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Die drei Musketiere

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Alexandre DumasDie drei Musketiere

Alexandre Dumas 1854Photographie von Gaspard Félix Nadar

Alexandre DumasDie drei Musketiere Roman Aus dem Französischen von Herbert Bräuning

Titel der Originalausgabe Les Trois Mousquetaires Mit einem Nachwort von Christine Wolter ISBN E-Pub 978-3-8412- 0073-0 ISBN PDF 978-3-8412- 2073-8 ISBN Printausgabe 978-3-7466-6123-0 Aufbau Digital, veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, September 2011 © Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin Die vorliegende Übersetzung erschien erstmals 1955 bei Rütten & Loening Berlin. Rütten & Loening ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG.Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Ver-wertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesonderefür Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischenSystemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet. Umschlaggestaltung morgen, unter Verwendung eines Fotos von Kai Dieterich/bobsairport Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH, KN digital - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart www.aufbau-verlag.de

Die drei Geschenke des alten d’ArtagnanAn einem Montag im Herbst des Jahres 1626 schien derMarktflecken Meung in einem solchen Aufruhr zu sein, alswären die Hugenotten gekommen, um daraus ein zweites Ro-chelle zu machen. Zahlreiche Bürger beeilten sich, als sie dieFrauen zur Hauptstraße stürzen sahen und die Kinder auf denTürschwellen schreien hörten, ihren Küraß umzuschnallen,und liefen, nachdem sie ihre ein wenig unsichere Haltungdurch eine Muskete oder eine Partisane gefestigt hatten, zumGasthof des »Freimüllers«, vor dem sich lärmend und neu-gierig ein dichter Haufe drängte, der von Minute zu Minutegrößer wurde. Zu jener Zeit waren derartige Unruhen nicht selten, und esverging kaum ein Tag, ohne daß die eine oder andere Stadtein ähnliches Ereignis in ihren Archiven zu verzeichnen hatte.Da waren die Edelleute, die sich untereinander befehdeten; dawar der König, der mit dem Kardinal auf Kriegsfuß stand,und da war der Spanier, der den König bekriegte. Außer die-sen offenen oder geheimen, wilden oder erklärten Fehden gabes schließlich noch die Diebe, die Bettler, die Hugenotten,die Wölfe und die Lakaien, die gegen alle Welt Krieg führten.Gegen Diebe, Wölfe und Lakaien griffen die Bürger stets zuden Waffen, gegen die Adligen und die Hugenotten oft, auchgegen den König manchmal – aber niemals gegen den Kardi-nal und den Spanier. Es geschah daher nur aus alter Ge-wohnheit, daß sich die Bürger, als sie an besagtem Montagim Herbst des Jahres 1626 Lärm hörten und weder die gelb-rote Standarte noch eine Uniform des Herzogs von Riche-lieu erblickten, eilends zum Gasthof des »Freimüllers« be-gaben. 5

Hier wurde sogleich jedem die Ursache des Auflaufs klar:ein junger Mann … Zeichnen wir sein Porträt mit einem ein-zigen Federstrich: Man denke sich einen achtzehnjährigenDon Quichotte, einen Don Quichotte ohne Rüstung undHarnisch, in einem wollenen Wams, dessen ehemals blaueFarbe einer unbestimmbaren Tönung aus Weinrot und Him-melblau gewichen war. Das Gesicht länglich und dunkel, dieBackenknochen vorspringend, was auf Pfiffigkeit schließenläßt, die Kinnbacken ungewöhnlich stark ausgeprägt, woranman den Gascogner auch ohne Barett unfehlbar erkennt – undunser junger Mann trug sogar eins mit einem Federschmuck.Sein Auge war offen und klug, die Nase gebogen, aber edelgeformt, und da er größer als ein Jüngling, doch noch keinausgewachsener Mann war, hätte ein weniger geübtes Augeihn für einen Pächterssohn auf Reisen halten können, wärenicht der lange Degen gewesen, der von einem ledernenGehänge herabbaumelte und beim Gehen seinem Träger ge-gen die Waden, beim Reiten gegen das struppige Fell seinesGaules schlug. Unser junger Mann war nämlich beritten, und zwar war seinReittier so überaus bemerkenswert, daß es in der Tat bemerktwurde: ein etwa zwölf bis vierzehn Jahre alter gelblicher Klep-per aus dem Bearn, der wohl keine Schwanzhaare, dafür aberum so mehr Schwären an den Beinen hatte und der, obgleicher den Kopf bis zu den Knien herabhängen ließ, was den Ge-brauch der Kandare überflüssig machte, noch immer seine achtMeilen am Tag zurücklegte. Unglücklicherweise wurden dieVorzüge dieses Gaules von seinem seltsamen Fell und seinemsonderbaren Gang so gut verdeckt, daß in einer Zeit, in der je-dermann etwas von Pferden verstand, sein Erscheinen inMeung, wo er vor ungefähr einer Viertelstunde durch das Torvon Beaugency seinen Einzug gehalten hatte, ein Aufsehenhervorrief, das sich auch auf den Reiter ungünstig auswirkte. Dieses Aufsehen war für den jungen d’Artagnan – so hießder Don Quichotte dieser Rosinante – um so peinlicher, alser sich nicht verhehlen konnte, was für eine lächerliche Figurer, der sonst ein guter Reiter war, auf einem solchen Pferdabgab; hatte er doch bereits gestöhnt, als sein Vater es ihm an-vertraute. Er wußte nur zu gut, daß dieses Tier keine sieben6

Taler wert war; die Worte, die das Geschenk begleitet hatten,waren allerdings unbezahlbar. »Mein Sohn«, hatte der gascognische Edelmann gesagt,»dieses Pferd wurde vor bald dreizehn Jahren im Hause dei-nes Vaters geboren, und es ist all die Zeit über hier geblieben,schon deshalb mußt du es lieben. Verkaufe es nie, laß es ruhigund ehrenvoll an Altersschwäche sterben, und ziehst du mitihm ins Feld, dann sei gut zu ihm wie zu einem alten Diener!Solltest du die Ehre haben, an den Hof zu kommen, eine Ehreübrigens, auf die der alte Adel unseres Hauses dir ein Rechtgibt, dann erweise dich deines Namens würdig, wie es deineAhnen seit mehr als fünfhundert Jahren gehalten haben! Dutust es für dich und die Deinen. Unter den Deinen verstehe ichdeine Verwandten und deine Freunde. Nimm keine Kränkunghin, es sei denn vom König oder vom Kardinal! Durch seinenMut, versteh mich recht, nur durch seinen Mut kann heute einEdelmann seinen Weg machen. Wer auch nur eine Sekunde zit-tert, läßt sich vielleicht den Köder entgehen, den ihm dasGlück gerade in diesem Augenblick hinhält. Du bist jung, dumußt tapfer sein aus zwei Gründen: einmal, weil du ein Gas-cogner bist, und dann, weil du mein Sohn bist. Gehe keinerGelegenheit aus dem Wege, suche die Abenteuer! Ich habedich gelehrt, den Degen zu führen. Deine Knie sind aus Eisen,deine Handgelenke aus Stahl. Schlage dich, sooft es nur an-geht, schlage dich um so mehr, als Duelle verboten sind unddeshalb doppelter Mut dazu gehört. Ich kann dir, mein Sohn,nur fünfzehn Taler, mein Pferd und diese Ratschläge mit aufden Weg geben. Deine Mutter wird noch das Rezept einer ge-wissen Salbe hinzufügen, das sie von einer Zigeunerin be-kommen hat; diese Salbe hat die wunderbare Eigenschaft, jedeWunde zu heilen, wenn nicht gerade das Herz getroffen ist.Mach dir alles zunutze, lebe glücklich und lange! Zum Schlußmöchte ich dir noch eines sagen und dich auf ein Beispiel hin-weisen, nicht auf das meine, denn ich selbst bin nie bei Hofeerschienen und habe nur die Religionskriege als Freiwilligermitgemacht – ich meine vielmehr Herrn de Treville, der einstmein Nachbar war und schon als kleiner Junge die Ehre hatte,mit unserem König Ludwig XIII., den Gott uns erhalte, zuspielen. Ihre kindlichen Spiele arteten zuweilen in Schlägereien 7

aus, und in diesen Schlägereien war der König nicht immer derStärkere. Die Prügel, die er dabei einsteckte, erfüllten ihn mitgroßer Achtung und Freundschaft für Treville. Später, auf sei-ner ersten Reise nach Paris, hat sich Herr de Treville fünfmalgeschlagen; in der Zeit vom Tode des seligen Königs bis zurVolljährigkeit des jungen siebenmal, Kriege und Belagerungennicht eingerechnet, und von der Volljährigkeit bis auf den heu-tigen Tag an die hundertmal! Und trotz aller Edikte, Befehleund Verordnungen ist er jetzt Hauptmann der Musketiere,also der Führer einer Legion von Cäsaren, auf die der Königgroße Stücke hält und die der Kardinal fürchtet, er, der sich,wie jedermann weiß, nicht leicht fürchtet. Überdies beziehtHerr de Treville zehntausend Taler im Jahr, er ist also ein sehrvornehmer Herr. Er hat begonnen wie du. Suche ihn mit die-sem Brief auf und richte dich ganz nach ihm, um es ihm gleich-zutun!« Damit gürtete Vater d’Artagnan seinem Sohn den eige-nen Degen um, küßte ihn liebevoll auf beide Wangen und gabihm seinen Segen. Der junge Mann verließ das väterliche Gemach und begabsich zu seiner Mutter, die ihn bereits mit dem berühmten Re-zept erwartete, dessen Benutzung die eben mitgeteilten Rat-schläge noch ziemlich oft erforderlich machen sollten. DerAbschied war hier länger und zärtlicher, nicht etwa, weil Herrd’Artagnan seinen Sohn und einzigen Sprößling wenigerliebte, sondern weil er ein Mann war und es für unter seinerWürde hielt, einer Rührung nachzugeben; Madame d’Arta-gnan dagegen war eine Frau und außerdem die Mutter. Sieweinte fassungslos, und zum Lobe des jungen d’Artagnanmüssen wir sagen, daß er trotz aller Anstrengungen, fest zubleiben, wie es sich für einen zukünftigen Musketier gehörte,schließlich seiner Natur erlag: Tränen, die er nur mühsam ver-bergen konnte, traten ihm in die Augen. Am selben Tag noch brach der junge Mann auf, ausgerüstetmit den drei väterlichen Geschenken, die, wie gesagt, aus fünf-zehn Talern, einem Pferd und einem Schreiben an Herrn deTreville bestanden; nicht zu vergessen die guten Ratschläge,die ihm obendrein mit auf den Weg gegeben worden waren.Also ausgestattet, war d’Artagnan geistig und körperlich eingetreues Abbild des Cervantesschen Helden, mit dem wir ihn8

bereits so glücklich verglichen haben, als uns die Pflicht desErzählers gebot, ein Porträt von ihm zu zeichnen. DonQuichotte hielt Windmühlen für Riesen und Schafherden fürArmeen, d’Artagnan hielt jedes Lächeln für eine Beleidigungund jeden Blick für eine Herausforderung. Auf dem ganzenWeg von Tarbes bis Meung ballte er die Fäuste, und wohl zehn-mal am Tag griff er nach seinem Degen, aber kein einziges Malflog seine Faust gegen das Kinn eines Gegners oder fuhr seinDegen aus der Scheide. Das soll nicht heißen, daß der Anblickdes unglückseligen gelben Kleppers die Leute, denen er be-gegnete, nicht zum Lachen gereizt hätte, aber da an dem Gaulein Degen von stattlicher Länge blinkte und über diesem De-gen ein mehr wildes als stolzes Auge funkelte, unterdrücktensie ihre Heiterkeit, oder wenn ihre Heiterkeit stärker als ihreKlugheit war, versuchten sie wenigstens nur nach einer Seitehin zu lächeln wie antike Masken. D’Artagnan blieb also inseiner Würde und in seiner Empfindlichkeit unverletzt bis zudiesem unseligen Städtchen Meung. Als er hier vor der Tür des »Freimüllers« vom Pferde stieg,ohne daß irgend jemand, Wirt, Kellner oder Stallknecht, her-beigeeilt wäre, um ihm den Steigbügel zu halten, erblickte erin einem halbgeöffneten Fenster des Erdgeschosses einen gut-gewachsenen und vornehm aussehenden Edelmann mit einemetwas mürrischen Gesicht, der gerade mit zwei Personensprach, die ihm offenbar sehr ehrerbietig zuhörten. Wie esseine Art war, glaubte d’Artagnan natürlich, Gegenstand derUnterhaltung zu sein, und horchte hin. Diesmal hatte er sichnicht ganz getäuscht; es war zwar nicht von ihm, wohl abervon seinem Pferd die Rede. Der Edelmann schien alle Eigen-schaften dieser Mähre aufzuzählen, und da seine Zuhörer, wieich schon sagte, ihm offensichtlich sehr ergeben waren, bra-chen sie alle Augenblicke in ein schallendes Gelächter aus. Daaber bereits ein halbes Lächeln genügte, den jungen Mann inHarnisch zu bringen, kann man sich unschwer ausmalen, wiediese lärmende Heiterkeit auf ihn wirkte. D’Artagnan wollte zunächst wissen, wie der Unver-schämte aussehe, der sich über ihn lustig machte. Er hefteteseinen Blick voller Stolz auf den Fremden und erkannte inihm einen etwa vierzig- bis fünfundvierzigjährigen Mann mit 9

stechenden schwarzen Augen, fahlem Teint, stark hervor-tretender Nase und pechschwarzem, säuberlich gestutztemSchnurrbart. Er trug ein Wams und eine violette Kniehosemit gleichfarbenen Schnürbändern, den einzigen Schmuckbildeten die üblichen Ärmelschlitze, durch die das Hemdschimmerte. Hose und Wams waren neu, sahen jedoch zer-knittert aus wie Reisekleider, die lange in einem Mantelsackgesteckt hatten. D’Artagnan traf alle diese Feststellungen mitdem raschen Blick eines scharfsichtigen Beobachters, undzweifellos sagte ihm auch ein unwillkürliches Gefühl, daßdieser Unbekannte noch eine große Rolle in seinem Lebenspielen würde. Nun traf es sich, daß der Edelmann im violetten Wams ge-rade in dem Augenblick, da d’Artagnan ihn so eingehend mu-sterte, eine besonders kluge und tiefschürfende Bemerkungüber den Bearner Klepper machte, jedenfalls bogen sich seinebeiden Zuhörer vor Lachen, und er selbst ließ gegen seineGewohnheit ein mattes Lächeln, wenn man sagen darf, übersein Gesicht huschen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr, d’Ar-tagnan war wirklich beleidigt worden. In dieser Überzeugungrückte er das Barett tief in die Stirn, und bemüht, die vor-nehme Art nachzuahmen, die er in seiner Heimat von durch-reisenden Edelleuten abgesehen hatte, legte er die eine Handan den Degenknauf, stemmte die andere in die Hüfte undtrat auf das Fenster zu. Leider geriet er mit jedem Schrittmehr in Wut, und anstelle der stolzen und würdigen Rede, dieer sich für seine Herausforderung zurechtgelegt hatte,brachte er schließlich nur eine plumpe Anrede zustande, dieer mit einer heftigen Geste begleitete. »He, Ihr da!« rief er. »Was haltet Ihr Euch hinter dem Fen-sterladen versteckt? Ja, Euch meine ich! Sagt mir doch, wor-über Ihr lacht, dann können wir zusammen lachen!« Der Edelmann ließ seinen Blick langsam vom Pferd zumReiter wandern, als brauchte er einige Zeit, um zu begreifen,daß diese sonderbaren Anwürfe ihm galten; dann, als er nichtmehr zweifeln konnte, zog er die Brauen ein wenig hoch undantwortete in einem unbeschreiblich spöttischen und her-ausfordernden Ton: »Ich spreche nicht mit Euch!«10

