»Ausgezeichnet, Planchet, du bist der König aller Lakaien,doch nun aufgesessen, wir wollen sehen, daß wir die Kutscheeinholen!« Das war schnell geschehen, denn schon nach fünf Minutensahen sie vor sich die Karosse am Straßenrand stehen; ein reich-gekleideter Reiter hielt am Wagenschlag. Die Unterhaltungzwischen Mylady und dem Reiter war so lebhaft, daß d’Arta-gnan, der seinen Diener ein Stück zurückgelassen hatte, unge-hindert an die andere Wagenseite heranreiten konnte, ohne daßihn jemand anderes als die hübsche Zofe bemerkt hätte. Die Unterhaltung wurde in englischer Sprache geführt, died’Artagnan leider nicht verstand; aber dem Tonfall glaubteunser junger Freund zu entnehmen, daß die schöne Englän-derin sehr aufgebracht war. Schließlich tat sie etwas, was kei-nen Zweifel mehr über den Charakter des Gespräches zuließ:sie schlug mit ihrem Fächer so heftig zu, daß das niedlicheDamenspielzeug in tausend Stücke zerbrach. Der Reiter lachte hellauf, worüber Mylady ganz außer sichzu geraten schien. D’Artagnan fand, dies sei der geeignete Augenblick, sichbemerkbar zu machen; er ritt dicht an den Wagenschlagheran, zog ehrerbietig seinen Hut und sagte: »Madame, erlaubt mir. Euch meine Dienste anzutragen!Mir scheint, dieser Kavalier hat Euch erzürnt. Ein Wort vonEuch, Madame, und ich werde ihn für diesen Mangel an Höf-lichkeit bestrafen.« Beim ersten Wort hatte sich Mylady erstaunt umgewandt,und nun antwortete sie in tadellosem Französisch: »Ich würde mich von Herzen gern unter Euern Schutzstellen, mein Herr, wenn dieser Kavalier nicht ausgerechnetmein Bruder wäre.« »Oh, dann entschuldigt bitte!« sagte d’Artagnan. »Ihr wer-det verstehen, daß ich das nicht ahnen konnte, Madame.« »Was hat sich denn dieser Grünschnabel hier einzumi-schen?« rief der Mann, den Mylady als ihren Bruder bezeich-net hatte, und beugte sich zum Wagenschlag herab. »Warumreitet er nicht weiter?« »Selber Grünschnabel!« gab d’Artagnan zurück und beugtesich ebenfalls auf den Hals seines Pferdes herab, um durch den352
offenen Wagenschlag zu schauen. »Ich reite nicht weiter, weiles mir eben Spaß macht, hier zu halten.« Der Mann sagte einige Worte auf englisch zu seiner Schwe-ster. »Ich spreche französisch mit Euch«, rief d’Artagnan. »Tutmir also bitte den Gefallen und antwortet mir in derselbenSprache! Ihr seid zwar der Bruder dieser Dame, aber zumGlück nicht der meine!« Man hätte denken können, Mylady würde sich nun, da dasGespräch diese Wendung nahm, mit weiblicher Ängstlich-keit vermittelnd eingeschaltet haben, um den Streit nicht aus-arten zu lassen; statt dessen lehnte sie sich einfach in die Pol-ster zurück und rief dem Kutscher ungerührt zu: »Nach Hause!« Die hübsche Zofe warf einen beunruhigten Blick auf d’Ar-tagnan, dessen gutes Aussehen sie offenbar nicht wenig be-eindruckt hatte. Die Karosse fuhr davon und ließ die beidenMänner ohne ein greifbares Hindernis zwischen sich zurück. Der Fremde machte eine Bewegung, wie um dem Wagenzu folgen; aber d’Artagnan, dessen Unmut zu grimmigemZorn anwuchs, als er in ihm jenen Engländer erkannte, anden er in Amiens durch Athos’ Leichtsinn sein Pferd undbeinahe auch seinen Diamantring verloren hatte, fiel ihm indie Zügel und rief: »Ah, mein Herr, Ihr seid offenbar ein noch größerer Grün-schnabel als ich, denn Ihr scheint ganz zu vergessen, daß wirnoch einen kleinen Streit auszutragen haben!« »Oh, Ihr seid es, mein Bester«, erwiderte der Engländer.»Müßt Ihr denn immer irgendeine Partie spielen?« »Allerdings, und das erinnert mich daran, daß Ihr mir Re-vanche schuldig seid. Wir wollen doch mal sehen, mein Herr,ob Ihr mit dem Degen ebenso geschickt umzugehen verstehtwie mit dem Würfelbecher!« »Wie Ihr seht, habe ich keinen Degen bei mir. Wollt Ihretwa gegen einen Unbewaffneten den starken Mann hervor-kehren?« »Ich hoffe. Ihr habt immerhin zu Hause einen«, versetzted’Artagnan. »Für alle Fälle besitze ich zwei, und wenn Ihrwollt, so würfle ich um den einen mit Euch!« 353
»Unnötig, ich bin hinlänglich mit derartigen Dingen ver-sehen.« »Nun wohl, Herr Edelmann, dann sucht Euch den läng-sten aus und zeigt ihn mir heute abend.« »Und wo, wenn ich bitten darf?« »Hinter dem Luxembourg. Dort ist eine reizende Gegendfür Spaziergänge von der Art, wie ich Euch einen vorschlage.« »Gut, ich komme.« »Und wann?« »Um sechs.« »Übrigens, Ihr werdet sicherlich auch ein oder zweiFreunde finden …« »Oh, ich habe drei, denen es eine Ehre sein wird, bei die-ser Partie mitzuspielen.« »Drei? Ausgezeichnet, wie sich das trifft!« rief d’Artagnan.»So viele bringe ich auch mit!« »Und nun, wer seid Ihr?« fragte der Engländer. »D’Artagnan, gascognischer Edelmann, zur Zeit Gardistin der Kompanie des Herrn des Essarts. Und Ihr?« »Lord Winter, Baron von Sheffield.« »Ergebener Diener, Herr Baron«, sagte d’Artagnan, »wennauch Eure Namen schwer zu behalten sind!« Damit gab erseinem Pferd die Sporen und jagte mit Planchet, der nur aufseinen Wink gewartet hatte, in gestrecktem Galopp nach Pa-ris zurück. Wie immer in solchen Fällen, suchte er sofort Athos auf.Der lag auf seinem breiten Sofa, wo er, wie er erklärt hatte,darauf wartete, daß seine Ausrüstung den Weg zu ihm fand.D’Artagnan erzählte ihm alles, was ihm widerfahren war, undverschwieg lediglich den Brief an den Grafen von Wardes. Athos war entzückt, als er hörte, daß er sich mit einemEngländer schlagen dürfe. Wir erwähnten ja bereits, daß diessein Wunschtraum war. Man schickte sofort Grimaud undPlanchet los, um Porthos und Aramis zu holen, und als dieseeintrafen, unterrichtete man sie über die neue Lage. Porthos zog sogleich seinen Degen aus der Scheide undfiel gegen die Wand aus, wobei er ständig vor- und zurück-schnellte und Kniebeugen machte wie ein Tänzer. Aramis, der noch immer an seinem Gedicht arbeitete, schloß354
sich im Nebenzimmer ein und bat, ihn nicht eher zu stören, alsbis es Zeit wäre, vom Leder zu ziehen. Athos bedeutete Grimaud durch einen Wink, eine FlascheWein zu holen. D’Artagnan endlich entwarf in aller Stille einen kleinen Plan,dessen Ausführung wir noch erleben werden und der ihm einanmutiges Abenteuer verhieß, wie man an dem Lächeln sehenkonnte, das von Zeit zu Zeit über seine träumerische Mieneglitt. Engländer und FranzosenZur festgesetzten Stunde verfügten sich unsere vier Freundemit ihren Dienern hinter den Luxembourg, wo in einem Ge-hege Ziegen weideten. Athos gab dem Schäfer ein Geldstück,damit er sich entferne. Die Diener wurden als Posten aufge-stellt. Bald näherte sich ein weiterer schweigsamer Trupp demGehege, trat durch das Gatter ein und nahm gegenüber denMusketieren Aufstellung. Dann nannte, nach englischemBrauch, jeder seinen Namen. Die Engländer waren alle vonvornehmstem Stande, und so zeigten sie sich beim Anhörender absonderlichen Namen ihrer Gegner nicht nur über-rascht, sondern mehr noch beunruhigt. »Aber damit«, sagte Lord Winter, nachdem die drei Mus-ketiere sich vorgestellt hatten, »wissen wir immer noch nicht,wer Ihr seid, und wir können uns nicht mit Leuten schlagen,die so heißen; das sind ja Hirtennamen!« »Es sind auch, wie Ihr ganz richtig vermutet, Mylord,falsche Namen«, erwiderte Athos. »Das macht uns nur um so begieriger, die wirklichen Na-men zu erfahren«, versetzte der Engländer. »Gewürfelt habt Ihr allerdings mit mir, auch ohne meinenNamen zu kennen«, sagte Athos. »Oder habt Ihr mir im Spieletwa nicht zwei Pferde abgenommen?« »Doch, das stimmt schon, aber damals ging es nur um Du-katen, heute geht es um unser Blut. Spielen kann man mit je-dem, kämpfen nur gegen seinesgleichen.« 355
»Das ist wahr«, gab Athos zu, trat dicht an den Engländerheran, den er zum Gegner bekommen hatte, und nannte ihmflüsternd seinen richtigen Namen. Porthos und Aramis machten es ebenso. »Seid Ihr nun zufrieden«, fragte Athos seinen Gegner,»und ist es Euch Ehre genug, mit mir die Klinge zu kreuzen?« »Gewiß, mein Herr«, antwortete der Engländer und ver-neigte sich. »Wohlan, darf ich Euch nun noch etwas sagen?« fragteAthos. »Bitte!« »Ihr hättet gut daran getan, nicht von mir zu verlangen,daß ich mich zu erkennen gebe.« »Warum?« »Weil man mich für tot hält und ich aus triftigen Gründenwünschen muß, daß niemand die Wahrheit erfährt; nun binich leider gezwungen. Euch zu töten, damit mein Geheimnisgewahrt bleibt.« Der Engländer dachte, Athos halte ihn zum besten, aber alser ihn ansah, las er in dem Gesicht seines Gegners nicht denleisesten Spott. »Meine Herren!« rief Athos und wandte sich damit gleich-zeitig an Gefährten und Gegner. »Sind wir soweit?« »Ja«, antworteten wie aus einem Munde Engländer undFranzosen. »Dann also los!« Und sogleich blitzten acht stählerne Klingen in den Strah-len der untergehenden Sonne, entspann sich ein Kampf, derum so erbitterter geführt wurde, als hier eine doppelte Geg-nerschaft ausgetragen wurde. Athos focht so ruhig und überlegt, als stünde er in einemFechtsaal. Porthos, durch das Abenteuer in Chantilly offenbar vonseinem allzu großen Selbstvertrauen geheilt, lieferte einenvorsichtigen und listenreichen Kampf. Aramis, der an diesem Tag noch den dritten Gesang seinesPoems vollenden wollte, preschte mit dem Eifer eines Man-nes vor, der keine Zeit zu verlieren hat. Athos erledigte als erster seinen Gegner. Er traf ihn nur356
einmal, aber wie er es angekündigt hatte, war der Stoß töd-lich: der Degen durchbohrte das Herz. Porthos streckte als zweiter seinen Gegner ins Gras: er hatteihm den Schenkel durchstochen. Da nun der Engländer jedenWiderstand aufgab und ihm seinen Degen aushändigte, nahmihn Porthos in seine Arme und trug ihn zu dem Wagen, mitdem die Engländer gekommen waren. Aramis bedrängte seinen Gegner so ungestüm, daß dersich, nachdem er schon etwa fünfzig Schritt fechtend zurück-gewichen war, nicht mehr anders zu helfen wußte, als Halsüber Kopf davonzurennen, verfolgt von dem Hohngeschreider Lakaien. Was d’Artagnan betraf, so hatte er sich zunächst auf einenreinen Abwehrkampf beschränkt. Erst als er merkte, daß seinGegner ziemlich müde geworden war, schlug er ihm unver-sehens mit einem heftigen Quartstoß den Degen aus derHand. Der Baron sah sich entwaffnet und sprang zwei, dreiSchritte zurück, dabei aber glitt er aus und fiel rücklings hin. D’Artagnan war mit einem einzigen Satz über ihm undsetzte ihm den Degen an die Kehle. »Ich könnte Euch töten, Baron«, rief er, »denn Ihr seid inmeiner Hand, doch um Eurer Schwester willen schenke ichEuch das Leben!« D’Artagnan triumphierte; der vorher genau zurechtgelegtePlan, dessen Ausarbeitung das besagte Lächeln auf seinem Ge-sicht hervorgerufen hatte, war geglückt. Lord Winter, der ent-zückt war, daß er es mit einem so großmütigen Edelmann zutun hatte, schloß den Gascogner in seine Arme und sagte dendrei Musketieren tausend Schmeicheleien. Da Porthos’ Geg-ner bereits im Wagen wartete und der von Aramis das Weite ge-sucht hatte, brauchte man sich nur noch um den Toten zukümmern. Als Porthos und Aramis ihn in der Hoffnung entkleideten,die Verwundung werde vielleicht doch nicht tödlich sein, fieleine schwere Börse aus seinem Gürtel. D’Artagnan hob sieauf und reichte sie Lord Winter. »Was soll ich damit?« rief der Engländer. »Gebt sie seiner Familie zurück!« »Seine Familie schert sich den Teufel um eine solche Baga- 357
