Varis Yolchiyev 2. Wenn wir nach dem Besuch beim plastischen Chirurgen nur das ändern könnten, was bei uns auf der Stirn geschrieben ist… 3. Wenn die Vernunft die Entscheidung trifft, ist die Herzen getroffen wird, bereite dich auf einen Fehler vor. 4. Die Welt ist das Schweigen. Einige kommen, um diese Stil- le zu hören. So ist die Mehrheit. Aber es gibt Leute, die kommen, um sie zu brechen. So ist die Minderheit. 5. Du wirst beauftragt ein Feuer zu machen, aber man vergisst dir das Streichholz zu geben. *** 1. Egal wie stark du dich herausstreckst oder auf die Zehen- spitzen stellst oder springst, trotzdem kannst du das andere Mee- resufer nicht sehen. 2. Das Herz ist so sehr mit der Trauer überlastet, dass es diese Last irgendwann nicht mehr aushält und in die Tiefe des Körpers versinkt. 3. Für uns ist das auf die Welt Kommen wie einen Job bei der Fabrik namens „Das Leben“ zu bekommen. Unsere Arbeit be- steht darin, zu leben. Die Vertragslaufzeit ist eines Tages zu Ende und wir werden von der Arbeit befreit. Das ist der Tod. Vielleicht hören wir freiwillig mit der Arbeit auf, die schwieri- gen Bedingungen nicht ausgehalten. Das ist der Selbstmord. 4. Das Schicksal von einem Menschen ist mit einem Parker geschrieben, vom anderen – mit einem billigen Kuli. Seht ihr den Unterschied? 5. Ältere Leute suchen ihr Glück in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit, weil sie keine Zukunft sehen. Die Jüngeren su- chen ihr Glück in ihren Träumereien, weil sie keine Vergangen- heit haben. In einer am meisten misslichen Lage befinden sich die Leute in mittleren Jahren, die weder zu einer Kategorie gehören, noch zu der anderen. Sie suchen das Glück im heutigen Tag, denn gestern und morgen sind distanziert. Heute ist sehr nah, fast ne- benstehend. 301
Varis Yolchiyev 6. Und das Glück ist wie eine Prostituierte. Sie kriecht ins Bett zu dem, der sie gut bezahlt. *** 1. In Sibirien fährt man mit den Hundegespannen. Man spannt sechs Hunde in zwei Reihen vor den Schlitten ein und die Tiere ziehen erstickend den Schlitten im Schnee. Die Hunde in der ers- ten Reihe haben es leichter. Sie sehen den Weg und laufen leicht. Die Hunde hinten bewegen sich mühevoller, verlieren oft das Gleichgewicht. Wir, Leute, ziehen das Gefährt namens Gesellschaft. Wenn du vorne bist, kannst du alles sehen, was sich bewegt oder nicht be- wegt. Dementsprechend kann man die Entscheidungen leichter treffen. Aber wenn du hinten bist und einem folgst, heißt das, dass du dein ganzes Leben lang seinen Rücken siehst und zu ei- nem Ausführenden seiner Entscheidungen wirst. 2. Meistens warten die Leute auf die Komplimente, die sie nicht verdient haben. 3. Am Anfang des letzten Jahrhunderts lebte ein Sänger na- mens Seiid zu einem reichen Erdölmagnat geworden war, schämte er sich für seine Vergangenheit und zerbrach alle seine Platten, die ihm ins Auge gefallen waren. Aber in unserer Zeit schämen sich die Leu- te, die ihre politischen Überzeugungen verraten haben, über ihre Vergangenheit überhaupt nicht mehr. 4. Das Chaos ist die Beerdigung der Ordnung. 5. Die Natur protestiert auch auf ihre Weise gegen den Krieg. Nach der Besetzung 1992 wurde das Herz von Karabach, die Spinnen einer Schuscha. Laut den Erzählungen von den Augenzeugen, nachdem die Stadt sich in eine Brandstätte verwandelt hatte, blühte diese Blume nicht mehr. 6. Kann der Fisch seinen Fischer lieben, der ihn gefangen hat? 302
Varis Yolchiyev *** 1. Ein Nestling, der aus seinem Nest fällt, muss entweder auf- fliegen oder am Boden zerschellen. Ein Drittes ist nicht gegeben. 2. Ich schreibe und schreibe die ganze Zeit. Wenn ein schöpfe- rischer Mensch ein Gespräch mit seinem Gehirn führt, schafft er Prosa, und wenn er mit seinem Herzen spricht, schafft er Poesie. 3. Memoiren schreiben? Die Leute, die Memoiren schreiben, sind nie aufrichtig. Denn nicht alles, was man erlebt hat, kann auf Papier niedergeschrieben werden. Was für ein Schriftsteller wird seinen Neid, Zorn, Hass oder auch seine Begierde gestehen kön- nen? Man kann nur dann ehrlich sein, wenn es um das Schicksal eines anderen Menschen geht. Ich glaube den Memoiren nicht. *** 1. Ein Mensch, unabhängig davon, an welchem Tag er gebo- ren wurde, erinnert mit seinem Charakter an eine bestimmte Jah- reszeit. Die Leute, die dem Sommer oder Winter ähnlich sind, sind liberaler; und die Leute, die sich dem Herbst oder Frühling ähneln, sind radikaler. 2. Im Frühjahr beginnt das Aufwachen der Natur. Aber ob die Hoffnungen erwacht werden? 3. Die Leute, die Trauer in ihrer Seele tragen, können sich auf die Feiern nicht freuen. 4. Ganz oben stehen die Leute mit einer sicheren Gangart, in der Mitte – die stolpernden Leute, und ganz unten sind die Gefal- lenen. Du und ich, wir sind die Stolpernden, also befinden uns in der Mitte. Wenn wir Kraft finden, werden wir wieder mit dem siche- ren Schritt gehen, wenn wir keine Kraft finden, dann fallen wir. *** Der heutige Tag hat mich aus irgendeinem Grund an die russi- sche Buchstabe „Э“ erinnert – ganz offen, nackt. Man findet mehrere Fremdwörter im Glossar, die mit einem „Э“ anfangen. 303
Varis Yolchiyev – Anfangsphase der Entwicklung. Extensiv – nur an die quantitative Steigerung gerichtet, und nicht an die Qualitätsverbesserung. Eristik – Fähigkeit zu diskutieren und seine Überlegenheit zu zeigen. Endspiel – abschließende Phase eines Spiels. An dieser Stufe kann dich ein Schafott erwarten – Gerüst für die Exekution. Grabinschrift. 2. Manchmal füllt die Angst den ganzen Raum. 3. Aber solange es Uhren gibt, gibt es auch die Uhrmacher. 4. Die Wanduhr in unserem Wohnzimmer ging immer nach und die Armbanduhr meines Vaters ging immer auf die Sekunde pünktlich. Das heißt, die Uhr, die immer mit ihrem Besitzer in Bewegung ist, hält Schritt mit der Zeit; die Uhr, die ruht, schreitet nicht mit der Zeit fort. 5. Die Zeit Fragen zu stellen ist rum. Jetzt ist die Zeit sie zu beantworten. 6. Als Schüler besuchte ich eine Musik-AG im Pionierhaus. Lieblingsspruch, den sie immer wiederholte, indem sie mit einem eisernen Lineal auf den Tisch schlug: Adagio, adagio und plötzlich allegro! Wie sie sagte, wenn man bis zum Ende nur adagio spielt, also langsam, würde man sich von solcher Musik langweilen. Bis zum Ende nur allegro zu spielen, also schnell, sollte man auch nicht. So kriegte man Kopfschmerzen. So war die Formel des Erfolgs: adagio, adagio und plötzlich allegro! Genauso ist es im Leben, meistens haben wir uns daran ge- wöhnt im adagio-Tempo, langsam zu leben, deswegen können wir nichts schaffen. Nur wenige Leute in allegro lebend haben den Lebensrhythmus verloren. Wir verschwenden unsere Kräfte 304
Varis Yolchiyev in Eile erstickend. Wir brauchen jetzt einen Lehrer im Leben, behaup- tete: Adagio, adagio und plötzlich allegro! *** 1. Seine kräftigsten Schläge müsste man für die schwächsten Zeiten seiner Epoche ersparen. 2. Wir müssen nicht trauern! Wir müssen unsere Willensstärke und Selbstbeherrschung zusammenreißen, dann überleben wir auch diese Not. Lasst uns nicht verzweifeln. Man muss nur glau- ben und nicht zusammenbrechen! P.S. Bald – und du hast alles vergessen. Bald – und alles hat dich vergessen. (Marc Aurel) 305