»Aber ich mit Euch!« schrie der junge Mann, vollends auf-gebracht über diese Mischung aus Unverschämtheit undguten Manieren, Anstand und Geringschätzung. Der Unbekannte betrachtete ihn noch einen Augenblickmit leichtem Lächeln, zog sich dann langsam vom Fensterzurück und trat aus dem Haus, um sich in unmittelbarerNähe von d’Artagnan vor dessen Pferd aufzupflanzen. Seineruhige Haltung und seine spöttische Miene verdoppelten dieHeiterkeit der beiden anderen, die am Fenster zurückgeblie-ben waren. Als d’Artagnan ihn herankommen sah, zog er denDegen ein Stück aus der Scheide. »Dieses Pferd ist oder vielmehr war in seiner Jugend be-stimmt ein Goldfuchs«, setzte der Unbekannte die begon-nene Musterung fort und schien dabei die Erbitterung d’Ar-tagnans, wiewohl der genau zwischen ihm und seinen beidenZuhörern stand, nicht im mindesten zu bemerken. »Seine jet-zige Farbe ist zwar in der Botanik sehr verbreitet, doch beiPferden, jedenfalls bis heute, sehr selten.« »Über das Pferd lacht nur, wer über den Reiter nicht zu la-chen wagt!« rief wütend der Nacheiferer de Trevilles. »Ich lache nicht oft, wie Ihr wohl an meinem Gesicht se-hen könnt«, erwiderte gelassen der Unbekannte, »aber ichwerde mir jederzeit das Recht herausnehmen, zu lachen,wann es mir paßt!« »Und ich«, brüllte d’Artagnan, »ich will nicht, daß manlacht, wenn es mir nicht paßt!« »Wirklich?« fuhr der Unbekannte noch gelassener fort.»Nun, das ist durchaus verständlich.« Damit machte er aufdem Absatz kehrt und schickte sich an, durch den großenTorbogen, unter dem d’Artagnan gleich bei seiner Ankunftein gesatteltes Reittier bemerkt hatte, in den Gasthof zurück-zukehren. Aber unser junger Gascogner war nicht gesonnen, jemand,der sich erdreistet hatte, ihn zu verhöhnen, einfach seinesWeges ziehen zu lassen. Er riß den Degen ganz aus derScheide und schrie, während er dem Fremden nachsetzte: »Halt, kehrtgemacht, Herr Witzbold, damit Euch meinDegen nicht von hinten trifft!« »Euer Degen – mich?« fragte der andere und wandte sich 11

um, wobei er den jungen Mann ebenso erstaunt wie verächtlichmusterte. »Aber geht. Ihr seid ja nicht gescheit!« Und halblaut,wie im Selbstgespräch, setzte er hinzu: »Wie ärgerlich! Was fürein Fund wäre das für Seine Majestät, die überall nach Tapfe-ren sucht, um die Reihen Ihrer Musketiere aufzufüllen.« Kaum hatte er den Satz vollendet, als d’Artagnan einen soerbitterten Degenstoß nach ihm führte, daß er, wäre er nichtrasch zurückgesprungen, vermutlich zum letztenmal ge-spottet hätte. Der Unbekannte merkte nun, daß er es nichtmehr mit einem Spaß zu tun hatte, zog den Degen, grüßteseinen Gegner und nahm würdevoll die Ausgangsstellungein. Im selben Augenblick fielen seine beiden Zuhörer undder Wirt mit Stöcken, Schaufeln und Feuerzangen über d’Ar-tagnan her. Hierdurch wurde d’Artagnans Angriff so schnellund so gründlich abgelenkt, daß der Unbekannte – währendder junge Mann sich umdrehte, um dem Hagel von Schlägenzu begegnen – den Degen ebenso gelassen wieder in dieScheide stecken und aus der Rolle eines Kämpfers, die ihmentgangen war, wieder in die eines Zuschauers zurückfallenkonnte, in welche Rolle er sich auch mit gewohntem Gleich-mut fand. Allerdings murmelte er: »Die Pest über diese Gascogner! Setzt ihn auf seinen Apfel-sinengaul und laßt ihn ziehen!« »Nicht, bevor ich dich erledigt habe, Feigling!« protestierted’Artagnan, während er sich, so gut es ging und ohne einenSchritt zu weichen, seiner drei Angreifer erwehrte. »Noch so eine Gascognade«, murmelte der Edelmann.»Bei meiner Ehre, diese Gascogner sind doch unverbesser-lich! Also weiter im Tanz, da er unbedingt darauf besteht!Wenn er genug hat, wird er es schon sagen.« Aber der Unbekannte wußte noch nicht, mit was für einemDickschädel er es zu tun hatte; d’Artagnan war nicht der Mann,sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben. Einige Sekundennoch währte der Kampf, dann entfiel dem erschöpften Strei-ter der Degen, den ein Stockhieb entzweigebrochen hatte.Gleichzeitig traf ein anderer Schlag seine Stirn und ließ ihnblutüberströmt und halb betäubt zu Boden sinken. In diesemAugenblick eilten von allen Seiten Leute herbei und füllten denSchauplatz. Da der Wirt peinliches Aufsehen befürchtete,12

schleppte er mit Hilfe seiner Leute den Verwundeten in dieKüche, wo man sich seiner ein wenig annahm. Unterdes war der Edelmann wieder an seinen Fensterplatzzurückgekehrt und betrachtete mit einer gewissen Ungedulddie Menge, die sich nicht zerstreute, was ihm lebhaften Ver-druß zu bereiten schien. »Nun, wie geht es dem Tollkopf?« fragte er, als sich ge-räuschvoll die Tür öffnete, und wandte sich nach dem Wirtum, der sich nach seinem Befinden erkundigen wollte. »Sind Euer Gnaden gesund und unverletzt?« »Ja, völlig gesund und unverletzt, guter Wirt. Aber ichfrage, was aus unserm jungen Heißsporn geworden ist.« »Es geht ihm schon besser«, sagte der Wirt, »er ist in Ohn-macht gefallen.« »Tatsächlich?« »Aber bevor er ohnmächtig wurde, hat er noch einmal un-ter Aufbietung aller Kräfte nach Euch gerufen und Euch her-ausgefordert.« »Dieser Bursche ist ja der Teufel in Person!« rief der Un-bekannte. »Ach nein, Euer Gnaden, der Teufel wohl nicht«, entgeg-nete der Wirt und machte ein verächtliches Gesicht. »Währendseiner Ohnmacht haben wir ihn nämlich durchsucht – er hatin seinem Bündel nur ein Hemd und in seiner Börse nur elfTaler. Das hat ihn allerdings nicht gehindert, bevor er in Ohn-macht fiel, zu behaupten, Ihr hättet, wenn das in Paris ge-schehen wäre, auf der Stelle dafür gebüßt, dagegen würdet Ihrjetzt erst später dafür büßen.« »So«, meinte der Unbekannte kalt, »dann ist er wohl so et-was wie ein verkleideter Prinz.« »Ich sage Euch das nur, gnädiger Herr, damit Ihr Euch vor-seht.« »Und in seiner Erregung hat er keinen Namen genannt?« »Aber ja! Er hat an seine Tasche geschlagen und dabei ge-sagt: Wir werden schon sehen, wie Herr de Treville über dieseBeleidigung seines Schützlings denkt!« »Herr de Treville?« versetzte der Unbekannte und wurdemit einemmal aufmerksam. »Und er hat an seine Tasche ge-schlagen, als er den Namen de Treville nannte? Nun, mein 13

lieber Wirt, ich bin sicher, Ihr habt die kleine Ohnmacht desjungen Mannes nicht vorübergehen lassen, ohne auch in dieseTasche einen Blick zu werfen. Und was habt Ihr gefunden?« »Einen Brief an Herrn de Treville, Hauptmann der könig-lichen Musketiere.« »Wahrhaftig?« »Es ist so, wie ich Euch sage, Euer Gnaden.« Der Wirt warkeine große Leuchte, und so entging ihm, was für eine Wir-kung seine Worte auf dem Gesicht des Unbekannten her-vorgerufen hatten. Der trat jetzt von der Fensterbank zurück, auf die er sichdie ganze Zeit mit dem Ellbogen gestützt hatte, und runzeltebeunruhigt die Stirn. »Zum Teufel!« murmelte er zwischenden Zähnen. »Sollte Treville mir diesen Gascogner auf denHals geschickt haben? Er ist zwar noch reichlich jung, aberDegenstich bleibt Degenstich, da spielt das Alter des Gegnerskeine Rolle, und bei einem halben Kind sieht man sich weni-ger vor als bei jedem andern. Manchmal genügt ein kleinesHindernis, einen großen Plan zuschanden zu machen.« DerUnbekannte versank eine ganze Weile in tiefes Nachdenken. »Hört, Wirt!« sagte er endlich. »Könntet Ihr mich nichtvon diesem Hitzkopf befreien? Im Vertrauen, ich darf ihnnicht töten, indessen …«, fügte er kalt und drohend hinzu,»indessen ist er mir unbequem. Wo steckt er denn jetzt?« »Im Zimmer meiner Frau im ersten Stock. Man verbindetihn dort.« »Seine Sachen hat er alle bei sich, nicht wahr? Sein Wamshat er ja nicht ausgezogen.« »Im Gegenteil, und das ganze Zeug liegt in der Küche.Aber wenn er Euch unbequem ist, der junge Hitzkopf …« »Zweifellos. Er hat in Euerm Hause einen Spektakel an-gerichtet, dem sich anständige Leute nicht aussetzen kön-nen. Geht jetzt hinauf und macht meine Rechnung fertig,sagt auch meinem Diener Bescheid!« »Wie, der gnädige Herr will uns schon verlassen?« »Das wißt Ihr doch, da ich Euch Befehl gab, mein Pferd zusatteln. Hat man mir nicht gehorcht?« »Aber ja, und wie Euer Gnaden gewiß gesehen haben, stehtEuer Pferd bereits reisefertig unterm Tor.«14

»Nun wohl, dann tut, was ich Euch gesagt habe!« Was denn, fragte sich der Wirt, hat er am Ende Angst vordiesem Bürschlein? Aber ein gebieterischer Blick des Unbe-kannten unterbrach seine Gedanken. Er grüßte unterwürfigund ging hinaus. Mylady braucht von diesem Kerl nicht gesehen zu werden!überlegte der Fremde. Sie muß jeden Augenblick eintreffen,sie hat sich schon verspätet. Es ist bestimmt besser, wenn ichmich auf mein Pferd setze und ihr entgegenreite … Wenn ichdoch nur erfahren könnte, was in diesem Brief an Trevillesteht! – Und immer noch vor sich hin murmelnd, begab ersich in die Küche. Inzwischen war der Wirt, der nicht zweifelte, daß nur dieAnwesenheit des jungen Mannes den Unbekannten aus sei-nem Gasthof vertrieb, zu seiner Frau hinaufgegangen, wo erd’Artagnan endlich wieder bei Bewußtsein antraf. Er gab ihmzu verstehen, daß die Polizei ihm übel mitspielen könne, weiler mit einem so hohen Herrn Streit angefangen hatte – nachMeinung des Wirtes konnte der Fremde nur ein hoher Herrsein –, und schließlich bestimmte er ihn dazu, trotz seinerSchwäche aufzustehen und seinen Weg fortzusetzen. D’Ar-tagnan erhob sich also, noch halb betäubt und mit verbun-denem Kopf, und begann, vom Wirt gedrängt, die Treppe hin-abzusteigen. Als er in die Küche kam, erblickte er im Hof alserstes seinen Widersacher, der am Tritt einer mit zwei schwe-ren normannischen Pferden bespannten Karosse stand undsich ruhig unterhielt. Die Dame, mit der er sprach und deren Kopf in dem Wagen-fenster wie eingerahmt schien, mochte ungefähr vier- oderauch fünfundzwanzig Jahre alt sein. Wir haben an andererStelle bereits darauf hingewiesen, wie schnell d’Artagnan einGesicht mit allen Einzelheiten in sich aufzunehmen verstand;er erkannte also auf den ersten Blick, daß die Frau jung undschön war. Ihre Schönheit überraschte ihn um so mehr, als siefür den Süden, wo d’Artagnan bisher gelebt hatte, etwas völ-lig Fremdartiges darstellte. Die Dame war blaß und blond, mitlangem, bis auf die Schulter herabfallendem lockigem Haar,großen blaßblauen Augen, rosigen Lippen und schneeweißenHänden. Sie plauderte sehr lebhaft mit dem Unbekannten. 15

