schlimmer, jetzthasse ich dich, und auf mein Wort, was du mir heute angetanhast, sollst du mir bezahlen!194
In ebendiesem Augenblick hörte sie über sich ein Klopfen,und als sie hochblickte, vernahm sie eine Stimme, die zu ihrsprach: »Liebe Frau Bonacieux, öffnet doch bitte die kleineTür zum Seitenaufgang! Ich komme zu Euch hinunter.« Liebhaber und Ehemann»Oh, Madame Bonacieux«, sagte d’Artagnan, als ihn kurz dar-auf die junge Frau durch die besagte Tür hereinließ, »verzeihtdie Bemerkung, aber was habt Ihr nur für einen Jammerlappenzum Mann!« »Habt Ihr denn unser Gespräch mit angehört?« fragte FrauBonacieux aufgeregt und sah den jungen Mann voller Un-ruhe an. »Vom Anfang bis Ende.« »Aber wie denn nur, um Gottes willen?« »Auf dieselbe Weise, die es mir schon neulich erlaubte,Eure allerdings weit lebhaftere Unterhaltung mit den Sbirrendes Kardinals zu belauschen.« »Und was habt Ihr dem Gespräch von eben entnommen?« »Eine ganze Menge. Einmal, daß Euer Mann zum Glück einTrottel und Einfaltspinsel ist; sodann, daß Ihr in Verlegenheitseid, worüber ich mich aufrichtig freue, denn es gestattet mir,Euch meine Dienste anzubieten, und weiß Gott, für Euch gingeich durchs Feuer! Endlich aber auch, daß die Königin einen tap-feren, gescheiten und ergebenen Mann braucht, der für sie nachLondon reist. Da ich zumindest zwei der drei erforderlichenEigenschaften aufweisen kann, seht Ihr mich hier!« Frau Bonacieux antwortete nicht gleich, aber ihr Herzschlug vor Freude höher, und in ihren Augen glänzte eineheimliche Hoffnung auf. »Und welche Sicherheit bietet Ihr mir«, fragte sie endlich,»wenn ich mich wirklich entschließe, Euch mit dieser Mis-sion zu betrauen?« »Meine Liebe zu Euch. Also befehlt: Was soll ich tun?« »O Gott!« murmelte die junge Frau. »Darf ich Euch denn einsolches Geheimnis anvertrauen? Ihr seid ja fast noch ein Kind!« 195
»Ach so, Ihr braucht wohl jemand, der für mich bürgt.« »Ja, das würde mich allerdings sehr beruhigen.« »Kennt Ihr Athos?« »Nein.« »Porthos?« »Nein.« »Aramis?« »Nein. Was sind das für Herren?« »Musketiere des Königs. Aber vielleicht ist Euch ihr Haupt-mann bekannt, Herr de Treville?« »O ja, den kenne ich, zwar nicht persönlich, aber am Hofhabe ich oft von ihm als von einem wackeren und recht-schaffenen Edelmann sprechen hören.« »Ihr hättet also keine Angst, daß er Euch an den Kardinalverraten könnte?« »Nein, ganz gewiß nicht.« »Gut, dann entdeckt ihm Euer Geheimnis und fragt ihn,ob Ihr es mir anvertrauen könnt, sei es auch noch so wichtig,kostbar und gefährlich!« »Aber das Geheimnis gehört nicht mir, und darum darf iches an niemand weitergeben.« »Und doch wolltet Ihr es Euerm Mann anvertrauen!« sagted’Artagnan verdrossen. »Wie man einem hohlen Baum, dem Flügel einer Taube oderdem Halsband eines Hundes einen Brief anvertraut.« »Ihr seht aber doch, daß ich Euch liebe.« »Ihr sagt es zumindest.« »Ich bin ein Ehrenmann!« »Das glaube ich.« »Ich bin tapfer.« »Oh, davon bin ich überzeugt!« »Dann stellt mich auf die Probe!« Frau Bonacieux, deren Bedenken noch immer nicht ganzgeschwunden waren, sah den jungen Mann prüfend an. Aberaus seinem Blick sprach eine ehrliche Bereitschaft, aus seinerStimme eine solche Überzeugungskraft, daß es sie drängte,sich ihm anzuvertrauen. Zudem befand sie sich in einer Lage,in der es alles aufs Spiel zu setzen galt, um alles zu gewinnen.Allzu große Zurückhaltung konnte die Königin ebenso ver-196
derben wie allzu großes Vertrauen. Schließlich aber, gestehenwir es nur, gab die unbewußte Neigung, die sie für ihren jun-gen Beschützer empfand, den Ausschlag. »Gut«, sagte sie, »ich will Euern Beteuerungen glauben.Aber ich schwöre bei Gott, der uns hört, wenn Ihr mich jeverratet und wenn mir auch meine Feinde vergeben, ichwerde mir dennoch das Leben nehmen und Euch als meinenMörder anklagen!« »Und ich schwöre Euch bei Gott«, versetzte d’Artagnan,»sollte ich je in Ausführung Eurer Befehle ergriffen werden,so will ich lieber sterben, als daß ich irgend etwas tue odersage, was einen anderen gefährden könnte!« Hierauf vertraute sie ihm das schreckliche Geheimnis an,das ihm der Zufall schon zu einem Teil vor der Figur der Sa-mariterin auf der Seinebrücke entdeckt hatte. Es war ihre beiderseitige Liebeserklärung. D’Artagnan strahlte vor Freude und Stolz. Das Geheimnis,das er besaß, und diese Frau, die er liebte – Vertrauen und Liebemachten ihn zu einem Riesen. »Ich reise sofort ab«, sagte er. »Wie denn, sofort?