Mikhail Krasnyansky DER MONOLOG EINES SPERMIUMS Wenn ich in einer sogenannten anständigen Gesellschaft er- scheine und laut sage: „Hallo, ich bin ein Spermium“, bleibt eine peinliche Stille in der Luft hängen, als ob mir etwas Unanständi- ges entschlüpft ist. Dieses ganze hochgestochene, aber nicht sehr gescheite Publikum beginnt wahrscheinlich sofort aufgeregt da- ran zu denken, wo ich wohne und wohin ich versuche zu gelan- gen, es beginnt sich sinnlich vorzustellen, wie ein steifer Penis in die Frauenvagina eindringt, und wie ich mich dort später im Mo- ment der Konvulsion ihres gemeinsames Orgasmus ergieße… Was für ein Publikum! Klar, ich sehe nicht so schick aus, wie alle anderen da: ein länglicher Kopf, ein langer Körper, mehrere kur- ze ich schweigen würde, merkte mich keiner – versucht mal etwas zu erkennen, was ein zehntel Millimeter groß ist! Und schweigsam werde ich schon allein deswegen, weil ich gar keine Funktion der Stimmenkommunikation besitze, ich kann mich realisieren, mich kann man nur durch einen Individuum hören, nur wenn ich mich in einem Menschen verkörpere. Aber dafür muss ich eine Frau- eneizelle treffen. Die Traumeizelle, dass ihre Gene leuchteten und schillerten genauso hell und bezaubernd wie meine! Was bitte Gutes kann aus einem mittelmäßigen Spermium und einer freud- losen Eizelle entstehen? Oder aus dem Spermium eines Pechvo- gels, dem sogar schwarze Katzen den Weg freigeben?... Ja, in mir kocht wahnsinnige Energie der Erblichkeit, weil ich etwas habe, was niemand aus diesem aufgeblasenen Menschen- publikum hat, weil ich einen unglaublichen Schatz besitze – mei- nen Genbestand. Ihr sagt – ha! – Jeder Mensch hat seinen eigenen Genbestand, jeder Student weiß es schon. Und ich antworte – ha- ha! Dieser Mensch hat einen einzigen, schon abgeschlossenen Genbestand. Manchmal ist dieser Bestand sogar ziemlich gelun- gen: wie zum Beispiel bei Einstein, Tschaikowski; meistens ist aber dieser Bestand ganz schön mittelmäßig, oft – offensichtlich 306
Mikhail Krasnyansky schändlichen Typen wie Hitler, Bin Laden. Und ich, Spermium, habe nicht so einen miserablen Genbestand für einen einzigen Menschen, ich habe eine Million davon, nein – eine Milliarde der Menschenvarianten! Wenn ein einfacher Mensch einfach ein Buch ist, so bin ich, Spermium, die Kongressbibliothek der USA; wenn ein Mensch ein Ölgemälde im Rahmen an der Wand ist, so bin ich der Louvre mit der Eremitage alles in allem! Aber was mich sehr beunruhigt, ist der unklare Status eures irdischen Lebens. Denn jeder von euch, Menschen, ist hier, auf dieser Welt nur auf der Durchreise. Euer Leben ist augenblick- lich, euer Tod ist endlos; hinter euch ist die Ewigkeit, in der ihr nicht gewesen seid, vor euch ist auch die Ewigkeit, in der es euch nicht mehr geben wird. Aber das alles nicht begriffen, hetzt ihr euch fruchtlos, eure Instinkte und Begierden, Wünsche und Am- bitionen befriedigend, ständig beweisend, dass ihr etwas wert seid und jemand euch braucht, ihr könnt nicht begreifen, wie erschre- ckend kurz euer Weg ist. Der Existenzkampf lässt euch keine Kraft mehr für den Kampf um den Traum. Kaum jemand von euch fragt sich: Wozu bin ich geboren? Wofür leben wir? Was können wir erleben? Was ist eigentlich Glück? Wohin verschwin- det die Liebe? Ihr, Menschen, sagt euch selbst: „Der Wald ist nützlich für uns, wir brauchen Bäume für die Gesundheit, wir brauchen Holz für unsere Anliegen“; „Wir brauchen Meere und Fische, in den Meeren werden wir schwimmen, Fische werden wir essen“. Und Wälder, Meere, Tiere und Fische brauchen kei- nen Menschen. Zu meinem Bedauern, da ich ein Träger vom menschlichen Genbestand bin, braucht euch, Menschen, niemand. Alles in dieser Welt kann ohne euch, ohne Leute, wunderbar aus- kommen. Im Endeffekt ist die Geschichte fast von jedem von euch eine Geschichte darüber, wie alles in uns und um uns herum sich abnutzt, verkohlt, sich in der Ewigkeit auflöst; am Ende wärmt ihr euch nur am Feuer, in dem eure Träume erlöschen. Je- des Mal stellt sich fest, dass ihr nicht bemerkt wurden, dass nie- 307
Mikhail Krasnyansky mand euch, Menschen, gebraucht hat, dass die Zeit euch nicht angefordert hat; vielleicht gab es eure Zeit überhaupt nicht. teilweise ein Schlaglicht auf das Problem der menschlichen 25 Tausend der aktiven Gene aus der Gesamtzahl in etwa andert- halb Millionen; die restlichen Gene (und das sind 98%!) sind in- aktive, so genannte „schweigende Gene“, die sich nie beweisen. Aber ich weiß ja, dass sie in der Wirklichkeit die Gene der menschlichen Seele sind. In diesen angeblich „schweigenden Ge- nen“ ist die Gottes Botschaft für jeden menschlichen Wesen ver- schlüsselt. Aber wie viele Leute können die Stimme des Schöp- fers in ihrer Seele hören, den Sinn Seiner Botschaft entschlüs- seln? Und ist so ein vom Gott hervorgehobener, nicht zahlreicher Mensch der Seele, umso mehr ein seltener Besonderer Mensch, vom Gott geküsst, einfach ausgedrückt ein Talent, fähig, in der Ziel zu erreichen, muss das Streben nach ihm stärker als der Selbsterhaltungstrieb sein! Ich bin mir sicher: die Existenz des Lebens auf der Erde kann man nur mit der Schöpfung des Meisters erklären, und nicht mit Wasserstoff und Sauerstoff im Weltall. Der Gott hat den Men- schen erschaffen und deshalb hat das Urheberrecht auf ihn. Aber hatte die Menschheit? Wenn die Erde vom Gott-Schöpfer erschaffen wur- de, dann sieht seine Baustelle heute ziemlich vernachlässigt aus: Millio- nen von verhungerten Kindern und Erwachsenen beim Überange- bot an Essen auf dem globalen Markt, dabei ist die Natur von der Viel- leicht lässt der Gott manchmal doch Fehler in seiner Arbeit zu? Vielleicht lehnt der Gott unsere Gebete ab? Oder ist es ein Streich 308
Mikhail Krasnyansky des Teufels, der einen Teil der „schweigenden Gene“ aus den Teilchen der unnatürlichen „dunklen Materie“ des Weiten Welt- alls hergestellt hat und sie in die DNA von den Diktatoren, Terro- risten und Finanzieren eingebaut hat? Oder – um Gottes Willen – es gibt gar keinen Gott, der Mensch hat sich Ihn ausgedacht, um unerklärbare Sachen zu erklären? Denn alles, was ihr, Menschen, als „Wahrheit“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit nur eine Grenze, wo eure bescheidenen Kenntnisse über das Weltall enden… Dafür habe ich so eine tolle Sache – ein gamma-Chromosom. Es ist sehr kurz und hat eine relativ kleine Zahl an Genen. Aber genau dieses gamma-Chromosom gibt bei der Befruchtung, im Unterschied zu den anderen Genen, die genetischen Marker in ihrer unveränderten Form an die Nachkommenschaft weiter; es lässt den Baum der Mutationen eines Menschen während der letz- ten hunderttausend Jahren nachvollziehen, es lässt das auch in den nächsten Tausenden Jahren machen. Das heißt, wir, Sper- mien, bewahren auf und tragen in uns die genetische Geschichte, das genetische Gedächtnis der Menschheit. Deswegen ist unser Strahl des unbegreiflichen Lichtes, wie ein unlösbarer Stern, der zielstrebig durch den unermesslichen verzogenen Raum – die Zeit fliegt. Deswegen bin ich, das Spermium, ein Brief aus der Ver- gangenheit in die Zukunft. Deswegen sind alle Ereignisse, die es gegeben hat, die es gibt und geben wird, gleich real für mich. Deswegen erinnere ich mich mit meinem genetischen Gedächtnis nicht nur an die Vergangenheit, sondern auch an die Zukunft, ich weiß eine wichtige Sache darüber: Die Zukunft wird von dem geleitet, der dazu fähig sein wird, sie zu bestimmen. Und dann könnt ihr, Menschen, endlich wieder hoffen: die Zukunft gehört euch, vielleicht nicht allen, aber denjenigen, die sie sich wahnsin- nig gewünscht haben; denn im Endeffekt sind die Leute unglück- lich, die Angst hatten zu riskieren, glücklich zu werden. 309
Nataliya Dotsenko 310