»Seine Eminenz befiehlt mir also …«, sagte die Dame. »Unverzüglich nach England zurückzukehren und sofortNachricht zu geben, wenn der Herzog London verläßt.« »Und meine weiteren Instruktionen?« fragte die schöneReisende. »Befinden sich in diesem verschlossenen Kästchen, das Ihrerst auf der anderen Seite des Kanals öffnen sollt.« »Sehr wohl. Und was macht Ihr?« »Ich kehre nach Paris zurück.« »Ohne diesen frechen Burschen zu züchtigen?« fragte dieDame. Der Unbekannte wollte etwas entgegnen, aber gerade, alser den Mund öffnete, stürzte d’Artagnan, der alles gehörthatte, aus dem Haus. »Im Gegenteil!« rief er. »Dieser freche Bursche wird Euchzüchtigen, und er hofft sehr, daß Ihr ihm diesmal nicht ent-wischt wie das erstemal!« »Ihm nicht entwischt?« wiederholte stirnrunzelnd der Un-bekannte. »Nun, wenn eine Dame dabei ist, werdet Ihr doch nichtzu fliehen wagen, nehme ich an.« »Bedenkt«, rief Mylady, als sie den Edelmann nach seinemDegen greifen sah, »daß der geringste Aufschub alles ge-fährden kann!« »Ihr habt recht«, versetzte der Angesprochene. »Fahrt alsoweiter, ich reite gleichfalls los!« Während er grüßend den Kopf neigte und sich dann miteinem Satz in den Sattel schwang, trieb der Kutscher der Ka-rosse seine Pferde mit wilden Peitschenschlägen an. Im Galoppentfernten sich so die beiden Fremden in entgegengesetzterRichtung. »He, Eure Rechnung!« kreischte der Wirt, dessen Ergeben-heit für den Unbekannten sich in tiefe Verachtung verwan-delte, als er sah, daß sich sein Gast wie ein Zechpreller davon-machte. »Zahle, Kerl!« rief der Fremde seinem Diener zu, der demWirt ein paar Münzen vor die Füße warf und dann seinemHerrn nachjagte. »Feigling! Elender Schurke! Falscher Edelmann!« schrie16

d’Artagnan und versuchte, seinem Gegner nachzusetzen.Aber der Verwundete war noch zu schwach, eine solche Er-schütterung auszuhalten. Er hatte noch keine zehn Schrittegemacht, da dröhnten ihm die Ohren, ein Schwindel erfaßteihn, es wurde ihm schwarz vor den Augen, und er brach mit-ten auf der Straße zusammen, noch im Sturze schreiend:»Feigling! Feigling! Feigling!« »Er ist wirklich sehr feige«, flüsterte der Wirt, der sich überden jungen Mann beugte und sich durch diese Schmeicheleimit dem armen Jungen wieder gut zu stellen hoffte. »Ja, sehr feige«, murmelte d’Artagnan. »Aber sie ist sehrschön.« »Wer?« »Mylady«, stammelte d’Artagnan und wurde abermalsohnmächtig. Macht nichts – dachte der Wirt –, ich verliere zwar die bei-den, aber mir bleibt ja der hier, den ich bestimmt ein paarTage dabehalten kann, und da verdiene ich auf jeden Fallmeine elf Taler. Man erinnert sich, daß sich die Summe in d’ArtagnansBörse noch genau auf elf Taler belief. Der Wirt hatte mit elf Tagen Krankheit, den Tag zu einemTaler, gerechnet; aber er hatte die Rechnung ohne seinen Gastgemacht. Am andern Morgen stand d’Artagnan schon frühum fünf auf, ging selber hinunter in die Küche und verlangteaußer einigen anderen, uns leider nicht übermittelten Ingre-dienzen Wein, Öl und Rosmarin. Daraus braute er, immerdas Rezept seiner Mutter in der Hand, eine Salbe, rieb damitseine zahlreichen Wunden ein, erneuerte eigenhändig die Ver-bände und wollte von keinem Arzt etwas wissen. Sicherlichverdankte es d’Artagnan der Wirksamkeit dieser Zigeuner-salbe, vielleicht aber auch der gänzlichen Abwesenheit einesArztes, daß er noch am selben Abend wieder auf den Beinenund am Tage darauf fast völlig geheilt war. Aber als er nun Rosmarin, Öl, Wein und die anderen Be-standteile der Salbe bezahlen wollte, die einzige Ausgabe desjungen Mannes, der in der ganzen Zeit nichts verzehrt hatte,während sein Pferd, zumindest nach den Reden des Wirts, drei-mal soviel gefressen hatte, wie man ihm billigerweise zutrauen 17

konnte, fand er in seiner Tasche wohl die kleine abgegriffeneSamtbörse mit den elf Talern, nicht aber den Brief an Herrn deTreville. Zunächst suchte er noch in aller Ruhe nach diesemSchreiben; er drehte wohl zwanzigmal seine Taschen um undum, packte seinen Mantelsack aus und wieder ein, klappte dieGeldbörse auf und zu; als er jedoch zu der Überzeugunggelangt war, daß der Brief unauffindbar blieb, bekam er einenneuerlichen Wutanfall, der ihm um ein Haar eine weitere Ge-legenheit verschafft hätte, seine Salbe anzuwenden, denn an-gesichts des jungen Heißsporns, der da schon wieder lostobteund alles kurz und klein zu schlagen drohte, hatte sich der Wirtmit einem Spieß, seine Frau mit einem Besenstiel und jeder sei-ner Knechte mit einem der Stöcke bewaffnet, die schon vorzwei Tagen so treffliche Dienste geleistet hatten. »Mein Empfehlungsbrief!« rief d’Artagnan. »Mein Emp-fehlungsbrief; Himmelherrgott, schafft ihn her, oder ichspieße euch alle wie Brathühner auf!« Unglücklicherweise hinderte ein gewisser Umstand denjungen Mann daran, seine Drohung wahr zu machen, undzwar war sein Degen, wie wir bereits berichteten, beim er-sten Kampf entzweigegangen, was er völlig vergessen hatte.So kam es, daß d’Artagnan, als er nun allen Ernstes blank-ziehen wollte, lediglich den abgebrochenen Degenstumpf inder Hand hielt, den der Wirt säuberlich wieder in die Scheidegesteckt hatte. Das andere Ende der Klinge hatte er vor-sorglich beiseite geschafft, um sich eine Spicknadel daraus zumachen. Indessen hätte diese Enttäuschung unseren jungen Wüte-rich kaum zurückgehalten, wenn sich der Wirt nicht inzwi-schen überlegt hätte, daß diese Forderung seines Gastes be-rechtigt war. So ließ er den Spieß sinken und fragte: »Wo steckt nun aber der Brief eigentlich?« »Ja, wo ist der Brief?« schrie d’Artagnan. »Ich sage Euchgleich, dieser Brief ist an Herrn de Treville gerichtet, und ermuß unbedingt gefunden werden; andernfalls wird Herr deTreville schon dafür sorgen, daß er sich wiederfindet!« Diese Drohung schüchterte den Wirt vollends ein. Nachdem König und dem Kardinal war de Treville der Mann, des-sen Name im Munde der Soldaten, ja selbst der Bürger wohl18

am häufigsten wiederkehrte. Es gab zwar noch den Pater Jo-sef, aber dieser Name wurde nur geflüstert, so groß war dieFurcht vor der grauen Eminenz, wie man den Vertrauten desKardinals nannte. So warf denn der Wirt seinen Spieß weg,befahl seiner Frau und den Knechten, mit Besenstiel undStöcken ebenso zu verfahren, und ging endlich den anderenmit gutem Beispiel voran, indem er sich anschickte, nach demverlorenen Brief zu suchen. »Enthielt denn dieses Schreiben etwas Wertvolles?« fragteder Wirt nach einer Weile erfolglosen Bemühens. »Und ob!« versetzte der Gascogner, der mit dem Brief sei-nen Weg bei Hofe zu machen hoffte. »Er enthielt mein ganzesVermögen.« »Spanische Schatzbons?« fragte beunruhigt der Wirt. »Bons auf die Privatschatulle Seiner Majestät«, erwiderted’Artagnan, der in dieser etwas gewagten Antwort keine Lügesehen konnte, da er ja sicher war, dank seinem Empfehlungs-schreiben in die Dienste des Königs zu treten. »Verdammt!« fluchte der Wirt, völlig verzweifelt. »Aber auf die kommt es mir nicht an«, fuhr d’Artagnanmit der Großspurigkeit des echten Gascogners fort. »Andem Geld liegt mir nichts, wichtig war nur der Brief. Lieberwollte ich tausend Dukaten verlieren!« Er hätte ebensogut zwanzigtausend sagen können, docheine gewisse jugendliche Scheu hielt ihn zurück. Plötzlichkam dem Wirt, der schon ganz verstört war, daß er nichtsfand, eine Erleuchtung. »Der Brief ist gar nicht verloren!« rief er. »So?« fragte d’Artagnan. »Nein, man hat ihn Euch weggenommen.« »Weggenommen? Ja, aber wer denn?« »Der Edelmann von gestern. Er war in der Küche, wo EuerWams lag. Ganz allein war er da. Ich möchte wetten, er hatden Brief gestohlen.« »Meint Ihr?« entgegnete d’Artagnan wenig überzeugt, denner kannte am besten die rein persönliche Bedeutung des Brie-fes und begriff nicht, was daran für einen anderen von Wertsein sollte. Tatsächlich hätte weder einer der Diener noch einerder anwesenden Gäste mit dem Schreiben etwas anfangen 19

können. »Ihr wollt also sagen«, fuhr d’Artagnan fort, »daßIhr diesen unverschämten Herrn im Verdacht habt?« »Ich bin ganz sicher, daß er es war«, erklärte der Wirt. »Alsich ihm sagte, daß Euer Gnaden ein Schützling des Herrn deTreville sind und sogar einen Brief an diesen bedeutendenMann bei sich haben, wurde er auf einmal sehr unruhig. Er hatmich gefragt, wo denn der Brief wäre, und dann ist er gleichin die Küche gegangen, wo, wie er wußte, Euer Wams lag.« »Dann ist er auch der Dieb«, sagte d’Artagnan. »Ich werdemich bei Herrn de Treville beschweren, und Herr de Trevillewird sich seinerseits beim König beklagen.« Damit zog er großartig zwei Taler aus der Tasche, gab siedem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis ans Tor ge-leitete, und bestieg sein gelbes Roß, das ihn ohne weitereZwischenfälle bis an die Porte Saint-Antoine von Paris trug,wo er es für drei Taler verkaufte, was ein sehr guter Preis war,denn d’Artagnan hatte es auf der letzten Wegstrecke reich-lich strapaziert. Der Pferdehändler, dem er seinen Klepperfür die besagten drei Taler überließ, verhehlte denn auch demjungen Mann nicht, daß ihn nur die ungewöhnliche Farbe desTieres zu diesem enormen Preis bewogen habe. Zu Fuß also hielt d’Artagnan seinen Einzug in Paris. Er trugden kleinen Mantelsack unterm Arm und wanderte so langeumher, bis er endlich ein Zimmer fand, das der Dürftigkeit sei-ner Mittel entsprach. Es war eine Art Mansarde in der Rue desFossoyeurs, nicht weit vom Luxembourg-Garten. Nachdemer die Miete im voraus entrichtet hatte, nahm er von seinerneuen Wohnung Besitz und verbrachte den Rest des Tages da-mit, sein Wams und seine Hosen mit Borten zu benähen, dieseine Mutter von einem fast neuen Rock des Vaters abgetrenntund ihm heimlich zugesteckt hatte. Dann ging er auf den Quaide la Ferraille, wo er sich eine neue Klinge an seinen Degenschmieden ließ, und begab sich anschließend zum Louvre, woer den ersten Musketier, der ihm begegnete, nach dem Hausdes Herrn de Treville fragte. Er erfuhr, daß es in der Rue duVieux-Colombier lag, also in unmittelbarer Nachbarschaft desHauses, in dem er sich ein Zimmer gemietet hatte, ein Um-stand, der ihm ein glückliches Vorzeichen für den Erfolg sei-ner Reise zu sein schien.20