telle; sie erbt fünfzehntausend Pfund Rente. Behaltet die Börsefür Eure Lakaien!« D’Artagnan steckte den Beutel in die Tasche. »Und nun, mein junger Freund«, sagte Lord Winter, »dennich hoffe, Ihr erlaubt mir, Euch so zu nennen, werde ichEuch, wenn Ihr damit einverstanden seid, noch heute abendmeiner Schwester, Lady Clarick, vorstellen. Ich möchte, daßauch sie Euch gewogen ist, und da sie bei Hofe nicht übel an-geschrieben ist, wird ihre Bekanntschaft Euch vielleicht vonNutzen sein.« D’Artagnan wurde rot vor Freude und verneigte sich zumZeichen seines Einverständnisses. Unterdes war Athos neben seinen jungen Freund getre-ten. »Was gedenkt Ihr mit der Börse zu tun?« fragte er. »Nun, ich wollte sie Euch geben«, sagte d’Artagnan. »Mir?« »Aber ja. Ihr habt ihn doch getötet, und das ist die Sieges-beute!« »Ich soll einen Feind beerben?« rief Athos. »Wofür haltetIhr mich?« »So will es der Kriegsbrauch, und warum sollte man nichtauch bei einem Duell so verfahren?« »Selbst auf dem Schlachtfeld habe ich so etwas niemals ge-tan!« versetzte Athos. Porthos zuckte die Achseln, Aramis nickte zustimmend. »Na gut«, sagte d’Artagnan, »dann geben wir das Geldeben den Lakaien, wie es Lord Winter vorgeschlagen hat!« »Ja«, entgegnete Athos, »geben wir das Geld den Lakaien,aber nicht unsern, sondern denen der Engländer!« Damitnahm er die Börse und warf sie dem Kutscher zu: »Für dichund die anderen!« Eine solch großartige Geste bei einem Mann, der selberdringend Geld brauchte, verfehlte sogar auf Porthos ihre Wir-kung nicht, und so wurde das begeisterte Echo, das dieses Bei-spiel französischer Großzügigkeit dank Lord Winters frei-mütigem Bericht überall hervorrief, im Grunde nur von vierMenschen nicht geteilt: nämlich von den sehr ehrenwertenHerren Grimaud, Mousqueton, Planchet und Bazin.358
Als man sich trennte, gab Lord Winter dem Gascogner nochdie Adresse seiner Schwester; sie wohnte am Place RoyaleNr. 6, also in dem zur damaligen Zeit vornehmsten Viertel vonParis. Überdies erbot er sich, ihn zu Hause abzuholen, um ihnpersönlich vorzustellen. D’Artagnan verabredete sich um achtUhr in Athos’ Wohnung. Die Vorstellung bei Mylady beschäftigte unseren jungenFreund ganz außerordentlich. Er erinnerte sich, auf welchseltsame Weise diese Frau bisher mit seinem Schicksal ver-knüpft war. Nach seiner Überzeugung war sie eine Kreaturdes Kardinals, und doch zog ihn eines jener Gefühle, überdie man sich nie Rechenschaft ablegt, unwiderstehlich zu ihrhin. Er fürchtete nur, Mylady könne in ihm den Mann vonMeung und Dover wiedererkennen. Dagegen machte er sichum das, was sich zwischen ihr und dem Grafen von Wardesangesponnen hatte, nur wenig Gedanken, obwohl der Mar-quis jung, schön und reich war und bei dem Kardinal in ho-hen Gunsten stand. Nicht umsonst ist man zwanzig Jahre altund stammt obendrein noch aus Tarbes in der Gascogne! D’Artagnan kehrte zunächst nach Hause zurück und warfsich in Gala. Dann ging er zu Athos und erzählte ihm, wie ge-wöhnlich, alles. Der Freund hörte ihn an, schüttelte schließlichden Kopf und mahnte ihn, nicht ohne eine gewisse Bitterkeit,zur Vorsicht. »So!« sagte er. »Kaum habt Ihr eine Frau, die nach Euern ei-genen Worten gut, schön und vollkommen war, aus den Augenverloren, da lauft Ihr schon wieder einer anderen nach!« D’Artagnan fühlte, wie berechtigt der Vorwurf war. »Frau Bonacieux liebe ich mit dem Herzen, Mylady abermit dem Verstand«, erwiderte er. »Wenn ich mich bei ihr ein-führen lasse, so in erster Linie, um mir über die Rolle klar-zuwerden, die sie bei Hofe spielt.« »Was für eine Rolle sie spielt? Mein Gott, nach allem, wasIhr mir erzählt habt, ist das ja nun wirklich nicht schwer zuerraten. Sie ist eine Agentin des Kardinals, was sonst? EineFrau, die Euch noch mal in eine Falle locken wird, in der Ihrganz schlicht Euern Kopf lassen werdet!« »Teufel noch eins, Athos, mir scheint, Ihr seht aber auchnur noch schwarz!« 359
»Mein Lieber, ich mißtraue den Frauen! Was wollt Ihr? Ichhabe teuer genug dafür bezahlt, vor allem, was die blondenbetrifft. Sagtet Ihr nicht, Mylady ist blond?« »Das schönste Blond, das man sich denken kann!« »Armer d’Artagnan!« »Hört, ich will mir ja bloß Klarheit verschaffen; sobald ichgenug weiß, ziehe ich mich wieder zurück!« »Ja, laßt Euch nur aufklären!« antwortete Athos gleich-mütig. Lord Winter erschien zur verabredeten Zeit und traf d’Ar-tagnan allein an, da sich Athos bei der Ankündigung des Ba-rons sofort in das Nebenzimmer verzogen hatte. Es war fastacht Uhr, und so brach man gleich wieder auf. Vor dem Hauswartete eine elegante Kutsche mit zwei prächtigen Pferden da-vor, die sie in wenigen Augenblicken zum Place Royale brachte. Mylady Clarick empfing d’Artagnan sehr würdevoll. IhrHaus war mit verschwenderischer Pracht ausgestattet, undobwohl wegen des Krieges die meisten Engländer Frankreichverlassen hatten oder doch im Begriff standen, es zu verlas-sen, hatte Mylady erst jüngst wieder große Summen in ihrHaus gesteckt, was deutlich machte, daß sie von dem allge-meinen Ausweisungsbefehl nicht betroffen wurde. »Ihr seht hier«, sagte Lord Winter, während er d’Artagnanseiner Schwester vorstellte, »einen jungen Edelmann, dermein Leben in der Hand hatte, seinen Vorteil aber nichtwahrnahm, obwohl er in doppelter Hinsicht dazu berechtigtwar, einmal als Franzose und zum anderen als der Beleidigte.Sagt auch Ihr ihm Euern Dank, Madame, sofern Ihr etwasFreundschaft für mich empfindet!« Mylady hob kaum merklich die Brauen, ein leichter Schat-ten senkte sich auf ihre Stirn, und ein so eigentümlichesLächeln umspielte ihre Lippen, daß d’Artagnan, dem diesedreifache Veränderung in ihrem Mienenspiel nicht entgan-gen war, einen seltsamen Schauder empfand. Der Bruder sah nichts von alledem; er hatte sich abge-wandt, um mit Myladys Lieblingsaffen zu spielen, der ihn amWams gezupft hatte. »Seid willkommen, Herr d’Artagnan!« sagte Mylady mitüberraschend weicher Stimme, die jene Andeutungen von360
schlechter Laune, die d’Artagnan noch eben beobachtethatte, Lügen zu strafen schien. »Ihr habt Euch heute ein ewi-ges Anrecht auf meine Dankbarkeit erworben.« Nun trat der Baron wieder hinzu und erzählte den genauenHergang des Kampfes. Mylady hörte mit größter Aufmerk-samkeit zu; aber wenn sie sich auch bemühte, ihre Eindrückezu verbergen, so ließ sich doch unschwer erkennen, daß ihrdieser Bericht keineswegs angenehm war. Das Blut stieg ihrin den Kopf, und unter dem langen Kleid bewegten sich diezierlichen Füße voller Ungeduld. Lord Winter bemerkte auch jetzt nichts. Als er mit seinerErzählung zu Ende war, trat er an einen Tisch, auf dem eineFlasche spanischer Wein und einige Gläser standen. Er fülltezwei Gläser und winkte den Gascogner heran, um mit ihm zutrinken. D’Artagnan wußte, daß er den Engländer sehr krän-ken würde, wenn er ihm nicht Bescheid tat. So ging er an denTisch und nahm das zweite Glas. Dabei verlor er Mylady in-dessen nicht aus den Augen, vielmehr beobachtete er sie ineinem Spiegel und konnte so jede Veränderung in ihren Zügenwahrnehmen. In diesem Augenblick nun, da sie sich unbeob-achtet glaubte, trat ein Ausdruck von grausamer Wildheit inihr Gesicht, und sie biß heftig in ihr Taschentuch. Die hübsche kleine Zofe, die d’Artagnan schon in Saint-Germain gesehen hatte, kam herein und sagte auf englischein paar Worte zu Lord Winter, der hierauf d’Artagnan bat,sich zurückziehen zu dürfen, da ihn dringende Geschäfte ab-riefen. Die beiden Männer verabschiedeten sich mit einem Hände-druck, dann wandte sich d’Artagnan wieder Mylady zu. IhrGesicht hatte mit verblüffender Schnelligkeit wieder einen lie-benswürdigen Ausdruck angenommen, nur ein paar winzigerote Flecken an ihrem Taschentuch verrieten noch, daß sie sicheben die Lippen blutig gebissen hatte. Diese Lippen waren herrlich, man mußte unwillkürlich anKorallen denken. Die Unterhaltung wurde recht angeregt. Mylady schiensich wieder völlig gefaßt zu haben. Sie erzählte, daß Lord Win-ter nicht ihr Bruder, sondern ihr Schwager sei; sein jüngererBruder habe sie als Witwe mit einem Kind zurückgelassen, 361
und dieses Kind sei der einzige Erbe der Familie, wenn LordWinter unverheiratet bleibe. Das alles erschien d’Artagnanwie ein merkwürdiger Schleier, der etwas Entscheidendes ver-hüllte, aber es gelang ihm nicht, ihn zu lüften. Übrigens hatte d’Artagnan nach einer halben Stunde dieÜberzeugung gewonnen, daß Mylady seine Landsmänninwar, denn sie sprach ein so reines und elegantes Französisch,daß sich jeder Zweifel erübrigte. D’Artagnan erging sich in Liebenswürdigkeiten und Er-gebenheitsbeteuerungen. Zu all diesen nicht eben geistrei-chen Worten unseres Gascogners lächelte Mylady wohlwol-lend. Endlich wurde es Zeit, daß er sich verabschiedete, undsehr von diesem Abend angetan, verließ er den Salon. Auf der Treppe begegnete er der hübschen Zofe, die ihn imVorbeigehen leicht streifte und, heftig errötend, ihn deshalbum Verzeihung bat, und zwar mit einer so lieblichen Stimme,daß d’Artagnan ihr nicht eine Sekunde gram sein konnte. Schon am nächsten Abend kam unser Freund wieder in dasHaus am Place Royale und wurde noch freundlicher als das er-stemal empfangen. Lord Winter war nicht da, und so machteMylady die liebenswürdige Wirtin. Sie schien ein großes In-teresse an ihm zu nehmen; sie fragte nach seiner Heimat, nachseinen Freunden und ob er nicht schon manchmal daran ge-dacht habe, in die Dienste des Kardinals zu treten. D’Artagnan, der bekanntlich für seine Jugend ein sehr auf-geweckter Bursche war, entsann sich wieder seines alten Arg-wohns gegen Mylady. Er stimmte eine Lobeshymne auf SeineEminenz an und versicherte, daß er gewiß nicht verfehlthätte, in die Leibwache des Kardinals einzutreten, wenn erstatt mit Herrn de Treville beispielsweise mit Herrn de Ca-vois bekannt geworden wäre. Mylady wechselte in der unbefangensten Weise das Themaund fragte d’Artagnan nach einer Weile wie beiläufig, ob erschon einmal in England war. Er antwortete, daß er vonHerrn de Treville einmal zum Pferdekauf nach drüben ge-schickt worden sei und daß er auch ein paar Tiere zur An-sicht mitgebracht habe. Im Verlauf dieses Gesprächs biß sichMylady einigemal auf die Lippen; sie hatte es mit einem Gas-cogner zu tun, der sich so leicht keine Blöße gab.362
Etwa um dieselbe Zeit wie am Vorabend zog sich d’Arta-gnan zurück. Im Hausflur begegnete ihm abermals die hüb-sche Ketty, wie die kleine Zofe hieß. Sie blickte ihn mit einerInnigkeit an, die keinen Zweifel an ihren Gefühlen ließ; dochunser junger Freund war so mit der Herrin beschäftigt, daßer für nichts anderes Augen hatte. Auch am nächsten und übernächsten Abend fand sich d’Ar-tagnan bei Mylady ein, und jedesmal wurde ihm ein freund-licherer Empfang zuteil. Jedesmal aber auch begegnete ihm imVorzimmer, im Flur oder auf der Treppe die hübsche kleineZofe. Indessen schenkte er dem beharrlichen Werben der ar-men Ketty nach wie vor nicht die geringste Beachtung. Ein Essen im Hause CoquenardUngeachtet der glänzenden Rolle, die Porthos bei jenem Duellauf der Ziegenwiese gespielt hatte, vergaß er keineswegs dasEssen, zu dem er von Frau Coquenard eingeladen worden war.Am anderen Mittag gegen ein Uhr machte er sich, nachdemihn Mousqueton noch ein letztes Mal abgebürstet hatte, aufden Weg in die Rue aux Ours, mit dem gewichtigen Schritteines Mannes, der einem doppelten Glück entgegengeht. Sein Herz klopfte, wenn auch nicht, wie bei d’Artagnan,in junger, ungeduldiger Liebe. Nein, was seine Pulse höherschlagen ließ, war ein durchaus handgreifliches Interesse:endlich sollte er die geheimnisvolle Schwelle überschreiten,sollte die unbekannte Treppe hinaufsteigen, die einer nachdem anderen die Taler und Dukaten Meister Coquenards er-klommen hatten. Endlich sollte er jene Truhe zu Gesicht be-kommen, deren Bild ihm wohl schon zwanzigmal im Traumerschienen war, jene große, breite Truhe mit dicken Schlös-sern und Riegeln, die fest in den Boden eingelassen war, jeneTruhe, von der er schon so oft hatte sprechen hören und diesich nun bald, von den mageren, wenn auch nicht ausge-sprochen häßlichen Händen der Frau Staatsanwalt geöffnet,vor seinen bewundernden Blicken auftun würde. Darüber hinaus aber wartete auf ihn, den fahrenden Krieger, 363