Victoria Levin DAS NEUE LEBEN Ruth wurde wie immer früh wach und begann schlaftrunken den neuen Tag zu planen. Als ihr Bewusstsein endgültig aus dem Schlaf erwacht war, füllte ein besonderes Gefühl der Aufregung und der aufsteigenden Emotionen, das den Decknamen „Schmet- terlinge im Bauch“ trug, ihren ganzen Körper. Die Schmetterlinge flatterten irgendwo tief in ihrem Wesen, einige erreichten sogar ihr Herz, drangen in ihr Gehirn durch und leuchteten da mit den bunten explosiven Springbrünnchen der Freude. „Heute, es passiert heute!“ – pochte es als Refrain in Ruths Kopf. Am Tag davor hatte sie sogar keine Schlaftablette genommen, was sie eigentlich nie gemacht hat, um auszuschlafen, um Kräfte zu sammeln, um allen Zweifeln und unnötigen Gedanken keinen Platz zu hinterlassen. Ein energischer Aufstieg – und hinkend zum Fenster gehen, es öffnen und eine freie Meeresbrise hereinlassen! Ruth atmete aus voller Brust ein und lachte: „Heute werde ich es sehen! Und nicht nur sehen…“ Das Telefon klingelte. „Wie ungelegen!“ – verzog sie ihr Gesicht… Mit der Außenwelt zu kontaktieren gehörte nicht zu Ruths Plänen. Die Zeit der Operation wurde festgelegt, alle Handlungen wurden geplant, sie wollte heute niemanden in ihr Leben reinlas- sen. Es fing vor mehreren Monaten an, als Dani, ihr treuer Univer- sitätsfreund, sie anrief und anfing sehr-sehr schnell per Videoan- ruf zu sprechen, vor Aufregung fast erstickend. Zuerst hatte sie sogar nicht verstanden, worum es ging. Dani arbeitete im Univer- sitätslabor und war der Leiter einer Gruppe der Entwickler von biologischen Methoden der Regeneration. 311
Victoria Levin – Sprich deutlich! Was heißt, ihr habt meine Stammzellen aus- gesucht? Wofür ausgesucht – für ein Experiment? Blödsinn! Ja, ich weiß, dass ich bei dir im Labor einmal an einem Test teilge- nommen habe. Es hat Spaß gemacht. Und dann hast du mich an- gerufen und gesagt, dass mein biologisches Material ein wahnsin- niges genetisches Gedächtnis besitzt! – Verzeih, verzeih, verzeih! – Plapperte dann Dani, man sah auf dem Bildschirm, wie nervös er war, man spürte sogar, wie seine Hände, sich miteinander verschränkten, schwitzten. – Ich verstehe, dass ich in deinen Freiraum eingreife. Natürlich kannst du es absagen. Aber warst du nicht diejenige im Kurs, die immer behauptete, dass dein Willen grenzenlos sei und du dir alles leis- ten könntest? Vielleicht nur, dass du nie eine Balletttänzerin in der Truppe der Wiener Staatsoper sein wirst. Erinnerst du dich an unseren Streit? Ich sagte damals zu dir, dass auch das möglich ist? Und ich versuche dir in der nächsten Zukunft zu beweisen, dass noch nicht alle unsere Möglichkeiten uns bewusst sind! Ja, Ruth konnte sich sowohl an den Tag, als auch an ihr Ge- spräch sehr gut erinnern. Sogar noch mehr: der Gedanke, dass kann, setzte sich tief in ihrem Kopf fest. Sie beschäftigte sich mit der Gentechnologie. Die Erforschung der Eigenschaften von Stammzellen hatte damals erst , Ideen zerstäubter Freund Dani, bekam ein perspektivisches Labor mit der ganzen nötigen Nano-Ausstattung an der Universität. Es war schon lange her. , schwaches und lahmes Bein mit der Hand. Es war ihr treu wie Gold. Aber es war Zeit, neu anzufangen. Mit einem neuen, star- ken und schönen Bein, das Dani aus ihrem Biomaterial in einer neuen Klinik im Zentrum des Landes gezüchtet hatte. „Heute, es passiert heute!“ – Sang alles um Ruth herum und die Schmetterlinge flatterten im Bauch. 312
Victoria Levin Das Telefon klingelte erneut und unterbrach den Strom ihrer Erinnerungen. – Hello! – Fast schreiend antwortete Ruth. Man hatte sie aus der Klinik angerufen und gefragt, wie es ihr ging und ob sie für die Operation bereit war. Eine komplizierte Operation stand ihr bevor. Und logischerweise sollte sie sich ei- gentlich schon lange in der Klinik befinden. Sie sollte eine ent- spannende Vorbereitung haben, sich auf den mehrstündigen Ein- griff in ihren „Freiraum“ vorbereiten. Die Operation begann in fünf Stunden. Es war Zeit loszufahren. Richtung neues Leben zu fahren. Ruth dachte damals nicht daran, dass sie ein Teilchen von sich selbst verriet. Sie hatte vor, ihr „Problembein“ durch ein neues und schwachen Bein wie ein Ei dem anderen glich. Ruth kam manchmal in die Klinik und beobachtete, wie ihre neue gesunde Gliedmaße aus ihren eigenen Stammzellen gezüch- tet wurde. Das Bein wuchs, formte sich, nahm feste Umrisse an, die ihr bis ins Detail bekannt waren. Die gleiche Form der Zehen- nägel, die gleiche Fußsohle, das gleiche Knie. Der lahme Proto- typ, der irgendwann von einer ihn verstümmelnden Kinderkrank- heit geschwächt wurde, zog sich argwöhnisch und sich schämend zusammen, er schien sogar leise und stumm zu winseln… Aber dank diesem physisch unvollkommenen Bein war Ruth so, wie sie war: willensstark, stur, zielstrebig! . Das Licht der in die Zierleisten eingebauten Spots, die sich hier und da den ganzen Flur, der in den OP-Raum führte, entlang be- fanden, ließ mich die Augen zumachen. Die Stimmen klangen immer gedämpfter, bis sie zu einem einzigen undeutlichen Dröh- nen wurden, dann verschwanden sie komplett… Der Chirurg-Orthopäde war eine eingeladene Koryphäe aus den USA. Diese „Leuchte“ bat, ihr den Schweiß von ihrer Stirn zu trocknen. Was für eine Hitze in diesem Land, trotz Klimaanla- gen! Andererseits war alles in Ordnung. Ein künstliches Bein war 313
Victoria Levin wie ein anderes Bein, nichts Besonderes. Die vor ihm auf dem Operationstisch liegende junge Frau in der tiefen Anästhesie war wie eine andere einfache Frau in der tiefen Anästhesie. In einer hinteren Ecke neben dem Kühlraum mit einem großen durchsichtigen Fenster, wo das künstliche Bein, für die Operation vorbereitet, lag, stand der blasse Dani, der dieses Bein zuerst in seinem Kopf und dann in seinem Labor mit Hilfe von seiner Aus- stattung geschaffen hatte, und fast starb vor Angst. Die chirurgische Kryo-Ausrüstung bewies alle ihre exzellenten Charakteristika, die Systeme der Zirkulation von lebenswichtigen Systemen der Blutzufuhr und der Reinigung funktionierten wie geschmiert. Obwohl die Arbeit mehrere Stunden dauerte und ein wenig „unkonventionell“ war. Alles lief nach Plan. Im Laufe der 6. Stunde trocknete die Operationsschwester den Schweiß von seufzte und sagte: – Basta! Was sagst du: Wiener Ballett? – Er lachte kurz und ging in den postoperativen Raum seine Handschuhe und den Kit- tel auszuziehen. Ruth blieb eine Weile unter dem starken Licht der Operations- soffittenlampen liegen, regeneriert, neu geboren, nackt wie Eva, mit dem Weiß bedeckt. Die Lebenserhaltungssysteme passten auf. Cannabis wurde schon in das Blut eingeführt. Dani saß gekrümmt im Flur, weder lebendig, noch tot. – Du sagst Wiener Ballett? – Die Stimme des Chirurgen poch- te in seinem Gehirn. Zuerst waren alle Umrisse verschwommen, sie drehten sich immer schneller, bis sie Ruth in einen tiefen und stummen Töne die stumme Watteblockade durchzubrechen. Sie hat ange- fangen Wände, einen weißen Kittel der Krankenschwester, Danis Gesicht zu erkennen. Sie hatte Durst. – Trinken! – bat Ruth kaum hörbar. Dani sprang auf und schrie aus vollem Hals, so dass die ganze Abteilung ihn hören konnte: 314