Durchaus zufrieden mit der Art, wie er sich in Meung auf-geführt hatte, ohne Gewissensbisse über die Vergangenheit,voller Vertrauen in die Gegenwart und voller Hoffnungenauf die Zukunft, legte er sich endlich nieder und schlief denSchlaf des Gerechten. Dieser noch durchaus provinzlerischeSchlaf dauerte bis neun Uhr morgens, zu welcher Stunde ersich erhob, um bei dem berühmten Herrn de Treville vorzu-sprechen, der, wenigstens nach Meinung seines Vaters, derdritte Mann im Königreich war. Das Vorzimmer des Herrn de TrevilleHerr de Troisville, wie seine Familie noch in der Gascogne hieß,oder Herr de Treville, wie er selbst sich in Paris nannte, hattebuchstäblich genauso angefangen wie d’Artagnan, das heißtohne einen roten Heller, doch mit jenem Schatz an Kühnheit,Witz und Verstand, durch den der ärmste gascognische Kraut-junker in seinen Hoffnungen oft mehr vom väterlichen Erbemitbekommt, als der reichste Edelmann des Perigord odereiner anderen Provinz tatsächlich erbt. Sein unverschämtesDraufgängertum und sein noch unverschämteres Glück hattenihn zu einer Zeit, da es Schläge wie Hagelkörner regnete, zurhöchsten Spitze der steilen Leiter emporgetragen, die manHofgunst nennt und von deren Sprossen er immer vier auf ein-mal erklommen hatte. Er war der Freund des Königs, der bekanntlich das An-denken seines Vaters, Heinrichs IV., in hohen Ehren hielt.Trevilles Vater hatte diesem König in seinen Kriegen gegendie Liga so treu gedient, daß ihm Heinrich IV. nach der Über-gabe von Paris in Ermangelung von Geld – woran es dem Be-arner zeitlebens gebrach, so daß er seine Schulden stets mitdem einzigen bezahlte, was er nicht zu borgen brauchte: mitGeist und Witz –, daß er ihm also in Ermangelung von Gelddie Erlaubnis erteilte, als Wappen einen goldenen Löwen imroten Feld mit der Devise »Fidelis et fortis« zu führen. Daswar zwar sehr ehrenvoll, aber wenig einträglich. Als daherder berühmte Waffengefährte des großen Heinrich starb, 21

hinterließ er seinem Sohn nur Degen und Wappenspruch.Dieser Erbschaft indessen und seinem makellosen Namenverdankte es der Sohn, daß er in das Haus des jungen Prin-zen aufgenommen wurde, wo er von seinem Degen so gutenGebrauch machte und seinem Wahlspruch so treu blieb, daßLudwig XIII., selbst einer der trefflichsten Fechter im König-reich, bei mehr als einer Gelegenheit erklärte: er würde einemFreund, der sich zu schlagen hätte, als Sekundanten zuerstsich selbst und dann Treville, vielleicht aber auch diesen an er-ster Stelle empfehlen. So empfand Ludwig XIII. eine wirkliche Anhänglichkeit fürTreville, eine königliche, eine selbstsüchtige Anhänglichkeitzwar, aber eben doch eine Anhänglichkeit. In jenen unglück-lichen Zeiten war man nämlich sehr bemüht, sich mit Män-nern vom Schlage Trevilles zu umgeben. Wohl gab es viele, dieden zweiten Teil des Wappenspruchs auf sich beziehen undsich »stark« nennen konnten, aber nur wenige konnten mitdem ersten Teil von sich sagen, daß sie auch »treu« wären. Zuihnen gehörte Treville; er war einer jener seltenen Menschen,die den gehorsamen Verstand eines Hundes mit blindem Mut,scharfem Auge und rasch zupackender Hand vereinen, unddas Auge schien ihm nur gegeben, um darüber zu wachen, obder König mit jemand unzufrieden wäre, die Hand nur, umdiesen Mißliebigen niederzuschlagen. Bisher hatte es ihmlediglich an einer günstigen Gelegenheit gefehlt, aber er warauf der Hut und fest entschlossen, die Gelegenheit beimSchopfe zu fassen, so sie sich jemals in greifbarer Nähe zeigte.Schließlich machte Ludwig XIII. Treville zum Hauptmann sei-ner Musketiere, die der König wegen ihrer Ergebenheit oderrichtiger wegen ihres fanatischen Draufgängertums ebensoschätzte wie Heinrich III. seine Leibwache und Ludwig IX.seine schottische Garde. Der Kardinal seinerseits blieb in dieser Beziehung keines-wegs hinter dem König zurück. Als er sah, mit welch furcht-erregender Garde sich Ludwig XIII. umgab, hatte auch er,Frankreichs zweiter und im Grunde eigentlicher König, eineeigene Schutztruppe haben wollen. So besaß denn nun jederseine Musketiere, und man sah, wie die beiden rivalisierendenMächte in allen Provinzen des Landes, ja selbst in den be-22

nachbarten Staaten die berühmtesten Kampfhähne umwar-ben, um sie für ihre Dienste zu gewinnen. Bei ihrer allabend-lichen Schachpartie stritten Richelieu und Ludwig XIII. oftüber die Verdienste ihrer Leute. Jeder rühmte den Mut unddie Haltung der Seinen, und während sie sich laut gegen alleZweikämpfe und Schlägereien aussprachen, stachelten sieinsgeheim ihre Mannen dazu auf und empfanden ehrlicheTrauer über jede Niederlage und maßlose Freude über jedenSieg der Ihren. Treville hatte sehr früh die schwache Seite seines Herrn er-kannt, und diesem Umstand verdankte er die lange und be-ständige Gunst eines Königs, dem nicht gerade nachgesagtwerden kann, daß er seinen Freunden sonderlich treu gewe-sen wäre. Er ließ seine Musketiere in so aufreizender Weisevor dem Kardinal paradieren, daß sich die grauen Schnurr-barthaare Seiner Eminenz vor Zorn sträubten. Treville ver-stand sich ausgezeichnet auf die Kriegführung jener Zeit, inder man, sofern gerade kein Feind verfügbar war, auf Kostender eigenen Landsleute lebte. Seine Soldaten bildeten eine Le-gion wahrer Teufel, die niemand gehorchten außer ihm. Innachlässigem Aufzug, meist bezecht und tüchtig zer-schrammt, trieben sich die Musketiere des Königs oder rich-tiger des Herrn de Treville in den Schenken, auf den Prome-naden und in den Spielhäusern herum, grölten und zwirbeltenihre Schnurrbärte, ließen ihre Degen klirren und rempeltenmit Vorliebe die Garden des Kardinals an, wo immer sie ihnenbegegneten. Unter scherzhaften Reden zogen sie auf offenerStraße vom Leder. Wenn manchmal einer getötet wurde,konnte er sicher sein, daß man ihn betrauern und rächenwürde; und wenn sie, was häufiger geschah, selber einen vonden anderen töteten, konnten sie sicher sein, daß Herr de Tre-ville sie davor bewahrte, im Gefängnis zu verschimmeln. DieseMänner vergötterten ihren Hauptmann und sangen sein Lobin allen Tonarten; so rauhbeinig sie auch sonst waren, vor Tre-ville zitterten sie wie Schulbuben vor ihrem Lehrer, ihm ge-horchten sie aufs Wort, bereit, den leisesten Tadel mit ihremBlut abzuwaschen. Herr de Treville bediente sich dieses Werkzeugs in ersterLinie für den König und dessen Freunde, im weiteren aber 23

auch für sich selbst und seine Freunde. Übrigens findet sichin den Memoiren jener Zeit, die uns doch so viele Memoirenhinterlassen hat, nirgends ein Wort, nicht einmal von seinenFeinden – und deren hatte er nicht wenige unter den Heldender Feder und des Degens –, das diesen wackeren Edelmannbezichtigte, er hätte sich die Dienste seiner Leute bezahlenlassen. Bei allem glänzenden diplomatischen Geschick, das ihnden gerissensten Intriganten ebenbürtig machte, blieb er eineehrliche Haut. Ja, trotz der langen Stoßdegen, von denenman steife Lenden bekommt, und ungeachtet der anstren-genden militärischen Übungen, war er einer der galantestenBummler, einer der elegantesten Weiberhelden und einer dergewandtesten Schönredner seiner Zeit; man sprach von Tre-villes Erfolgen bei Frauen wie zwanzig Jahre zuvor von de-nen Bassompierres, und das wollte etwas heißen. Kurz, derHauptmann der Musketiere wurde bewundert, gefürchtetund geliebt, was bekanntlich das höchste Glück des Men-schen ausmacht. Wenn Ludwig XIV. ein halbes Jahrhundert später alle klei-nen Sterne seines Hofes mit seinem Glanz verdunkeln sollte,billigte sein Vater noch jedem Günstling Eigenwert und per-sönliche Ausstrahlung zu. Außer den Levers beim König undbeim Kardinal gab es damals in Paris mehr als zweihundertkleinere, wenn auch oft etwas gesuchte Levers. Eines der be-liebtesten war das bei Herrn de Treville. Der Hof seines in der Rue du Vieux-Colombier gelegenenHauses glich einem Heerlager, und das im Sommer von mor-gens sechs, im Winter von morgens acht Uhr an. In voller Rü-stung und zu allem bereit, stolzierten hier ständig fünfzig bissechzig Musketiere auf und ab, die sich offenbar immer wiederabwechselten, um stets eine eindrucksvolle Menge abzugeben.Auf einer der geräumigen Treppen, die so viel Platz einnahmenwie heutzutage ein ganzes Haus, drängten sich Bittsteller ausParis, die irgendeiner Gunst nachjagten, Edelleute aus der Pro-vinz, die in die Garde aufgenommen werden wollten, sowie La-kaien in allen möglichen Livreen, die Botschaften ihrer Herrenüberbrachten. Im Vorzimmer saßen auf langen Rundbänkendie Auserwählten, die zur Audienz bestellt waren. Während24

diesen Raum von früh bis spät ein dumpfes Stimmengewirrerfüllte, empfing Herr de Treville im anstoßenden Arbeits-zimmer seine Besucher, hörte sich ihre Klagen an, erteilte Be-fehle und brauchte nur ans Fenster zu treten, um wie der Königvom Balkon des Louvre herab seine Truppe vorüberdefilierenzu sehen. An dem Tag, da d’Artagnan sich hier einfand, war das Bildder Menge sehr eindrucksvoll, besonders für einen jungenMann aus der Provinz, wenn auch die Gascogner zu jenerZeit in dem Ruf standen, sich nicht so leicht einschüchternzu lassen. Wer nämlich den Hof betrat, geriet sogleich in ein dichtesGewühl lärmender Kriegsleute, die einander Scherzworteund Sticheleien zuriefen. Um sich hier einen Weg zu bahnen,mußte man schon Offizier, Edelmann oder eine hübscheFrau sein. Durch dieses Gewoge schritt also klopfenden Herzens un-ser junger Freund. Er preßte sein langes Rapier gegen dieschmächtigen Beine und hielt mit dem etwas verlegenenLächeln des Provinzlers, der Haltung bewahren will, dieKrempe seines Hutes fest. Sobald er an einer Gruppe vorüberwar, atmete er auf, aber er merkte wohl, daß man sich nachihm umdrehte, und d’Artagnan, der bisher eine ganz guteMeinung von sich hatte, kam sich zum erstenmal in seinemLeben lächerlich vor. Als er bei der Treppe anlangte, wurde es noch schlimmer.Etwa zehn bis zwölf Musketiere umlagerten die untersten Stu-fen, auf denen vier ihrer Kameraden sich damit vergnügten,daß der eine von einer höheren Stufe aus mit dem blanken De-gen den anderen drei den Aufgang verwehrte oder doch zuwehren suchte. Alle vier fochten sehr gewandt. D’Artagnanglaubte zuerst, es handle sich um stumpfe Übungsklingen,aber einige leichtere Verwundungen verrieten ihm bald, daßdie Waffen im Gegenteil aufs beste geschliffen und zugespitztwaren. Bei jedem Treffer brachen übrigens nicht nur die Zu-schauer, sondern auch die Kämpfer in wieherndes Gelächteraus. Der Mann, der eben jetzt oben stand, hielt seine Gegnerglänzend in Schach. Bedingung war, daß jeder Getroffene 25

ausschied und seinen Einsatz an den besseren Fechter ver-lor. Binnen fünf Minuten hatte der Verteidiger der Treppe,ohne auch nur geritzt zu werden, alle drei Angreifer ver-wundet, den einen am Handgelenk, den anderen am Kinn,den dritten am Ohr, so daß ihm seine Geschicklichkeit einendreifachen Gewinn eintrug. So ungern sich auch unser junger Freund in Erstaunen set-zen ließ, dieser Zeitvertreib ergötzte ihn. Er hatte in seinerHeimat, wo sich die Köpfe so leicht erhitzen, schon manchenZweikampf gesehen, aber was diese vier Musketiere aufführ-ten, schien ihm denn doch toller als alles, was ihm bisher zuOhren gekommen war. Er glaubte sich in das berühmte Landder Riesen versetzt, das dem armen schiffbrüchigen Gulliversolchen Schrecken einjagte, und dabei war er keineswegs amZiel; vorher galt es noch, den Treppenabsatz und das Vorzim-mer zu meistern. Auf dem Treppenabsatz focht man nicht, hier erzählte mansich Weibergeschichten, während im Vorzimmer der neuesteHofklatsch die Runde machte. Auf dem Treppenabsatz wurded’Artagnan rot, im Vorzimmer blaß. Seine wache und lebhaftePhantasie, die in der Gascogne wohl den jungen Kammer-zofen und manchmal einer jungen Herrin gefährlich werdenkonnte, hatte ihm niemals, nicht einmal im höchsten Rausch,auch nur die Hälfte der erstaunlichen Liebesabenteuer undnur ein Viertel der galanten Ruhmestaten vorgegaukelt, diehier durch die Aufzählung klangvollster Namen und kaumverhüllter Einzelheiten noch großartiger wirkten. Aber wennauf dem Treppenabsatz sein moralisches Empfinden beleidigtwurde, so fand sich im Vorzimmer seine Achtung für denKardinal herausgefordert. Zu seiner größten Verwunderunghörte d’Artagnan, wie hier nicht nur die Politik des Kardi-nals, vor der ganz Europa zitterte, sondern auch sein Privat-leben, für dessen Verunglimpfung viele hochgestellte Herrenbestraft worden waren, laut kritisiert wurde. Der große Mann,den d’Artagnans Vater so sehr verehrte, diente den Muske-tieren des Herrn de Treville als Zielscheibe ihres Witzes, undsie machten sich über seine krummen Beine und seinenBuckel lustig. Einige sangen Spottlieder auf seine Geliebte,Madame d’Aiguillon, und auf seine Nichte, Madame Com-26