den Mann ohne Geld und ohne Familie, den an elende Wirts-häuser, Schenken und Kneipen gewöhnten Soldaten, den fastnur noch auf Gelegenheitshappen angewiesenen Feinschmek-ker, das Glück, sich an kräftiger Hausmannskost gütlich zu tun,ein gemütliches Heim zu genießen und sich all die kleinen Auf-merksamkeiten gefallen zu lassen, die, wie die alten Haudegensagen, einem um so mehr behagen, je weniger verwöhnt manist. Sich täglich als Verwandter des Hauses an einen gutbestell-ten Tisch setzen, die gelbe und zerknitterte Stirn eines altenAnwalts glätten, ein bißchen die jungen Schreiber rupfen, in-dem man ihnen das Würfeln und verschiedene Kartenspiele mitallen Tricks beibrachte und ihnen als Honorar für eine einzigeUnterrichtsstunde die Ersparnisse eines ganzen Monats ab-knöpfte, das alles war so recht nach dem Herzen des Muske-tiers. Er vergegenwärtigte sich zwar zuweilen, was man sichschon damals alles über die Anwälte erzählte – und welcherRuf sie ganz offenbar überdauert hat: nämlich ihren Geiz,ihre Sparsamkeit und ihre magere Küche; da sich aber FrauCoquenard, von wenigen Anwandlungen zur Knickrigkeitabgesehen, im großen und ganzen recht freigebig gezeigthatte – freigebig für die Frau eines Anwalts, versteht sich –,so hoffte er doch auf ein einigermaßen wohlbestelltes Haus. Indessen kamen dem Musketier schon an der Tür wiederZweifel, denn der Zugang war alles andere als einladend: eindunkler, stinkender Hausflur, dann eine schlechtbeleuchteteTreppe mit einem Gitterfenster, durch das vom Hof her spär-liches Licht sickerte, endlich im ersten Stock eine niedrigeeisenbeschlagene Tür, die an ein Gefängnistor gemahnte. Porthos klopfte an. Ein hochaufgeschossener blasser Schrei-ber mit einem gewaltigen Schopf struppiger Haare öffnete undbegrüßte ihn mit der Miene eines Mannes, der sich genötigtsieht, in einem anderen den kraftstrotzenden Wuchs als Aus-druck körperlicher Überlegenheit, die Uniform als Ausdruckeines gewichtigen Standes und das frische rote Gesicht als Aus-druck gesunden Wohllebens zu achten. Ein zweiter, kleinerer Schreiber hinter dem ersten, ein dritter,wieder etwas größerer Schreiber hinter dem zweiten, ein Lauf-364
bursche von vielleicht zwölf Jahren hinter dem dritten. Imganzen drei und ein halber Schreiber, was zu jener Zeit auf einesehr rege Kundschaft schließen ließ. Obgleich der Musketier erst um ein Uhr kommen sollte,lag die Hausfrau schon seit einer halben Stunde auf der Lauer,denn sie hatte angenommen, das Herz, vielleicht auch derMagen ihres Liebhabers würden ihn vor der Zeit hertreiben.So trat sie nun auch fast gleichzeitig mit ihrem Gast, nurdurch eine andere Tür, in die Diele, und das Erscheinen derwürdigen Matrone befreite Porthos aus einer großen Verle-genheit; denn die Schreiberlinge hatten ihn höchst neugieriggemustert, während er, da er nicht recht wußte, was er zu die-ser auf- und absteigenden Tonleiter sagen sollte, geschwiegenhatte. »Oh, mein Vetter!« rief Frau Coquenard. »Seid willkom-men, Herr Porthos, tretet ein!« Bei dem Namen Porthos fingen die Schreiber an zu lachen;aber der Musketier drehte sich nur einmal kurz um, undschon schwand alle Heiterkeit aus den Gesichtern. Man durchschritt die Diele, wo die Schreiber noch immerstanden, und die Kanzlei, wo sie eigentlich hingehörten – ei-nen düsteren Raum, in dem sich allenthalben Papier auf-türmte; dann ließ man rechts die Küche liegen, betrat dasEmpfangszimmer und gelangte endlich in das Arbeitszim-mer des Anwalts. All diese Räume, die eine durchgehende Zimmerflucht bil-deten, weckten in Porthos wenig angenehme Gefühle. Beiden offenen Türen konnte man jedes Wort bestimmt in derganzen Wohnung hören; außerdem hatte er im Vorüberge-hen einen raschen, prüfenden Blick in die Küche geworfenund mußte sich zur Schande der Hausfrau und zum eigenenBedauern sagen, daß er nichts von jenem lebhaften Hin undHer bemerkt hatte, das gemeinhin vor einem guten Mahle indiesem Allerheiligsten der Feinschmeckerei zu herrschenpflegt. Herr Coquenard war augenscheinlich auf den Besuch vor-bereitet, denn er zeigte sich nicht im mindesten überrascht,als Porthos ziemlich unbefangen auf ihn zuging und ihn höf-lich begrüßte. 365
»Wir sind Vettern, wie es scheint, Herr Porthos?« sagte derAnwalt und richtete sich schwerfällig in seinem Rollstuhl auf. Der Greis war in einen langen schwarzen Rock gehüllt, indem sich sein schmächtiger Körper fast verlor, und sah gelbund vertrocknet aus; seine kleinen grauen Augen glänztenwie Karfunkel und schienen neben dem Mund, der in unab-lässiger Bewegung war, das einzige an seinem Gesicht, in demnoch Leben wohnte. Unglücklicherweise begannen die Beine,diesem Knochengerippe den Dienst zu versagen; in den fünfoder sechs Monaten, seit sich diese Schwäche fühlbar ge-macht hatte, war der würdige Staatsanwalt fast völlig zumSklaven seiner Frau geworden. Der Vetter wurde mit Ergebung hingenommen, mehrnicht. Ein gesunder Meister Coquenard hätte gewiß jede Ver-wandtschaft mit Herrn Porthos abgelehnt. »Ja, wir sind Vettern«, erwiderte Porthos, ohne mit derWimper zu zucken; übrigens hatte er von dieser Seite nie einebegeisterte Aufnahme erwartet. »Durch meine Frau, wenn ich nicht irre?« sagte boshaftder Anwalt. Porthos merkte den Spott nicht, er nahm es für eine harm-lose Äußerung und grinste in seinen dichten Bart. Frau Co-quenard, die wußte, daß ein harmloser Staatsanwalt nahezuein Widerspruch in sich ist, lächelte nur schwach und errö-tete dafür um so stärker. Meister Coquenard hatte seit dem Eintreten des Muske-tiers schon mehrmals einen beunruhigenden Blick auf einengroßen Schrank geworfen, der seinem eichenen Schreibtischgenau gegenüberstand. Porthos begriff, daß dieser Schrank,obgleich er äußerlich keineswegs der Truhe entsprach, die erin seinen Träumen gesehen hatte, die glückbringende Schatz-kammer sein müsse, und er beglückwünschte sich dazu, daßdie Wirklichkeit den Traum um sechs Fuß an Höhe übertraf. Meister Coquenard wartete mit keinen weiteren genealogi-schen Fragen auf, aber während er seinen besorgten Blick vondem Schrank zu Porthos wandern ließ, meinte er trocken: »Bevor unser Herr Vetter gegen den Feind ausrückt, wirder uns doch sicherlich das Vergnügen machen, auch einmalmit uns zu speisen, nicht wahr, meine Liebe?«366
Diesmal hatte der Hieb gesessen; aber nicht nur Porthosfühlte sich getroffen, sondern offenbar auch Frau Coquenard,denn sie sagte: »Mein Vetter kommt bestimmt nicht wieder, wenn er sichhier nicht gut gelitten sieht; im anderen Fall bleibt ihm nurnoch so wenig Zeit in Paris und folglich, uns zu besuchen,daß wir ihn nur bitten können, uns bis zu seiner Abreisemöglichst jede freie Minute zu schenken.« »Oh, meine Beine, meine armen Beine, wo seid ihr mir?«murmelte Herr Coquenard und versuchte zu lächeln. Die Hilfe, die Porthos in eben dem Augenblick zuteil gewor-den war, da man seine gastronomischen Erwartungen bedrohthatte, erfüllte ihn mit großer Dankbarkeit für Frau Coquenard. Bald war es Zeit zum Essen. Man begab sich ins Speise-zimmer, das groß und düster gegenüber der Küche lag. Die Schreiber, die offenbar höchst ungewöhnliche Düfteim Haus wahrgenommen hatten, waren von militärischerPünktlichkeit und hielten ihre Schemel in den Händen, be-reit, sich sogleich hinzusetzen. Man sah, wie sie schon jetztin fürchterlicher Bereitschaft die Kinnladen bewegten. Ach, du grüne Neune, dachte Porthos angesichts der dreiAusgehungerten, denn wie man sich denken kann, durfte derLaufbursche noch nicht an der Tafel der Herrschaft sitzen;wenn ich Meister Coquenard wäre, würde ich solche Hun-gerleider zum Teufel jagen! Sie sehen wie die Überlebendeneines Schiffbruchs aus, die seit sechs Wochen nichts mehr ge-gessen haben. Der Hausherr wurde in seinem Rollstuhl von Frau Co-quenard hereingefahren, und Porthos beeilte sich, ihr dabei zuhelfen. Kaum hatte man Herrn Coquenard an den Tisch ge-rollt, als er auch schon, dem Beispiel seiner Schreiber folgend,schnuppernd die Nase hob und mahlend die Kinnladen be-wegte. »Oho«, rief er, »das duftet ja sehr verführerisch!« Was zum Teufel mögen sie nur alle an dieser Suppe so be-sonders finden? fragte sich Porthos beim Anblick einer blassen,dünnen Brühe, auf der kein einziges Fettauge zu entdeckenwar, sondern nur ein paar Brotkrusten, die da verloren wie dieInseln eines Archipels herumschwammen. 367
Frau Coquenard lächelte, und auf ein Zeichen von ihr be-eilten sich alle, Platz zu nehmen. Der Hausherr wurde als er-ster bedient, dann Porthos. Hierauf füllte Frau Coquenardihren eigenen Teller und verteilte die Brotkrusten ohne Brühean die ungeduldigen Schreiber. In diesem Augenblick ging die Tür zum Flur knarrend vonselbst auf, und Porthos gewahrte durch den Spalt den kleinenSchreiberaspiranten, der zu dem Festschmaus nicht zugelas-sen war und sein Brot zu den doppelten Düften verzehrte, dieder Küche und dem Speisezimmer entströmten. Nach der Suppe trug die Magd ein gekochtes Huhn auf,eine Herrlichkeit, vor der die Tischgäste die Augen dermaßenweit aufrissen, daß zu befürchten stand, sie würden ihnengänzlich herausfallen. »Man sieht, du bist deiner Familie sehr zugetan, meineLiebe«, sagte Coquenard mit einem fast tragischen Lächeln.»Dies ist doch gewiß eine Aufmerksamkeit für deinen Vetter,nicht wahr?« Das arme Huhn war mager und steckte in einer jenerdicken Häute, die so zäh sind, daß die Knochen trotz allenFleißes sich nicht hindurchbohren können. Sicherlich hatteman sehr lange suchen müssen, ehe man es auf der Hühner-stange entdeckte, wohin es sich zurückgezogen hatte, umstill und friedlich an Altersschwäche zu sterben. Teufel noch mal, dachte Porthos, das ist ja wirklich traurig;ich achte zwar das Alter, doch in gekochtem oder gebratenemZustand sagt es mir wenig zu. Er blickte in die Runde, um zu sehen, ob auch die anderenseine Meinung teilten, aber er sah nur strahlende Gesichter,die das köstliche Huhn, den Gegenstand seiner Verachtung,im voraus mit gierigen Blicken verschlangen. Frau Coquenard zog die Platte zu sich heran, löste geschicktdie beiden schwarzen Füße und legte sie auf den Teller ihresMannes; dann schnitt sie für sich Kopf und Hals ab, tat Por-thos den einen Flügel auf und reichte der Magd die Platte mitdem fast unberührten Tier zurück; dies alles geschah so schnell,daß der Musketier gar nicht dazu kam, die mannigfaltigen Ver-änderungen zu beobachten, die bekanntlich eine Enttäuschungin den Gesichtern der Betroffenen hervorzurufen vermag.368
An Stelle des Huhns wurde jetzt eine riesige Schüssel mitBohnen aufgetragen, in der sich einige Hammelknochen zeig-ten, die man auf den ersten Blick für Fleisch halten konnte.Aber die Schreiber ließen sich nicht mehr täuschen, und ihretraurigen Gesichter nahmen eine entsagungsvolle Miene an.Frau Coquenard aber teilte dieses Gericht mit der Zurückhal-tung einer sparsamen Hausfrau an die jungen Leute aus. Nun kam die Reihe an den Wein. Herr Coquenard schenkteaus einem sehr mageren Weinkrug jedem der jungen Leute dasGlas zu einem Drittel voll, goß sich selbst ebensoviel ein undreichte dann den Krug an seine Frau und Porthos weiter. DieSchreiber füllten Wasser nach, tranken die Hälfte aus, fülltenwieder Wasser nach und setzten dies so lange fort, bis sich dierubinrote Färbung ihres Getränkes gegen Ende der Mahlzeitin ein helles Blaßrosa verwandelt hatte. Porthos verzehrte schüchtern seinen Hühnerflügel und fuhrzusammen, als er fühlte, wie das Knie der Hausfrau unter demTisch nach dem seinen suchte. Er trank auch ein halbes Glasdes so sparsam zugemessenen Weines und erkannte ihn als dasgräßliche Gewächs von Montreuil, den Schrecken aller ver-wöhnten Gaumen. Als Herr Coquenard sah, daß er den Weinunvermischt hinuntergoß, seufzte er tief auf. »Wollt Ihr nicht auch von den Bohnen kosten, Vetter Por-thos?« fragte die Hausfrau in einem Ton, als wollte sie sagen:Glaubt mir, laßt es lieber bleiben! Zum Henker mit Euern Bohnen! dachte Porthos, laut abersagte er: »Besten Dank, liebe Base, ich habe keinen Hungermehr!« Man schwieg. Porthos wußte beim besten Willen nicht,was für eine Haltung er sich geben sollte. Schließlich sagteder Anwalt: »Meine Anerkennung, Madame Coquenard, daswar ja ein richtiger Festschmaus! Mein Gott, habe ich viel-leicht gegessen!« Meister Coquenard hatte alles in allem etwas Suppe, dieschwarzen Hühnerfüße und das bißchen Fleisch, das tatsäch-lich an einem der Hammelknochen noch hängengebliebenwar, zu sich genommen. Porthos glaubte schon, man wolle sich über ihn lustig ma-chen, und begann, seinen Schnurrbart zu zwirbeln und die 369