Victoria Levin – Sie will trinken! Hurra, sie will trinken! Nach mehreren Schlucken erhellte sich ihr Gehirn und Ruth fragte: – Wie ist es gelaufen? – Prima, alles ist gut gelaufen! – Wo ist sie? – Wer ist sie? – Dani hatte es zuerst nicht verstanden. – Meine lahme Freundin. Dani schaute Ruth komisch an und sagte leise: Ge- schichte, für die Erfahrung. Für die weitere Vervollkommnung der Technologie der Renovierung. Du kannst sie aber besuchen, – fügte er ziemlich unpassend hinzu. Ruth lächelte zum ersten Mal: – Ja, wir werden sie zusammen besuchen, wenn ich nach den Gastspielen zurück sein werde! – Die Wände der Klinik haben schon lange so eine Explosion vom Lachen solcher Kraft nicht gehört! Dann bat Ruth darum, sie alleine zu lassen und rief nach der Krankenschwester. – Heben Sie die Decke hoch! – sagte sie und bewunderte ihre Tapferkeit. Der neue Transplantat lag auf dem Bett wie ein Baumstamm: bis zu den riesigen Größen aufgeblasen, unbeweglich, unerträg- lich schmerzend. Ruth spürte keine Verwandtschaft mit ihm. Sie begann leise zu weinen und bat um ein Schmerzmittel. Dann fiel sie wieder in einen Trichter hinein. . Zuerst schmerzte das Transplantat qualvoll, dann wollte es sich nicht mal für ein Grad beugen. Dann kam bei ihr die „Leuchte“ vor dem Abflug in die USA vorbei: 315
Victoria Levin – Na, Balletttänzerin der Wiener Oper oder Meerjungfrau oder wie auch immer! Das wollte ich dir sagen: du hast ein Schwein gehabt! Jeden Tag spürte Ruth ihre Erneuerung immer mehr und mehr. Hier konnte sie sich ohne fremde Hilfe in den Rollstuhl abrut- schen und ins Esszimmer fahren. Hier konnte sie mit Hilfe von Krücken vorsichtig aufstehen und sich im Zimmer langsam bewe- gen. Hier war sie im Fitnessraum und erhöhte die Belastung ihres neuen, jeden Tag immer gehorsameren Beines. Ruth begann es zu spüren – und das war so ein Glück! Stark, vollendet, bereit für die Spitzenschuhe und hohe Absätze, bereit, treu wie Gold für sie zu sein! Nur manchmal nachts erinnert sie sich an das Bein, welches ihr die Kräfte zum Überleben gegeben hatte, um stur und unab- hängig zu sein… Sie streicht in ihren Gedanken ihr schwaches Knie und dünne Muskeln des von ihr verratenen Beines: – Verzeihe mir! – flüstert Ruth dann. Morgens springt sie munter aus dem Bett und öffnet das Fens- ter mit einem Ruck einer frischen Meeresbrise entgegen! 316
317 Andrea Trubnikow
Vera Sytnik DAS MONDKANINCHEN Sich auf eine Brüstung aufgestützt, beobachteten die Eheleute, wie der Mond über dem Meer aufging. Sie waren sehr alt, ihre krummen Rücken deuteten auf das hohe Alter. Die Uferpromena- de voller Leute rauschte neben ihnen. Als ob alle Einwohner von Yantai sich hier versammelt hatten! Die Chinesen bewegten sich, redeten und schauten in den Himmel, die Aussicht der über dem Meer aufgehenden Schönheit genossen. Die alten Leute bemerk- ten niemanden. Der aufgehende Mond fesselte komplett ihre Auf- merksamkeit. Den Blick nach oben gerichtet haben sie wie frü- her, mehrmals in ihrem langen Leben, versucht das Mondkanin- chen am Himmel zu erkennen, als ob sie sich vergewissern woll- ten, dass es an seinem Platz ist und wie vor zehn, vor dreißig Jah- ren den Reis in einem Mörser zermahlt, ein Rezept der Unsterb- lichkeit erfindend. Ich dachte, dass die alten Leute diesen Abend, der mit dem chinesischen Fest der Herbstmitte zusammenfällt und nur einmal im Jahr vorkommt, wenn der Mond besonders schön ist, mindes- tens achtzig Mal miterlebt hatten. Sie mochten diese alte Traditi- on – den Mond zu bewundern, sonst würden sie nicht zu dieser späten Stunde hierher kommen und darauf warten, bis er über dem stillen Golf von Bohai des Gelben Meeres aufgeht und einen goldenen Weg auf dem Wasser hinterlässt. Hände gehalten, setz- ten sie sich an den Platz, wo man unten, unter der Brüstung fun- kelnde gelbe Lichtstellen tanzend sah. Ins Licht des Mondes ge- langt, freuten sich die beiden. Mit Falten besäte runzelige Gesich- ter leuchteten für einen kurzen Moment mit dem glücklichen Lä- cheln auf und wurden dann wieder traurig. Über Jahre ist es für die alten Leute wahrscheinlich schwieri- ger geworden, das Figürchen eines Zauberers mit langen Ohren zu schwimmt, als ob jemand den Nebel extra herablässt, und deswe- 318
Vera Sytnik gen muss man sich die Augen reiben. Aber auch durch den Nebel sieht das Ehepaar: das Kaninchen ist an seinem Platz. Die Frau mehrmals in der Kindheit gesagt hat, dass der am Tag davor ge- backene Lebkuchen – runder, gelber, mit süßer Fruchtfüllung – aus dem Mehl gemacht wird, das auf dem Boden des Mondmör- sers liegt und dann eine Zauberkraft hat – er schenkt einen Trop- fen der Unsterblichkeit jedem, der ihn probiert. Wahrscheinlich bekamen die Kinder in ihren armen Familien nur ein Stückchen davon, nicht größer als eine Münze, aber es war genug, um an diese zauberhafte Kraft des himmlischen Lebkuchens zu glauben, so unwahrhaftig lecker war dieses Stück. Man hat auf ihn das ganze Jahr gewartet, um an das Ewige zu denken und mit der Si- cherheit eigener Kräfte satt zu werden. Ich sehe die ausgetrockneten dunklen Gesichter der alten Leu- te von der Seite an, ihre einfache Kleidung, die aus den Hosen und Hemden besteht, ihre ganze bescheidene Gestalt und versu- che zu verstehen, woran sie denken. Sie haben ein langes Arbeits- leben hinter sich und erinnern sich an die Zeiten, als das Fest ver- boten war. Die Lebkuchen wurden nicht verboten. Aber das Ka- ninchen blieb doch an seinem Platz! Er mahlte sein Mehl und – ich beschäftige mich mit einer einfachen Tätigkeit, koche ein zauberhaftes Heilmittel, alles geht seinen gewohnten Gang. Die alten Leute wissen, dass es bis jetzt noch kein Rezept der Un- sterblichkeit erfunden hat, ist es aber so wichtig? Die Kinder sind erwachsen und sogar die Enkelkinder haben Kinder bekommen – ist es vielleicht die Unsterblichkeit? Für sie persönlich ist nur die- ser nimmt und unter ihren Füßen endet. Jedes Jahr wird er immer kürzer. Die Dunkelheit um sie herum wird schnell dichter. Das Licht um den Mond wird heller, er verwandelt sich in einen herrschen- den Besitzer der Nacht. Einen Kaiser! Die Untertanen sind hier, 319
Vera Sytnik unten, sie schauen ihn begeistert an, einen Wunder erwartet. Was für einen Wunder? Niemand weiß es, aber sie warten trotzdem, ihre Blicke mit der Hoffnung in den Himmel gerichtet. Laut den Gesichtern des Ehepaares ist ihre Begeisterung schon längst vor- bei, die irgendwann gebebten Gefühle haben sich wieder beru- higt, die Ruhe in den Seelen gelassen, und die Ansicht des Mond- weges jagt keine Angst mehr ein. Als ob man sich jetzt daran er- innern kann, wie viele Lebkuchen gegessen wurden. Und wie vie- le gebacken? Ich sehe, wie ein Mann, ein Chinese in den Shorts und einem weißen T-Shirt, wahrscheinlich ihr Sohn, auf die alten Leuten mit zwei Decken in der Hand zukommt. Die Schulter der Eltern zuge- deckt, den Ufer entlang geparkt sind. Die Fenster des Autos sind geöffnet, in ihnen flimmern Gesichter, Lächeln, Hände. Ich denke plötzlich an Daoshi, die glaubten, dass man dann unsterblich ist, wenn über ihn gute Worte gesagt werden. Wegen des alten Ehepaares bin ich mir sicher. Das Kaninchen hat sie nicht belogen. DER MALER Abends lässt die Hitze nach. Die Bewohner der nahe liegenden Häuser, wie runterlaufende Bäche, strömen die Bürgersteige ent- lang zur Stadtpromenade, wo es in dieser Zeit besonders kühl ist, um hier zur Musik zu tanzen. Viele bringen ihre Tonbandgeräte mit. Einige turnen, auch zur Musik, andere gehen einfach spazie- ren. Es gibt keinen einzigen Stern am Himmel. In der dunklen Ferne fließt er mit dem Meer zusammen, in dem die kleinen Lich- ter der schwimmenden Fischerhäuser leuchten, immer an der gleichen Stelle, und der Leuchtturm auf einer fernen Insel blinzelt mit dem blauen Auge. Der Vollmond scheint, einen gelben, am Wasser flimmernden Weg beleuchtend, der Springbrunnen tanzt, der leisen Musik folgend, die hohen Laternen leuchten, mit der hochnäsigen Himmelschönheit wetteifernd, in der Luft riecht es 320