balet, während andere gegen die Pagen und Gardisten desKardinals Ränke schmiedeten – lauter Dinge, die d’Artagnanfür schauerliche Unmöglichkeiten hielt. Sobald jedoch in derUnterhaltung unversehens der Name des Königs fiel, schienein Knebel all diese spottsüchtigen Mäuler für einen Augen-blick zu verstopfen. Man schaute sich unsicher um, als traueman nicht recht der Verschwiegenheit der dünnen Scheide-wand zu Trevilles Arbeitszimmer; doch bald brachte eine An-spielung das Gespräch wieder auf Seine Eminenz zurück, undman lachte womöglich noch ausgelassener; es blieb kein Win-kel im Privatleben des Kardinals, der nicht voll ausgeleuchtetwurde. Diese Leute werden bestimmt alle in die Bastille geworfenund aufgehängt! dachte d’Artagnan mit Schrecken. Und mirwird es ohne Zweifel nicht anders ergehen, denn ich habe allesmit angehört, bin also mitschuldig. Was würde mein Vater sa-gen, der mir die Achtung vor dem Kardinal so ans Herz gelegthat, wenn er mich in der Gesellschaft dieser gottlosen Spöttersähe? Wie sich denken läßt, wagte d’Artagnan nicht, sich an derUnterhaltung zu beteiligen; aber er riß die Augen auf, spitztedie Ohren und spannte alle fünf Sinne an, damit ihm nichtsentging. Wenn er auch fest auf die väterlichen Ratschläge ver-traute, war er ganz gefühlsmäßig doch weit eher geneigt, dieunerhörten Dinge, die sich vor ihm abspielten, zu loben alszu tadeln. Unterdessen war man auf den jungen Mann, den keinerder Höflinge kannte und den man hier zum erstenmal sah,aufmerksam geworden und fragte ihn, was er wünsche. D’Ar-tagnan nannte bescheiden seinen Namen, berief sich auf seineLandsmannschaft und bat den Kammerdiener, der sich mitdieser Frage an ihn gewandt hatte, Herrn de Treville um einekurze Audienz für ihn zu bitten, was der Diener auch gön-nerhaft versprach. D’Artagnan hatte sich inzwischen von sei-ner ersten Verblüffung etwas erholt und konnte nun in Mußedie Gesichter und Trachten ein wenig studieren. Den Mittelpunkt der sich am lebhaftesten gebärdendenGruppe bildete ein hochgewachsener, würdevoll dreinschauen-der Musketier, der durch seine wunderliche Kleidung alle Blicke 27

auf sich zog. Er trug im Augenblick nicht den Uniformrock,der übrigens in dieser Zeit geringerer Freiheit, aber größererUnabhängigkeit auch nicht obligatorisch war, sondern einenschon etwas verschossenen, abgenutzten himmelblauen Leib-rock und darüber ein prächtiges Wehrgehänge, dessen Gold-stickereien wie ein sonnenbeschienener Wasserspiegel glitzer-ten und gleißten. Ein langer karmesinroter Samtmantel fiel ihmanmutig von den Schultern und ließ vorn nur das funkelndeWehrgehänge sehen, an dem ein gigantischer Stoßdegen be-festigt war. Dieser Musketier kam gerade vom Wachdienst; erklagte, daß er sich erkältet habe, und hustete von Zeit zu Zeitaffektiert. Nur deshalb hatte er, wie er den Umstehenden er-klärte, den Mantel angelegt. Während er dies ganz von obenherab sagte und dabei verächtlich seinen Schnurrbart zwirbelte,bewunderten die anderen, allen voran d’Artagnan, entzückt dasglänzende Wehrgehänge. »Was wollt ihr?« sagte der Musketier. »Das ist jetzt Mode.Ziemlich verrückt, ich weiß, aber die Mode will es so. Unddann muß man ja auch das Geld, das man geerbt hat, irgend-wie ausgeben!« »Aber Porthos«, rief einer, »du willst uns doch nicht weis-machen, daß du dieses Wehrgehänge der Großzügigkeit dei-nes Vaters verdankst! Es war doch wohl eher die verschleierteDame, mit der ich dich letzten Sonntag an der Porte Saint-Honore gesehen habe.« »Nein, bei meiner Ehre und bei meinem Wort als Edel-mann, ich habe es selbst und von meinem eigenen Geld ge-kauft!« entgegnete der mit Porthos Angesprochene. »Ja«, sagte ein anderer Musketier, »so wie ich diese neueBörse gekauft habe – mit dem Geld, das mir meine Geliebtein die alte gesteckt hat.« »Es ist aber so«, beteuerte Porthos, »und der Beweis ist,daß ich hundert Taler dafür bezahlt habe.« Die Bewunderung stieg, aber der Zweifel wollte nicht wei-chen. »Nicht wahr, Aramis?« fragte Porthos und wandte sich aneinen anderen Musketier, dessen Erscheinung einen voll-kommenen Gegensatz zu der des Fragenden bildete. Es war ein junger Mann von höchstens dreiundzwanzig28

Jahren, mit kindlichem Gesicht, schwarzen, sanft blickendenAugen und einer Haut, so rosig und samtweich wie ein Pfir-sich im Herbst; der feine Schnurrbart zeichnete über derOberlippe einen schnurgeraden Strich; die Hände schienenein Herabhängen zu meiden, als fürchteten sie, die Adernkönnten anschwellen, und von Zeit zu Zeit kniff er sich in dieOhrläppchen, damit sie stets in einem zartrosa Ton schim-merten. Er sprach meist nur wenig und sehr langsam, grüßteoft, lachte lautlos und zeigte dabei schöne, regelmäßigeZähne, auf deren Pflege er, wie auf seine ganze Erscheinung,die größte Sorgfalt zu verwenden schien. Auf den Zuruf sei-nes Freundes antwortete er mit einem kurzen Kopfnicken. Diese Bestätigung schien alle Zweifel hinsichtlich desWehrgehänges zu bannen. Man bewunderte es wohl noch,aber man sprach nicht mehr davon, und die Unterhaltungwandte sich einem anderen Gegenstand zu. »Was haltet ihr übrigens von der Geschichte, die Chalais’Stallmeister erzählt?« fragte ein anderer Musketier, ohne sichan jemand Bestimmtes zu wenden. »Was erzählt er denn?« fragte Porthos in selbstgefälligemTon. »Er will Rochefort, den verschworenen Handlanger desKardinals, als Kapuziner verkleidet, in Brüssel gesehen haben.Dank seiner Verkleidung hat dieser verdammte Rochefortden Herrn de Laigues wie einen dummen Jungen, der er auchist, überlistet.« »Wie einen dummen Jungen, ja«, sagte Porthos. »Aber istdas Ganze auch sicher?« »Ich hab es von Aramis«, antwortete der Musketier. »Wirklich?« »Aber das wißt Ihr doch, Porthos«, warf Aramis ein, »ichhabe es Euch ja gestern erzählt. Reden wir nicht mehr davon!« »Nicht mehr davon reden!« rief Porthos. »Ja, so seid Ihr:nicht mehr davon reden! Beim Henker, Ihr werdet rasch fer-tig mit so etwas! Wie denn, der Kardinal läßt einen Edelmannbespitzeln, läßt ihm durch einen Verräter, einen Räuber undErzgauner, die Briefschaften stehlen und bringt ihn schließ-lich mit Hilfe dieses Spions und dieser Briefe an den Galgen,unter dem lächerlichen Vorwand, der Ärmste hätte den König 29

umbringen und die Königin mit Monsieur verheiraten wol-len! Niemand wußte auch nur ein Sterbenswort von dieser ge-heimnisvollen Geschichte, Ihr selbst habt sie uns erst gesternzu unser aller Genugtuung erzählt, und während wir über alldas noch ganz sprachlos sind, kommt Ihr heute und sagt: Re-den wir nicht mehr davon!« »Nun gut, da Ihr es wünscht, reden wir weiter davon!« er-widerte Aramis geduldig. »Wenn ich der Stallmeister des armen Chalais wäre«, riefPorthos aus, »dann könnte sich dieser Rochefort auf einenschlimmen Augenblick gefaßt machen!« »Und Ihr auf eine unangenehme Viertelstunde mit demRoten Herzog«, versetzte Aramis. »Der Rote Herzog! Ha, das ist gut!« Porthos klatschte in dieHände und nickte beifällig. »Der Rote Herzog, bravo, das istglänzend! Ich werde das Wort unter die Leute bringen, meinBester, da seid ganz unbesorgt! Ein witziger Kopf, unser Ara-mis. Schade nur, daß Ihr nicht Eurer Bestimmung folgenkönnt. Ihr hättet einen wunderbaren Abbé abgegeben!« »Oh, das ist nur aufgeschoben, eines Tages werde ich esschon noch. Ihr wißt ja, Porthos, daß ich zu diesem Zwecknoch immer Theologie studiere.« »Wahrhaftig«, erklärte Porthos, »früher oder später wirdaus ihm noch ein Abbé!« »Schon bald.« »Er wartet nur noch auf etwas Bestimmtes, dann zieht erwieder die Soutane an, die jetzt hinter seiner Uniform imSchrank hängt«, meinte ein Musketier. »Und worauf wartet er?« fragte ein anderer. »Er wartet darauf, daß die Königin der Krone Frankreichseinen Erben schenkt.« »Aber meine Herren, darüber reißt man keine Witze«,sagte Porthos. »Gott sei Dank ist die Königin noch jung ge-nug dazu.« »Es heißt, daß sich Buckingham zur Zeit in Frankreich auf-hält«, versetzte Aramis mit anzüglichem Lächeln, das derscheinbar so harmlosen Bemerkung einen ziemlich anstößi-gen Sinn gab. »Jetzt seid Ihr im Unrecht, Freund Aramis«, unterbrach ihn30

Porthos. »In Eurer Sucht, immer geistreich zu sein, verliertIhr jedes Maß. Wenn Euch Herr de Treville gehört hätte,würde es Euch übel bekommen.« »Wollt Ihr mich schulmeistern, Porthos?« rief Aramis, undin seinen sanften Augen blitzte es auf. »Mein Lieber«, entgegnete Porthos, »seid, was Ihr wollt.Musketier oder Abbé, nur seid nicht beides auf einmal! Erstkürzlich hat Athos zu Euch gesagt: Ihr eßt aus allen Krippen.Bitte, wir wollen uns nicht streiten, es wäre zwecklos, dennIhr wißt ja, was zwischen Euch, Athos und mir abgemachtist! Ihr geht zu Madame d’Aiguillon und macht ihr den Hof;Ihr geht zu Madame de Bois-Tracy, der Kusine von Madamede Chevreuse, und man sagt Euch nach, daß Ihr bei dieserDame in hoher Gunst steht. Oh, Ihr braucht Euer Glücknicht einzugestehen, niemand will Eure Geheimnisse wissen,man kennt ja Eure Verschwiegenheit. Aber wenn Ihr schondiese Tugend besitzt, dann macht – zum Teufel noch mal –auch in bezug auf Ihre Majestät Gebrauch davon! Beschäftigesich mit dem König und dem Kardinal, wer will, doch die Kö-nigin ist heilig, und wenn schon einer von ihr spricht, tu er’sim Guten!« »Ich muß schon sagen. Porthos, Ihr seid anmaßend wieNarzissus«, sagte Aramis. »Ihr wißt, daß mir Moralpredigtenverhaßt sind, ausgenommen die von Athos. Was aber Euchangeht, so habt Ihr ein viel zu prächtiges Wehrgehänge, alsdaß Ihr auf diesem Gebiet besonders glänzen könntet. Ichwerde die Soutane nehmen, wann es mir beliebt. Vorerst binich Musketier, und in dieser Eigenschaft kann ich jederzeitsagen, was mir beliebt, so wie es mir eben jetzt gefällt. Euchzu sagen, daß Ihr meine Geduld allzusehr strapaziert.« »Aramis!« »Porthos!« »Aber meine Herren!« rief man von allen Seiten. In diesem Augenblick öffnete ein Lakai die Tür zum Ar-beitszimmer und meldete: »Herr d’Artagnan? Herr de Treville läßt bitten!« Bei dieser Ankündigung, während der die Tür geöffnet blieb,verstummte alles, und inmitten der völligen Stille durchschrittunser junger Gascogner das Vorzimmer in seiner ganzen Länge 31

und trat bei dem Hauptmann der Musketiere ein, nicht ohnesich von Herzen zu beglückwünschen, daß er auf diese Weisenoch beizeiten den Weiterungen des absonderlichen Streitesentgangen war. Die AudienzHerr de Treville war im Augenblick alles andere als gut ge-launt, dennoch begrüßte er den jungen Mann, der sich bis zurErde verneigte, sehr liebenswürdig und lächelte über den Be-arner Tonfall, der ihm da so unverfälscht entgegenklang undder ihm seine Jugend und seine Heimat naherückte, zweiDinge, an die jeder Mensch zeitlebens gern erinnert wird.Doch fast sogleich machte er d’Artagnan ein Zeichen mit derHand, als bitte er ihn um Erlaubnis, erst die anderen abzu-fertigen, bevor er sich ihm widmen könne, trat dann an dieTür zum Vorzimmer und rief mit einer Stimme, die rasch an-schwoll und in einem Atemzug die ganze Tonskala von her-rischer Strenge bis zu zorniger Gereiztheit durchlief: »Athos, Porthos, Aramis!« Die beiden Musketiere, mit denen wir bereits Bekanntschaftgeschlossen haben und die auf die beiden letzten Namen hör-ten, lösten sich sofort aus der Menge und gingen ins Arbeits-zimmer. Obwohl sie keineswegs ganz ruhig wirkten, erregtensie durch ihre würdevolle und zugleich ehrerbietige Unge-zwungenheit die Bewunderung d’Artagnans, der in diesenMännern Halbgötter und in ihrem Hauptmann einen mit tau-send Blitzen bewaffneten Jupiter sah. Als die beiden Musketiere eingetreten waren und die Türsich hinter ihnen wieder geschlossen hatte, als auch draußen,wo der Aufruf der drei Musketiere zweifellos neuen Ge-sprächsstoff geliefert hatte, das Gemurmel wieder einsetzteund als endlich Herr de Treville wortlos, mit gefurchter Stirn,ein paarmal im Zimmer auf und ab geschritten war, immerdicht an Porthos und Aramis vorbei, die stumm und steif wiebei einer Parade dastanden, pflanzte er sich plötzlich geradevor ihnen auf, maß sie von Kopf bis Fuß mit zornigem Blickund herrschte sie an:32