Stirn zu runzeln; aber wieder berührte ihn Frau Coquenardsachte mit dem Knie und bedeutete ihm, sich zu gedulden. Das Schweigen und die Unterbrechung der Mahlzeit, diesich Porthos nicht recht erklären konnte, hatten indessen fürdie Schreiber eine schreckliche Bedeutung; auf einen Blickdes Anwalts und ein Lächeln der Hausfrau erhoben sie sichlangsam, legten noch langsamer ihre Servietten zusammen,verbeugten sich und gingen. »Geht, ihr jungen Leute«, sagte Herr Coquenard gewich-tig, »geht an die Arbeit, das fördert am besten die Verdau-ung!« Als die Schreiber draußen waren, stand Frau Coquenardauf und holte aus der Anrichte ein Stückchen Käse, etwasQuittenmus und einen selbstgebackenen Kuchen mit Man-deln und Honig. Meister Coquenard zog die Brauen hoch, weil ihm diesdenn doch zu üppig schien; Porthos biß sich auf die Lippen,weil er augenscheinlich nichts Richtiges mehr zu essen be-kommen sollte. »Ein Festessen, ganz entschieden!« rief Meister Coquenardund rutschte unruhig auf seinem Rollstuhl hin und her. »Einausgesprochenes Festmahl, epulae epularum, Lucullus speistbei Lucullus!« Porthos schaute nach dem Krug, der vor ihm stand; erhoffte, wenigstens mit Wein, Brot und Käse seinen Hunger zustillen. Aber der Krug war leer, was Herrn und Frau Coque-nard nicht im geringsten zu beunruhigen schien. Na schön, sagte sich Porthos, nun weiß ich immerhin,woran ich bin! Er schleckte ein paar Löffel Quittenmus und verkleistertesich die Zähne mit dem klitschigen Kuchen der MadameCoquenard. So, das Opfer ist vollbracht, überlegte er dann; oh, wenn ichnicht bei alledem die Hoffnung hätte, mit Frau Coquenardeinen Blick in den Geldschrank ihres Mannes zu werfen! Nach den Genüssen eines solchen Mahles, das nur Herr Co-quenard als Schlemmerei bezeichnen konnte, verspürte er dasBedürfnis, ein wenig zu ruhen. Porthos hoffte, dies werde so-gleich und an Ort und Stelle geschehen, aber der verwünschte370
Anwalt wollte nichts davon wissen. Man mußte ihn in sein Ar-beitszimmer zurückrollen, und er gab nicht eher Ruhe, als biser wieder seinen Schrank vor sich hatte, auf dessen Randleisteer zur größeren Sicherheit seine Füße stellte. Die Hausfrau ging mit Porthos in ein Nebenzimmer, undhier begann man, die Bedingungen einer Versöhnung zu erör-tern. »Ihr könnt dreimal in der Woche zum Essen kommen«,sagte Frau Coquenard. »Ach danke«, entgegnete Porthos, »ich möchte Eure Gütenicht mißbrauchen; überdies muß ich an meine Ausrüstungdenken.« »Richtig«, seufzte sie, »diese leidige Ausrüstung! Ja, aberwas gehört denn nun eigentlich zu einer solchen Ausrüstung?« »Oh, eine ganze Menge! Die Musketiere sind bekanntlicheine Elitetruppe, und da braucht man eben vieles, was dieGardisten und Schweizer entbehren können.« »Und was ist das im einzelnen?« »Nun, insgesamt beläuft es sich ungefähr auf …«, sagtePorthos, der sich lieber über das Ganze als über Einzelheitenunterhalten wollte. Frau Coquenard schwieg in angstvoller Erwartung. »Ja, auf wieviel?« fragte sie endlich. »Ich hoffe, es machtnicht mehr als …« Sie stockte, ihr fehlten plötzlich die Worte. »Aber nein«, beruhigte sie Porthos, »es macht bestimmtnicht mehr als zweitausendfünfhundert Franken; und wennich mich sehr einschränke, komme ich vielleicht sogar mitzweitausend aus.« »Gerechter Himmel, zweitausend Franken!« rief sie aus.»Aber das ist ja ein Vermögen!« Porthos verzog das Gesicht auf eine so unzweideutigeWeise, daß Frau Coquenard verstand. »Ich wollte ja die einzelnen Posten nur wissen«, sagte sieeinlenkend, »weil von meinen Verwandten und den Kundenmeines Mannes viele Geschäftsleute sind, so daß ich ziemlichsicher bin, die Sachen erheblich unter dem Preis zu bekom-men, den Ihr dafür bezahlen müßt.« »Ach so, darauf wolltet Ihr hinaus!« 371
»Aber natürlich, lieber Herr Porthos. Übrigens, als erstesbraucht Ihr doch sicherlich ein Pferd, nicht wahr?« »Ein Pferd, ja!« »Nun seht, da weiß ich schon, wo ich eins bekomme.« »Ah, das ist gut«, sagte Porthos und strahlte übers ganzeGesicht, »dann wären wir diese Sorge also schon los! Alsnächstes brauche ich ein vollständiges Sattelzeug, zu dem dieverschiedensten Dinge gehören, die man als Musketier aller-dings nur selber kaufen kann; alles in allem wird es aber kaummehr als dreihundert Franken kosten.« »Dreihundert Franken? Na schön«, seufzte Frau Coque-nard, »setzen wir dreihundert Franken dafür fest!« Porthos grinste. Man wird sich erinnern, daß er noch dasSattelzeug des Buckinghamschen Prachtpferdes besaß; erkonnte demnach damit rechnen, diese dreihundert Frankenheimlich für seinen eigenen Bedarf abzuzweigen. »Des weiteren brauche ich noch ein Pferd für meinen Die-ner und einen Mantelsack für mich. Die Waffen machen amwenigsten Sorge, die habe ich schon.« »Ein Pferd für Euern Diener?« wiederholte sie zögernd.»Das ist ja geradezu fürstlich, mein Freund?« »Nun, was denn, Madame«, versetzte Porthos stolz, »binich vielleicht irgendein Hanswurst?« »Aber nein, ich meine ja nur, ein hübsches Maultier machtsich mitunter genausogut wie ein Pferd, und mir scheint,wenn ich Euch solch ein hübsches Maultier für Euern Mous-queton besorge …« »Gut, nehmen wir ein Maultier!« entschied Porthos. »Ihrhabt recht, ich habe schon sehr vornehme spanische Herrengesehen, deren ganzes Gefolge auf Maultieren ritt. Aber Ihrversteht, Madame, es muß dann auch ein Maultier mit Feder-busch und Schellen sein!« »Seid unbesorgt!« »Bleibt noch der Mantelsack.« »Oh, darüber macht Euch nur keine Gedanken!« rief FrauCoquenard. »Mein Mann hat davon fünf oder sechs Stück,Ihr könnt Euch also den besten aussuchen. Es ist besonderseiner darunter, den er sehr gern mit auf Reisen nahm; dakönnt Ihr ein ganzes Haus hineinpacken.«372
»Ja, ist er denn leer, Euer Mantelsack?« fragte Porthos naiv. »Natürlich ist er leer«, antwortete Frau Coquenard ebensonaiv. »Mein Gott«, rief der Musketier, »mir fehlt aber ein wohl-gefüllter, meine Teure!« Die Anwaltsgattin stöhnte von neuem. Molière hatte sei-nen »Geizigen« noch nicht geschrieben; Frau Coquenard hatalso zumindest den zeitlichen Vorrang vor Herrn Harpagon. In ähnlicher Weise verhandelten sie nacheinander über dienoch fehlenden Ausrüstungsstücke. Es endete damit, daßFrau Coquenard sich bereit erklärte, ihm achthundert Fran-ken in bar auszuhändigen sowie das Pferd und das Maultierzu beschaffen, denen die Ehre zuteil werden sollte, Porthosund Mousqueton ruhmvollen Taten entgegenzutragen. Nachdem man sich über diese Bedingungen geeinigt hatte,verabschiedete sich Porthos. Frau Coquenard machte ihmschöne Augen, damit er noch etwas bleibe, aber er schützteden Dienst vor, und so mußte die Frau Staatsanwalt hinterdem König zurückstehen. Mit gewaltig knurrendem Magen kehrte der Musketier nachHause zurück. Zofe und HerrinTrotz der mahnenden Stimme seines Gewissens und des wei-sen Rates seines Freundes Athos verliebte sich d’Artagnan im-mer heftiger in Mylady. Daher versäumte der verwegene Gas-cogner keinen Tag, ihr den Hof zu machen, war er doch über-zeugt, früher oder später seine Gefühle erwidert zu sehen. Als er sich eines Abends in der stolzen und unbeschwer-ten Haltung eines Mannes, der auf einen Goldregen gefaßtist, dem Haus am Place Royale näherte, traf er im Torweg dieZofe; aber diesmal begnügte sich die hübsche Ketty nicht da-mit, ihn im Vorübergehen zu streifen, sondern ergriff sachtseine Hand. Ah, sagte sich d’Artagnan, sie will mir sicherlich eine Bot-schaft ihrer Herrin ausrichten; es wird sich wohl um ein Stell-dichein handeln, das man mir mündlich nicht anzutragen 373
wagt! Und dabei schaute er die hübsche Kleine mit der strah-lendsten Siegermiene an, die ihm zu Gebote stand. »Ich möchte Euch gern etwas sagen, Herr Junker«, stam-melte die Zofe. »Sprich, schönes Kind, sprich nur, ich höre!« »Hier ist das unmöglich; was ich Euch zu sagen habe, läßtsich nicht in zwei Worten sagen, und vor allem muß es ganzgeheim bleiben.« »Ja, was machen wir denn da?« »Wenn der Herr Junker mir folgen mag …«, sagte dieKleine schüchtern. »Wohin du willst, mein schönes Kind!« »Dann kommt!« Und Ketty, die seine Hand nicht losgelassen hatte, zog ihnin einen dunklen Seitenaufgang, ging mit ihm etwa fünfzehnStufen einer steilen Wendeltreppe hinauf und öffnete eineTür. »Tretet ein, Herr Junker!« sagte sie. »Hier sind wir alleinund können ungestört sprechen.« »Was ist denn das hier für ein Zimmer?« »Es ist meines, gnädiger Herr, und durch die Tür dort mitdem Zimmer meiner Herrin verbunden. Aber seid unbesorgt,sie kann uns nicht hören, denn sie geht nie vor Mitternachtschlafen!« D’Artagnan schaute sich um. Das kleine Zimmer war sau-ber und geschmackvoll eingerichtet. Doch unwillkürlich hef-tete sich sein Blick auf die Tür, die nach Kettys Worten inMyladys Schlafgemach führte. Die Zofe erriet, was in demjungen Mann vorging; sie seufzte hörbar auf und sagte: »Ihr liebt meine Herrin wohl sehr, Herr Junker?« »Oh, mehr, als ich zu sagen vermag! Ich bin völlig in sievernarrt!« Ketty seufzte abermals und antwortete: »Ach, gnädiger Herr, das ist wirklich traurig.« »Traurig? Ja, zum Teufel, warum denn das?« »Weil meine Herrin Euch nicht liebt, gnädiger Herr.« »Wie? Hat sie etwa dich beauftragt, mir das zu sagen?« »O nein, Herr Junker, aber aus Teilnahme für Euch faßteich den Entschluß, es Euch zu sagen.«374
»Danke, gute Ketty, aber nur für deine Teilnahme, dennwie du dir denken kannst, ist mir die Nachricht durchausnicht angenehm.« »Das heißt, Ihr glaubt nicht, was ich Euch sage?« »Es fällt einem immer schwer, so etwas zu glauben, meinschönes Kind, und sei es nur aus Eitelkeit.« »Ihr glaubt mir also nicht?« »Ich muß gestehen, solange du mir keinen Beweis dafürgeben kannst …« »Und was sagt Ihr hierzu?« Ketty zog ein Briefchen ausihrem Mieder. »Für mich?« fragte d’Artagnan und riß es ihr aus der Hand. »Nein, für einen anderen.« »Für einen anderen?« »Ja.« »Seinen Namen! Nennt mir seinen Namen!« rief d’Arta-gnan. »Lest doch die Aufschrift!« Er tat es und schrie auf: »An den Grafen von Wardes!« Sofort erinnerte sich der an-maßende Gascogner wieder an jene Szene in Saint-Germain,und ohne sich zu bedenken, erbrach er kurzerhand den Brief. »O mein Gott, was tut Ihr da, gnädiger Herr!« schrie Kettyentsetzt auf. Aber d’Artagnan achtete nicht mehr auf sie, sondern las:»Ihr habt auf meinen ersten Brief nicht geantwortet. Seid Ihr soleidend, oder solltet Ihr schon vergessen haben, mit welchen Au-gen Ihr mich auf dem Ball der Madame de Guise angesehenhabt? Die Gelegenheit ist da, Graf, laßt sie Euch nicht entge-hen!« Der junge Mann erbleichte; er war in seiner Eigenliebe ver-letzt und glaubte sich in seiner Liebe verwundet. »Armer, lieber Herr d’Artagnan!« sagte voller Mitgefühldie kleine Zofe und faßte aufs neue nach seiner Hand. »Du beklagst mich, gutes Kind?« »O ja, von ganzem Herzen, denn ich weiß, was Liebe heißt!« »Du weißt, was Liebe heißt?« fragte d’Artagnan und sahsie zum erstenmal aufmerksamer an. 375