Vera Sytnik nach Fisch. Die Atmosphäre ist mit dem Warten auf die Nacht und dem Gefühl der langersehnten Ruhe durchgedrungen. Manchmal kommt ein älterer Chinese hierher, der die Auf- merksamkeit auf sich zieht, nicht nur weil er ein weißes nationa- les Seidenkostüm trägt, was sich schon von dem verschiedenarti- gen Publikum abhebt, sondern auch weil er einen riesigen weißen Hand, in der anderen hat er einen gelben Zerstäuber. Der Mann bleibt unter der Laterne, nicht weit vom Springbrunnen entfernt, wo die Spritzer ihn nicht erreichen, stehen, lehnt den Pinsel an die Laterne an, legt den Zerstäuber auf den Boden, macht ein paar geschmeidige Bewegungen aus Taijiquan zum Aufwärmen und Mit dem Wasser aus dem Zerstäuber auf das Haarbündel sei- nes Werkzeuges gespritzt, nimmt er den Pinsel in die rechte Hand vor sich, die linke Hand versteckt er hinter dem Rücken und be- ginnt die Schriftzeichen zu schreiben. Von oben nach unten, je- weils eins in jedem Quadrat der Promenade, in dem Teil, wo das Licht von der Laterne fällt. Bald versammelt sich eine ganze Menschenmenge um ihn herum. Die Leute stehen, mit Bewunde- rung betrachtend, wie flink er den Pinsel bewegt, ihre Lippen be- wegen sich lautlos, als ob sie versuchen das Geschriebene zu le- sen. Mal gleitet der Pinsel, die Oberfläche des Granits kaum be- rührt, mal bleibt er stehen, sich als ein Fächer auf ihm ausge- streckt; plötzlich hebt er sich mit so einer hastigen Bewegung ab, dass man ihn für einen Moment aus dem Blick verliert und er- leichtert seufzt, wenn er mit weniger Virtuosität nach unten sinkt, genau auf die Stelle, woher er gerade eben hochgeflogen ist. Dem Granit folgend, wartet man ungeduldig, wenn sie zum Leben er- wachen, kurz mit ihren rundlichen Konturen geleuchtet, und dann sofort austrocknen, ohne Spuren zu hinterlassen. In dem Moment, , ver- schwindet die erste fast komplett. 321
Vera Sytnik Ein komisches faszinierendes Bild! Der schwarze Himmel, der gelbe Mond, das orange Licht der Laterne, der Maler in der wei- ßen Kleidung und mit dem weißen Pinsel in der Hand und diese nassen Schriftzeichen, die für wenige Minuten durch die Graue des Granits durchtreten und sofort in ihm verschwinden, von al- len Seiten von der Trockenheit des Steins zusammengedrückt. Gerade eben war er voller Expression ihrer komplizierten Linien, man konnte lesen: „Pass auf deine Gedanken auf – sie sind der Anfang deiner Handlungen“, gerade eben hat jemand leise ge- sagt: „ das Steingrau, als ob nichts gewesen ist! Plötzlich wieder ein rascher Schriftzeichen verfinstert sich nass unter unseren Füßen. Jedes Mal, wenn ich die Gelegenheit habe, den Maler zu se- hen, denke ich nicht an die Endlichkeit unserer Welt, woran uns daran, wie schön dieser lange kühle Abend am Ufer des warmen Gelben Meeres ist. Und an diesen Meister, der den Prozess des Schreibens in eine atemberaubende Show verwandelt, und an sei- nen künstlerischen Pinsel, der das Wasser zu dem gleichgültigen Stein behutsam trägt, und an jeden neuen Schriftzeichen, der ei- nen Seufzer des Erstaunens bei den Zuschauern erzeugt. IM NEBEL Bergspitzen erkennen, die mit der Laune der ewigen Ruhe ausge- glichen sind, ein leichter Dunst in Form von zerfetzten Wolken wirbelt über dem Meer, ein Streifen des Meeressandes am Ufer wird immer größer – die Ebbe beginnt. Eine Menge der Fischer- boote, die massenhaft am Ufer zerstreut wurden, zeichnen sich mit ihren abgearbeiteten Seiten zwischen dem zurückweichenden 322
Vera Sytnik Wasser und dem Ufer schwarz ab, sie warten auf den Morgen, wenn die volle Flut sie vom Sand abhebt und sie stechen in See zum Fischen. Jetzt sind die Boote an die kleinen Pflöcke, die im ihnen auf dem gleichen Ort zu bleiben, das rettet sie davon, ins Meer weggeschleppt zu werden. Einige Fischer, sich stark ge- beugt, gehen mit den Eimern in der Hand dem Wasser hinterher, sie sammeln den örtlichen Leckerbissen – die Muscheln zwischen glatten Steinen an der Anlegestelle… Da, hinter dem Nebel, hinter dieser Bucht ist mein Land. Ge- nauer gesagt, mehrere Länder, in einem wurde ich geboren, da wurden meine Eltern begraben. Im anderen habe ich gelernt, an der Militäruniversität studiert. Im dritten habe ich eine Frau ge- heiratet, die für mich zu einer treuen Begleiterin geworden ist, aus dem vierten bin ich nach Afghanistan geflogen, im fünften wurden unsere Kinder geboren. Im sechsten sind die Eltern mei- ner Frau begraben und im siebten wohnen meine Kameraden, mit denen zusammen ich irgendwann alle diese Länder geschützt ha- be, damals mit einer gemeinsamen Flagge umgeweht, an der öst- lichen Grenze gedient. Ich habe sie vor diesen Leuten geschützt, unter denen ich mich jetzt befinde, mit dem Willen des Schick- sals auf das gegenseitige Territorium geworfen. In einem der Länder ist mein Freund geblieben, der mich aus dem brennenden Schützenpanzer herausgeholt hat, im anderen Land ist der, der seine Jacke von den Schultern heruntergenom- men hat und mir zugeworfen, als ich zu meinem ersten Date mit einer Freundin ging. In ein weiteres Land ist mein nach der Kün- digung zum Trinker gewordener Freund umgezogen, dem meine Frau und ich unsere Rücklagen gegeben haben, damit er seine Familie aus dem Land ausführen konnte, in dem der Zerfall der Union uns erwischt hat. In jedem der fünfzehn jungen selbststän- digen Staaten, die früher eine riesige Macht gewesen sind, woh- nen die mir nahen Leute. Wir alle sind immer noch durch die un- sichtbaren Fäden unserer Schicksale verbunden, diese unsichtba- ren Fäden lassen uns nicht denken, dass wir entfremdet sind. 323
Vera Sytnik Nur… Nur ich rede immer weniger über die Vergangenheit, weil meine Frau alles schon weiß, meine Kinder nicht daran glauben, sie sagen, ich romantisiere die sowjetische Zeit zu sehr, die Chi- nesen es nicht verstehen, da sie immer noch überzeugt sind, dass die Ukraine, Kasachstan, Weißrussland, Estland zu Russland ge- hören, und mehr habe ich keinen, dem ich das erzählen könnte. Ich betrachte den weißen Höhenrauch vor mir genau und denke: welches dieser Länder ist jetzt meins? Wo ist mein Haus?.. Der dicke Nebel versteckt alles vor mir… 324
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Gero La Vecchia AI MIEI FIGLI Se ti capita di avermi tra i pensieri seleziona e lasciali andare. Se ti accorgi di non avermi tra i pensieri fermati e cercami. Se ti capita di non trovarmi tra i pensieri girati probabilmente hai sbagliato direzione. PASQUA 2016 Dietro gli occhi illacrimati di madre dietro il dolore urlante di crocifisso dietro lo strazio muto di figli. Un lenzuolo bianco. Accecantemente candido da guardare con gli occhi serrati che non riescono a vedere altro che sangue. Aspettiamo la Pasqua. Nella speranza di poterla vivere. Insieme. 326
Gero La Vecchia FIORE DI MANDORLO E FOGLIA DI VITE In questa terra benedetta tanti i profumi e tanti i colori. Ma … come capita nella ruota del tempo, le cose belle, spesso, non si incontrano mai. Fiore di mandorlo e foglia di vite restano, tra loro, sconosciuti. È il destino di questa nostra terra. E il desiderio scende giù all’imbrunire … IL MERLO Voglio trascorrere alcuni mesi in campagna. Mi piace sentire il rumore continuo della strada vicina. Mi piace godere dei momenti di vuoto riempiti dalle eterne cicale. Questa quiete inquieta mi appartiene. Come il miracolo del merlo che ogni mattina, da anni, fa filtrare dalla zanzariera il suo canto. Io lo aspetto. 327