»Wißt ihr, was mir der König gestern abend gesagt hat?Wißt ihr das, meine Herren Musketiere?« »Nein«, antworteten die beiden nach kurzem Schweigen,»nein, wir wissen es nicht.« »Aber ich hoffe, Ihr werdet uns die Ehre erweisen, es unszu sagen«, fügte Aramis im höflichsten Ton der Welt und mitder anmutigsten Verbeugung hinzu. »Er hat mir angedroht, daß er in Zukunft seine Musketiereunter den Garden Seiner Eminenz rekrutieren wird.« »Unter den Garden des Kardinals?« fragte Porthos heftig.»Und warum?« »Weil er wohl einsieht, daß seinem dünnen Wein ein edlerTropfen beigemischt werden muß, damit er wieder spritzigwird.« Die beiden wurden rot bis unter die Haarwurzeln, undd’Artagnan wäre vor Verlegenheit am liebsten in die Erde ge-sunken. »Ja, ja«, fuhr Herr de Treville fort und ereiferte sich immermehr, »Seine Majestät hat ganz recht, denn die Musketierespielen am Hof, bei Gott, eine traurige Rolle! Gestern, beimabendlichen Schachspiel mit dem König, erzählte der HerrKardinal mit bekümmerter Miene, die mir sehr mißfiel, dieverdammten Musketiere, Höllenhunde und Erzhalunken – beidiesen Worten hatte seine Stimme einen unüberhörbarenspöttischen Unterton, der mir noch stärker mißfiel – hättenvorgestern in einer Schenke der Rue Ferou den Zapfenstreichversäumt, so daß eine Streife seiner Garde – ich dachte, imnächsten Augenblick lacht er mir dreist ins Gesicht – die Ruhe-störer in Gewahrsam nehmen mußte. Kreuzdonnerwetter,ihr müßt etwas davon wissen! Musketiere, die sich einfachfestnehmen lassen! Ihr wart dabei, leugnet es nicht! Man hateuch gesehen, der Kardinal nannte eure Namen. Aber ich binja selber schuld, jawohl, ich bin selber schuld, denn ich wähleja meine Leute aus. Warum, zum Teufel, habt Ihr Euch so umeinen Waffenrock gerissen, Aramis, wenn Euch die Soutanedoch viel besser zu Gesicht steht? Und Ihr, Porthos, Ihr habtwohl Euer schönes goldenes Wehrgehänge nur, um einenStrohdegen zu tragen, wie? Und Athos – ich sehe Athosnicht! Wo ist er?« 33

»Er ist krank, Herr Hauptmann«, sagte Aramis traurig,»sehr krank.« »Krank, sehr krank, sagt Ihr? So, und was fehlt ihm denn?« »Ich fürchte, er hat die Windpocken«, erwiderte Porthos,der auch ein Wort mitreden wollte. »Und das ist eine üble Sa-che, denn die können ihm das ganze Gesicht entstellen.« »Die Windpocken? Das ist ja wieder mal eine wundervolleGeschichte, die Ihr mir da auftischt, Porthos! In seinem Al-ter die Windpocken! Nein, aber bestimmt ist er verwundet,vielleicht sogar tot … Ah, wenn ich das nur wüßte! Teufelauch, meine Herren Musketiere, ich will nicht, daß ihr über-all Händel sucht und an jeder Straßenecke vom Leder zieht!Auf keinen Fall aber kann ich dulden, daß ihr zum Gespöttder Gardisten werdet. Das sind tapfere, ruhige und tüchtigeLeute, die es niemals so weit treiben, daß man sie festneh-men muß, und die sich übrigens auch niemals festnehmenließen, die nicht, da bin ich ganz sicher! Die würden lieber totauf dem Platz bleiben, als auch nur einen Schritt zurückzu-weichen. Fortlaufen, sich aus dem Staube machen, flüchten,das ziemt sich nur für die Musketiere des Königs!« Porthos und Aramis zitterten vor Wut. Sie hätten Herrn deTreville mit Vergnügen erwürgt, hätten sie nicht gespürt, daßallein seine tiefe Zuneigung ihn dieses grobe Geschütz auf-fahren ließ. So stampften sie nur mit den Füßen auf, bissensich die Lippen blutig und umklammerten krampfhaft ihrenDegenknauf. Draußen hatte man, wie berichtet, nach Athos,Porthos und Aramis rufen hören und an dem Ton erkannt,daß Herr de Treville in grimmiger Laune war. Zehn neugie-rige Musketiere preßten die Ohren an die Wand und erblaß-ten vor Empörung, denn sie verloren keine Silbe von den be-leidigenden Worten des Hauptmanns, die sie sofort an dieUmstehenden weitergaben. Binnen kurzem war das ganzeHaus, von der Tür des Vorzimmers bis hinunter zum Haupt-portal, in wildem Aufruhr. »So, die Musketiere des Königs lassen sich von den Gardi-sten des Kardinals festnehmen!« fuhr Herr de Treville fort, derinnerlich genauso wütend war wie seine Soldaten, jedoch be-tont langsam sprach und ihnen gleichsam jedes einzelne Wortwie ein Stilett in die Brust stach. »Sechs Gardisten Seiner Emi-34

nenz verhaften sechs Musketiere Seiner Majestät, so! Alle Teu-fel, mein Entschluß steht fest! Auf der Stelle gehe ich zumLouvre. Noch heute nehme ich meinen Abschied als Haupt-mann der Musketiere des Königs und bewerbe mich um eineLeutnantsstelle in der Garde des Kardinals, und wenn manmich dort abweist, werde ich in drei Teufels Namen Abbé!« Bei diesen Worten wuchs die Unruhe draußen zum Tumultan, allenthalben wurden Verwünschungen laut, und manhörte nur noch Flüche wie: »Tod und Teufel! Himmel, Kreuzund Schockschwerenot!« D’Artagnan sah sich nach einemGobelin um, hinter dem er sich verbergen könnte, und er ver-spürte die größte Lust, unter den Tisch zu kriechen. »Gut denn, Herr Hauptmann«, rief Porthos außer sich, »wirwaren sechs gegen sechs, das stimmt, aber man hat uns hinter-rücks überfallen, und ehe wir noch die Degen ziehen konnten,waren schon zwei von uns tot und Athos so schwer verwun-det, daß er nicht mehr zählte. Und Ihr kennt ihn, Hauptmann!Zweimal hat er versucht, wieder hochzukommen, und zwei-mal brach er zusammen. Wir haben uns trotzdem nicht erge-ben, nein, mit Gewalt hat man uns fortgeschleppt! Unterwegssind wir ihnen dann entwischt. Athos haben sie offenbar fürtot gehalten und auf dem Kampfplatz zurückgelassen; sie dach-ten wohl, es lohnt sich nicht mehr, ihn mitzunehmen. So wardie Sache. Herrgott noch mal, Hauptmann, man gewinnt nichtalle Schlachten! Der große Popejus wurde bei Pharsalus ge-schlagen, und Franz I., der doch ansonsten seinen Mann ge-standen haben soll, hatte bei Pavia das Nachsehen.« »Und ich habe die Ehre, Euch zu melden, daß ich einen derBurschen mit seinem eigenen Degen erledigt habe«, sagte Ara-mis, »denn meiner brach schon bei der ersten Parade entzwei.Erledigt oder erdolcht, ganz wie Herr Hauptmann belieben.« »Das wußte ich nicht«, erwiderte Treville, schon etwas be-sänftigt. »Seine Eminenz hat anscheinend übertrieben.« »Doch eine Bitte«, fuhr Aramis fort, als er merkte, daß Tre-villes Zorn etwas abflaute, »eine Bitte nur, Herr Hauptmann! Sagt niemand, daß Athos verwundet ist! Er wäre verzwei-felt, wenn es dem König zu Ohren käme, und da die Verwun-dung sehr ernst ist, es handelt sich um einen Stich in die Schul-ter, der bis in die Brust gedrungen ist, steht zu befürchten …« 35

Im selben Augenblick wurde die Tür aufgerissen, und aufder Schwelle erschien ein Mann mit einem edlen und schönen,aber erschreckend bleichen Gesicht. »Athos!« riefen alle drei wie aus einem Mund. »Ihr habt nach mir gerufen«, sagte Athos zu Herrn de Tre-ville mit leiser, doch fester Stimme. »Ihr wolltet mich sprechen,wie mir meine Kameraden gesagt haben, und ich eile, EuermBefehl nachzukommen. Hier bin ich, was befehlt Ihr?« Nach diesen Worten trat der Musketier in tadelloser Hal-tung, den Degen wie immer umgeschnallt, festen Schrittsnäher. Tiefgerührt über einen solchen Beweis von Mannhaf-tigkeit, eilte Herr de Treville ihm entgegen. »Ich war gerade dabei«, sagte er, »diesen Herren zu er-klären, daß ich es meinen Musketieren verbiete, ihr Lebenunnötig aufs Spiel zu setzen, denn der König braucht tapfereLeute, und er weiß, daß seine Musketiere die tapfersten vonder Welt sind. Eure Hand, Athos!« Und ohne eine Antwort auf diesen Beweis seiner herzlichenZuneigung abzuwarten, ergriff Treville die Rechte des Mus-ketiers und drückte sie kräftig, wobei ihm allerdings entging,daß Athos trotz aller Selbstbeherrschung ein schmerzlichesZusammenzucken nicht unterdrücken konnte und womög-lich noch eine Spur bleicher wurde. Die Tür war halb offengeblieben, ein solches Aufsehen hatteAthos’ Kommen erregt, denn natürlich wußte man längst vonseiner Verwundung, obwohl sie geheimgehalten worden war.Beifallsrufe folgten den letzten Worten des Hauptmanns, undin der Türspalte zeigten sich die Köpfe einiger besonders be-geisterter Musketiere. Herr de Treville wollte schon diesenBruch der Etikette mit scharfen Worten rügen, als er auf ein-mal fühlte, wie sich Athos’ Rechte in seiner Hand zusam-menkrampfte, und als er ihn daraufhin ansah, merkte er, daßder Musketier nahe daran war, in Ohnmacht zu fallen. Undbetäubt vom Schmerz, gegen den er die ganze Zeit verbissenangekämpft hatte, brach Athos im nächsten Augenblick wietot zusammen. »Einen Wundarzt!« rief Herr de Treville. »Ruft meinen oderden des Königs! Los, einen Arzt her, oder, zum Henker, ummeinen guten Athos ist’s geschehen!«36

Auf diese Rufe hin stürzte alles aus dem Vorraum in Tre-villes Arbeitszimmer und drängte sich um den Verwundeten.Der ganze Eifer hätte jedoch wenig genützt, wenn nicht zu-fällig ein Arzt im Hause gewesen wäre. Er schob sich durchdie Menge, trat zu dem noch immer Bewußtlosen und ver-langte, da ihn der Lärm und die allgemeine Unruhe störte,daß der Verwundete erst einmal in ein Nebenzimmer ge-bracht wurde. Sofort öffnete Herr de Treville eine Tür undwies Porthos und Aramis, die ihren Kameraden trugen, denWeg. Als letzter folgte der Arzt, hinter dem die Tür insSchloß fiel. Für eine Weile verwandelte sich Trevilles Kabinett, dieserOrt, den man sonst nur voller Scheu betrat, in eine Art zwei-tes Vorzimmer. Alle redeten durcheinander, fluchten undschimpften und wünschten den Kardinal mitsamt seinerGarde zum Teufel. Nachdem Porthos und Aramis schon nach kurzer Zeitzurückgekommen waren, während Treville noch mit demArzt bei dem Verwundeten blieb, erschien endlich auch derHauptmann und teilte mit, daß der Verwundete wieder zusich gekommen sei; nach Ansicht des Arztes gebe der Zu-stand ihres Kameraden zu keinerlei Besorgnis Anlaß, da seineSchwäche lediglich auf den großen Blutverlust zurückzu-führen sei. Auf einen Wink entfernten sich alle bis auf d’Ar-tagnan, der nicht vergessen hatte, daß er zur Audienz vorge-lassen war, und der mit der Zähigkeit des Gascogners an sei-nem Platz verblieb. Als die Tür wieder geschlossen war und Herr de Trevillesich umwandte, fand er sich mit dem jungen Mann allein.Durch den Zwischenfall hatte er den Faden zu dem Vorher-gegangenen verloren, und so fragte er den hartnäckigen Bitt-steller, was er wünsche. D’Artagnan nannte seinen Namen,und sofort war Treville, dessen Erinnerung blitzartig dieBrücke von der Gegenwart in die Vergangenheit schlug, wie-der im Bilde. »Verzeihung«, sagte er lächelnd, »aber ich hatte Euch gänz-lich vergessen. Was wollt Ihr, ein Hauptmann ist ein Familien-vater wie jeder andere, nur daß er etwas mehr Verantwortungträgt. Soldaten sind große Kinder; aber da ich darauf sehe, daß 37

die Befehle des Königs und besonders die des Kardinals be-folgt werden …« D’Artagnan konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Herrde Treville schloß daraus, daß er es mit keinem Dummkopfzu tun habe, und steuerte kurz entschlossen das eigentlicheThema an: »Ich habe Euern Vater sehr geschätzt. Was kann ich für sei-nen Sohn tun? Beeilt Euch, meine Zeit gehört nicht mir!« »Gnädiger Herr«, antwortete d’Artagnan, »seit ich Tarbesverließ und mich hierherbegab, hatte ich eigentlich vor, Euchan diese Freundschaft zu erinnern und um Aufnahme in dieReihen der Musketiere zu bitten, aber nach allem, was ich inden letzten zwei Stunden gesehen habe, begreife ich, daß einesolche Vergünstigung allzu groß wäre, und ich fürchte, sienicht zu verdienen.« »Es ist tatsächlich eine große Vergünstigung, junger Mann,wenn auch keine unerreichbare, wie Ihr zu glauben scheint.Allerdings hat Seine Majestät für diesen Fall bestimmte Wei-sungen erteilt; und so muß ich Euch zu meinem Bedauernsagen, daß niemand Musketier werden kann, der nicht vor-her in einigen Feldzügen, durch glänzende Waffentaten oderdurch einen zweijährigen Dienst bei einer anderen, wenigerangesehenen Truppe seine Eignung erwiesen hat.« D’Artagnan verneigte sich, ohne etwas zu sagen. Nun erwußte, wie viele Schwierigkeiten es zu überwinden galt, eheman die Uniform der Musketiere tragen durfte, erschien ihmdiese Ehre nur um so erstrebenswerter. »Aber«, fuhr Treville fort und blickte seinen Landsmanndurchdringend an, als wollte er ihm auf den Grund des Herzensschauen, »Euerm Vater, meinem alten Freund, zuliebe, will ichetwas für Euch tun, junger Mann. Unsere Kadetten aus demBearn sind für gewöhnlich nicht reich, und ich glaube kaum,daß es sich heute damit sehr viel anders verhält als zu meinerZeit. Ihr werdet also nicht allzuviel Geld mitgebracht haben.« D’Artagnan richtete sich stolz auf; seine Haltung sollteoffenbar zum Ausdruck bringen, daß er von niemand ein Al-mosen begehrte. »Schon gut, junger Freund, schon gut!« fuhr Treville fort.»Ich kenne das; bin selbst vor Jahren mit vier Talern in der38