« rief Frau Bonacieux. »Und Euer Re-giment, Euer Hauptmann?« »Weiß der Himmel, liebe Constance, Ihr habt mich das allesvergessen lassen! Doch Ihr habt recht, ich muß erst um Urlaubbitten.« »Wieder ein Hindernis«, murmelte Frau Bonacieux ge-quält. »Ach was«, rief d’Artagnan nach kurzem Nachdenken,»damit werde ich schon fertig, macht Euch darüber nur keineGedanken!« »Ja, wie denn?« »Ich gehe noch heute abend zu Herrn de Treville und bitteihn, mir diese Gunst bei seinem Schwager, Herrn des Essarts,zu erwirken.« »Gut, und nun noch eines.« »Ja?« fragte d’Artagnan, als sie zögerte, weiterzusprechen. »Ihr habt vielleicht kein Geld?« »Vielleicht ist gut!« antwortete er und feixte. »Dann nehmt das hier!« sagte Frau Bonacieux und reichte 197
ihm den Beutel, den ihr Mann noch vor einer knappen halbenStunde so liebevoll betätschelt hatte. »Das Geld des Kardinals!« rief d’Artagnan und lachte hellauf, denn wie sich der Leser erinnern wird, war ihm von derUnterhaltung des Krämers mit seiner Frau kein Wort ent-gangen. »Ja, das Geld des Kardinals. Und wie Ihr seht, ist es durch-aus nicht knapp bemessen.« »Bei Gott, es soll mir ein doppelter Spaß sein, die Königinmit den Dukaten Seiner Eminenz zu retten!« »Ihr seid ein liebenswürdiger und artiger junger Mann.Glaubt mir, die Königin wird nicht undankbar sein!« »Ich bin schon überreich belohnt!« rief d’Artagnan. »Ichliebe Euch, und ich darf es Euch sagen. Das ist bereits mehrGlück, als ich zu hoffen wagte.« »Still!« sagte Frau Bonacieux erschrocken. »Was ist denn?« »Auf der Straße wird gesprochen.« »Das ist doch die Stimme …« »Meines Mannes, ja; ich hab sie gleich erkannt.« D’Artagnan lief zur Tür und schob den Riegel vor. »Er darf nicht eher herein, als bis ich gegangen bin. Öffnetihm erst dann!« »Aber ich wollte auch längst weg sein. Und womit soll ich,wenn ich hierbleibe, das Verschwinden des Geldes erklären?« »Ihr habt recht, wir müssen beide weg!« »Aber wie? Er sieht uns doch, wenn wir hinausgehen.« »Dann müßt Ihr mit zu mir hinauf.« »Ach«, rief Frau Bonacieux, »Ihr sagt das in einem Ton,daß mir ganz angst wird.« Bei diesen Worten traten ihr die Tränen in die Augen.D’Artagnan sah es und warf sich verwirrt vor ihr auf die Knie. »Bei mir seid Ihr sicher wie in einem Tempel, darauf gebeich Euch mein Wort als Edelmann!« »Gut, ich komme mit. Ich habe Vertrauen zu Euch, meinFreund!« D’Artagnan schob vorsichtig den Riegel zurück, dann glit-ten beide lautlos in den Hausflur, eilten die Treppe hinaufund schlüpften in d’Artagnans Zimmer. Nachdem hier der198
junge Mann zur Sicherheit erst einmal die Tür fest zugesperrthatte, traten sie ans Fenster und sahen durch einen Spalt dergeschlossenen Läden Herrn Bonacieux mit einem Mannsprechen. Beim Anblick des Fremden, der in einen Mantel gehülltwar, fuhr d’Artagnan zurück, riß den Degen halb aus derScheide und stürzte zur Tür. Es war der Mann aus Meung. »Wo wollt Ihr hin?« rief Frau Bonacieux. »Ihr stürzt unsins Verderben!« »Ich habe geschworen, diesen Kerl zu töten!« »Ihr habt Euer Leben verpfändet, es gehört Euch nichtmehr. Im Namen der Königin verbiete ich Euch, irgendeineGefahr aufzusuchen, die mit Eurer Mission nichts zu tunhat!« »Und in Euerm Namen befehlt Ihr mir nichts?« »In meinem Namen?« sagte sie bewegt. »In meinem Na-men bitte ich Euch sehr. Doch hört, sie sprechen, scheint’s,von mir!« D’Artagnan trat wieder ans Fenster und lauschte ange-strengt. Herr Bonacieux hatte inzwischen die Haustür aufgeschlos-sen und war, als er die Wohnung leer fand, wieder nach draußenzu dem Mann im Mantel gegangen, den er einen Augenblickallein gelassen hatte. »Sie ist nicht mehr da«, sagte er. »Sie wird wohl in den Louvrezurückgekehrt sein.« »Seid Ihr auch sicher«, fragte der Fremde, »daß sie nichtahnt, in welcher Absicht Ihr weggegangen seid?« »Sie ahnt nicht das geringste«, antwortete Bonacieuxselbstgefällig. »Dazu ist sie viel zu oberflächlich.« »Ist der Gardekadett zu Hause?« »Ich glaube nicht. Die Fensterläden sind geschlossen, undes schimmert auch kein Licht durch die Spalten.« »Das will nichts heißen; man müßte sich vergewissern.« »Und wie?« »Bei ihm anklopfen.« »Ich werde seinen Diener fragen.« »Tut das!« 199
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