Gero La Vecchia EFFETTO TYNDALL Dal vetro pulito una finestra sbagliata. Si mescola luce e polvere nell’effetto tyndall tra le linee regolari della persiana. Dal fastidio immediato un pensiero mediato che si fa luce. Il punto di osservazione. COME UNA PARMIGIANA Il cuore a strati in mezzo tanto rosso e bianco. Se dovesse mancare la speranza ci limiteremmo a consumare. Per vivere ma non per amare. ANGURIA Vorrei essere sereno. Tranquillo e colorato. Ancora estivo. Ma quando, morso dopo morso, disseti la tua voglia cromatica, senti il bisogno di sputare i semi. E questo mi inquieta. 328
Gero La Vecchia IL CIELO DI MAKHAČKALA Il canto degli aironi si confonde con il rumore delle onde sgualcite del Caspio. La sera arriva con i colori forti e decisi di questa terra spigolosa e sofferta: l’incanto del cielo di Makhačkala è nei miei occhi, e il rapido e mutevole gioco dei colori rinnova l’anima come in un caleidoscopio. DAGHESTAN Per queste strade straniere per queste montagne lontane per questo risalire verso il cielo per queste gru cariche di dolore per tutti coloro che hanno pianto in silenzio per chi ha dato la sua vita in questa terra per tutti quelli che, in questa terra, credono nell’amore. Amore ricambiato ma sofferto, ma mai negato. Amore inchiodato tra queste strade straniere tra queste montagne lontane tra questo risalire verso il cielo tra queste gru cariche di dolore tra tutti coloro che hanno pianto in silenzio tra chi ha dato la sua vita in questa terra tra tutti quelli che, in questa terra, ci credono. Come me. Straniero ma innamorato. 329
Gero La Vecchia IL RESPIRO DI RASUL Il tempo si rinnova. Il respiro di Rasul innalza le verdi zolle, ancora piene di sudore, e le avvicina al cielo. Quando le mani, nodose e lisce, accarezzano le nuvole le sue parole dipingono le montagne di amore puro. È il respiro di Rasul la linfa vitale di questa terra, la forza di un popolo sempre alla ricerca di una identità molteplice. Nel respiro* di Rasul lo specchio di una umanità mai tradita dal suo figlio. * sicuramente, il respiro Rasul equivale a un soffio “dello spirito santo: respiro stesso di Dio Geova (Yhwh) che fa e crea. 330
Gero La Vecchia GUNIB* Da quassù l’odore della madre terra e il buon sapore di dolce Kefir: ne bevo a due mani nella tazza di terracotta con gli occhi all’azzurro. Il silenzio delle foglie viene dalle cime resinose e scivola giù disperdendosi tra le argille sbiancate al sole. Mi nutro della storia millenaria conservata, immutata, da questa gente. Qui non c’è il tempo … la “musica” della lingua àvara**, così “ruvida” ma così “calda”, accompagna i miei pensieri verso la luce del mattino. Da quassù. Dove è sempre mattino. * Gunib – “mucchio di pietre”. La fortezza naturale di Gunib è l'ultima roccaforte dell'Imam Shamil; fu presa dalle truppe russe il 25 agosto 1859. ** la lingua Avar (letteralmente: la lingua di montagna) – è una lingua del gruppo Avaro-Andino della famiglia delle lingue Nahsko-Daghe- stan. La base della lingua Avar letteraria è la lingua Bolmatsl (“lingua . Il nome “Daghestan” è noto dal secolo XVII e significa “paese di montagna”, che vale solo in senso storico, perché con l'inclusione di pianure di Kizlyar e di steppe di Nogai come una parte del Dagestan ASSR (ora Repubblica del Daghestan) le montagne rappresentano solo il 56 % della sua intera superficie. 331
Gero La Vecchia TEMPO DI CICLAMINI È primavera. Uno sputo da una finestra arriva in terra. È il suo destino. Come il ciclamino che dalla finestra arriva verso l’orizzonte. Ma è solo prospettiva. OMAGGIO A UNGARETTI Non ho voglia di tuffarmi in un gomitolo di pensieri ... Muto. Me ne starei a bocca serrata. Se servisse a far tacere ogni cosa. Intanto mi augurano buona notte. 332
333 Laura Kimonte
Tatiana Kaiser INVIDIA Un raggio luminoso, non fermato dalla tenda, fece scattare gli occhi e spaventò il sonno. Non c'era una transizione confortevole dal sonno alla realtà. L'irritazione abituale era già sorvegliata dal capezzale. Spruzzi solari si rifletevano in specchi e pendenti di cristallo delle lampade, maliziosamente spargendosi su lastre di marmo fi- nemente rivestite, che non erano ancora ingombrate da innumere- voli opere d'arte. Di tutti gli abitanti della città di sentimenti ed emozioni che co- nosciamo, solo la Invidia possedeva una villa così lussuosa, piena di un numero impensabile di desideri incarnati. Tutte le cose strane che apparivano lì le portavano solo una bre- ve soddisfazione, che fu immediatamente sostituita da un desiderio avido di ottenere qualcos'altro. Una vespa attratta dall'odore speziato di mazzi squisiti entrata per caso nella sala, l’infastidiva con il ronzio. Come se volutamen- te dal parco via finestre aperte le echeggiasse il cinguettio del to- saerba, spaventando il solito gracidare di rospi che infastidivano volentieri. In breve, il giorno non è che andava bene. La carnagione ver- dastra pallida, il filo sempre stretto delle labbra sembravano più vincenti in un tempo nuvoloso e cupo. Il malcontento è stato uno degli stati d’animo comuni della Invidia per più di mille anni. Non che l'età abbia avuto un impatto – in questo momento la Invidia è richiesta e rilevante. Poche persone potrebbero vantare così tanti fan. Lucifero è stato la sua prima vittima. Ben presto fu seguito da un moretto dai capelli neri con uno sguardo scortese di occhi in- vidiosi: Caino, che riteneva che il suo sacrificio non fosse stato apprezzato tanto quanto meritava, e così tanto invidiò il suo fratel- 334
Tatiana Kaiser lo bonario Abel, che oltrepassò il confine dell'Accordo con Dio, diventando il primo fratricida. Bene, il resto è andato uno dopo l’altro. Ad esempio, i fratelli hanno venduto in schiavitù Giusep- pe. Salieri, si dice, non ha perdonato a Mozart il suo genio. Una galassia di persone coronate e non solo, per l`invidia hanno com- messo omicidi di parenti, per impadronirsi del trono. Dopo aver scavato nella memoria, possiamo estrarre molti ricordi quando, invidiando, le persone facevano iniquità, principalmente in relazi- one alle loro anime immortali. L'Invidia amava considerarsi parte integrante della natura um- ana, uno dei sentimenti ricercati. Lei e il suo seguito, composto da Odio, Tradimento, Intrighi, Rimpianti per il bene altrui, Irri- tazioni e Scoraggiamenti, stavano riempendo i cuori e le anime delle persone per secoli. E si è scoperto che tutte le persone sono soggette a questo peccato in un modo o nell'altro. Dopotutto, solo una con qualcuno: i suoi successi – coi successi degli altri, i suoi meriti – con i meriti di altre persone. E il resto ha sempre un certo numero di bisogni che sono difficili da soddisfare, o ambizioni che soffro- no la superiorità di qualcun altro. Subito si affretta ad aiutare l'Egoismo, persuadendo che i suoi errori e le sue carenze non so- no stati causati dalla propria debolezza e pigrizia, ma dall'ingi- ustizia del destino, che invece per qualche motivo ha favorito gli altri. Forse è per questo che l'Invidia insidiosa vive a lungo, perché si nutre troppo delle energie delle emozioni inesauribili dei suoi reparti, riducendo il tempo di permanenza misurato nella loro vi- ta, e molti rimangono per sempre all'oscuro. E lei assapora le sen- sazioni che si riempiono continuamente. Abbondano: qualcuno soffre l'invidia per il talento del dotato, qualcuno soffre il dolore per il benessere di chi ha il successo, qualcuno si sente appesanti- to dai complessi eccessivi, invidia la facilità degli altri, qualcuno pervaso da un'ondata di invidia per la bellezza o per una relazione armoniosa, e qualcuno diventa cieco per la gioia di persone felici, aè 335