»Ja, leider.« »Statt mich zu beklagen, solltest du mir lieber bei meinerRache an deiner Herrin helfen.« »Wie wollt Ihr Euch denn rächen?« »Ich will über sie triumphieren, will meinen Nebenbuhlerausstechen!« »Dazu gebe ich Euch nie meine Hand, Herr Junker!« riefdie Kleine lebhaft. »Und warum nicht?« »Aus zwei Gründen.« »Aus welchen?« »Erstens, weil meine Herrin Euch niemals lieben wird.« »Wie willst du das wissen?« »Ihr habt sie zutiefst beleidigt.« »Ich? Wie kann ich sie beleidigt haben, da ich doch, seitich sie kenne, wie ein Sklave zu ihren Füßen liege? Sprich,ich bitte dich!« »Nein, das könnte ich nur dem Manne sagen … der bis aufden Grund meines Herzens schaut!« D’Artagnan betrachtete Ketty ein zweites Mal. Das jungeMädchen war von einer Frische und Schönheit, für die man-che Herzogin ihre Krone hergegeben hätte. »Ketty«, sagte er, »wenn du magst, will ich gern bis auf denGrund deines Herzens schauen; daran soll es nicht scheitern,mein liebes Kind!« Und er gab der armen Zofe einen Kuß,unter dem sie wie eine Kirsche errötete. »Ach nein«, rief sie dann, »Ihr liebt mich ja nicht! Ihr liebtnur meine Herrin, noch eben habt Ihr es gesagt!« »Und hindert dich das, mir den zweiten Grund zu nen-nen?« »Der zweite Grund, Herr Junker«, versetzte Ketty, diedurch den Kuß und nun durch den Blick des jungen Mannesmutiger geworden war, »der zweite Grund ist, daß in derLiebe jeder zuerst an sich denkt.« Nun erinnerte er sich wieder an ihre schmachtenden Blicke,an die Begegnungen in der Vorhalle, auf der Treppe, im Haus-flur und wie sie ihn jedesmal im Vorübergehen gestreift und oftgenug leise geseufzt hatte; in seinem Verlangen, der Dame desHauses zu gefallen, hatte er auf die Zofe überhaupt nicht ge-376
achtet: Wer den Adler jagt, kümmert sich nicht um den Sper-ling. Diesmal aber erfaßte unser Gascogner mit einem Blick,welchen Vorteil er aus der Liebe ziehen konnte, die ihm Kettyeben so naiv oder auch schamlos angetragen hatte: er konntedie Briefe an den Grafen von Wardes abfangen, besaß eineVertraute in Myladys nächster Umgebung und hatte jederzeitZutritt zu Kettys Zimmer, das neben dem ihrer Herrin lag.Schon opferte er in Gedanken die arme Kleine seiner herz-losen Leidenschaft, Mylady um jeden Preis zu besitzen. »Also gut, liebe Ketty, soll ich dir einen Beweis dieser Liebegeben?« »Welcher Liebe?« »Der Liebe, die ich schon jetzt für dich empfinde.« »Und was ist das für ein Beweis?« »Möchtest du, daß ich diesen Abend mit dir, statt mit dei-ner Herrin verbringe?« »O ja«, rief das Mädchen und klatschte in die Hände, »sehrgern!« »Gut, mein Kind«, sagte d’Artagnan und ließ sich in einenSessel nieder, »dann komme her, damit ich dir sagen kann, daßdu die hübscheste Kammerzofe bist, die mir je vor Augen ge-kommen ist!« Und das sagte er ihr so oft und überzeugend, daß die armeKleine, die ja nur den einen Wunsch hatte, es möchte wahrsein, ihm zuletzt alles glaubte … Doch zu seinem großen Er-staunen wehrte sie seine Zudringlichkeiten mit ziemlicherEntschiedenheit ab. Die Zeit vergeht schnell beim Wechselspiel von Angriffund Verteidigung. Es schlug Mitternacht, und fast gleichzeitig ertönte neben-an Myladys Klingelzeichen. »Großer Gott«, raunte Ketty, »meine Herrin ruft mich!Fort, rasch fort!« D’Artagnan erhob sich, nahm seinen Hut, als wollte er ge-hen, doch statt die Tür zur Treppe zu öffnen, riß er die Türeines großen Schrankes auf und kauerte sich zwischen LadyClaricks Kleider und Morgenröcke. »Was soll denn das?« flüsterte Ketty entsetzt. 377
Aber d’Artagnan, der den Schlüssel abgezogen hatte, schloßsich wortlos in seinem Schrank ein. »Nun, was ist?« rief Mylady mit scharfer Stimme. »Schläfstdu, daß du nicht kommst, wenn ich läute?« Und d’Artagnan hörte, wie die Verbindungstür heftiggeöffnet wurde. »Hier bin ich, Mylady, hier bin ich!« rief die Kleine undeilte ihrer Herrin entgegen. Beide gingen in das Schlafzimmer hinüber, und da die Ver-bindungstür offenblieb, konnte der junge Mann hören, wieMylady ihre Zofe noch eine Weile auszankte; endlich beru-higte sie sich, und während Ketty ihrer Herrin beim Aus-kleiden behilflich war, kam die Rede alsbald auf den Lauscherim Schrank. »Heute abend«, sagte Mylady, »habe ich übrigens unserenGascogner gar nicht gesehen.« »Wie, gnädige Frau, er ist nicht gekommen? Er wird Euchdoch nicht untreu werden, bevor er noch glücklich war?« »O nein, mein Kind, er war wohl durch Herrn de Trevilleoder Herrn des Essarts dienstlich verhindert. Darin kenneich mich aus, Ketty – der ist mir sicher!« »Was habt Ihr denn mit ihm vor?« »Was ich mit ihm vorhabe? Da zerbrich dir nur nicht denKopf, mein Kind! Zwischen diesem Mann und mir gibt es et-was, von dem er nichts weiß … Fast hätte er mich um meinganzes Ansehen bei Seiner Eminenz gebracht … Aber ichwerde mich rächen!« »Und ich dachte, die gnädige Frau liebt ihn …« »Ich und ihn lieben? Ich verabscheue ihn! Dieser Dumm-kopf hatte das Leben Lord Winters in seiner Hand und hates ihm geschenkt, wodurch ich um dreihunderttausend Fran-ken Rente gekommen bin!« »Das ist allerdings wahr«, sagte Ketty. »Euer Sohn ist dereinzige Erbe Eures Schwagers, und bis zu seiner Großjährig-keit könntet Ihr über das Vermögen verfügen.« D’Artagnan erschauerte bis ins innerste Mark, als er ver-nahm, wie ihm dieses äußerlich so liebreizende Geschöpf mitjener kreischenden Stimme, die sich in der Unterhaltung soüberaus sanft zu geben wußte, vorwarf, einen Mann nicht378
getötet zu haben, der sie, wie er selbst gesehen hatte, mitFreundschaftsbeweisen überhäufte. »Ich hätte mich auch längst gerächt«, fuhr Mylady fort,»wenn nicht der Kardinal, ich weiß nicht warum, darauf be-standen hätte, daß ich ihn schone.« »Die gnädige Frau hat aber seine kleine Freundin nicht ge-schont!« »Ach, die Krämersfrau aus der Rue des Fossoyeurs! Hater nicht schon vergessen, daß es sie jemals gab? Meiner Treu,eine schöne Rache!« Kalter Schweiß trat dem Gascogner auf die Stirn; dieseFrau war ja ein Ungeheuer! Er lauschte gespannt, aber leiderwar die Toilette jetzt beendet. »Es ist gut«, sagte Mylady, »du kannst gehen, und sieh zu,daß du morgen unbedingt eine Antwort auf den Brief be-kommst, den ich dir gegeben habe!« »An den Grafen von Wardes?« »Natürlich, an wen sonst?« »Ja, der Graf, der stellt doch wirklich etwas ganz anderesdar als dieser Herr d’Artagnan …« »Geh schon, Ketty, ich schätze Kommentare nicht!« D’Artagnan hörte, wie die Tür zugemacht wurde; Myladyschob zwei Riegel vor, um sich einzuschließen, und auchKetty drehte, so leise sie konnte, ihren Schlüssel herum. End-lich durfte der Gascogner sein Versteck verlassen. »Mein Gott, was ist Euch?« flüsterte Ketty. »Ihr seid jaganz bleich!« »Diese abscheuliche Person!« murmelte d’Artagnan. »Still! Still! Ihr müßt jetzt gehen; die Wand zu MyladysZimmer ist sehr dünn, man kann alles hören, was gesprochenwird.« »Gerade darum werde ich bleiben.« »Wie?« fragte Ketty errötend. »Oder wenigstens gehe ich … erst später.« Und er zog die Kleine an sich. Sie konnte sich nicht gutwehren, denn das wäre kaum ohne Geräusch abgegangen; soergab sie sich eben. Es war im Grunde nur ein Racheakt gegen Mylady, undd’Artagnan fand, daß man durchaus recht hatte, die Rache 379
die Freude der Götter zu nennen. Hätte er ein bißchen Herzgehabt, so wäre es ihm an dieser neuen Eroberung genug ge-wesen, aber ihn beherrschten nur Ehrgeiz und Überheblich-keit. Indessen müssen wir zu seinen Gunsten sagen, daß er sei-nen Einfluß auf Ketty zuerst dazu benutzte, von ihr etwasüber das weitere Schicksal von Frau Bonacieux zu erfahren;doch die arme Kleine schwor hoch und heilig, daß sie nichtswisse, da Mylady ihre Geheimnisse nie ganz aufdecke; sieglaube lediglich dafür einstehen zu können, daß Frau Bona-cieux noch am Leben sei. Was den Grund betraf, weshalb My-lady sich beinahe die Gunst des Kardinals verscherzt hätte,so wußte Ketty auch darüber nichts; hier aber war d’Arta-gnan ihr voraus, denn da er sie beim Verlassen Englands aufeinem an der Ausreise verhinderten Schiff gesehen hatte, er-riet er unschwer, daß es sich dabei um die Affäre mit den Dia-mantnadeln handelte. Am klarsten war jedoch bei alledem, daß er ihren wahren,ihren wütendsten und unerschütterlichen Haß dem Um-stand verdankte, daß er ihren Schwager nicht getötet hatte. Am nächsten Abend ging d’Artagnan wieder zu Mylady.Sie war sehr übel gelaunt, und er begriff, daß das Ausbleibeneiner Antwort auf ihren Brief an den Grafen von Wardes sieso gereizt machte. Ketty trat ein, aber Mylady war sehr un-freundlich zu ihr. Die Kleine warf dem jungen Mann einenBlick zu, als wollte sie sagen: Da seht Ihr, was ich um Euret-willen leide! Doch gegen Ende des Abends wurde die schöne Löwinwieder sanfter, hörte lächelnd auf das verliebte Geschwätzdes Gascogners und überließ ihm beim Abschied sogar dieHand zum Kuß. An der Haustür wartete Ketty, und wie am Vorabend folgteer ihr hinauf in ihr Zimmer. Die Zofe war heftig gescholtenworden, man hatte ihr Nachlässigkeit vorgeworfen. Myladykonnte sich das Schweigen des Grafen einfach nicht erklärenund hatte dem Mädchen deshalb befohlen, am anderen Mor-gen um neun Uhr in ihr Zimmer zu kommen, um einen drit-ten Brief nach Saint-Germain zu besorgen. D’Artagnan nahmKetty das Versprechen ab, ihm diesen Brief sofort zu bringen.380
Die arme Kleine versprach, was immer ihr Geliebter von ihrwollte: sie liebte, und alles andere kümmerte sie nicht mehr.Das weitere spielte sich im wesentlichen wie in der vergan-genen Nacht ab. D’Artagnan kroch in den Schrank, Myladyläutete, machte ihre Toilette, schickte Ketty aus dem Zim-mer und schloß sich ein. Und wieder kam unser Junker erstum fünf Uhr morgens heim. Um elf Uhr erschien Ketty mit dem neuen Brief Myladysin der Hand. Diesmal machte sie gar nicht erst den Versuch,ihm den Einblick zu verwehren; mit Leib und Seele gehörtesie ihrem schönen Soldaten. D’Artagnan öffnete und las:»Nun schreibe ich zum drittenmal, um Euch zu sagen, daß ichEuch liebe. Hütet Euch, daß ich Euch nicht in einem viertenBrief meine Verachtung aussprechen muß! Wenn Ihr Euer bis-heriges Verhalten bereut, wird Euch die Überbringerin diesesBriefes sagen, wie ein galanter Mann Verzeihung erwirkenkann.« D’Artagnan wurde beim Lesen abwechselnd rot und blaß. »Oh, Ihr liebt sie noch immer!« rief das Mädchen, das keinAuge von dem jungen Mann gelassen hatte. »Nein, Ketty, du täuschst dich, ich liebe sie nicht mehr; ichwill mich nur für ihre Verachtung rächen.« »Ja, ich weiß auch wie. Ihr habt es mir ja selbst gesagt.« »Was kümmert es dich, solange ich nur dich liebe?« »Wie kann ich das wissen?« »Meine Verachtung für Mylady muß es dir sagen.« Ketty seufzte. D’Artagnan nahm eine Feder und schrieb:»Madame, bis heute wagte ich nicht zu hoffen, daß Eure beidenersten Briefchen wirklich an mich gerichtet waren, so wenigglaubte ich mich einer solchen Ehre würdig; übrigens war ichso leidend, daß ich auch ohnedies mit einer Antwort gezögerthätte. Aber heute muß ich wohl an das Übermaß Eurer Güte glau-ben, da nicht nur Euer Brief, sondern auch Eure Zofe mir ver-sichert, daß ich das große Glück habe, von Euch geliebt zu wer-den. 381