Tasche nach Paris gekommen, und doch hätte ich mich da-mals mit jedem geschlagen, der behauptet hätte, daß ich nichtimstande wäre, den ganzen Louvre zu kaufen.« D’Artagnan reckte sich noch höher: Dank dem Verkaufseines Pferdes begann er seine Laufbahn mit vier Talern mehrin der Tasche als seinerzeit Herr de Treville. »Ihr müßt also die Summe, die Ihr bei Euch habt, gehörigzusammenhalten, wie groß sie immer sein mag; aber Ihrmüßt Euch in allen Übungen vervollkommnen, die einemEdelmann anstehen. Ich schreibe noch heute einen Brief anden Direktor der Königlichen Akademie, und er wird Euchschon morgen ohne Entgelt in seine Schule aufnehmen.Weist diese kleine Gefälligkeit nicht zurück! Die reichstenund angesehensten Adligen bemühen sich mitunter um dieseGunst, ohne sie zu erlangen. Ihr werdet dort im Reiten, Fech-ten und Tanzen ausgebildet, schließt mancherlei nützlicheBekanntschaften, und gelegentlich könnt Ihr mich aufsuchenund mir erzählen, wie weit Ihr seid und ob ich etwas für Euchtun kann.« D’Artagnan war zwar mit den Gepflogenheiten des höfi-schen Lebens noch nicht vertraut, dennoch spürte er die Kühledieses Empfanges. »Ach, Herr Hauptmann«, sagte er, »jetzt sehe ich, wie sehrmir der Empfehlungsbrief fehlt, den mir mein Vater mitge-geben hat.« »Ich wundere mich allerdings«, entgegnete Herr de Treville,»daß Ihr eine so weite Reise ohne diese notwendige Mitgiftunternommen habt, die doch für einen Bearner die einzigeHilfe ist.« »Ich hatte ja einen Brief, und sogar einen, wie man ihn sichbesser nicht wünschen kann, aber man hat ihn mir unterwegsniederträchtigerweise gestohlen.« Und er berichtete, was ihmin Meung zugestoßen war, gab auch eine genaue Beschrei-bung des unbekannten Edelmannes und schilderte alles mitsolchem Feuer, solcher Aufrichtigkeit, daß Herr de Trevilleseine helle Freude daran hatte. »Das ist ja merkwürdig«, sagte der Hauptmann endlichnachdenklich. »Hattet Ihr denn laut von mir gesprochen?« »Ja, sicherlich war das unklug von mir, aber ein Name wie 39

der Eure mußte mir unterwegs ein gutes Schild sein, und Ihrkönnt Euch denken, daß ich mich seiner oft bedient habe.« Schmeicheleien waren damals sehr gebräuchlich, und Herrde Treville liebte den Weihrauch nicht weniger als ein Königoder ein Kardinal. Er konnte ein sichtlich zufriedenesLächeln nicht unterdrücken, wurde aber gleich wieder ernstund kam auf den Vorfall in Meung zurück: »Sagt mal, hatte dieser Edelmann nicht eine kleine Narbeauf der Backe?« »Ja, wie von einem Streifschuß.« »Sah er gut aus?« »Doch.« »Hochgewachsen?« »Ja.« »Bleiches Gesicht und dunkles Haar?« »Ja, genauso! Aber wie kommt es, daß Ihr diesen Men-schen kennt? Wenn ich ihn finde, und ich werde ihn finden,das schwöre ich Euch, und wäre es auch in der Hölle …« »Er erwartete eine Dame?« unterbrach ihn Treville. »Ja, jedenfalls hat er erst mit einer Unbekannten gespro-chen, bevor er sich aus dem Staube gemacht hat.« »Worüber sie gesprochen haben, wißt Ihr wohl nicht?« »Doch, er gab ihr ein Kästchen, das, wie er sagte, Instruk-tionen enthielt und das sie erst in London öffnen sollte.« »War es denn eine Engländerin?« »Er sagte Mylady zu ihr.« »Er ist es!« murmelte Treville. »Und ich dachte, er wärenoch in Brüssel.« »Oh, wenn Ihr wißt, wer dieser Mann ist, sagt mir, wie erheißt und wo ich ihn finden kann!« rief d’Artagnan. »Ich ent-binde Euch gern von allem, selbst von dem Versprechen,mich zu einem Musketier zu machen, denn zuallererst willich mich rächen.« »Das laßt lieber bleiben, junger Mann! Im Gegenteil, wennIhr ihm zufällig auf der Straße begegnet, geht lieber auf dieandere Seite! Rennt nicht gegen einen solchen Felsen an: erwürde Euch wie Glas zerbrechen!« »Das soll mich nicht hindern«, erwiderte d’Artagnan, »daßich ihn, falls er mir noch einmal vor Augen kommt …«40

»Wenn ich Euch einen Rat geben darf«, fiel ihm Treville insWort, »sucht ihn inzwischen nicht!« Plötzlich hielt er inne, von einem jähen Argwohn erfaßt.Verbarg der wilde Haß, den der junge Mann so laut gegen einenUnbekannten bekundete, der ihm, was reichlich unwahr-scheinlich war, den Brief seines Vaters gestohlen haben sollte,verbarg dieser Haß nicht irgendeine heimtückische Falle?Hatte Seine Eminenz ihm nicht vielleicht den jungen Mannauf den Hals geschickt? Wollte er ihn nur in einen Hinterhaltlocken? War dieser angebliche d’Artagnan etwa ein Abgesandterdes Kardinals, den man in sein Haus einzuschleusen ver-suchte, damit er sich sein Vertrauen erschlich, um ihn zu ge-gebener Stunde zu verderben, wie man das schon hundertmalversucht hatte? Er faßte d’Artagnan noch schärfer ins Augeals das erstemal, doch der Anblick dieses zugleich pfiffigenund Ergebenheit vortäuschenden Gesichts beruhigte ihn nurwenig. Er ist zwar ein Gascogner, dachte er, aber als solcher kanner ebensogut für den Kardinal sein wie für mich. Nun, stel-len wir ihn halt auf die Probe! »Junger Freund«, sagte er bedächtig, »ich will Euch, als demSohn meines alten Freundes, denn ich glaube Euch die Ge-schichte mit dem verlorenen Brief, und um die Kühle wiederauszugleichen, mit der ich Euch zuerst empfangen habe, in An-betracht dieser Umstände also will ich Euch die Geheimnisseunserer Politik enthüllen. Der König und der Kardinal sind inWirklichkeit die besten Freunde; ihre scheinbaren Zwistigkei-ten sind nur darauf berechnet, die Dummen zu täuschen. Ichmöchte aber nicht, daß ein Landsmann, ein hübscher Kavalierund wackrer Bursche, recht dazu geschaffen, sein Glück zumachen, ein Opfer dieser List wird und wie ein Tölpel ins Garngeht, das schon so vielen zum Verhängnis wurde. Bedenkt also,daß ich beiden Herren, den mächtigsten des Landes, ergebenbin und daß meine eigentlichen Bemühungen kein anderes Zielhaben, als dem König wie auch dem Kardinal zu dienen, einemder erhabensten Geister, die Frankreich je hervorgebracht hat.Nun richtet Euch danach, junger Mann, und wenn Ihr, sei esaus Familientradition, sei es durch Euern Umgang oder auch 41

rein gefühlsmäßig, etwas gegen den Kardinal habt, wie das jabei manchen unserer Edelleute der Fall ist, dann sagt mir Le-bewohl und geht. Ich will Euch gern bei allen Schwierigkeitenhelfen, ohne Euch jedoch fest an mich zu binden. Ich hoffe,daß meine Offenheit Euch auf jeden Fall zu meinem Freundemacht, denn Ihr seid bis jetzt der einzige junge Mensch, mitdem ich so freimütig gesprochen habe.« Wenn der Kardinal mir diesen jungen Fuchs geschickt hat,sagte sich Treville, so hat er, der ja weiß, wie sehr er mir zuwi-der ist, seinem Spion bestimmt eingeschärft, er könne mir nichtbesser schmeicheln als dadurch, daß er dem Kardinal allesSchlechte nachsagt; und so wird dieser geriebene Bursche trotzall meiner Einwände sicherlich antworten, daß er Seine Emi-nenz verabscheut. Es kam aber völlig anders, als Treville erwartet hatte, dennd’Artagnan antwortete ganz treuherzig: »Herr Hauptmann, was Ihr da sagt, entspricht durchausden Absichten, mit denen ich nach Paris gekommen bin. MeinVater hat mir ans Herz gelegt, von niemand etwas hinzuneh-men, als vom König, vom Kardinal und von Euch, die für ihndie drei ersten Männer Frankreichs sind.« Wie man sieht,fügte d’Artagnan Trevilles Namen hinzu, aber er meinte, daskönne kaum etwas schaden. »Ich habe also für den Kardinal die höchste Verehrung undachte alle seine Taten. Um so besser für mich, wenn Ihr, wieIhr sagt, offen zu mir seid, denn dann werdet Ihr bei mir diegleiche Neigung zu schätzen wissen. Wenn Ihr jedoch irgend-ein Mißtrauen hattet, was übrigens ganz natürlich wäre, soweiß ich, daß ich mir durch meine Offenheit alles verderbe.Aber was tut’s? Ihr werdet mir auf keinen Fall Eure Achtungversagen können, und das ist mir wichtiger als alles andere.« Herr de Treville war aufs äußerste überrascht. Ein solchesMaß an Scharfsinn und Freimut erregte seine Bewunderung,zerstreute aber nicht seine Zweifel. Je mehr sich dieser jungeMann seinesgleichen überlegen zeigte, desto gefährlicherkonnte er werden, falls Treville sich täuschen ließ. Trotzdemergriff er d’Artagnans Rechte und sagte: »Ihr seid ein ehrlicher Bursche, aber im Augenblick kannich für Euch nicht mehr tun, als was ich Euch eben angeboten42

habe. Mein Haus steht Euch immer offen. Und da Ihr mich je-derzeit sprechen, also auch jede Gelegenheit wahrnehmenkönnt, werdet Ihr früher oder später sicherlich erreichen, wasIhr so sehr erstrebt.« »Das heißt, Herr Hauptmann, Ihr wollt warten, bis ich michwürdig erwiesen habe. Nun, da seid ganz unbesorgt«, fügte ermit der Unbekümmertheit des Gascogners hinzu. »Ihr werdetnicht lange zu warten brauchen!« Und als ob alles Weitere nurnoch von ihm abhinge, grüßte er und wollte gehen. »Aber so wartet doch!« rief Herr de Treville und hielt ihnzurück. »Ich habe Euch einen Brief an den Direktor der Aka-demie versprochen. Ist der junge Herr etwa zu stolz, ihn an-zunehmen?« »Nein, Herr Hauptmann, und ich verspreche Euch, daßich auf ihn besser achtgeben will als auf den ersten. Er wird,das schwöre ich Euch, an seine Adresse gelangen, und wehedem, der versuchen sollte, ihn mir wegzunehmen!« Herr de Treville lächelte über diese großartigen Worte, ließseinen jungen Landsmann in der Fensternische stehen, in dieer zuletzt mit ihm getreten war, und setzte sich an einenTisch, um den versprochenen Empfehlungsbrief zu schrei-ben. Indessen trommelte d’Artagnan, der nichts Besseres zutun hatte, einen Marsch an die Fensterscheiben, betrachtetedie Musketiere, die nacheinander fortgingen, und sah ihnennach, bis sie um die nächste Straßenecke verschwanden. Nachdem Herr de Treville den Brief geschrieben hatte, ver-siegelte er ihn und trat zu dem jungen Mann. Schon streckted’Artagnan die Hand aus, um das Schreiben entgegenzu-nehmen, als der Hauptmann zu seiner grenzenlosen Ver-blüffung den neuen Schützling auffahren und wutentbranntaus dem Zimmer stürzen sah. »Tod und Teufel! Diesmal soll er mir nicht entkommen!« »Wer denn?« rief ihm Treville nach. »Mein Dieb!« schrie d’Artagnan zurück. »Oh, dieser elendeSchurke!« Und weg war er. Närrischer Teufel! dachte Treville. Es sei denn, das Ganze istnur ein geschickter Trick, um sich aus dem Staube zu machen,weil er gesehen hatte, daß sein Schlag ins Leere ging. 43