Tatiana Kaiser insaziabile e onnivora. Diciamo che per lei, la solita sensazione invidiosa in qualche pubblicazione di successo è qualcosa come O nutriti dalla pubblicità televisiva i desideri invidiosi dei prodot- ti imposti – tradizionali come una tazza indispensabile di caffè del mattino. Il cibo abbastanza magro è il solito sentimento in- vidioso per il benessere di un vicino, un nemico. Tuttavia, all'Invidia piaceva tanto la prelibatezza squisita di ammirazione negli altri, o di indignare con discorsi fiduciosi la del provocare alcune ragazze invidiose di voler avere come lei una figura slanciata, ma preferisce portare alla bulimia le sue colleghe di lavoro – che raffinatezza! – come lo stradivario sapo- re pungente dello zenzero al cioccolato. O per esempio un politi- co, ispirato da un voto saltato, fa causare un infarto acuto per l`invidia in un avversario che finora aveva il successo, inciampato su alcune riforme. A tali persone l`Invidia nutriva una particolare debolezza tremante. Questi portavano momenti d’agitazione desi- derata nella sua vita. A priori, la gioia o la festa mancavano alla sua natura. 336
337 Natalia Shchemelinina-Maier
Lilia Velichko *** La mia terra – non sei né una provincia, né un angolino, Per me sei l’inizio delle strade terrestri, Il centro dell'Universo, e la sorgente di tutto ciò, Che ogni ora e giorno imparavo. Me, come un uccello, nutrito dalla tua mano, Mi hai lasciato andare per le vastità del mondo. Ma io e te siamo ancora assieme, Mi trovo ancora bene qui e a mio agio. Oh, Belarus! La sorgente delle mie poesie! Non avendomi persa nei sogni d'oltremare, Mantengo la fede e la lingua Dei miei antenati e delle generazioni precedenti. Tu per me non sei né una provincia, né un angolino – Io e te abbiamo un flusso sanguigno in comune. 338
Lilia Velichko *** Si seppelliva un peccatore – mendicante vagabondo. Hanno messo accanto una strappata sermyaga*. Della sua vita sfrenata sono rimaste solo due monete, E gli invidiano solamente i poeti … Per la felicità terrena non lottava, Il padrone di sé stesso, lo schiavo e il faraone. Era in questo mondo custodito come un angelo. Il cielo piangeva sopra di lui con una pioggia estiva. Non ha mangiato abbastanza e non ha dormito al caldo. E pregava il sole, la foresta e la terra. Era gentile, non beveva troppo. Ha vissuto abbastanza onestamente, ma per quanto possibile. Ha scelto la libertà. Era felice? No. Ma la felicità dei ricchi anche è solo un bluff. Seppellivano il peccatore ... Non era un santo. Ma perchè gli angeli piangevano su di lui? * un panno grezzo e non verniciato, così come un caftano da esso. 339
Lilia Velichko TIMEO DANAOS ET DONA FERENTES* Temete i danaos che portano dei doni: Morivano a centinaia sia Elene, sia le città e nazioni, Il caffè è buono, ma il veleno è reale – Adesso sembra che sono troppo pallide queste tre persone strane. Risate in legno e gesti taglienti, Da qualche parte nelle pupille si nasconde l`impazienza. Sono troppo gentili, mentre non è il caso esserne lì, Dove si commette il loro crimine. Temete i danaos, che portano dei doni! Se non credete in sé stessi – Vi regaleranno un pugnale brillante, portatore della morte mortale, O vi ammazzeranno con altri doni … Morivano a centinaia sia Elene, sia le città e nazioni, Invece i poeti neanche li contiamo o ricordiamo … Di chi siete i messaggeri, tre persone strane? Dove custodite la coscienza sterile? Di nuovo i danaos, di nuovo con i doni … * una frase alata latina che si trova per la prima volta nel poema di rappresentino un potenziale pericolo per chi riceve questo dono. 340
Lilia Velichko *** Scarlatto – bianco. Bianco – scarlatto. Una maschera nera sui geroglifici del giorno … Insegnatemi, giapponesi, A non perdere ciò che è piccolo dietro i giganti. Sakura, neve e tratti di penna sanguinanti Sopra l'orizzonte sono segni di spada. Piccoli grani di meli futuri Cadono nel terreno sotto il cuore del torrente … Bianco – scarlatto. Scarlatto – bianco. Ombre leggere dell'erba di ieri. Solo e tardivo Un uccello vicino al bordo dell'acqua silenziosa. Colori mescolati, e la notte senza luna Una mano verserà delle impressioni sulla seta. Al bianco liscio pazzo dell’incolore I sentimenti sbocceranno con il rossore delle guance. Scarlatto – bianco. Bianco – scarlatto. Una maschera nera sui geroglifici del giorno … Insegnatemi, giapponesi, A non perdere ciò che è piccolo dietro i giganti. 341
Lilia Velichko *** Dove vivevano le farfalle un tempo – Asfalto e polvere. E sotto le ruote di una “Fiat” – Fogliame: spazzatura … Dove c’era il cinguettio e il volo degli uccelli – Seicento piedi. Non c’è nessun santo qui, nessun vandalo – Ognuno è solo. Coralli spenti da tanto tempo – Son queste case. Si è perso ciò che c`era, – Di nuovo l’inverno … Nel prato – una manciata di mele di cemento – E il fianco di un rospo … E il Dio crocifisso è inscritto nella sagoma di Orione … 342
Lilia Velichko *** Autunno. Le mosche non volano, E i diavoli sbadigliano all'inferno. La penna disegna meccanicamente Lo stormo delle virgole e dei punti. Il mondo è misurato, inibito, Tutto quasi in letargia, E le foreste semispogliate Causano tremore sulla pelle … Foglie a colori. Sogni senza vernici. Pioggia lecca marciapiedi, E il vecchio bidello spazza via Dagli aceri le mascherine strappate. Punti non messi a posto. Il sangue scorre lentamente nelle vene. Anche il cielo si è sbiadito – Piange piano e profetizza. 343
Lilia Velichko CASINÒ “AUTUNNO” Fogli di autunno – scarti delle vecchie carte – Un mazzo sgualcito giocato. E la dama pic, tutta in giallo body art, Si trova nel fango ... Il tempo è terribile! Il mondo è dipinto in modo ridicolo, alla Dalí. La mia anima, oh Dio, ha bisogno di qualcosa. E io e te siamo rimasti vis-a-vis – Sorridiamo uno all’altro sforzandosi … E il parco lancia un fante di briscola sul marciapiede (con questo fogliame d`autunno sembra una pizza). L’autunno avvicina al cuore la pistola E credo, che avrà deciso di spararsi … E il suo sangue, versato sull'erba, Alla mattina si trasformerà nella brina bianca … E il parco berrà il silenzio fino all’ultima goccia, L'autunno scomparirà – l'ombra dall'uccello giallo … ........ ........ Invece io e te non potevamo immaginarlo, Quanto è fragile il sogno nella valle di Dalí … 344
345 Diana Knaus
Victoria Levina NUOVA VITA cominciò a programmare un nuovo giorno. Una volta che la d`agitazione e d`incremento emotivo che aveva il suo nome in codice “farfalle nello stomaco” riempì tutto il suo corpo. Farfalle svolazzavano dentro, nel profondo del suo essere, e alcune sono arrivate fino al cuore e anche penetrate nel cervello lampeggiando lì come vivaci esplosive fontane di gioia. “Oggi, accadrà oggi!” – il ritornello batteva nella testa di Ruth. Il giorno prima ha persino preso una pillola di sonniferi, cosa che di solito non ha mai fatto per dormire abbastanza, per pensieri inutili. Un alzarsi vigoroso – e, zoppicando, avvicinarsi alla finestra, aprirla e lasciar entrare la brezza marina libera! Ruth respirò a petto pieno e rise: “Oggi la vedrò! E non solo la vedrò ...” Il telefono squillò. “Che brutto momento!” – ha fatto una smorfia ... Il contatto con il mondo esterno non faceva parte dei piani di Ruth. L'orario dell'operazione è fissato, tutte le azioni sono pianificate, e non voleva far entrare nessuno nella sua vita oggi. È iniziato tutto qualche mese fa, quando Dani, il suo fedele amico dell'Università, l'ha chiamata e, soffocato dall'agitazione, ha iniziato a parlare veloce veloce attraverso la comunicazione video. All'inizio Ruth non sapeva nemmeno di cosa si trattasse. Dani ha lavorato in un laboratorio universitario e ha guidato un gruppo di sviluppatori di tecniche di rigenerazione biologica. – Parla chiaro! Cosa vuol dire che hanno scelto le mie cellule ! Sì, 346