Sie braucht mir nicht zu sagen, auf welche Weise ein galan-ter Mann Vergebung erwirken kann; darum will ich Euch nochheute abend um elf Uhr persönlich um Verzeihung bitten. Auchnur einen Tag zu warten wäre in meinen Augen jetzt gleichbe-deutend mit einer neuerlichen Kränkung.Ihr habt mich zum glücklichsten Menschen des ganzen König-reiches gemacht! Graf von Wardes« Dieser Brief war nicht nur eine Fälschung, sondern aucheine grobe Geschmacklosigkeit; nach unseren Begriffen warer sogar eine ausgesprochene Infamie, aber dazumal war manweniger zartfühlend als heutzutage. Außerdem wußte d’Ar-tagnan aus Myladys eigenem Munde, daß sie ganz andere Ge-meinheiten begangen hatte, und so war seine Achtung für siegleich Null. Dennoch empfand er für diese Frau eine wahn-sinnige Leidenschaft, eine mit Verachtung durchtränkte Lei-denschaft, aber eben doch eine Leidenschaft, eine Begierde,die stärker war als sein Abscheu. D’Artagnans Plan war ganz einfach: von Kettys Zimmer auswürde er ohne weiteres in das ihrer Herrin gelangen, über dieer im ersten Augenblick der Überraschung, der Scham oderdes Entsetzens zu triumphieren hoffte. Natürlich konnte seinPlan auch scheitern, aber ein wenig mußte man sich schon aufsein Glück verlassen. In acht Tagen begann der Feldzug, dannmußte er fort … Er hatte also auch keine Zeit mehr, die Spiel-regeln einer vollkommenen Liebe zu beachten. »Hier«, sagte er und gab Ketty den versiegelten Brief,»überbring das deiner Herrin als die Antwort des Grafen vonWardes!« Die arme Zofe wurde blaß wie der Tod; sie ahnte, was derBrief enthielt. »Schau mal, mein liebes Kind«, fuhr d’Artagnan fort, »dubegreifst doch, daß diese Geschichte so oder so ein Ende fin-den muß, Mylady kann jeden Tag dahinterkommen, daß duden ersten Brief meinem Diener statt dem des Grafen vonWardes gegeben hast und daß ich die anderen geöffnet habeund nicht der Graf. Dann wird dich Mylady fortjagen, und dukennst sie als eine Frau, deren Rache sich damit kaum zufrie-dengeben dürfte.«382
»Ach«, rief Ketty, »für wen habe ich das alles nur auf michgenommen!« »Für mich, ich weiß es wohl, mein schönes Kind, und ichbin dir von Herzen dankbar, glaub mir nur!« »Aber was steht denn nun in dem Brief?« »Mylady wird es dir schon sagen.« »Ach, Ihr liebt mich nicht mehr!« schluchzte die Kleine.»Ich bin ja so unglücklich!« Auf diesen Vorwurf gibt es eine Antwort, auf die eine Frauimmer hereinfällt; auch d’Artagnan bediente sich ihrer, sodaß die arme Ketty weiterhin in ihrem Irrtum befangen blieb.Trotzdem weinte sie sehr, bevor sie sich bereit erklärte, My-lady den Brief zu übergeben; aber zuletzt fügte sie sich doch,und d’Artagnan hatte wieder einmal erreicht, was er wollte.Im übrigen versprach er ihr, am Abend schon sehr früh ihreHerrin zu verlassen und zu ihr zu kommen. Und dieses Ver-sprechen tröstete die Kleine vollends. Aramis’ und Porthos’ AusrüstungSeitdem unsere vier Freunde, oder richtiger: seitdem drei vonihnen sich auf die Jagd nach ihrer Ausrüstung begeben hat-ten, traf man einander nicht mehr zu festgesetzten Stunden.Jeder aß allein, wo er sich gerade befand oder, besser gesagt,wo er gerade konnte. Auch der Dienst beanspruchte seinenTeil an der kostbaren Zeit, die so schnell verrann. Allerdingswar man übereingekommen, sich einmal wöchentlich gegenein Uhr bei Athos zu treffen, der tatsächlich, getreu seinemSchwur, keinen Fuß mehr vor die Tür setzte. Der Tag, an dem Ketty d’Artagnan wegen des Briefes inseiner Wohnung aufgesucht hatte, sah eine solche Zusam-menkunft vor. Daher eilte der Gascogner, als das Mädchengegangen war, sogleich in die Rue Ferou. Hier fand er Athos und Aramis in philosophischem Ge-spräch. Aramis hatte wieder einmal gewisse Anwandlungen,zur Soutane zurückzukehren. Und wie es seine Gewohnheitwar, riet Athos weder ab noch zu. Er war der Meinung, jeder 383
müsse seine Wahl selber treffen; darum erteilte er Ratschlägenur, wenn er mehrmals gebeten wurde. »Gewöhnlich läßt mansich Ratschläge geben«, pflegte er zu sagen, »um sie nicht zubefolgen oder, wenn man sie wirklich befolgt, um jemand zuhaben, dem man nachher vorwerfen kann, daß er sie einem ge-geben hat.« Kurz nach d’Artagnan traf auch Porthos ein. Die vierFreunde waren also vollzählig beisammen. In ihren Gesich-tern spiegelten sich indessen vier ganz verschiedene Gefühle:bei Porthos war es Gelassenheit, bei d’Artagnan Hoffnung,bei Aramis Unruhe und bei Athos Sorglosigkeit. Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, wobei Por-thos durchblicken ließ, daß eine hochgestellte Persönlichkeitsich bereit gefunden habe, ihm aus seiner Verlegenheit zu hel-fen, trat Mousqueton auf den Plan. Er bat seinen Herrn, nachHause zu kommen, wo, wie er mit kläglicher Miene bekannte,seine Anwesenheit dringend geboten scheine. »Handelt es sich um meine Ausrüstung?« fragte Porthos. »Ja und nein.« »Kannst du mir’s denn nicht sagen?« »Kommt nur, gnädiger Herr!« Porthos erhob sich, grüßte seine Freunde und folgte Mous-queton. Kurz darauf erschien Bazin auf der Türschwelle. »Was führt dich her, mein Freund?« fragte Aramis mit jenersanften Stimme, die man immer bei ihm bemerkte, wenn ihnseine Gedanken wieder einmal der Kirche näher brachten. »Zu Hause wartet ein Mann auf den gnädigen Herrn«, ant-wortete Bazin. »Ein Mann? Was für ein Mann?« »Ein Bettler.« »Gib ihm ein Almosen, Bazin, und sage ihm, er möge füreinen armen Sünder beten!« »Dieser Bettler will aber unbedingt mit Euch sprechen, under behauptet, Ihr würdet Euch sehr freuen, ihn zu sehen.« »Und sonst hat er nichts gesagt?« »Doch. Für den Fall, daß der gnädige Herr sich nicht ent-schließen kann, sofort nach Hause zu gehen, möchte ich ihmsagen, daß er, der fremde Mann, aus Tours kommt.«384
»Aus Tours?« rief Aramis. »Meine Freunde, ich bitte tau-sendmal um Vergebung, aber dieser Mann bringt mir gewißNachrichten, auf die ich schon seit einiger Zeit warte!« Da-mit stand er auf und entfernte sich eilends. Zurück blieben Athos und d’Artagnan. »Ich glaube, die beiden haben es geschafft«, sagte Athos,»was meint Ihr, d’Artagnan?« »Ich weiß, daß Porthos auf dem besten Wege war, und we-gen Aramis habe ich mir, offen gestanden, nie ernstlich Sorgegemacht. Aber Ihr, mein lieber Athos, was gedenkt Ihr zutun, nachdem Ihr so großartig die Dukaten des Engländersverschenkt habt, obgleich sie Euch von Rechts wegen zuka-men?« »Es macht mir nichts aus, daß ich diesen vorwitzigen Englän-der getötet habe – was brauchte er mich nach meinem Namenzu fragen! Wenn ich aber seine Dukaten eingesteckt hätte, sowürde das mein Gewissen ganz schön belasten.« »Ihr habt wirklich sonderbare Ansichten, guter Athos!« »Reden wir nicht mehr davon! Was sagte doch gleich Herrde Treville, der mich gestern mit seinem Besuch beehrte? Ihrwürdet jetzt häufig diese verdächtigen Engländer besuchen,die unter dem besonderen Schutz des Kardinals stehen?« »Das heißt, ich besuche eine Engländerin, dieselbe näm-lich, von der ich Euch schon erzählt habe.« »Ach ja, die blonde Frau, die mich dazu verleitete, Euchgewisse Ratschläge zu erteilen, die Ihr natürlich nicht befolgthabt.« »Ich habe Euch meine Gründe genannt.« »Richtig; Ihr seht da einen Weg, zu Eurer Ausrüstung zukommen; sagtet Ihr nicht so?« »Aber nein! Und ich habe inzwischen auch die Gewißheiterlangt, daß Mylady etwas mit der Entführung von Frau Bona-cieux zu tun hat!« »Ja, ich verstehe schon: um die eine Frau wiederzufinden,macht Ihr der anderen den Hof; das ist der längste, aber ge-wiß auch unterhaltsamste Weg.« D’Artagnan war nahe daran, dem Freund alles zu erzählen,aber etwas hielt ihn davon ab: Athos war in allem, was dieEhre betraf, sehr streng, und der Plan, den unser Gascogner 385
in seiner blinden Leidenschaft ausgeheckt hatte, enthielt eineganze Reihe von Punkten, die – davon war er im voraus über-zeugt – niemals den Beifall dieses Puritaners finden würden.So zog er es vor, zu schweigen, und weil Athos von Naturaus alles andere als neugierig war, blieb es bei der einen An-deutung. Wir wollen deshalb die beiden, die sich gerade keine welt-bewegenden Dinge zu erzählen hatten, verlassen und unsihrem Freunde Aramis zuwenden. Wir haben gesehen, mitwelcher Eile der junge Mann bei der Nachricht, daß derFremde aus Tours gekommen sei, seinem Diener gefolgt odervielmehr ihm vorausgestürmt war: er rannte den Weg von derRue Ferou nach der Rue de Vaugirard, als wäre es nur ein Kat-zensprung. Als er zu Hause anlangte, wartete hier tatsächlich einMann auf ihn; er war klein und in Lumpen gehüllt, hatte abersehr kluge Augen. »Ihr wünscht mich zu sprechen?« fragte der Musketier. »Das heißt, ich möchte Herrn Aramis sprechen.« »Der bin ich. Habt Ihr mir etwas zu überbringen?« »Ja, sofern Ihr mir ein gewisses Taschentuch zeigen könnt.« »Sofort«, sagte Aramis, indem er einen Schlüssel, den erum den Hals trug, hervorholte und ein mit Perlmutt einge-legtes Ebenholzkästchen aufschloß. »Hier ist es!« »Gut«, sagte der Bettler, »aber schickt Euern Diener hin-aus!« Wirklich hatte sich Bazin in seiner Neugier, was wohl derBettler von seinem Herrn wolle, alle Mühe gegeben, trotzdes höllischen Tempos mitzuhalten, und war nur wenig spä-ter eingetroffen; aber diese Eile nützte ihm wenig, denn aufWunsch des Bettlers bedeutete ihm sein Herr, sich zu ent-fernen, und er mußte leider gehorchen. Nachdem Bazin gegangen war, vergewisserte sich der Bett-ler durch einen raschen Blick, daß ihn auch wirklich niemandbeobachten konnte, dann öffnete er seine zerrissene, von ei-nem Ledergurt schlecht zusammengehaltene Jacke, trenntean dem Wams, das er darunter trug, eine Naht auf und zogeinen Brief daraus hervor. Aramis stieß einen Freudenschrei aus, als er das Siegel er-386
blickte; dann preßte er seine Lippen auf den Umschlag undöffnete fast andächtig den Brief, der folgendermaßen lautete:»Mein Freund, das Schicksal will, daß wir noch einige Zeit ge-trennt bleiben; aber die schönen Tage der Jugend sind ja nichtunwiederbringlich dahin. Tut Eure Pflicht im Felde, ich tue diemeine anderswo! Nehmt, was der Überbringer dieser ZeilenEuch geben wird, zieht in den Kampf als schöner und tapfererEdelmann und denkt an mich, die ich zärtlich Eure schwarzenAugen küsse. Lebt wohl, oder vielmehr auf Wiedersehen!« Der Bettler trennte immer neue Nähte auf und holte ausden Tiefen seines schmutzigen Gewandes nacheinander ein-hundertfünfzig spanische Doppeldukaten hervor, die er aufden Tisch zählte. Dann öffnete er die Tür, grüßte und ging,noch ehe sich der junge Mann von seiner Überraschung er-holt hatte und das Wort an ihn zu richten wagte. Als nun Aramis den Brief noch einmal las, bemerkte er,daß er eine Nachschrift hatte:»P. S.: Ihr könnt den Überbringer bei Euch aufnehmen, er istGraf und spanischer Grande.« »Goldene Träume!« rief Aramis. »Oh, das Leben ist schön,und wir sind jung! Ja, und auch uns wird das Glück wiederlachen! Oh, dir, nur dir gehört meine Liebe, mein Blut, meinLeben! Alles, alles gehört dir, meine schöne Geliebte!« Under küßte leidenschaftlich den Brief, ohne das Gold, das aufdem Tisch funkelte und gleißte, auch nur einmal anzusehen. An der Tür meldete sich Bazin, und da Aramis keinenGrund mehr hatte, ihn fernzuhalten, ließ er ihn eintreten.Beim Anblick des vielen Goldes war der Diener so verdutzt,daß er ganz vergaß, d’Artagnan anzukündigen, den die An-kunft des mysteriösen Bettlers so neugierig gemacht hatte,daß er kurzentschlossen von Athos herübergekommen war.Nun pflegten die vier Freunde untereinander keine Um-stände zu machen, und so ging der Gascogner einfach an demvor Überraschung sprachlosen Bazin vorbei und meldete sichselber an. »Teufel, Teufel, mein lieber Aramis!« rief er. »Wenn man 387