Eine Schulter, ein Wehrgehänge und ein TaschentuchD’Artagnan hatte wutschnaubend mit wenigen Sätzen dasVorzimmer durchmessen und wollte gerade ebenso, nämlichimmer vier Stufen auf einmal, die Treppe hinunterstürmen,als er in vollem Lauf mit einem Musketier zusammenprallte,der in diesem Augenblick aus einem der Nebengelasse desHerrn de Treville trat und bei dem Stoß, den d’ArtagnansKopf gegen seine Schulter vollführte, laut aufschrie. »Entschuldigt!« sagte d’Artagnan und schickte sich an,weiterzulaufen. »Entschuldigt, aber ich hab’s eilig!« Er hatte jedoch nur wenige Stufen hinter sich gebracht, dapackte ihn eine eiserne Faust bei der Schärpe und hielt ihnzurück. »So, eilig habt Ihr’s?« rief der Musketier, blaß wie ein Lei-chentuch. »Unter diesem Vorwand rempelt Ihr mich an, sagtschnell: Entschuldigt! und denkt, damit hat sich’s? Nichtganz, junger Mann. Ihr glaubt wohl, weil Ihr vorhin dabeiwart, wie Herr de Treville ein bißchen unsanft mit uns um-gesprungen ist, daß uns jeder so kommen darf? Ihr irrt, meinLieber, Ihr seid nicht Herr de Treville!« »Auf Ehre«, erwiderte d’Artagnan und erkannte erst jetztAthos, der inzwischen vom Arzt verbunden worden war undnun nach Hause wollte, »ich habe es nicht mit Absicht getan,und weil ich es nicht mit Absicht getan habe, sagte ich: Ent-schuldigt! Mir scheint, das genügt auch. Indessen wiederholeich Euch, daß ich es eilig habe, sehr eilig, auf mein Wort! Laßtmich also bitte dort hineilen, wo ich zu tun habe!« »Mein Herr, Ihr seid nicht sehr höflich«, sagte Athos undließ ihn los. »Man sieht, daß Ihr aus der Provinz kommt.« D’Artagnan hatte schon wieder drei, vier Stufen genommen,doch bei diesen Worten blieb er mit einem Ruck stehen. »Zum Teufel, Herr, wenn ich auch aus der Provinz komme,so werdet Ihr mir bestimmt keinen Unterricht in gutem Be-nehmen erteilen!« »Vielleicht doch«, sagte Athos. »Wenn ich’s nicht so eilig hätte«, rief d’Artagnan, »undhinter jemand herlaufen müßte …«44

»Nun, Herr Eilig, mich findet Ihr, ohne daß Ihr zu laufenbraucht. Versteht Ihr mich?« »Und wo, wenn ich bitten darf?« »Am Karmeliterkloster.« »Wann?« »Gegen Mittag!« »Gut, um zwölf, ich komme.« »Seht zu, daß Ihr mich nicht warten laßt! Denn nach einerViertelstunde laufe ich hinter Euch her und schneide Euchdie Ohren ab.« »Abgemacht«, rief d’Artagnan, »ich bin um zehn vor da!« Und wieder rannte er, wie vom Teufel gejagt, davon, denner hoffte immer noch, den Unbekannten einzuholen, der mitseinem gemessenen Schritt sich nicht allzuweit entfernt habenkonnte. Am Haupttor stand Porthos im Gespräch mit einem Wach-posten. Zwischen den beiden war gerade noch Platz für einendritten. D’Artagnan glaubte, die Lücke würde für ihn ausrei-chen, und wollte wie ein Pfeil hindurchschlüpfen. Aber erhatte nicht mit dem Wind gerechnet, der in diesem Augen-blick Porthos’ Mantel aufblähte, so daß sich der stürmischejunge Mann darin verfing. Ohne Zweifel hatte Porthos seineGründe, dieses wichtige Kleidungsstück nicht so ohne weite-res fahrenzulassen, denn anstatt nachzugeben, riß er es sofortwieder an sich, wodurch d’Artagnan sich vollends in den Samt-umhang verwickelte. D’Artagnan hörte den Musketier fluchen und suchte zwi-schen den Falten nach einem Ausweg aus der jähen Finster-nis. Er fürchtete vor allem, den frischen Glanz des uns bereitsbekannten prächtigen Wehrgehänges beeinträchtigt zu ha-ben, und als er vorsichtig die Augen aufmachte, sah er auchgenau vor seiner Nase Porthos’ breiten Rücken und dasWehrgehänge. Aber ach, wie die meisten Dinge dieser Welt,die nur den Schein für sich haben, war das Wehrgehänge vornvon Gold und hinten von gewöhnlichem Büffelleder. Da dereitle Porthos sich kein ganzes Wehrgehänge von Gold leistenkonnte, hatte er sich immerhin ein halbes zugelegt. Nun warklar, weshalb er eine Erkältung vorschützen und einen Man-tel tragen mußte. 45

»Kreuzelement!« fluchte Porthos, während er d’Artagnan,den er in seinem Rücken herumzappeln fühlte, mit aller Kraftabzuschütteln versuchte. »Seid Ihr des Teufels, daß Ihr soüber fremde Leute herfallt?« »Entschuldigt«, sagte der junge Mann und kam unter derSchulter des Riesen wieder zum Vorschein, »aber ich habe essehr eilig, ich bin hinter jemand her und …« »Und Eure Augen habt Ihr wohl zu Hause gelassen, wie?«fiel ihm Porthos ins Wort, »Durchaus nicht«, erwiderte d’Ar-tagnan gereizt. »Ich habe sogar sehr gute Augen, daß ichsehe, was anderen verborgen bleibt.« Ob nun Porthos die Anspielung verstand oder nicht, je-denfalls wurde er wütend. »Mein Herr, man wird Euch wohl mal verwalken müssen,wenn Ihr glaubt, so mit Musketieren umspringen zu kön-nen!« »Verwalken? Das ist ein hartes Wort!« »Nicht zu hart für einen Mann, der gewohnt ist, seinemFeind ins Auge zu schauen.« »O ja, ich weiß schon, warum Ihr ihnen nicht gern denRücken zukehrt!« Und sehr vergnügt über seinen Geistesblitz, lief der jungeMann lachend weiter. Porthos schäumte vor Wut und wolltehinter ihm herstürzen. »Später, später«, rief d’Artagnan über die Schulter zurück,»wenn Ihr Euern Mantel nicht mehr habt!« »Um ein Uhr also, hinter dem Luxembourg.« »Abgemacht, um eins!« erwiderte d’Artagnan und bog umdie nächste Ecke. Aber weder in der Straße, aus der er kam, noch in der, dienun vor ihm lag, konnte er den Unbekannten entdecken. Derhatte bei aller Gemächlichkeit seinen Vorsprung vergrößert,vielleicht war er auch in ein Haus getreten. D’Artagnan fragtealle, die ihm begegneten, eilte bis an die Fähre hinunter undkehrte durch die Rue de Seine wieder zurück, doch keineSpur von dem Fremden. Indessen kam ihm dieser Lauf inso-fern zustatten, als er innerlich immer ruhiger wurde, je hef-tiger ihm der Schweiß von der Stirn rann. Und da begann er,über die letzten Geschehnisse nachzudenken; sie waren zahl-46

reich und höchst verdrießlich. Es war noch keine elf Uhr,und schon hatte ihm der Vormittag die Ungnade des Herrnde Treville eingetragen, der die Art, wie d’Artagnan ihn ver-lassen hatte, reichlich ungeniert finden mußte. Außerdemhatte er sich zwei hübsche Duelle eingehandelt, mit Män-nern, von denen jeder für sich mit drei d’Artagnans fertig zuwerden versprach und die zu allem Unglück auch noch Mus-ketiere waren, Menschen also, die er so sehr verehrte, daß ersie in seinem Fühlen und Denken über alle anderen erhob. Das waren traurige Aussichten. Da der junge Mann sicherwar, daß Athos ihn töten werde, machte er sich wegen Por-thos begreiflicherweise nicht viel Gedanken. Nun ist aber dieHoffnung das, was sich am längsten im Herzen bewahrt, undso erschien es ihm am Ende doch nicht ganz ausgeschlossen,daß er, wenn auch fürchterlich zugerichtet, beide Duelleüberlebte, für welchen allerdings wenig wahrscheinlichen Faller sich schon jetzt die folgende Standpauke hielt: Was bin ich doch für ein Strohkopf und ausgemachter Trot-tel! Ramme wie ein Stier genau die verwundete Schulter desarmen guten Athos! Mich wundert nur, daß er mich nicht aufder Stelle umgebracht hat. Das Recht dazu hatte er, denn ichhab ihm bestimmt höllisch weh getan. Was Porthos betrifft,du meine Güte, das war eher komisch! D’Artagnan mußte unwillkürlich lachen, wobei er jedochängstlich darauf achtete, daß sein Grinsen, das den Vorüber-gehenden unverständlich sein mußte, niemanden verletzte. Ja, die Sache mit Porthos war eher komisch, aber ich bindarum nicht weniger ein Mordsesel! Rempelt man denn sodie Leute an? Und guckt man ihnen vielleicht unter den Man-tel, um zu sehen, was nicht da ist? Er hätte mir sicherlich ver-ziehen, hätte ich nicht von diesem verdammten Wehrgehängeangefangen, mit verbrämten Worten, gewiß – o ja, und wieverbrämt! Fluch über mein altes Schandmaul! Noch in derHölle werde ich faule Witze reißen. Merk dir darum, Freundd’Artagnan, für den wenig wahrscheinlichen Fall, daß dunoch einmal davonkommst, es wird sich empfehlen, künftigvon ausgesuchter Höflichkeit zu sein! Von nun an soll mandich bewundern und als Vorbild hinstellen. Wer höflich undzuvorkommend ist, braucht noch lange kein Feigling zu sein. 47

Schau dir nur Aramis an! Aramis ist die Sanftmut, die Artig-keit in Person; aber wird sich deshalb jemand herausnehmen,ihn einen Feigling zu schimpfen? Gewiß nicht, und so will ichmich künftig ganz nach ihm richten. Ah, da ist er ja gerade! Unter diesem Selbstgespräch war d’Artagnan bis in dieNähe des Hotels d’Aiguillon gelangt, vor dem er Aramis infröhlicher Unterhaltung mit drei königlichen Leibgardistenstehen sah. Auch Aramis bemerkte d’Artagnan, aber da ernicht vergessen hatte, daß der junge Mann dabei war, wieHerr de Treville seine Musketiere abgekanzelt hatte, und daihm ein Zeuge dieses Auftritts in keiner Weise angenehm seinkonnte, tat er einfach, als sähe er ihn nicht. D’Artagnan da-gegen, der ganz von der Vorstellung eines höflichen und ver-bindlichen Benehmens erfüllt war, trat auf die vier jungenLeute zu und verneigte sich tief mit dem artigsten Lächeln.Aramis nickte leicht mit dem Kopf, lächelte aber nicht. Imübrigen unterbrachen alle vier sofort ihre Unterhaltung. D’Artagnan war nicht so dumm, nicht zu merken, daß erhier zuviel war; aber er war mit den gesellschaftlichen Formenzuwenig vertraut, um sich elegant aus einer peinlichen Situationzu ziehen, wie sie immer entsteht, wenn man sich unter Leutemengt, die man kaum kennt, und ein Gespräch stört, das einennichts angeht. Er überlegte gerade, wie er sich möglichst un-auffällig zurückziehen könnte, als er bemerkte, daß Aramis seinTaschentuch fallen gelassen und offenbar aus Versehen den Fußdarauf gestellt hatte. Das schien ihm eine günstige Gelegen-heit, seine Ungeschicklichkeit wiedergutzumachen. Mit demverbindlichsten Lächeln, das ihm zu Gebote stand, bückte ersich und zog, sosehr der Musketier auch bemüht war, ihn daranzu hindern, das Taschentuch unter seinem Fuß hervor, um esihm mit diesen Worten zu überreichen: »Ich glaube, mein Herr,Ihr würdet dieses Tüchlein nur ungern verlieren.« Das Tuch war tatsächlich reich bestickt und an einer Eckemit Krone und Wappen verziert. Aramis wurde über undüber rot und riß es dem jungen Mann förmlich aus der Hand. »Oho!« rief einer der Leibgardisten. »Willst du noch im-mer behaupten, daß du mit Madame de Bois-Tracy nicht gutstehst, wenn dir diese reizende Dame sogar ihre Taschen-tücher leiht?«48

Aramis bedachte den Gascogner mit einem jener durch-bohrenden Blicke, die einem zu verstehen geben, daß mansich soeben einen Todfeind zugezogen hat. Dann aber sagteer, wieder ganz freundlich: »Ihr irrt Euch, dieses Taschentuch gehört nicht mir, und ichweiß nicht, warum der Herr es gerade mir und nicht einemvon euch gegeben hat. Hier, überzeugt euch, ich habe meinsnoch in der Tasche!« Mit diesen Worten zog er sein eigenes Taschentuch hervor,ein ebenfalls sehr elegantes Tuch aus feinstem Batist, das aberweder Stickerei noch ein Wappen, sondern nur die Initialenseines Besitzers aufwies. Diesmal sagte d’Artagnan kein Wort; er sah ein, daß er wie-der etwas falsch gemacht hatte. Aber Aramis’ Freunde ließensich nicht so ohne weiteres überzeugen, und einer von ihnenfragte mit erheucheltem Ernst: »Wenn es so ist, wie du sagst, mein lieber Aramis, muß ichdich bitten, es mir zu geben, denn wie du weißt, bin ich mitBois-Tracy befreundet, und ich will nicht, daß man irgend-welche Dinge seiner Frau zu Trophäen macht.« »Dein Ton gefällt mir nicht«, entgegnete Aramis. »DieForderung selbst mag berechtigt sein, aber ich muß sie ihrerForm wegen ablehnen.« »Tatsache ist«, warf d’Artagnan schüchtern ein, »daß ichdas Tuch keineswegs etwa aus Herrn Aramis’ Tasche habefallen sehen. Er stand mit dem Fuß darauf, weiter nichts, unddeshalb dachte ich, das Tuch gehöre ihm.« »Und das war ein Irrtum, werter Herr«, antwortete Aramiskühl und wenig empfänglich für diese Zurücknahme. Dannwandte er sich wieder dem Leibgardisten zu, der sich für einenFreund Bois-Tracys ausgegeben hatte, und sagte: »Übrigens,wenn ich es mir recht überlege, bin ich mit Bois-Tracy nichtweniger befreundet als du; das Tuch kann also ebensogut ausdeiner wie aus meiner Tasche gefallen sein.« »Nein, bei meiner Ehre!« protestierte der Leibgardist. »Du schwörst bei deiner Ehre, und ich verpfände meinWort, es muß also einer von uns schwindeln, Montaran. Dasbeste ist, wir nehmen jeder eine Hälfte!« »Von dem Taschentuch?« 49


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