Victoria Levina ricordo di aver fatto un test nel tuo laboratorio. È stato divertente. E poi mi hai chiamato e mi hai detto che il mio materiale biolo- gico ha una fantastica memoria genetica! – Scusa, scusa, scusa! – cicalava allora Dani, e lo schermo lo faceva vedere agitato e persino sentire le sue mani sudate legate alla serratura. – Capisco che sto invadendo il tuo spazio persona- le. Certo che puoi rifiutare. Ma non hai sempre detto sul corso che la tua volontà è illimitata e puoi permetterti tutto? A meno che tu non sia mai una ballerina nel Teatro dell'opera e del ballet- to di Vienna. Ricordi la nostra discussione? Ti ho detto che è pos- sibile? E cercherò di dimostrarti nel prossimo futuro che non si- amo ancora consapevoli di tutte le nostre possibilità! Sì, Ruth si ricordava di quel giorno, e la loro conversazione era molto chiara. Inoltre: l'idea che assolutamente tutto può essere sviluppato, migliorato, sostituito, in casi estremi – profondamente si stabilì nella sua testa. Si occupavano di ingegneria genetica. E solo allora ha iniziato la ricerca sulle proprietà delle cellule staminali. È andata, Ruth, in farmacologia. E Dani, il suo amico insaziabile e sputafuoco Dani, ha ottenuto un laboratorio promettente con tutte le attrezzature necessarie all'Università. È stato tanto tempo fa. Ruth accarezzò con il palmo della mano la gamba debole e zoppicante, rovinata dalla paralisi infantile. La serviva fedelmen- te come poteva. Ma ora è il momento di provare a ricominciare a vivere. Con una gamba nuova, forte e bella, fatta crescere da Dani dal suo stesso biomateriale in una nuova clinica nel centro del paese. “Oggi, accadrà oggi!” – tutto cantava dentro Ruth, e le farfalle svolazzavano nello stomaco. Il telefono squillò di nuovo e interruppe il flusso dei suoi ricordi. – Pronto! – Ruth ha quasi urlato per la risposta. 347
Victoria Levina Hanno chiamato della clinica e le hanno chiesto come si senti- va e se fosse pronta per l'intervento. L'operazione era seria. E lo- gicamente, avrebbe dovuto essere nella clinica molto tempo fa. Sottoporsi a un allenamento rilassante, prepararsi per un interven- to di molte ore nel suo “spazio personale”. L'operazione inizierà tra cinque ore. È ora di uscire di casa. Uscire per una nuova vita. se stessa. Stava per sostituire la sua gamba “problematica” con una nuova, immacolata, simile come due gocce d'acqua con la nativa, zompicante e debole. arto sano dalle sue stesse cellule staminali. La gamba cresceva, si formava, prendeva contorni familiari ai dettagli. Stessa forma del- le unghie, stesso piede, stesso ginocchio. Indebolito da una malat- tia infantile che una volta lo sradicava, il prototipo zoppo in quel momento si contrasse prudente e timido, e sembrava persino pi- agnucolare piano piano ... Ma è grazie a questa gamba fisicamen- te imperfetta che Ruth è chi è: volitiva, testarda, propositiva! I soffitti della clinica sono bianchi bianchi, accecanti. La luce dei punti incorporati nelle modanature qua e là lungo tutto il cor- ridoio che conduce alla sala operatoria fa chiudere gli occhi. Voci suonano ovattate, finché non si fondono in un indistinto brusio, e quindi scompaiono da qualche parte ... Il chirurgo ortopedico era un “luminare” ospite dall'America. Il “luminare” ha chiesto di togliergli il sudore dalla fronte. Beh, il caldo in questo paese, nonostante l'aria condizionata! D'altra par- te, va tutto bene. Una gamba artificiale è una gamba, niente di speciale. Anche una giovane donna in anestesia profonda, sdraia- ta di fronte a lui sul tavolo operatorio, – una donna in anestesia profonda, niente di speciale. 348
Victoria Levina In un angolo lontano, vicino alla cella frigorifera con una gran- de finestra trasparente, dove giaceva una gamba artificiale pronta per l'intervento, creata da lui, prima nata nella sua testa e poi nel suo laboratorio con la sua attrezzatura, e davanti al “luminoso” stava in piedi un pallido Dani quasi morendo di paura. La crio-attrezzatura chirurgica ha confermato tutte le sue ec- cellenti caratteristiche, il sistema di circolazione dei sistemi vitali della vascolarizzazione e della pulizia funzionavano come un oro- logio. E anche se il lavoro è stato previsto per molte ore ed era un po, diciamo, “non convenzionale” o qualcosa del genere, tutto è andato secondo i piani. E già dopo le cinque ore, la sorella di sala operatoria asciugò l'ultima volta il sudore dalla fronte del “lu- minare” prima che sospirasse con il sollievo e disse: – Basta! Come dici: il balletto di Vienna? – ridendo si diresse a togliersi i guanti e la vestaglia nell'unità postoperatoria. Ruth rimase ancora per un po' a giacere sotto la potente luce dei soffitti della sala operatoria, rinnovata, rinata, nuda come Eva, coperta di bianco. È stata monitorata dai sistemi di supporto vita- le. La cannabis è già stata iniettata nel sangue. Dani era seduto raggomitolato nel corridoio, né vivo né morto. – Il balletto di Vienna, eh? – la voce del chirurgo batteva il cervello. In un primo momento, tutti i contorni si sono sfocati, girando sempre più forte, fino a quando Ruth non è stata trascinata in un imbuto, profondo e silenzioso. Poi, un paio di giorni dopo, i suoni hanno iniziato a rompere il blocco silenzioso del cotone. Lei ha iniziato a distinguere tra muri la vestaglia bianca dell`infermiera, faccia di Dani. Aveva sete. – Ho sete! – ha appena chiesto Ruth. Dani balzò in piedi e gridò a tutto il reparto: – Ha sete! Evviva, ha sete! 349
Victoria Levina Dopo alcuni sorsi, il cervello si schiarì e Ruth chiese: – Com'è andata? – Bene, è andata bene! – Dov'è? – Cosa? – all'inizio non ho capito Dani. – La mia amica zoppa. Dani stranamente guardò Ruth e disse tranquillamente: – Sai, dobbiamo tenerla al sicuro. Per la storia, per l'esperi- enza. Per migliorare ulteriormente la tecnologia di rinnovamento. forse. Ruth sorrise per la prima volta: – Sì, veniamo a trovarla insieme quando tornerò dal tournée! – le pareti della clinica non hanno sentito un'esplosione di risate di tale forza! Poi Ruth chiese a Dani di lasciarla sola e chiamò l`infermiera. coraggio. Il nuovo trapianto giaceva sul letto come un tronco: gonfio a dimensioni gigantesche, immobile, provocante dolore insoppor- tabile. Ruth non sentiva alcuna parentela con esso. Pianse dolce- mente e chiese un antidolorifico. E poi di nuovo s`è immersa nell'imbuto. Il processo di riabilitazione è stato lungo e doloroso. All'inizio il trapianto faceva male, poi ostinatamente non voleva muoversi di almeno un centimetro, poi non voleva piegarsi almeno di un grado. E poi è venuto un attimo il “luminoso” prima di volare via in America: qualunque cosa tu sia! Ti dico una cosa: hai tirato fuori il biglietto fortunato! 350
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