Euch aus Tours solche Pflaumen schickt, so sagt dem Gärt-ner, der sie erntet, meine Anerkennung!« »Ihr täuscht Euch, mein Freund«, erwiderte der allzeit ver-schwiegene Aramis, »es ist das Honorar für jenes schwierigeGedicht, das ich, wie Ihr Euch erinnern werdet, schon inCrèvecœur begonnen hatte; mein Verleger hat es mir ebendurch einen Boten zugestellt.« »Donnerwetter!« sagte d’Artagnan. »Da habt Ihr aber einensehr großzügigen Verleger, mein lieber Aramis, das muß ichschon sagen!« »Wie, gnädiger Herr«, rief Bazin, »so viel Geld bekommtman für ein Gedicht? Kaum zu glauben! Oh, gnädiger Herr,Ihr könnt aber auch alles, was Ihr anfaßt, und Ihr bringt essicherlich noch soweit wie Herr Voiture. Damit wäre ich auchsehr einverstanden, ein Dichter ist fast so etwas wie ein Abbé.Ach, Herr Aramis, ich bitte Euch, werdet doch ein Dichter!« »Bazin, mein Freund, mir will scheinen, du mischst dichin unsere Unterhaltung?« Bazin sah seinen Fehler ein, senkte den Kopf und ging hin-aus. »Weiß Gott«, sagte d’Artagnan lächelnd, »Ihr seid glück-lich dran, mein Freund, denn Ihr laßt Euch Eure Werke teuerbezahlen! Doch seht Euch vor, sonst verliert Ihr noch denBrief, der da aus Euerm Rock hervorschaut und den Euch ge-wiß Euer Verleger geschrieben hat!« Aramis lief rot an, schob den Brief in sein Wams zurückund knöpfte es zu. »Lieber d’Artagnan«, sagte er, »wenn es Euch recht ist, ge-hen wir jetzt wieder zu unseren Freunden zurück; nun ichmit Geld versehen bin, können wir ab heute wieder zusam-men essen, bis auch ihr wieder flüssig seid.« »Mit dem größten Vergnügen! Wir haben uns schon langekeinen richtigen Festschmaus mehr gegönnt, und da ichheute abend eine etwas gewagte Unternehmung vorhabe, istes mir, ehrlich gesagt, gar nicht unlieb, wenn ich mir vorherein paar Flaschen alten Burgunder zu Gemüte führen kann!« »Einverstanden! Für alten Burgunder habe auch ich etwasübrig«, versetzte Aramis, dessen priesterliche Neigungensich beim Anblick des Goldes wieder einmal völlig verflüch-388
tigt hatten. Er steckte ein paar Doppeldukaten in die Tasche,um für den Augenblick gerüstet zu sein, und verschloß dieübrigen in das Ebenholzkästchen, in dem sich bereits dasberühmte Taschentuch befand, das ihm als Talisman diente. Die beiden Freunde kehrten zunächst zu Athos zurück,der getreu seinem Schwur, sein Domizil nicht zu verlassen,das Essen bei sich zu richten versprach, und da er sich glän-zend auf alle gastronomischen Dinge verstand, überließenihm d’Artagnan und Aramis ohne weiteres diese wichtigeAufgabe. Als sie sich hierauf zu Porthos begeben wollten, trafen siean der Ecke der Rue du Bac seinen Diener Mousqueton, dermit jammervoller Miene ein Pferd und ein Maultier vor sichhertrieb. D’Artagnan stieß einen Schrei der Überraschung aus, deraber auch eine gewisse Freude durchklingen ließ. »Oho, mein gelbes Pferd!« rief er. »Aramis, seht nur die-ses Pferd!« »Eine abscheuliche Mähre!« »Was wollt Ihr, mein Lieber, auf dieser Mähre habe ich mei-nen Einzug in Paris gehalten!« »Wie, der gnädige Herr kennt dieses Pferd?« fragte Mous-queton. »Es hat eine originelle Farbe, muß ich schon sagen«,meinte Aramis. »So ein Fell ist mir wirklich noch nie unterdie Augen gekommen.« »Das glaube ich gern«, versetzte der Gascogner, »und da-her habe ich es auch für drei Taler verkaufen können, wegendes Fells, meine ich, denn was darunter steckt, ist bestimmtkeine neun Franken wert! Aber wie bist du zu dem Pferd ge-kommen, Mousqueton?« »Ach, gnädiger Herr«, klagte der Diener, »fragt michnicht! Das ist ein schändlicher Streich, den uns der Gatte un-serer Herzogin gespielt hat.« »Wieso denn, Mousqueton?« »Ja, wir stehen in bestem Ansehen bei einer sehr vorneh-men Dame, der Herzogin von … aber Verzeihung, mein Herrhat mir zu schweigen geboten! Jedenfalls sahen wir uns ge-nötigt, von ihr ein kleines Andenken anzunehmen, nämlich 389
ein herrliches spanisches Streitroß und ein andalusischesMaultier. Nun hat aber ihr Gatte von der Sache Wind be-kommen und unterwegs die prächtigen Tiere, die sie unsschicken wollte, beschlagnahmt, um sie gegen diese gräßlichenVierbeiner auszutauschen.« »Die du ihm jetzt zurückbringst?« »Natürlich!« erwiderte Mousqueton. »Ihr werdet verste-hen, daß es uns unmöglich ist, statt der versprochenen Tieresolche jämmerlichen Krücken zu behalten.« »Bei Gott, und ob ich das verstehe! Wenngleich ich Por-thos gern mal auf meinem gelben Pferd gesehen hätte …Doch wir wollen dich nicht aufhalten, Mousqueton; geh nurund erledige den Auftrag deines Herrn! Ist er zu Hause?« »Ja, gnädiger Herr, aber in sehr verdrießlicher Laune.« Und er setzte seinen Weg nach dem Quai des Grands-Augustins fort, während die beiden Freunde an der Tür desunglücklichen Porthos läuteten. Der hatte sie jedoch überden Hof kommen sehen und hütete sich wohl, zu öffnen. Unterdessen hatte Mousqueton seine beiden Mähren überdie Pont-Neuf getrieben und erreichte endlich die Rue auxOurs. Hier band er, wie es sein Herr ihm befohlen hatte,Pferd und Maultier an den Türklopfer des Herrn Staatsan-walts und kehrte dann, ohne sich um ihr weiteres Schicksalzu sorgen, in die Rue du Vieux-Colombier zurück, um Por-thos den vollzogenen Auftrag zu melden. Nach einer Weile erhoben die beiden unglücklichen Tiere,die seit dem Morgen nichts mehr gefressen hatten, einen sol-chen Lärm, daß der Anwalt seinem Laufburschen befahl, inder Nachbarschaft nachzufragen, wem das Pferd und dasMaultier gehörten. Frau Coquenard erkannte ihr Geschenk wieder, verstandaber zunächst nicht, warum man es ihr zurückgab; das sollteihr erst klarwerden, als bald darauf Porthos erschien. DieWut, die aus seinen Augen blitzte, sosehr er auch an sich zuhalten suchte, jagte der empfindsamen Geliebten keinen ge-linden Schrecken ein. Tatsächlich hatte Mousqueton seinemHerrn nicht verheimlicht, daß er unterwegs d’Artagnan undAramis begegnet war und daß der Gascogner in dem Pferdseinen gelben Bearner Klepper wiedererkannt hatte, auf dem390
er einst nach Paris geritten war und den er für drei Taler ver-kauft hatte. Porthos verabredete sich mit Frau Coquenard im Kloster-gang von Saint-Magloire und schickte sich sogleich wiederzum Gehen an. Als dies der Hausherr sah, lud er ihn zum Es-sen ein, doch der Musketier lehnte majestätisch ab. Frau Coquenard begab sich nach einer Weile zitternd zumStelldichein, denn sie ahnte die Vorwürfe, die sie zu hören be-kommen würde; indessen war sie von Porthos’ großartigemAuftreten zutiefst beeindruckt. In der Tat ließ Porthos alles, was einem in seiner Eitelkeitgekränkten Mann an Verwünschungen und Vorwürfen gegeneine Frau einfallen kann, auf das reuig gesenkte Haupt seinerschnöden Geliebten niederprasseln. »Ach«, sagte sie endlich, »ich habe doch getan, was ichkonnte. Einer unserer Klienten, ein Pferdehändler, schuldeteunserer Kanzlei Geld und wollte und wollte nicht zahlen. Dahabe ich das Maultier und das Pferd als Gegenwert für diefällige Summe genommen; er hatte mir zwei fürstliche Reit-tiere versprochen.« »Nun, Madame, wenn er Euch mehr als fünf Taler schul-dete, dann ist Euer Pferdehändler ein Betrüger!« »Schließlich ist es nicht verboten, sich nach günstigen Ein-kaufsmöglichkeiten umzusehen«, versuchte Frau Coquenardsich zu entschuldigen. »Gewiß nicht, Madame, aber wer sich danach umsieht,muß dem anderen schon gestatten, sich nach großzügigerenFreunden umzusehen.« Damit kehrte ihr Porthos den Rückenund wandte sich zum Gehen. »Herr Porthos! Lieber Herr Porthos!« rief sie kläglich. »Eswar unrecht von mir, ich sehe es ja ein, ich hätte nicht feil-schen dürfen, wo es sich darum handelt, einen Kavalier wieEuch auszurüsten!« Porthos ging, ohne zu antworten, langsam weiter. FrauCoquenard sah ihn bereits in eine schimmernde Wolke ge-hüllt, umringt von Herzoginnen und Marquisen, die ihmSäcke voll Gold vor die Füße warfen. »Bleibt, um Himmels willen, bleibt, Herr Porthos!« jam-merte sie. »Laßt uns miteinander reden!« 391
»Das Reden mit Euch bringt mir Unglück.« »So sagt doch, was verlangt Ihr?« »Nichts, denn das läuft schließlich aufs selbe hinaus, alswenn ich irgendeinen Wunsch äußerte.« Frau Coquenard hängte sich in den Arm des Musketiersund flehte in einer Aufwallung von Schmerz: »Herr Porthos, ich verstehe doch nichts von alledem! Weißich denn, was ein gutes Pferd ist? Weiß ich, wie ein Sattel-zeug beschaffen sein muß?« »Dann hättet Ihr es eben mir überlassen müssen, Madame,ich kenne mich da aus! Aber Ihr wolltet ja unter allen Um-ständen sparen.« »Das war nicht recht von mir, Herr Porthos, und ich gebeEuch mein Wort, daß ich es wiedergutmache!« »Wie denn?« »Hört! Heute abend geht mein Mann zum Herzog vonChaulnes, der ihn zu sich bestellt hat. Es handelt sich um eineKonsultation, die mindestens zwei Stunden dauert. Wenn Ihrkommt, sind wir allein und können ganz ungestört alles insreine bringen!« »Donnerwetter, darüber läßt sich natürlich reden!« »Verzeiht Ihr mir nun?« »Wir werden ja sehen«, sagte Porthos würdevoll. »Alsodann bis heute abend!« »Bis heute abend!« erwiderte Frau Coquenard. Teufel noch mal, dachte Porthos, während er sich raschentfernte, wenn mich nicht alles täuscht, nähere ich michjetzt endlich dem wohlbehüteten Geldschrank Meister Co-quenards! Bei Nacht sind alle Katzen grauEndlich brach der von Porthos und d’Artagnan so ungedul-dig erwartete Abend an. D’Artagnan erschien, wie üblich, gegen neun Uhr bei My-lady. Er traf sie bei glänzender Laune an, noch nie hatte sieihn so freundlich aufgenommen. Unser Gascogner sah aufden ersten Blick, daß dies nur die Wirkung seines Briefes sein392
konnte. Als Ketty die Limonade brachte, lächelte ihr Myladyzu und behandelte sie mit der größten Zuvorkommenheit;aber die arme Zofe war so traurig, daß sie das Wohlwollen ihrerHerrin gar nicht bemerkte. D’Artagnan musterte verstohlen die beiden Frauen undmußte zugeben, daß hier die Natur geirrt hatte: der vorneh-men Dame hatte sie eine gemeine, käufliche Seele und derZofe das Herz einer Fürstin mitgegeben. Gegen zehn Uhr begann Mylady unruhig zu werden, undd’Artagnan wußte nur zu gut, warum. Sie sah nach der Uhr,stand auf, setzte sich wieder und lächelte ihrem Gast auf eineWeise zu, als wollte sie sagen: Ihr seid ohne Zweifel ein rei-zender Mensch, aber Ihr wärt mir noch sehr viel sympathi-scher, wenn Ihr jetzt ginget! D’Artagnan erhob sich und nahm seinen Hut. Myladyreichte ihm die Hand zum Kuß; der junge Mann fühlte, wiesie die seine drückte, und begriff, daß sie es diesmal nicht ausKoketterie, sondern aus Dankbarkeit tat, weil er sich schonverabschiedete. Sie ist ja ganz verteufelt in ihn verliebt! sagte er sich, wäh-rend er der Tür zuschritt. Heute erwartete ihn Ketty nirgends, weder in der Vorhallenoch auf der Treppe, noch im Torweg. D’Artagnan mußtesich den Weg über die Wendeltreppe zu ihrem Zimmer schonselber suchen. Ketty saß, den Kopf in die Hände vergraben, auf einem Stuhlund weinte. Sie hörte d’Artagnan eintreten, aber sie blicktenicht auf, und als er zu ihr kam und sie bei den Händen faßte,brach sie in heftiges Schluchzen aus. D’Artagnan hatte ganz richtig vermutet: Mylady hatte inihrer Freude über den Brief ihrer Zofe alles anvertraut und ihrsogar zur Belohnung für den so gut erledigten Auftrag eineGeldbörse geschenkt. Ketty war darauf in ihr Zimmer zurück-gekehrt und hatte die Börse in eine Ecke gefeuert, wo sie jetztnoch lag, neben einigen Goldstücken, die dabei auf den Teppichgerollt waren. D’Artagnan streichelte die arme Kleine, und siehob endlich den Kopf. Ihr Gesicht war so verstört, daß es so-gar ihn einen Augenblick betroffen machte. Sie rang gleichsamflehentlich die Hände, wagte jedoch nichts zu sagen. 393
Sowenig empfänglich d’Artagnans Herz auch war, so rührteihn doch dieser stumme Schmerz; aber er hing zu sehr an sei-nen Plänen, besonders an dem, den er sich für diesen Abendausgedacht hatte, und wollte um keinen Preis davon abstehen.Deshalb ließ er Ketty auch keine Hoffnung, ihn zu erweichen,stellte ihr allerdings sein Tun als bloßen Racheakt dar. Eine Ra-che, die übrigens um so leichter durchzuführen war, als Mylady,offenbar um ihre Röte vor dem Geliebten zu verbergen, Kettybefohlen hatte, kurz vor elf Uhr alle Lichter, auch die in ihremeigenen Zimmer, zu löschen. Nach einer Weile hörte man nebenan Mylady eintreten.D’Artagnan stürzte sogleich zum Kleiderschrank, und kaumhatte er sich hier versteckt, als Mylady auch schon läutete.Ketty ging hinüber und schloß die Tür hinter sich; aber dieWand war so dünn, daß unser Gascogner fast jedes Worthören konnte, das die beiden Frauen miteinander sprachen. Mylady schien trunken vor Freude. Immer wieder fragtesie nach Einzelheiten der angeblichen Begegnung zwischender Zofe und dem Grafen von Wardes: wie er den Brief auf-genommen, was er geantwortet, welchen Ausdruck sein Ge-sicht gezeigt habe und ob er ihr sehr verliebt vorgekommensei. Auf all diese Fragen antwortete die arme Ketty, die sichkeine Blöße geben durfte, nur mit halb erstickter Stimme,deren gequälter Ausdruck ihrer Herrin indessen überhauptnicht auffiel; so selbstsüchtig ist das Glück. Als endlich die Stunde ihres Stelldicheins mit dem Grafenherannahte, ließ Mylady tatsächlich alle Lichter löschen undbefahl Ketty, wieder in ihr Zimmer zu gehen und den Grafen,sowie er sich melde, zu ihr zu führen. Ketty brauchte nicht lange zu warten. Kaum hatte näm-lich d’Artagnan durch das Schlüsselloch bemerkt, daß allesdunkel war, als er auch schon aus seinem Schrank schlüpfte,obwohl die Zofe eben erst die Verbindungstür schloß. »Was ist das für ein Geräusch?« fragte Mylady. »Ich bin’s«, sagte d’Artagnan mit verstellter Stimme, »ich,der Graf von Wardes.« »O mein Gott, mein Gott!« murmelte Ketty. »Er kannnicht einmal die Stunde abwarten, die er selbst festgesetzthat.«394
»Aber warum tretet Ihr nicht ein, Graf?« fragte Myladymit bebender Stimme. »Ihr wißt doch, daß ich Euch er-warte!« Auf diesen Ruf hin schob d’Artagnan die Zofe sacht bei-seite und eilte nach nebenan. Es gibt wohl kaum eine peinigendere Folter für einen Lieb-haber, als unter einem falschen Namen Liebesbeteuerungenzu empfangen, die einem glücklicheren Nebenbuhler gelten.In diese unglückliche Lage, die er bei aller Voraussicht nichtbedacht hatte, fand sich unser liebestoller Junker nun ver-setzt. Die Eifersucht marterte sein Herz, und er litt fast eben-sosehr wie die arme Ketty im Nebenzimmer. »Ja, Graf«, hauchte sie mit ihrer sanftesten Stimme unddrückte dabei zärtlich seine Hände, »ja, ich bin glücklich überdie Liebe, die ich in Euern Blicken und Euern Worten fand,sooft wir einander begegneten. Auch ich liebe Euch! O mor-gen, morgen will ich irgendein Pfand von Euch, einen Be-weis, daß Ihr immer an mich denkt; und damit Ihr mich nichtvergeßt, nehmt das hier!« Damit streifte sie einen Ring vonihrem Finger und steckte ihn d’Artagnan an. Der konnte ihn zwar nicht sehen, aber er erinnerte sich, ihnan Myladys Hand gesehen zu haben; es war ein herrlicher, vonBrillanten eingefaßter Saphir. In einer ersten Regung wollte er ihr den Ring zurückgeben,aber sie wehrte ab und sagte: »Nein, nein, behaltet ihn nur, behaltet ihn mir zuliebe!Übrigens erweist Ihr mir damit«, fügte sie mit seltsam be-wegter Stimme hinzu, »einen größeren Dienst, als Ihr auchnur zu ahnen vermögt!« Dieses Weib steckt voller Rätsel! sagte sich d’Artagnan. Indiesem Augenblick war er soweit, ihr alles zu entdecken. Eröffnete schon den Mund, um ihr zu sagen, wer er war undwelche Rachepläne ihn hergeführt hatten; da aber sprach sieweiter: »Armer Engel, den dieses Scheusal von einem Gascognerum ein Haar getötet hätte!« Das Scheusal war er. »Oh«, fuhrsie fort, »machen Euch die Wunden noch sehr zu schaffen?« »Ja, sehr«, antwortete d’Artagnan, der nicht wußte, was ersagen sollte. 395
»Seid nur ruhig«, murmelte Mylady, »ich werde Euch rächen,und zwar grausam!« Zum Henker – fluchte der Gascogner in sich hinein –, mitder Beichte will ich lieber noch etwas warten! D’Artagnan brauchte einige Zeit, um sich von diesem kur-zen Dialog zu erholen; doch auf einmal waren all die rach-süchtigen Gedanken, mit denen er hergekommen war, wiefortgeweht. Diese Frau übte eine unglaubliche Macht überihn aus; er haßte sie und betete sie zugleich an. Er hätte niegeglaubt, daß zwei so widerstreitende Gefühle in einem Her-zen wohnen und zusammen eine so seltsame, ja geradezuteuflische Haßliebe ergeben könnten. Unterdes hatte es ein Uhr geschlagen; d’Artagnan mußtean den Aufbruch denken. Jetzt, im Augenblick der Trennung,empfand er nur noch das lebhafteste Bedauern, und währendsie leidenschaftlich voneinander Abschied nahmen, verabre-deten sie eine neue Zusammenkunft für die nächste Woche.Die arme Ketty hoffte noch ein paar Worte mit ihrem Ge-liebten wechseln zu können, aber Mylady geleitete ihn imDunkeln selbst hinaus und verließ ihn erst an der Treppe. Am anderen Morgen eilte d’Artagnan zu Athos. Er war inein so seltsames Abenteuer verwickelt, daß er seinen Rat ein-holen wollte. Während er ihm die ganze Geschichte erzählte,runzelte Athos wiederholt die Stirn. »Eure Mylady«, sagte er schließlich, »scheint mir ein rech-tes Scheusal zu sein, aber darum war es von Euch nicht we-niger unrecht, sie in dieser Weise zu hintergehen. So oder sohabt Ihr jetzt eine gefährliche Feindin auf dem Hals.« Bei diesen Worten betrachtete Athos aufmerksam den vonDiamanten umsäumten Saphir, den d’Artagnan an demsel-ben Finger trug, an dem bisher der Ring der Königin gesteckthatte; diesen verwahrte er jetzt daheim in einer sicheren Scha-tulle. »Ihr schaut den Ring an?« fragte der Gascogner vollerStolz, seinen Freunden abermals ein so kostbares Geschenkvor Augen führen zu können. »Ja«, erwiderte Athos, »er erinnert mich an einen Familien-schmuck.« »Er ist schön, nicht wahr?«396
»Wundervoll! Ich hätte nicht gedacht, daß es noch einenzweiten Saphir von so herrlichem Glanz geben könnte. HabtIhr ihn gegen Euern Diamanten eingetauscht?« »Nein, er ist ein Geschenk meiner schönen Engländerinoder vielmehr meiner schönen Französin, denn obwohl ichsie nicht danach gefragt habe, bin ich überzeugt, daß ihreWiege in Frankreich stand.« »Ihr habt den Ring von Mylady?« rief Athos mit einerStimme, die ungewöhnliche Erregung verriet. »Ja, von ihr; sie hat ihn mir heute nacht gegeben!« »Kann ich ihn mal sehen?« bat Athos. »Bitte!« sagte d’Artagnan und zog den Ring vom Finger. Athos untersuchte ihn und wurde sehr bleich. Dann schober ihn auf den Ringfinger der linken Hand; er paßte, als wäreer für ihn gemacht. Die sonst so glatte Stirn des Edelmannszog sich in jähem Unmut zusammen. »Unmöglich, nein, er kann es nicht sein!« sagte er schließ-lich. »Wie sollte sich dieser Ring ausgerechnet in den Hän-den von Lady Clarick befinden? Und doch ist es kaum denk-bar, daß es zwei Schmuckstücke von solcher Ähnlichkeitgibt.« »Kennt Ihr denn diesen Ring?« fragte d’Artagnan. »Ich dachte, ich kenne ihn, aber ich habe mich offenbargeirrt«, erwiderte Athos und reichte ihm den Ring zurück,hörte indessen nicht auf, ihn anzustarren. »Bitte«, sagte er nach einer Weile, »steckt den Ring wegoder dreht zum mindesten den Stein nach innen! Er weckt inmir so schreckliche Erinnerungen, daß ich mich einfach nichtmehr unbefangen mit Euch unterhalten kann. Und wolltetIhr nicht einen Rat von mir? Sagtet Ihr nicht, Ihr wüßtetnicht recht, was Ihr tun sollt? – Aber wartet, gebt mir nocheinmal den Saphir! Der meine war an einer Stelle durch einenUnfall etwas zerkratzt.« D’Artagnan zog den Ring wieder ab und gab ihn seinemFreund. »Da, seht nur«, sagte Athos mit bebender Stimme, »ist dasnicht eigenartig?« Und er zeigte d’Artagnan jenen Kratzer,an den er sich erinnert hatte. »Aber woher hattet Ihr diesen Saphir?« 397
»Von meiner Mutter, die ihn von ihrer Mutter bekommenhat. Der Ring ist, wie ich Euch schon gesagt habe, ein alterFamilienschmuck … der niemals in andere Hände gelangensollte.« »Und Ihr habt ihn … verkauft?« »Nein«, entgegnete Athos mit einem eigentümlichenLächeln, »ich habe ihn in einer Liebesnacht verschenkt, sowie man ihn jetzt Euch geschenkt hat.« D’Artagnan wurde nachdenklich; er steckte den Ring nichtwieder an den Finger, sondern in die Tasche. »Bitte«, sagte Athos und faßte nach seiner Hand, »Ihrwißt, daß Ihr mir lieb und wert seid, d’Artagnan; ein Sohnkönnte mir nicht näherstehen als Ihr. Darum hört auf mich,verzichtet auf diese Frau! Glaubt mir, ich kenne sie zwarnicht, aber ein dunkles Gefühl sagt mir, daß sie zutiefst ver-derbt ist und daß sie Euch nur ins Unglück stürzen kann!« »Ja, Ihr habt recht«, erwiderte d’Artagnan, »und ich mußzugeben, daß diese Frau mir selbst nicht geheuer ist. Darumwerde ich mich von ihr trennen.« »Werdet Ihr das wirklich über Euch bringen?« »Bestimmt, und noch in dieser Stunde!« »Wohl, mein Junge, das ist das beste«, sagte der Edelmannund drückte dem Gascogner mit beinahe väterlicher Herz-lichkeit die Hand. »Gebe Gott, daß diese Frau, die nochkaum in Euer Leben getreten ist, keine schlimme Spur darinzurückläßt!« Und er nickte ihm zu wie jemand, der deutlichmachen will, daß es ihm nicht unlieb wäre, mit seinen Ge-danken allein zu bleiben. Zu Hause fand d’Artagnan Ketty, die auf ihn gewartethatte. Nach wochenlangem Fieber hätte die Kleine nicht an-gegriffener aussehen können als nach dieser einen Nacht derSchlaflosigkeit und der stummen Qual. Ihre Herrin hatte sieabermals zu dem falschen Grafen geschickt. Mylady wußtesich nicht mehr zu lassen vor Freude und Liebestollheit; siewollte unbedingt wissen, wann ihr Geliebter ihr wieder eineNacht schenken könne. Bleich und zitternd, sah die unglückliche Ketty d’Arta-gnans Antwort entgegen. Athos hatte großen Einfluß auf den jungen Mann. Sein Rat398
und dazu die Stimme des eigenen Gewissens hatten in ihmden Entschluß reifen lassen, Mylady nicht wiederzusehen,zumal er ja inzwischen seinen verletzten Stolz befriedigt undseinen Rachedurst gestillt hatte. Er griff also zur Feder undschrieb folgenden Brief:»Madame, rechnet nicht so bald mit einem Rendezvous! Seitmeiner Genesung habe ich so viele Verpflichtungen dieser Art,daß ich schon eine gewisse Ordnung dabei wahren muß.Kommt die Reihe wieder an Euch, so werde ich mir die Ehregeben, Euch rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen.Ich küsse Eure Hände. Graf von Wardes« Von dem Saphir kein Wort. Wollte der Gascogner nocheine Waffe gegen Mylady behalten? Oder sah er in diesemSaphir vielleicht doch eine letzte Geldquelle für seine Aus-rüstung? Übrigens sollte man sich hüten, die Verhaltensweisen ei-ner bestimmten Zeit mit den Maßstäben einer anderen Epo-che zu messen. Was heute als Schande für jeden Ehrenmannangesehen werden muß, war damals etwas ganz Selbstver-ständliches und Natürliches, und es gehörte gleichsam zumguten Ton, daß selbst die Söhne der vornehmsten Familiensich von ihren Geliebten aushalten ließen. D’Artagnan zeigte Ketty den offenen Brief; zuerst verstandsie ihn gar nicht, doch als sie ihn noch einmal überlas, brachsie in lauten Jubel aus. Sie konnte kaum an dieses Glück glau-ben; d’Artagnan mußte ihr ein übers andere Mal versichern,daß es wirklich so gemeint war, wie es in dem Brief zu lesenstand. Und obwohl sie bei dem unbeherrschten Charakterihrer Gebieterin auf alles gefaßt sein mußte, wenn sie ihr die-sen Brief übergab, eilte sie doch, so geschwind sie ihre Beinetrugen, nach dem Place Royale zurück. Das Herz der bestenFrau ist unempfindlich für die Leiden einer Nebenbuhlerin. Mylady öffnete den Brief ebenso rasch, wie er ihr gebrachtworden war. Aber schon bei den ersten Worten wich alleFarbe aus ihrem Gesicht; sie zerknüllte das Papier undwandte sich mit gefährlich blitzenden Augen ihrer Zofe zu. »Was bedeutet dieser Brief?« stieß sie hervor. 399
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